Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

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titatom

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Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Haben Sie nicht auch Freunde in Ihrem Umfeld, deren Schicksal Sie besonders berührt, an deren Lebensweg Ihre Gedanken verhaften, deren Zukunft Ihnen Sorge bereitet? Jeder Mensch mit einem Fünkchen Gefühl hat so einen Bekannten, dessen Los betroffen macht. Mein Freund heißt Wolf. Wolf hatte seit Frühsommer dieses Jahres wieder einen festen, nahezu unkündbaren Job, und das nach gut sechs Monaten Arbeitslosigkeit. Kaum Chancen hatte er auf ein geregeltes Einkommen, beinahe abgetrieben im Ozean der Erwerbslosen, unvermittelbar aufgrund seiner Überqualifizierung. Dagegen war und ist Wolf in seinem Metier perfekt, das Maß aller Dinge, State of The Art, eine Koryphäe sozusagen. Und doch schien er an so profanen Dingen wie der Klimakatastrophe zu scheitern. Die Erwärmung der Erdkugel ging ihm schlichtweg nicht schnell genug. Wolf fehlte die Geduld. Wolf fehlte die Vorsehung, nach der bessere Zeiten periodisch wiederkehren. Wolf fehlte es an der positiven Denkweise. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem Wolf und ich zum ersten mal auf einander trafen. Wie bei jeder langjährigen, intensiven Freundschaft waren uns Wolf und ich zu Anfang wenig sympathisch. Unsere Begegnung ähnelte eher einem postpupertären Kräftemessen. Erst nach wiederholter Zusammenkunft schwante beiden von uns, dass wir doch in einer gewissen Weise aufeinander angewiesen waren, in einem gemeinsamen, grasgrünen Boot saßen. Sein heiseres Husten beim ersten Zug wurde mir mehr und mehr vertraut, umso mehr ich mich in die filigrane Technik seiner Antriebskraft hineingelesen hatte. Das kurzweilige Stottern deutete ich routiniert mit dem Feingeschmack eines Gourmets, der die zarten Nuancen zwischen Discountertankstelle und Markensprit zu deuten weis. Und schon nach Wochen waren Wolf und ich ein unschlagbares Team. Zweihundertfünfzig Quadratmeter pro Stunde entlockten mir ein müdes Lächeln, seine Reaktion auf Fremde war dagegen unter Umständen stoisch. Demgegenüber war Wolfs Arbeitseifer seit dem Ende unserer Eingewöhnungsphase allein durch Tankpausen unterbrochen und des öfteren kaum zu bremsen. Sogar das halbschattige Beet mit den immergrünen Bodendeckern wären beinahe Wolfs Übereifer zum Verhängnis geworden. Wie sollte ich nur meinem Wolf den kontinuierlichen Wechsel der Jahreszeiten erklären können. Aber wie all die Jahre vor Wolfs bereichernder Bekanntschaft ließ ich der Natur freien Lauf. Komme, was wolle. Manche Dinge sollen weder Mensch noch Maschine ändern. Und so kam auch dieses Jahr wieder der Tag, als ich mir Wolf zur Seite nahm, zärtlich eine Zündkerze aus seinem Bauch schraubte, mit Rostschutzöl einbalsamierte und zum letzten Mal das faulige Grün aus seinem Grasfang streichelte. Es ist Zeit, uns zu trennen, deutete ich meinem Freund an. Nicht für immer, wir sehen uns bestimmt wieder, glaub es mir. Dich bis ans Ende meiner Tage zu vermissen, bräche mir das Herz. So long, fellow, mach et jut. Solange ich das Gras an der Biegung des Grundstückes noch wachsen höre, bleiben wir dicke Freunde. Schau mir auf die Wiese, Kleiner...
 

Zefira

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Ja, mir fehlt irgendwie das verschämte Rendezvous in der Kellerecke während der kalten Jahreszeit. Hin und wieder mal vorbeikommen, den Griff tätscheln und an der Reißleine ruckeln (was Wolf jeweils ein lüsternes Aufstöhnen entlockt) wäre doch wirklich nicht zuviel verlangt.
 

titatom

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Ich muss euch beiden Recht geben, kann das aber mit zugegebenermaßen lausigen Argumenten erklären:
Dieser Text sollte ursprünglich im Herbst als Glosse veröffentlicht werden. Sozusagen als Gartensaioson-Abschluss. Ausserdem wurde mir während des Schreibens klar, dass das Ganze viel zu lang würde, daher die unglückliche Notbremsung zum Schluss.
Vielleicht sollte ich mich noch mal hinsetzen und der Geschichte ein glückliches Ende bereiten, was meint Ihr?

Herzliche Grüße und vielen Dank

Tom
 



 
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