Der Abstieg

3,00 Stern(e) 1 Stimme
Hauptkommissar Alexander Geißbock blickte zur Uhr. Noch fünf Minuten, dann war Feierabend und Wochenende. Restwochenende. Es war Sonnabend aber der Sontag gehörte ihm. Das Ende der ersten Maiwoche, sechs Jahre nach dem Millennium.
Ein schönes Wochenende. Zufrieden strich er über das Prospekt auf seinem Schreibtisch.
Er würde am Sonntag an einer Ausstellung teilnehmen. Seine „Red Power“ hatte alle Chancen, immerhin.....
Das Telefon schrillte!
Geißbock schielte zur Uhr. Leider, er hatte noch Dienst.
„Hauptkommissar Geißbock, Polizeiinspektion ....“, ein lauter Aufheuler unterbrach ihn, „ ... auch das noch!“
Der Hauptkommissar hakte nach. „Was bitte ... auch das noch?“
„ Ach nichts“, schluchzte eine weibliche Stimme, „es war nur ihr Name.“
„ Ja, damit müssen wir jetzt beide leben, was kann ich noch für sie tun?“
„Ich wollte melden, dass mein Tod Selbstmord ist.“ Die gepresste Stimme deutete auf Stress.
„Rufen sie aus dem Himmel an?“ Geißbock blieb cool. Erst mal abklopfen.
„Wieso?“ Leichte Orientierungslosigkeit war rauszuhören.
„Sie haben erklärt, dass sie tot sind und zweitens dass es Selbstmord ist. Sie sind der erste Tote, der sich im Revier meldet. Das hatte ich noch nicht.“
„Nein!“,..kam es wütend aus dem Hörer, „...ich bringe mich erst noch um.“
„Ach, so und warum teilen sie mir das mit?“
Einem kurzen Schweigen folgte wieder Schluchzen. „Ich möchte nicht, dass mein Mann in Verdacht gerät. Er hätte allen Grund. Aber ich beende das Elend selber.“
„Darf ich den Grund des Elends erfahren?“
Lautes heulen setzte ein, „unser FC Kölle hat Sechs Null gegen Bremen verloren ...“, ein weiterer Aufheuler, „... wir steigen ab. Es ist nicht mehr zu ändern!“
Geißbock stöhnte innerlich. Köln und Fussball, ein Kapitel für sich. Ihn interessierte das nicht sonderlich. Aber als Kölner hatte man keine Chance, dem Thema aus dem Weg zu gehen. Er wusste sogar, dass da ein ganz neuer Stern am Himmel blinkte, ein Herr Lukas Podolski. So, und nun waren die also heute abgestiegen, ein Spiel vor Saisonende, na Mahlzeit. Köln auf Halbmast.
Geißbock hakte nach. „Ihr Selbstmord soll jetzt wie den Abstieg verhindern?“
„Gar nicht“, jammerte es zurück, „ mein Mann kommt nachher vom Spiel nach Hause. Dann kommt alles raus.“
„Sie meinen, er war beim Spiel und hat nichts mitbekommen? Klingt etwas merkwürdig.“
Geißbock suchte noch dem roten Faden.
„Das doch nicht“, kam es apathisch aus dem Hörer, „ich habe alles verspielt.“
Bei Geißbock begann es zu klickern. „ Sie haben auf Köln gesetzt?“
„Ja, die durften doch nicht verlieren!“
„Wie viel?“
„Alles!“
„Und ihr Man hat nichts davon gewusst?“
„Nein, es sollte eine Überraschung sein“
„In Ordnung, Geißbock nahm einen Stift in die Hand, „sie sagen mir jetzt Name und Adresse und dann ist ihr Mann abgesichert. Gut, dass sie so fürsorglich sind.
„Meinen Namen sage ich ihnen, Frau Henning, die Adresse nicht. Sie wollen ja bloss herkommen.“
Geißbock grunzte, einen Versuch war es wert gewesen.
