Renee Hawk
Mitglied
Dem Sonnenuntergang entgegen
An manchen Tagen wünsche ich mich weit weg.
So weit, wie mich meine Füße tragen könnten.
Dann würde ich auf meinem Pferd in Richtung Sonnenuntergang reiten.
Mit Sicherheit wäre ich dann der ›Lonesome Rider‹ im falschen Körper.
Es wäre mir egal.
Meine Dispute trage ich durch Duelle aus.
Ein weiblicher Revolverheld bin ich.
Geächtet.
Geachtet.
Gefürchtet.
Gefährlich.
Jeder Sheriff zittert vor Angst, wenn er meinen Steckbrief in seinem Büro erblickt.
In jedem Saloon bin ich die gefeierte Heldin der Schwachen und Armen.
Jede Zeitung berichtet über meine Duelle und lobt mich in den höchsten Tönen.
Gegen Korruption und Sklaverei stelle ich mich und den Verantwortlichen spucke ich ins Gesicht. Auf meine Art und Weise mache ich ihnen deutlich, welche Fehler sie in Wirtschaft und Politik machen. Gegen Großgrundbesitzer und Viehdiebe kämpfe ich und werde unbestechlich meinen Sieg davon tragen.
In einer privaten Angelegenheit allerdings kämpfe ich verbissen um meine Liebe. Es wird Blut fließen.
Jedoch nicht ein Tropfen meines roten Lebenselixiers wird die staubige Strasse berühren – ich bin schnell, für meine Rivalin viel zu schnell.
Eine Zeitlang betrachte ich das Spiel zwischen den beiden. Meinem Mann unterbreite ich meinen Missmut. Wahrscheinlich werde ich keinen Erfolg haben, und das Geplänkel zwischen ihnen wird weitergehen. Mit allen Mitteln kämpfe ich um seine Liebe und möchte ihn wieder für mich gewinnen.
Im Spiegel schaut mir mein minderwertiges Ich entgegen.
Bin ich das?
Würde ich nicht spätesten jetzt im Stall mein Pferd satteln und in den Sonnenuntergang reiten?
Ich würde es tun.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen wäre ich noch vor einem Jahr aus seinem Leben geritten und hätte ihr mein Mann und ›Lightmountain-City‹ überlassen.
Als Revolverfrau hätte ich damals jämmerlich versagt.
Doch zwölf Monate haben mich verändert.
Eine Entwicklung, die es mir jetzt erleichtert, egoistisch zu sein und mein Leben Selbst zu bestimmen.
Zum größten Duell aller Zeiten fordere ich sie heraus.
Selbstverständlich als sportlicher Wettkampf getarnt. Und als Siegesprämie habe ich dem Bürgermeister von ›Lightmountain-City‹ üppiges Farmland aus den Rippen geleiert. Dabei habe ich selbstverständlich nicht vergessen, ihn auf die Vorteile des Tourismusgeschäftes hinzuweisen und ihm eine beträchtliche Summe versprochen.
Doch meine Rivalin ist anwesend. Sie lässt es sich nicht nehmen und nimmt an diesem Spektakel teil. Zwar nicht als Schützin, sondern nur als Zuschauerin.
Sie steht in mitten der Menschen.
Durch geschicktes Manipulieren konnte ich sie zum Turnier anmelden und bis zum Finale durchschleusen; ohne das man ihr auch nur ein Haar gekrümmt hat.
Nun schlägt die Rathausuhr ›High Noon‹. Und die ›Main Road‹ wird rechts und links von Menschenmassen gesäumt. Scharfschützen besetzen aus Sicherheitsgründen die Balkone der Bank und des gegenüberliegenden Saloons.
Der Bürgermeister dreht nervös seinen schwarzen Zylinder in den Händen. Eine ganze Stadt schweigt und beobachtet angespannt jede Bewegung der Duellierenden. Unzählige Augenpaare ruhen auf meiner Revolverhand und zahlreiche Männer beneiden mich um meine scheinbare äußerliche Ruhe.
Langsam, wenn ich von Osten her die Hauptstrasse heraufkomme, wühlen sich Staubwölkchen unter meinen Stiefeln empor und benetzen das schwarze Schlangenleder. Bei jedem meiner Schritte schlagen die Sporen metallen in den Sandboden und verkünden Unheil.
In meinem langen braunen Ledermantel schwitze ich, der Hut liegt mir schwer auf dem Kopf, er verdeckt mein Gesicht und verströmt einen intensiven Schweißgeruch.
Nur mit meinen Augen blicke ich über die Zuschauer.
Der Bürgermeister wirkt noch nervöser.
Betty, die Saloonbesitzerin, lächelt mir verständnisvoll zu.
Im Gesicht meines Mannes kann ich Angst erkennen. Er will sich mir in den Weg stellen und macht einen Schritt nach vorn.
Die Kälte in meinem Blick lässt ihn zurückschrecken.
In diesem Augenblick zählt nur mein Sieg über eine Frau, die mir mein Liebstes nehmen will.
