Der Blick aus dem Fenster

Luese

Mitglied
Der Blick aus dem Fenster in Berlin

Die erste Nacht auf meiner Matratze in Berlin. Rheke – meine Enkeltochter – neben mir; ebenfalls auf einer Matratze.
Immer wenn ich in Berlin bin, schlafen wir in ihrem Zimmer auf dem Fußboden, dicht nebeneinander, damit wir uns besonders nahe sind. Rheke - inzwischen 10 – liebt ihre Oma Helga über alles.
Die erste Nacht in Berlin geht vorüber. Mein Reisewecker neben mir auf einem kleinen roten Kinderstuhl zeigt gerade mal 6 Uhr früh. Nach einer meist nicht sehr erholsamen Nacht erhebe ich mich gekrümmt und wie gelähmt von dieser ungewöhnlichen Schlafstätte und wandle durch alle Räume. Um mich herum undurchdringliche Stille – Rheke und mein Sohn Dirk – schlafen noch.
Doch bevor das tägliche Leben mit all' seinem berlintypischen Getöse seinen Lauf nimmt, nehme ich meine Socken – schlüpfe hinein – und gehe vorsichtig auf Zehenspitzen über knarrendes Dielen-Parkett in Richtung Balkon.
Ich öffne Fenster und Tür – trete hinaus - und atme hoch oben über den Dächern von Berlin echte Berliner Luft ein!
Hinter den Kulissen der Nachbarhäuser, und den in den Himmel ragenden Bäumen dämmert sanft ein neuer Morgen. Nur zu vermuten - aber schon vorstellbar, dass es nicht mehr lange dauern wird und glühende Sonne diesen neuen Tag begleiten wird. Hitze wird auf uns zukommen. Heute und vielleicht in den darauffolgenden Tagen ebenfalls.
Ich rekle und strecke mich dann noch einmal und versuche, meine Gedanken zu sortieren. Die Zeit dieser Träume nutze und empfinde ich jeweils - im Jetzt und Hier.

Viele, viele Jahre kommt es mir immer wieder in den Sinn: Wann wird es endlich wahr, ganz in Berlin zu leben? Berlin - „Unter den Linden“ spazieren gehen ohne Gedanken daran: In zwei Tagen ist alles schon wieder vorbei! Zurück geht meine Reise – zurück in ein Leben, wo ich eigentlich gar nicht zu Hause bin. Zurück bleiben die Gedanken - die vielen Möglichkeiten, die ich immer schon wahrnehmen wollte. Konzert- und Opern-Besuche, Ausstellungen und vor allen Dingen, Kontakte zu aufgeschlossenen Menschen.
In den zurückliegenden 23 Jahren meiner Berlin-Reisen habe ich erfahren, was das Leben für mich hier bedeuten könnte . Selbst meine Kinder haben erkannt, dass der Lebensabend in Berlin meine geheimen Wünsche erfüllen würde.
Fast geistesabwesend schließe ich Fenster und Tür und nehme meine Gedanken mit in den Tag hinein.
Zwischendurch bringe ich mein Enkelkind zur Schule, verabschiede mich mit einem dicken Kuss und gehe langsam neben vorbeirauschenden Autos und S-Bahnen durch eine kleine Parkanlage. Hoffnungs- und sehnsuchtsvoll auf „mein künftiges Leben in Berlin“ treffe ich nach einer halben Stunde, ca. gegen 9 Uhr, mit frischen Brötchen bei meinem Sohn zu Hause wieder ein. Heute noch Berlin - morgen Lüdenscheid!
Gedanken verwehen - Erinnerung bleibt! Wann sehen wir uns wieder in „meinem Berlin“?
Ja, mein Traum ist wahr geworden! September 2010: Meine neue Heimat, ein neuer Anfang in eine total ungewisse Zukunft ist von nun an BERLIN!
 



 
Oben Unten