Dein Name buchstabiert

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Walther

Mitglied
Dein Name buchstabiert


Du sagst es in den Wind und sprichst es leicht:
Entschweben Worte den Gespensterlippen?
Pulsiert kein Herz mehr unter Deinen Rippen?
Da ist kein Odem, der dem Mund entweicht!

Die Finger können nicht mehr lässig schnippen,
Was sonst Dein Schwadronieren unterstreicht!
Vergeblich, weil nichts meine Welt erreicht,
Und mögen Deine Unterschenkel wippen,

Ich hätte alles nur imaginiert!
Du gibst den bösen Geist in meinen Träumen,
Der lächelnd meine Einsamkeit seziert.

Du füllst die Leere in den Seelenräumen.
Fast war von mir Dein Name buchstabiert,
Da rascheln kalte Winde in den Bäumen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Name gehört mit zu den wichtigsten Eigenschaften, so wurde er auch schon oft besungen, wie zum Beispiel von Uschi Brüning "Deinen Namen". http://www.golyr.de/uschi-bruening/songtext-dein-name-431657.html
Und das Schreiben, angefangen vom Menetekel in der Bibel, bis hin zu Schlagern: Bitte schreib es mir in den Sand.

Hier aber haben wir eine Besonderheit.
Sie ist tot oder ein Geist oder eine Vision, leblos, die Bewegung eine Illussion, so ist der Name alles und die Gesamtheit. Hat das Buchstabieren die Magie, die Worten zugeschrieben wird? Es werde sein und es wird sein?
Oder bleibt es ein Traum?
Die Seele ist leer, zum Teil. Sie wird gefüllt, aber es ist ein schwerer Traum, ein Alptraum. Der Name tröpfelt ins Leben, Buchstaben für Buchstaben ...

... und wird ausgelöscht?
 

Walther

Mitglied
Lb. Bernd,

danke für Deinen Eintrag. Ich habe in diesem Sonett versucht, eine traumatische Beziehung nachzuempfinden, die den einen der beiden Beteiligten in einer unaufgelösten Seelenlage der Wut, Enttäuschung, fast Rachsucht, zurückgelassen hat, während der andere ging, ohne daß der Zurückgebliebene Satisfaktion erhalten hätte. die ihm den Seelenfrieden hätte bringen können.

Der Name, das genannt oder gerufen Werden, ist hier Synonym für die Personifizierung. Obschon doch tot macht die Namensnennung auf eigentümliche Art "lebendig". Sie entreißt Tote dem Vergessen. Nicht umsonst werden in Jad Vashem die Namen der in der Shoa des Nazismus Ermorderten ausgerufen, um sie in Erinnerung zu behalten, um ihnen das Leben zu geben, daß ihnen die Todesmaschinerie von Hitlers Schergen nahm, als später Sieg der Ermordeten über ihre Mörder, die ihrerseits in Vergessenheit geraten.

In diesem Gedicht darf im Gegensatz dazu deshalb der Name des LyrDu nicht zu Ende buchstabiert werden, damit der Andere nicht wieder obsiegt. Jetzt, inden das LyrIch ihn nicht nennt, beginnt der Akt des Vergessens, der Sieg des Lebens über den Tod, der Überlebende hat nun die Chance zu einem Ausstieg aus dieser traumatisch-einseitigen Beziehung und damit zur Satisfaktion.

Ich weiß, dieser Text ist sperrig. Vielleicht habe ich mit dafür nicht geeigneten Mitteln zuviel gewollt. So geht es uns ja immer wieder, wenn wir lyrisch etwas wagen.

In diesem Sinne danke ich Dir für Deine tiefgründige Interpretation, die einem traurigen Text ein noch traurigeres Ende erspart, dem nämlich, nicht evoziert, nicht gerufen zu werden und sang- und klanglos unterzugehen.

LG W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Text hat mich beeindruckt, aber ich habe etwas länger gebraucht, um über ihn zu schreiben, In gewisser Weise bin ich Deinen Intentionen sogar gefolgt.
Denke ich.
 

Walther

Mitglied
Lb. Bernd,

Du hast gut herausgelesen, was ich sagen wollte. Allerdings scheint der Rest der Lupeleserschaft nicht ganz Deiner Einschätzung ("beeindruckt"!) zu folgen. :) Aber man kann nicht alles haben.

Vielen Dank für das Verhindern, daß der Text früh der Vergessenheit anheimfiel!

LG W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

wenn man verletzt wurde, dauert es einige Zeit bis die Dinge dem Vergessen anheim fallen. Manchmal taucht der Beleidiger tatsächlich in den Träumen auf und wenn er sich einen Platz erobern kann, ist dies ein Zeichen, dass die Wunden noch nicht verheilt sind.

"Du gibst den bösen Geist in meinen Träumen,
der lächelnd meine Einsamkeit seziert."

Die Einsamkeit an sich ist schon schlimm genug. Wenn sie einem dann noch zusätzlich vorgehalten wird auf hämische Weise, wie soll man einen solchen Schmerz ertragen?

Ein fast verbitterter Text, wäre da nicht der Schluss, welcher die böse Sache abbricht und zunächst zum Stillstand bringt.

Der Name ist immer ein Synonym für den Menschen oder die Sache. Nicht umsonst ruft man in der Not einen Namen.

Ein gelungenes Sonett über die Verletzungen, die man im Laufe seines Lebens auch manchmal einsammelt. Aber ein solcher Text ist bereits eine erste Hilfe, um die verwundete Seele wieder zu heilen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

danke für Deinen Eintrag und Deine Bewertung. Wie immer gehst Du sehr einfühlsam mit dem Protagonisten um, der - zu meinem Glück - nichts mit dem Autor zu tun hat. Ich habe versucht, eine solche Gefühlsgemengelage zu erahnen und zu formulieren.

Wenigstens bei einigen Leser scheint das gelungen sein. Dafür bin ich dankbar, zeigt es mir doch, daß der Text nicht ganz verunglückt ist.

Frohes Dichten und Werken.

Alles Liebe

W.
 



 
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