Kalt fixieren meine Augen ein zitterndes junges Küken mit langen blonden Haaren und zerschlissenen Hosen. Ihren Hut hat sie in den Sand geworfen und auf ihren Lippen liegt ein bösartiges Lächeln, das nur unzureichend ihre Unsicherheit überspielt.
Ihre Angst kann ich riechen.
Mein Mann legt verbalen Protest ein und will mich zur Aufgabe bewegen.
Doch ich lege meine rechte Hand auf das kühlende Metall meines geladenen Revolvers und einen Augenblick versinke ich in der Sehnsucht nach ehrlicher Liebe, um Kraft zu sammeln.
Die Distanz zwischen ihr und mir wird sich weder verkürzen noch verlängern. Und doch hege ich das Gefühl, als bewege sie sich im Zeitraffer auf mich zu; denn mit einem Mal kann ich mich in ihren Pupillen deutlich erkennen.
Der lange, offene Mantel, der Revolvergürtel, der schwarze Hut.
In diesem Moment schwirren mir tausend Gedanken durch den Kopf und schürt meinen Hass auf diese schamlose Frau.
Meine Finger wollen sich um den Kolben schließen, nur widerwillig kann ich den richtigen Zeitpunkt abwarten.
Vor meinem inneren Auge tauchen Bilder von Szenarien auf, die ich nicht sehen will. Sie beschreiben das innige Verhältnis zwischen meinem Mann und meiner Nebenbuhlerin. Beide kann ich lachen und scherzen sehen. Selbst ihre vertrauten Gespräche kann ich belauschen, und meine Wut wird immer schmerzlicher.
Es brennt wie Feuer in meinem Herzen.
Kaum mehr zu bremsen und gesteuert von meinem unendlichen Hass, ziehe ich meinen Revolver aus dem Holster und feuere im blinden Rausch das Magazin vollständig auf meine Rivalin ab.
Das blutige Rinnsal auf ihrer Stirn, ihr starrer Todesblick und das langsame Zusammensacken ihres sterbenden Körpers bestätigen meine Treffsicherheit.
Emotional habe ich nicht über sie gesiegt, denn diese Frau ist austauschbar. Wie meine Stiefel oder meinen Hut, den ich auf ihren am Boden liegenden Körper fallen lasse.
Sie ist es nicht wert, auch nur eine Patrone zu verballern. Nein, emotional bringt nur ein Duell zwischen mir und meinem Mann den wahren Sieger hervor.
Doch gegen ihn werde ich niemals antreten.
Letztendlich sattele ich mein treues Pferd und reite gen Sonnenuntergang.
230503
An manchen Tagen wünsche ich mich weit weg.
So weit, wie mich meine Füße tragen könnten.
Dann würde ich auf meinem Pferd in Richtung Sonnenuntergang reiten.
Mit Sicherheit wäre ich dann der ›Lonesome Rider‹ im falschen Körper.
Es wäre mir egal.
Meine Dispute trage ich durch Duelle aus.
Ein weiblicher Revolverheld bin ich.
Geächtet.
Geachtet.
Gefürchtet.
Gefährlich.
Jeder Sheriff zittert vor Angst, wenn er meinen Steckbrief in seinem Büro erblickt.
In jedem Saloon bin ich die gefeierte Heldin der Schwachen und Armen.
Jede Zeitung berichtet über meine Duelle und lobt mich in den höchsten Tönen.
Gegen Korruption und Sklaverei stelle ich mich und den Verantwortlichen spucke ich ins Gesicht. Auf meine Art und Weise mache ich ihnen deutlich, welche Fehler sie in Wirtschaft und Politik machen. Gegen Großgrundbesitzer und Viehdiebe kämpfe ich und werde unbestechlich meinen Sieg davon tragen.
In einer privaten Angelegenheit allerdings kämpfe ich verbissen um meine Liebe. Es wird Blut fließen.
Jedoch nicht ein Tropfen meines roten Lebenselixiers wird die staubige Strasse berühren – ich bin schnell, für meine Rivalin viel zu schnell.
Eine Zeitlang betrachte ich das Spiel zwischen den beiden. Meinem Mann unterbreite ich meinen Missmut. Wahrscheinlich werde ich keinen Erfolg haben, und das Geplänkel zwischen ihnen wird weitergehen. Mit allen Mitteln kämpfe ich um seine Liebe und möchte ihn wieder für mich gewinnen.
Im Spiegel schaut mir mein minderwertiges Ich entgegen.
Bin ich das?
Würde ich nicht spätesten jetzt im Stall mein Pferd satteln und in den Sonnenuntergang reiten?
Ich würde es tun.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen wäre ich noch vor einem Jahr aus seinem Leben geritten und hätte ihr mein Mann und ›Lightmountain-City‹ überlassen.
Als Revolverfrau hätte ich damals jämmerlich versagt.
Doch zwölf Monate haben mich verändert.
Eine Entwicklung, die es mir jetzt erleichtert, egoistisch zu sein und mein Leben Selbst zu bestimmen.
Zum größten Duell aller Zeiten fordere ich sie heraus.