„Aha, sie sind also zu Hause. Darf ich fragen, an was sie bei ihrem Ende gedacht haben?
„Ich springe aus dem Fenster!“
Geißbock blieb dran. „Welche Höhe haben sie denn gewählt?“
„Sechster Stock!“, kam es selbstbewusst durch den Hörer. Der soll nicht denken, dass ist hier Spass.
„Nicht gut.“ Geißbock machte eine Pause. „Da hatten wir schon etliche Fälle, die überlebten. Alles Krüppel, meistens querschnittsgelähmt. Furchtbare Sache.
Am anderen Ende wurde das Schnaufen leicht wütend. „Wollen sie mir damit sagen, ich soll aufs Dach gehen? Sie nehmen mich nicht ernst. Ich stehe bereits auf dem Fenster, nur dass sie Bescheid wissen.“
Geißbock legte nach.
„Ist das ihr erster Sprung?“
„Waaaaasssss?“ die Stimme wurde leicht hysterisch, „...sie ticken wohl nicht richtig?“
Geißbock war auf dem richtigen Weg. Der Kandidat begann sich emotional neu zu orientieren.
„Sie dürfen mich da nicht missverstehen Frau Henning. Viele Selbstmörder springen nicht. Sie brauchen nur Aufmerksamkeit für ihr Problem. Die Feuerwehr kann in unserer Stadt einige Leute schon mit Handschlag begrüßen. Aber ich habe verstanden, ihr Fall liegt anders.“
„Genau!“ kam es trotzig. Ich meine es ernst.“
Geißbock begann das Problem weiter einzukreisen.
„ Sie sind doch sehr fürsorglich. Meinen sie nicht das ihr Sprung im Ergebnis einen Anblick hat, der die Leute schockieren wird? Der kleine Laden gegenüber, oder das Haus des Nachbarn...?
„Nein, es gibt kein Gegenüber.“ Das klang jetzt schon etwas müde. „Daran habe ich selber gedacht.“
Noch nicht die Informationen die Geißbock sich erhoffte.
„Heißt was Frau Henning?
„Ich habe die Rückseite gewählt. Da sind nur Gärten und viel weiter weg die Kirche.“ Ein schluchzen unterbrach den Ausblick. „ Da bin ich dann auch bald......bei der Herz Jesu Kirche.“
Geißbock war beim Stichwort Kirche hochgefahren. Herz Jesu liess ihn unruhig werden. Nicht nur eine der schönsten, sondern auch eine der größten. Die konnte man gut sehen. Den Blick auf die Kirche gabs zum Beispiel von seinem Haus! Er musste das einkreisen.
„Sie sehen den Eingang zur Kirche?“
„Ja?“ leichte Verwunderung lag in der Antwort.
Geißbock traten Schweißperlen auf die Stirn. Ihm war alles klar. Er kannte diese Frau Henning. Der Name war ihm gleich aufgefallen. War vor vier Monaten ins Haus gezogen. Sie mindestens drei Zentner, ihr Mann ein Drittel davon. Vor dem hatte sie Angst? Egal. Jetzt lag der Fall ganz anders. Das betraf ihn persönlich. Und wie. Er drückte auf die Taste und hielt mit der Hand die Sprachmuschel zu. Die Tür ging auf.
„Chef?“
„ Mit Höchsttempo zu meinem Haus, sechster Stock, Frau Henning. Die will aus dem Fenster springen. Hausmeister wohnt unten, hat einen Generalschlüssel. Holt mir das Weib vom Fenster.
„Jawohl Chef!“ Die Tür ging zu.
Geißbock konzentrierte sich. Der Sprung war auf jeden Fall zu verhindern. Das würde eine Katastrophe geben.
„Frau Henning ich kann mich voll in ihre Lage versetzen.“ Zwei Kisten Kreide waren virtuell so eben von Geißbock verschlungen. Seine Stimme war kurz vor Heiratsschwindler.
„Vielleicht haben sie ja noch eine Chance bei den Lottozahlen?“ Wer wettet, muss auch Lotto spielen, auf das Pferd setzte Geißbock jetzt.
