Der Aufsatz
(August 2002)
Von einem Patienten in einem Berliner Suchthilfe-Krankenhaus wurde folgender Aufsatz zur Suchtbewältigung geschrieben, nachdem der Arzt aufgefordert hatte, alles zu schildern, was den einzelnen in seinem Leben am meisten bewegt hatte und wann er zum ersten mal mit Alkohol in Berührung kam:
Ich bin Kalle, mit mir spielen sie alle.
Wann ich mein ersten Schnaps getrunken habe weiß ich nich mehr. Mutti ging abeiten und Papa ging mit mir in die Kneipe. Siebzehn und Vier und etliche anderre Kartenspiele konnte ich schon lange bevor ich zur Schulle kahm. So hatte ich imma viel Taschengelld. Das war toll. Später habe ich ein paar Nutten laufen lassen, da wa ich erst sechszehn. Haben mir gutes Gelld gebracht meine Ferdschen. Dann wurde die Grenntze dicht gemaacht und ich sass im Ossten fesst. Einmal wollte ich nach drüüben, aba die haben mich geschnabbt. Ich hab gesaagt, ich bin besoffen und will nur meine Schwesster besucken, aba die haben mir nich geglaupt. Ich musste ins Aabeitslager. Das is ein Ding, früher wurden Russen, Juden und Kommunissten ins Abeitslager gestegt, aba in die DDR stegten deutsche deutsche dahin. Nu musste ich in die Fabrik aabeiten gehn. Hat manschma soga spaß gemacht. Aba kartenspielen fetzt mehr. Mit Nutten war es aus, aba fasst alle Frauen haben mir freigehalten. Hab mal hier und mal da bei eine gewohnnt bei freie kosst und loge. Meist hatten sie Kinda. Ich hatte auch mal n Soohn. Aba den hat seine Halbschwester totgetreten. Er war ein paa monate alt und sie fasst drei Jarre. Da wäre die alte beina in Knast gekomm, von wegen fernachläsigung von aufsichtflischt. Aba sie wa ja nur in die Küche und hat die flache für den kleen warmgemacht. Denn hatte ich soga zwei Söne mit eine Frau. die hatte auch ne große Tochtr, sechs jahe alt. Ich wa kaum mit die alte im Bett, da wa die schon schwanga. Wie kann das sein dachte ick und hab reisaus genomm. Aba die wa so niedlich, da bin ich denn wieder zurück zu se und – peng! Des selbe noch ma. Nu musste ick Alümente zaaln. Ick, der Kalle! In der freien Wellt war ich ein lude wie es sich gehört und in dieser DDR musste ick alümente zaalln und sollte abeiten gehn. Und diese ungereschtikeit is das, was mir am meisten geärgert hat. Nach die wende bin ich natirlisch gleich nach drühm und in den süden. Enlich Soone und freiheit tanken. aba nu bin ich wieder hier in Berlin.
Enschulldigen sie bitte wenn etwa doch fehler drin sind. Ich habe mir bemüht, hochdeutsch zu schreiben.
(August 2002)
Von einem Patienten in einem Berliner Suchthilfe-Krankenhaus wurde folgender Aufsatz zur Suchtbewältigung geschrieben, nachdem der Arzt aufgefordert hatte, alles zu schildern, was den einzelnen in seinem Leben am meisten bewegt hatte und wann er zum ersten mal mit Alkohol in Berührung kam:
Ich bin Kalle, mit mir spielen sie alle.
Wann ich mein ersten Schnaps getrunken habe weiß ich nich mehr. Mutti ging abeiten und Papa ging mit mir in die Kneipe. Siebzehn und Vier und etliche anderre Kartenspiele konnte ich schon lange bevor ich zur Schulle kahm. So hatte ich imma viel Taschengelld. Das war toll. Später habe ich ein paar Nutten laufen lassen, da wa ich erst sechszehn. Haben mir gutes Gelld gebracht meine Ferdschen. Dann wurde die Grenntze dicht gemaacht und ich sass im Ossten fesst. Einmal wollte ich nach drüüben, aba die haben mich geschnabbt. Ich hab gesaagt, ich bin besoffen und will nur meine Schwesster besucken, aba die haben mir nich geglaupt. Ich musste ins Aabeitslager. Das is ein Ding, früher wurden Russen, Juden und Kommunissten ins Abeitslager gestegt, aba in die DDR stegten deutsche deutsche dahin. Nu musste ich in die Fabrik aabeiten gehn. Hat manschma soga spaß gemacht. Aba kartenspielen fetzt mehr. Mit Nutten war es aus, aba fasst alle Frauen haben mir freigehalten. Hab mal hier und mal da bei eine gewohnnt bei freie kosst und loge. Meist hatten sie Kinda. Ich hatte auch mal n Soohn. Aba den hat seine Halbschwester totgetreten. Er war ein paa monate alt und sie fasst drei Jarre. Da wäre die alte beina in Knast gekomm, von wegen fernachläsigung von aufsichtflischt. Aba sie wa ja nur in die Küche und hat die flache für den kleen warmgemacht. Denn hatte ich soga zwei Söne mit eine Frau. die hatte auch ne große Tochtr, sechs jahe alt. Ich wa kaum mit die alte im Bett, da wa die schon schwanga. Wie kann das sein dachte ick und hab reisaus genomm. Aba die wa so niedlich, da bin ich denn wieder zurück zu se und – peng! Des selbe noch ma. Nu musste ick Alümente zaaln. Ick, der Kalle! In der freien Wellt war ich ein lude wie es sich gehört und in dieser DDR musste ick alümente zaalln und sollte abeiten gehn. Und diese ungereschtikeit is das, was mir am meisten geärgert hat. Nach die wende bin ich natirlisch gleich nach drühm und in den süden. Enlich Soone und freiheit tanken. aba nu bin ich wieder hier in Berlin.
Enschulldigen sie bitte wenn etwa doch fehler drin sind. Ich habe mir bemüht, hochdeutsch zu schreiben.