Selbstverständlich als sportlicher Wettkampf getarnt. Und als Siegesprämie habe ich dem Bürgermeister von ›Lightmountain-City‹ üppiges Farmland aus den Rippen geleiert. Dabei habe ich selbstverständlich nicht vergessen, ihn auf die Vorteile des Tourismusgeschäftes hinzuweisen und ihm eine beträchtliche Summe versprochen.
Doch meine Rivalin ist anwesend. Sie lässt es sich nicht nehmen und nimmt an diesem Spektakel teil. Zwar nicht als Schützin, sondern nur als Zuschauerin.
Sie steht in mitten der Menschen.
Durch geschicktes Manipulieren konnte ich sie zum Turnier anmelden und bis zum Finale durchschleusen; ohne das man ihr auch nur ein Haar gekrümmt hat.
Nun schlägt die Rathausuhr ›High Noon‹. Und die ›Main Road‹ wird rechts und links von Menschenmassen gesäumt. Scharfschützen besetzen aus Sicherheitsgründen die Balkone der Bank und des gegenüberliegenden Saloons.
Der Bürgermeister dreht nervös seinen schwarzen Zylinder in den Händen. Eine ganze Stadt schweigt und beobachtet angespannt jede Bewegung der Duellierenden. Unzählige Augenpaare ruhen auf meiner Revolverhand und zahlreiche Männer beneiden mich um meine scheinbare äußerliche Ruhe.
Langsam, wenn ich von Osten her die Hauptstrasse heraufkomme, wühlen sich Staubwölkchen unter meinen Stiefeln empor und benetzen das schwarze Schlangenleder. Bei jedem meiner Schritte schlagen die Sporen metallen in den Sandboden und verkünden Unheil.
In meinem langen braunen Ledermantel schwitze ich, der Hut liegt mir schwer auf dem Kopf, er verdeckt mein Gesicht und verströmt einen intensiven Schweißgeruch.
Nur mit meinen Augen blicke ich über die Zuschauer.
Der Bürgermeister wirkt noch nervöser.
Betty, die Saloonbesitzerin, lächelt mir verständnisvoll zu.
Im Gesicht meines Mannes kann ich Angst erkennen. Er will sich mir in den Weg stellen und macht einen Schritt nach vorn.
Die Kälte in meinem Blick lässt ihn zurückschrecken.
In diesem Augenblick zählt nur mein Sieg über eine Frau, die mir mein Liebstes nehmen will.
Kalt fixieren meine Augen ein zitterndes junges Küken mit langen blonden Haaren und zerschlissenen Hosen. Ihren Hut hat sie in den Sand geworfen und auf ihren Lippen liegt ein bösartiges Lächeln, das nur unzureichend ihre Unsicherheit überspielt.
Ihre Angst kann ich riechen.
Mein Mann legt verbalen Protest ein und will mich zur Aufgabe bewegen.
Doch ich lege meine rechte Hand auf das kühlende Metall meines geladenen Revolvers und einen Augenblick versinke ich in der Sehnsucht nach ehrlicher Liebe, um Kraft zu sammeln.
Die Distanz zwischen ihr und mir wird sich weder verkürzen noch verlängern. Und doch hege ich das Gefühl, als bewege sie sich im Zeitraffer auf mich zu; denn mit einem Mal kann ich mich in ihren Pupillen deutlich erkennen.
Der lange, offene Mantel, der Revolvergürtel, der schwarze Hut.
In diesem Moment schwirren mir tausend Gedanken durch den Kopf und schürt meinen Hass auf diese schamlose Frau.
Meine Finger wollen sich um den Kolben schließen, nur widerwillig kann ich den richtigen Zeitpunkt abwarten.
Vor meinem inneren Auge tauchen Bilder von Szenarien auf, die ich nicht sehen will. Sie beschreiben das innige Verhältnis zwischen meinem Mann und meiner Nebenbuhlerin. Beide kann ich lachen und scherzen sehen. Selbst ihre vertrauten Gespräche kann ich belauschen, und meine Wut wird immer schmerzlicher.
Es brennt wie Feuer in meinem Herzen.
Kaum mehr zu bremsen und gesteuert von meinem unendlichen Hass, ziehe ich meinen Revolver aus dem Holster und feuere im blinden Rausch das Magazin vollständig auf meine Rivalin ab.
Das blutige Rinnsal auf ihrer Stirn, ihr starrer Todesblick und das langsame Zusammensacken ihres sterbenden Körpers bestätigen meine Treffsicherheit.
Emotional habe ich nicht über sie gesiegt, denn diese Frau ist austauschbar. Wie meine Stiefel oder meinen Hut, den ich auf ihren am Boden liegenden Körper fallen lasse.
Sie ist es nicht wert, auch nur eine Patrone zu verballern. Nein, emotional bringt nur ein Duell zwischen mir und meinem Mann den wahren Sieger hervor.
Doch gegen ihn werde ich niemals antreten.
Letztendlich sattele ich mein treues Pferd und reite gen Sonnenuntergang.
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