„ Ja, aber das will ich gar nicht mehr wissen.“ Resignierendes Schluchzen unterstrich die Gemütslage. Doch das reichte Geißbock.
„Nun ja Frau Henning, ich denke da sollten wir noch ein paar Worte zu wechseln. Ich spiele auch. Für eine Reihe von Zahlen kann man schon sagen ob sie eine gute Chance haben.
„Wie meinen sie das?“ Ganz uninteressiert klang das nicht. Geißbock begann mit Zeit schinden.
„Nehmen wir die 19. Haben sie die?“
„Ja?“
„Kommt immer wieder obwohl sie viele haben.“
„Wieso?“
„Geburtstagstipp liebe Frau Henning. Die mit der achtzehn machen nicht mehr mit und die mit der zwanzig noch nicht. Aber auf Grund der Häufigkeit des Tippens, wird sie suggestiv auch häufig gezogen. Ein bekanntes Phänomen. Sie haben doch sicher auch Geburtstagszahlen gewählt?“
„Ja da haben sie recht.“ Das klang einigermassen ruhig, Geißbock legte nach.
„Sehen sie, da sind sie im Bereich eins bis zwölf. Sehr gute Zahlen. Extrem hohe Ziehungswahrscheinlichkeit.
„Sie meinen ich habe Chancen?“
„Auf jeden Fall.“ Langsam ging ihm die Puste aus. Er musste kreativ werden.
„Was haben sie denn noch?“
„Die 23!?“ Die Stimme war leise geworden. Geißbock trommelte leicht mit den Fingern. Hoffentlich sind die Jungs bald da.
„Sehen sie Frau Henning, aber dass ist doch die absolute Glückszahl.“
„Mein Geburtstag ist eine absolute Glückszahl?“
Ja, wenn ich ihnen das sage. Doppelte Primzahl. Wird deshalb besonders häufig gezogen. Mathematisch sehr kompliziert, warum das so ist. Aber ich denke es ist wichtig, dass sie das genauer wissen, zumal wenn es ihr Geburtstag ist.“ Geißbock hatte den Schlipsknoten längst Richtung Bauchnabel. Zwei Knöpfe vom Hemd waren auf geöffnet. Himmel, Himmel was konnte er noch erzählen.
„Die doppelt Primzahl ist was ganz besonderes. Eine Zahl, die nur durch sich selbst teilbar ist, und ihre Quersumme auch. Die Quersumme bildet sich......“, ein Schrei und lautes Poltern unterbrach Geißbock´s Vortrag. Dann war die Verbindung weg.
Es klingelte.
Geißbock nahm mit schwitzender Hand ab.
„Ja?“
„Chef ich bins. Alles klar. Wir haben die Frau. Nur das Handy hat den Abflug gemacht. Kleiner leichter Schaden, ist in irgendeiner Scheibe gelandet.“
„Alles klar!“ Geißbock legte auf. Er war erleichtert. Das Wochenende war gerettet. Er hielt das Prospekt hoch. „Ja auch du meine liebe Tulpe „Red Power“ bist gerettet.“
Nicht auszudenken, wenn statt dem Handy die dicke Kuh in seinem Gewächshaus gelandet wäre.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Wunderbare Pointe!

Leider etwas viele Schreibfehler, aber die sollten sich rasch beheben lassen.

Der Anfang – das mit dem Restwochenende und vor allem dem Millennium – ist etwas zu "gewollt". Es ist auch für die Story relativ egal – nur, dass es ein Samstag sein muss, steht wohl fest. Auch die Erwähnung Podolskis ist eher überflüssig. Wenn sie dafür dienen soll, das massive Desinteresse des Helden zu zeigen, dann würde ich einen "dezenten" Fehler einbauen ("ein gewisser Luka Podowski oder so ähnlich").
