Der Aufzug

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Rubinuit

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Der Aufzug



Lautlos glitt die silbrig glänzende Tür zurück und der Aufzug ließ mich höflich blauschimmernd ein. Eine angenehme Stimme begrüßte mich unsichtbar lächelnd. Weiter geschah nichts. Ich blickte mich um, betrachtete die metallisch-flouoreszierenden Wände, betastete die glatte folienartige Innenhaut, konnte trotz umständlicher Verrenkungen keinen Mechanismus erkennen, um den Aufzug in Gang zu setzen. Schräg nach oben durch meine Beine blickend, bemerkte ich einen, wohl durch die Perspektive ungewöhnlich hager verzerrten Mann, der sein Gesicht mit einer Art Lächeln noch zusätzlich schrägte. „Eins- sieben- eins“, sagte er, während er mir half mich zu entwirren und ich eine halbwegs aufrechte Haltung einnahm. „Angenehm.“, stammelte ich. Die Aufzugtür schloß sich und ein leises Summen vibrierte durch den Raum. Die wiedergewonnene Normalperspektive änderte kaum etwas an der Erscheinung meines Mitinsassen. „Wohin müssen Sie ?“ „238“ , las ich vor. Ich hatte mir die Adresse aufgeschrieben. „Ich besuche einen Freund. Es war seine Idee, ich solle kommen, wissen Sie, ich hatte keine Vorstellung, wenn ich gewußt hätte, diese Stadt mit ihren Einrichtungen, ich wußte nicht was mich erwartet, so komme ich, denke ich, mich wieder zu verabschieden. Es ist eine zu weite Reise, verstehen sie ?“ „Die Stadt ist schwer zu verstehen für jemanden wie Sie, ich bemerkte ihre leichte Unbeholfenheit, als sie hier im Fahrstuhl warteten, aber sie werden bleiben wollen, sobald sie erst einmal angekommen sind, die Welt ist klein geworden und auch sie werden am Ende die Vorzüge moderner Technologien schätzen lernen.“ „Ich bin auf dem Land aufgewachsen.“, sagte ich nicht ohne Stolz, „der Geruch der Erde die grünen Hügel Bäume plätschernde Bäche zwitschernde Vögel und blühende Natur, wie sollte ich das alles aufgeben wollen gegen Beton Stahl grau und kalt. Keinem Lebewesen bin ich auf den Straßen begegnet. Das ist keine Welt für mich.“ „ Sie besitzen eine eigentümlich romantische Vorstellung vom Leben und sie werden das Leben hier nicht verstehen, wenn sie ihm nicht begegnen. Die Natur ist überall, sie durchdringt alles, das ganze Universum in jedem Molekül, sie müssen es sich nur nutzbar machen. Sie liegen in einer Pfütze und träumen vom Meer.“ Ich sah kurz auf die Uhr und begann mich zu fragen, wann eigentlich unsere Fahrt zu Ende sei. Mein Mitfahrer bog sich leicht nach vorn und wieder zurück und schien selbst vom Meer zu träumen. „Sagen Sie, wann werden wir ankommen?“ Er kicherte „Vielleicht nie ?“.Es erschien mir keineswegs komisch, versuchte ich doch mein mulmiges Gefühl durch dieses Gespräch etwas zu unterdrücken. Er schien meinen Unwillen zu bemerken, denn er fügte beschwichtigend hinzu „Sehen sie, Zeit ist hier nicht existent, die Antwort ist beliebig, es erschien mir nur ganz amüsant mich mit jemandem vom Lande zu unterhalten, jemand so ganz außerhalb des modernen Gefüges, noch, sie werden vielleicht auch schon bald ein Teil des Ganzen sein. Alles ist eins und eins alles.“ Nun mußte ich lächeln „Nein, diese Stadt, ich würde Krank, Metall in meiner Seele, ich brauche die Natur, ich will das Leben spüren, nicht erahnen in grauem Beton, krank würde ich werden, wenn ich verzichten müßte auf Blumenduft und Blätterrauschen.“ „Sie sprechen von Verzicht, dabei ist ihr Blick ihre Sinne so eingeengt, sie würden nichts verlieren und alles gewinnen, was wissen sie über das Leben in der Stadt, das organisierte und doch wilde, ursprüngliche mit allem verbundene Leben ?.“ Ich begann langsam an meinem Geisteszustand zu zweifeln „Wohnen sie schon lange hier?“ „Sie verstehen es nicht, ich wohne nicht hier niemand wohnt hier, niemand spricht hier vom Wohnen, es ist die Form moderner Existenz. Das Gebäude, Stahl Beton und Plastik ist eine Ruine ein Relikt aus der Anfangszeit existentieller Forschung, die es dem Menschen erst ermöglicht, die Natur zu durchdringen in ihrer Tausendfalt. Das Ergebnis dieser Forschungen ist dieser Raum in dem wir jetzt stehen, der Rest des Gebäudes verfallen Schutt und leer.“ „Sie meinen dieser Aufzug ist das einzige, aber was, wohin fahren wir dann, ich glaube ich verstehe immer noch nicht ganz.“ Er atmete hörbar „Sehen sie, wir fahren nirgendwohin, geschweige denn wir fahren, nichts fährt, wir bewegen uns nicht, was sich ändert ist nicht unsere Position, es ist die Welt um uns herum, es ist eine Frage der Definition, verstehen sie, wir stehen draußen.“ Ich fühlte mich etwas müde, betrachtete meine Hände „Ich, mein Freund, ich möchte einen Freund besuchen, ich habe seine Adresse..“ „Ich muß jetzt aussteigen“, sagte der graue Mann und verließ den Aufzug durch die Tür, die sich unmerklich geöffnet hatte, kurz sah ich einige altmodische Laternen die eine feuchte Straße mit ihrem bleichen Licht beleckten, ein Augenblick nur, in welchen sich der hagere graue Mann einpaßte wie der Mörder in einem alten englischen Krimi, dann schob sich der silberglänzende Vorhang wieder zu. Ich war allein, blickte nochmals auf meinen Zettel „2-3-8“ sagte ich vorsichtig und hörte wieder dieses leise Summen. Ich stand draußen.
 

Rubinuit

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interessant

interessant, daß du mich fragst, wie es denn weitergeht, denn für mich war die geschichte hier eigentlich beendet, aber ich werde mir gedanken machen. im grunde ist das was er sieht beliebig, die welt oder sein verständnis davon hat sich bereits verändert und drinnen oder draußen ist nur eine frage der definition. aber ich werde über deine anregung nachdenken...
 



 
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