 
hallo jon,

sehe ich auch so. schreibfehler sowieso.
der abstieg von köln ist echt und ich wollte den zeitbezug herstellen ohne plakativ das datum zu nennen. da kam diese etwas gewollte konstruktion raus. wirkt gestelzt, keine frage.
podolski ist allerdings eine kleine gehässigkeit. sie sind damals mit ihm abgetiegen. jetzt ist er wieder da und es sieht mau aus...ok seit er verletzt ist gewinnt köln auch mal ...:))
 

jon

Mitglied
Teammitglied
… dann man es doch mit dem echten Datum. Das lässt sich sehr schön harmonisch machen: Geißbock blickt entweder auf den Kalender und "denkt" "morgen Ausstellung" oder er liest auf dem Prospekt das Datum.
 
Hauptkommissar Alexander Geißbock blickte zur Uhr. Noch fünf Minuten, dann war Feierabend und Wochenende. Restwochenende. Sein Blick glitt von der Uhr zum Kalender. Sonnabend 6. Mai 2006 stand da. Doch das war nicht wichtig. Seine ganze Symphatie galt dem nächsten Kästchen, dem mit der sieben. Seine rechte Hand strich voller Vorfreude über das Prospekt auf seinem Schreibtisch.
Er würde am Sonntag an einer Ausstellung teilnehmen. Seine „Red Power“ hatte alle Chancen, immerhin.....
Das Telefon schrillte!
Geißbock schielte zur Uhr. Leider, er hatte noch Dienst.
„Hauptkommissar Geißbock, Polizeiinspektion ....“, ein lauter Aufheuler unterbrach ihn, „ ... auch das noch!“
Der Hauptkommissar hakte nach. „Was bitte ... auch das noch?“
„ Ach nichts“, schluchzte eine weibliche Stimme, „es war nur ihr Name.“
„ Ja, damit müssen wir jetzt beide leben, was kann ich noch für sie tun?“
„Ich wollte melden, dass mein Tod Selbstmord ist.“ Die gepresste Stimme deutete auf Stress.
„Rufen sie aus dem Himmel an?“ Geißbock blieb cool. Erst mal abklopfen.
„Wieso?“ Leichte Orientierungslosigkeit war rauszuhören.
„Sie haben erklärt, dass sie tot sind und zweitens dass es Selbstmord ist. Sie sind der erste Tote, der sich im Revier meldet. Das hatte ich noch nicht.“
„Nein!“,..kam es wütend aus dem Hörer, „...ich bringe mich erst noch um.“
„Ach, so und warum teilen sie mir das mit?“
Einem kurzen Schweigen folgte wieder Schluchzen. „Ich möchte nicht, dass mein Mann in Verdacht gerät. Er hätte allen Grund. Aber ich beende das Elend selber.“
„Darf ich den Grund des Elends erfahren?“
Lautes heulen setzte ein, „unser FC Kölle hat Sechs Null gegen Bremen verloren ...“, ein weiterer Aufheuler, „... wir steigen ab. Es ist nicht mehr zu ändern!“
Geißbock stöhnte innerlich. Köln und Fussball, ein Kapitel für sich. Ihn interessierte das nicht sonderlich. Aber als Kölner hatte man keine Chance, dem Thema aus dem Weg zu gehen. Er wusste sogar, dass da ein ganz neuer Stern am Himmel blinkte, ein Herr Lukas Podolski. So, und nun waren die also heute abgestiegen, ein Spiel vor Saisonende, na Mahlzeit. Köln auf Halbmast.
Geißbock hakte nach. „Ihr Selbstmord soll jetzt wie den Abstieg verhindern?“
„Gar nicht“, jammerte es zurück, „ mein Mann kommt nachher vom Spiel nach Hause. Dann kommt alles raus.“
„Sie meinen, er war beim Spiel und hat nichts mitbekommen? Klingt etwas merkwürdig.“
Geißbock suchte noch dem roten Faden.
„Das doch nicht“, kam es apathisch aus dem Hörer, „ich habe alles verspielt.“
Bei Geißbock begann es zu klickern. „ Sie haben auf Köln gesetzt?“
„Ja, die durften doch nicht verlieren!“
„Wie viel?“
„Alles!“
„Und ihr Man hat nichts davon gewusst?“
„Nein, es sollte eine Überraschung sein“
„In Ordnung, Geißbock nahm einen Stift in die Hand, „sie sagen mir jetzt Name und Adresse und dann ist ihr Mann abgesichert. Gut, dass sie so fürsorglich sind.
„Meinen Namen sage ich ihnen, Frau Henning, die Adresse nicht. Sie wollen ja bloss herkommen.“
Geißbock grunzte, einen Versuch war es wert gewesen.
„Aha, sie sind also zu Hause. Darf ich fragen, an was sie bei ihrem Ende gedacht haben?
„Ich springe aus dem Fenster!“
Geißbock blieb dran. „Welche Höhe haben sie denn gewählt?“
„Sechster Stock!“, kam es selbstbewusst durch den Hörer. Der soll nicht denken, dass ist hier Spass.
„Nicht gut.“ Geißbock machte eine Pause. „Da hatten wir schon etliche Fälle, die überlebten. Alles Krüppel, meistens querschnittsgelähmt. Furchtbare Sache.
Am anderen Ende wurde das Schnaufen leicht wütend. „Wollen sie mir damit sagen, ich soll aufs Dach gehen? Sie nehmen mich nicht ernst. Ich stehe bereits auf dem Fenster, nur dass sie Bescheid wissen.“
Geißbock legte nach.
„Ist das ihr erster Sprung?“
„Waaaaasssss?“ die Stimme wurde leicht hysterisch, „...sie ticken wohl nicht richtig?“
Geißbock war auf dem richtigen Weg. Der Kandidat begann sich emotional neu zu orientieren.
„Sie dürfen mich da nicht missverstehen Frau Henning. Viele Selbstmörder springen nicht. Sie brauchen nur Aufmerksamkeit für ihr Problem. Die Feuerwehr kann in unserer Stadt einige Leute schon mit Handschlag begrüßen. Aber ich habe verstanden, ihr Fall liegt anders.“
„Genau!“ kam es trotzig. Ich meine es ernst.“
Geißbock begann das Problem weiter einzukreisen.
„ Sie sind doch sehr fürsorglich. Meinen sie nicht das ihr Sprung im Ergebnis einen Anblick hat, der die Leute schockieren wird? Der kleine Laden gegenüber, oder das Haus des Nachbarn...?
„Nein, es gibt kein Gegenüber.“ Das klang jetzt schon etwas müde. „Daran habe ich selber gedacht.“
Noch nicht die Informationen die Geißbock sich erhoffte.
„Heißt was Frau Henning?
„Ich habe die Rückseite gewählt. Da sind nur Gärten und viel weiter weg die Kirche.“ Ein schluchzen unterbrach den Ausblick. „ Da bin ich dann auch bald......bei der Herz Jesu Kirche.“
Geißbock war beim Stichwort Kirche hochgefahren. Herz Jesu liess ihn unruhig werden. Nicht nur eine der schönsten, sondern auch eine der größten. Die konnte man gut sehen. Den Blick auf die Kirche gabs zum Beispiel von seinem Haus! Er musste das einkreisen.
„Sie sehen den Eingang zur Kirche?“
„Ja?“ leichte Verwunderung lag in der Antwort.
Geißbock traten Schweißperlen auf die Stirn. Ihm war alles klar. Er kannte diese Frau Henning. Der Name war ihm gleich aufgefallen. War vor vier Monaten ins Haus gezogen. Sie mindestens drei Zentner, ihr Mann ein Drittel davon. Vor dem hatte sie Angst? Egal. Jetzt lag der Fall ganz anders. Das betraf ihn persönlich. Und wie. Er drückte auf die Taste und hielt mit der Hand die Sprachmuschel zu. Die Tür ging auf.
„Chef?“
„ Mit Höchsttempo zu meinem Haus, sechster Stock, Frau Henning. Die will aus dem Fenster springen. Hausmeister wohnt unten, hat einen Generalschlüssel. Holt mir das Weib vom Fenster.
„Jawohl Chef!“ Die Tür ging zu.
Geißbock konzentrierte sich. Der Sprung war auf jeden Fall zu verhindern. Das würde eine Katastrophe geben.
„Frau Henning ich kann mich voll in ihre Lage versetzen.“ Zwei Kisten Kreide waren virtuell so eben von Geißbock verschlungen. Seine Stimme war kurz vor Heiratsschwindler.
„Vielleicht haben sie ja noch eine Chance bei den Lottozahlen?“ Wer wettet, muss auch Lotto spielen, auf das Pferd setzte Geißbock jetzt.
„ Ja, aber das will ich gar nicht mehr wissen.“ Resignierendes Schluchzen unterstrich die Gemütslage. Doch das reichte Geißbock.
„Nun ja Frau Henning, ich denke da sollten wir noch ein paar Worte zu wechseln. Ich spiele auch. Für eine Reihe von Zahlen kann man schon sagen ob sie eine gute Chance haben.
„Wie meinen sie das?“ Ganz uninteressiert klang das nicht. Geißbock begann mit Zeit schinden.
„Nehmen wir die 19. Haben sie die?“
„Ja?“
„Kommt immer wieder obwohl sie viele haben.“
„Wieso?“
„Geburtstagstipp liebe Frau Henning. Die mit der achtzehn machen nicht mehr mit und die mit der zwanzig noch nicht. Aber auf Grund der Häufigkeit des Tippens, wird sie suggestiv auch häufig gezogen. Ein bekanntes Phänomen. Sie haben doch sicher auch Geburtstagszahlen gewählt?“
„Ja da haben sie recht.“ Das klang einigermassen ruhig, Geißbock legte nach.
„Sehen sie, da sind sie im Bereich eins bis zwölf. Sehr gute Zahlen. Extrem hohe Ziehungswahrscheinlichkeit.
„Sie meinen ich habe Chancen?“
„Auf jeden Fall.“ Langsam ging ihm die Puste aus. Er musste kreativ werden.
„Was haben sie denn noch?“
„Die 23!?“ Die Stimme war leise geworden. Geißbock trommelte leicht mit den Fingern. Hoffentlich sind die Jungs bald da.
„Sehen sie Frau Henning, aber dass ist doch die absolute Glückszahl.“
„Mein Geburtstag ist eine absolute Glückszahl?“
Ja, wenn ich ihnen das sage. Doppelte Primzahl. Wird deshalb besonders häufig gezogen. Mathematisch sehr kompliziert, warum das so ist. Aber ich denke es ist wichtig, dass sie das genauer wissen, zumal wenn es ihr Geburtstag ist.“ Geißbock hatte den Schlipsknoten längst Richtung Bauchnabel. Zwei Knöpfe vom Hemd waren auf geöffnet. Himmel, Himmel was konnte er noch erzählen.
„Die doppelt Primzahl ist was ganz besonderes. Eine Zahl, die nur durch sich selbst teilbar ist, und ihre Quersumme auch. Die Quersumme bildet sich......“, ein Schrei und lautes Poltern unterbrach Geißbock´s Vortrag. Dann war die Verbindung weg.
Es klingelte.
Geißbock nahm mit schwitzender Hand ab.
„Ja?“
„Chef ich bins. Alles klar. Wir haben die Frau. Nur das Handy hat den Abflug gemacht. Kleiner leichter Schaden, ist in irgendeiner Scheibe gelandet.“
„Alles klar!“ Geißbock legte auf. Er war erleichtert. Das Wochenende war gerettet. Er hielt das Prospekt hoch. „Ja auch du meine liebe Tulpe „Red Power“ bist gerettet.“
Nicht auszudenken, wenn statt dem Handy die dicke Kuh in seinem Gewächshaus gelandet wäre.
 



 
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