Der Bock

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Katinka

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Der Bock

Ja, mein Süßer, tippe dir deine Finger wund am Telefon. Ich werde nicht abnehmen. Schreibe stündlich deine ILD-SMS an mich. Ich werde sie nicht beantworten. Deine Emails mit deinem Geschnulze kannst du dir knicken. Ich lese sie nicht mehr. Hast du denn immer noch nicht gemerkt, dass ich dich in den Filter gelegt habe? Spam bist du für mich. Ablage P. Ich lache mich gerade scheckig über dich. Wie kann man nur so dumm sein? So einfältig, mir zu glauben. Aber sie sind alle so dumm. Die Männer sind ja so einfach gestrickt.

Schon als kleines Mädchen habe ich sie durchschaut, wenn sie mich mit ihren glänzenden Augen ansahen, meine blonden Locken wuschelten und gönnerhaft den lieben Onkel spielten. Der süße Mund und ach, wie niedlich sie spricht. Einfach herzig die Kleine. Ein Engelchen. Ja, und alle, alle wollten, meine Aufmerksamkeit, meine Zuneigung. Schon damals wusste ich es einzusetzen, für meine Zwecke. Habe Eis bekommen und Barbiepuppen, Geld für die Spardose und alles was ich nur wollte. Ich brauchte nur diesen gewissen Blick aufzulegen. Den von unten nach oben. Und: "Hab dich soooo lieb" zu sagen. Dann waren sie gerührt und fühlten sich großartig. Dafür bezahlten sie gerne.

Dass ich sie durchschaut habe, lasse ich sie nicht merken. Himmel sie an, während ich sie dabei beobachte, wie sie sich langsam aufplustern. Dicke Muskeln markieren. Wie sie die Augen verdrehen, wenn sie mich ansehen und "Ich liebe dich" flüstern. Manche haben sogar Tränen in den Augen dabei. Sie wollen es alle sagen und hören. Und sie kriegen es alle von mir. Alle kriegen das, was sie verdienen.

Und du gehörst jetzt auch zu denen. Auch du hast mir geglaubt, als ich "Ich liebe dich" geflüstert habe. Dir die große Liebe vorgespielt habe. Ich musste es tun, weil ich sonst nicht gekriegt hätte, was ich wollte. Ich wollte Sex. Eigentlich nur Sex. Eine richtig geile Nummer wollte ich. Mit allem Drum und Dran. Und damit es richtig geil wird, muss man einfach so tun, als sei man verliebt, nur in dieses einzelne Exemplar. Männer brauchen das. Dann fühlen sie sich wichtig und groß. Dann wachsen sie über sich hinaus. Eben auch im Bett. Dann kriege ich das, was ich brauche. Das volle Programm. Von vorne bis hinten. Unten und oben. Darf mit meinen Fingernägel ihre Haut blutig kratzen. Riesenknutschflecken machen und beißen bis es weh tut und sie mit meinen Stiefeln treten. Während sie sich krampfhaft bemühen ihren Orgasmus rauszuzögern, habe ich schon drei hinter mir. Und immer glauben sie, es wäre ihr Verdienst, dabei bin ich das selbst, denn ich bin so gemacht, dass ich immer schnell komme. Das schaffe ich auch ohne Mann, aber das wissen sie ja nicht. Ich bin ein Sportwagen unter den Frauen. Einer mit Turboantrieb. Von Null auf Hundert in drei Sekunden. Wenn sie das dann mitkriegen, dann raubt ihnen das eigene Über-Ego völlig den Verstand und sie liegen mir zu Füßen und kriechen mir in den Arsch. Und dann trete ich besonders gerne auf ihnen rum, wenn sie am Boden liegen und winseln: "Ich liebe dich. Du bist die Frau meines Lebens. Bleibe immer bei mir. Ich brauche dich." Dann grinse ich in mich hinein und sie halten es für ein Strahlen vor Erfüllung und Glück. Arme Hanseln.

Süßer, du hast mir auch geglaubt, dass ich dich liebe. Hast dich für supertoll und superschlau gehalten. Ich spiele gerne doofes Blondchen vorher. Ich war so gut wie nie, als ich stammelte: "Ich liebe dich, du bist der Einzige der meine Seele berührt." Ich bin eine gute Schauspielerin. Leider musste ich dann deinen ganzen Schleim ertragen. Diese infantilen Ergüsse, die als große Mann-von-Welt-Philosophie gelten sollten, für die kleine süße Maus. Habe brav Beifall geklatscht. Absolut lachhaft fand ich dein Gesäusel. Und fast hätte ich gegähnt vor Langweile, wenn du glaubtest witzig zu sein. Nun, das war der Preis, den ich zahlen musste, dir zuhören und dich anhimmeln. Aber das war es wert, denn dein Body war gut. Echt geil. Ein echter Hingucker muss ich schon sagen. Groß. Muskulös. Schöner Knackarsch. Sensible Finger. Sinnlicher Mund. Schöne Augen. Und die wichtigste Stelle hab ich auf den ersten Blick sofort erfasst. Versprach schon verpackt, ein Hammerteil zu sein. War er auch, wenn ich auch schon größere gesehen habe, als deinen. Naja, dafür war er fleißig.

Danke Süßer. Es war eine Nacht nach meinem Geschmack. Ich habe alles bekommen, was ich wollte. Eben, das volle Programm. Mein Selbstbewusstsein ist wieder in der Waage. Mein Körper hat wieder die notwendigen Endorphine und der Adrenalinspiegel ist wieder auf Pegel. Powerfrau kann wieder powern. Ja Süßer, war Schicksal, dass es dich getroffen hat, armer kleiner Wicht, fast tust du mir leid, denn du bist jetzt der, der heult, der sich verzehrt vor Sehnsucht, der die Welt nicht mehr versteht, sich benutzt und ausgeraubt fühlt, der nicht mehr an die Liebe glauben wird.

Ich habe dich benutzt. Deinen Körper und deine Gutmütigkeit, dein Vertrauen ausgenutzt. Von Liebe halte ich nichts, die stört nur, beim Bumsen. Und ich fühle mich großartig. Ja Süßer, du warst mein Bock. Mein Sündenbock. Du musstest büßen, für einen anderen. Dein Schicksal. Sorry, aber so ist das im Leben.

© by Katinka

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Horror oder Psycho? Humor oder Satire? Auf jeden Fall: Eine Kurzgeschichte.
 
.... und nicht mal eine schlechte, wenn auch eine bitterböse. aber sie ist gut.

ein wort würde ich vertauschen:

Und sie kriegen es, [blue](kein Komma) [/blue]alle von mir, [blue](Punkt) [/blue][strike]a[/strike][blue]A[/blue]lle kriegen das, was sie [strike]verdienen[/strike] [blue]wollen[/blue].

verdienen hört sich zu schwülstig an und passt nicht so recht zum rest der boshaften geschichte, es sei denn du schließt mit dem, was die heldin verdient.

war mir ne 8 wert, das üble lesevergnügen.
 
Hi Katinka,

mir hat besonders der Anfang deiner Geschichte gefallen. Auch die Formulierungen sind hier teils witzig und treffend. „Deine Emails mit deinem Geschnulze kannst du dir knicken.“ Dafür müsste er sie allerdings ausdrucken, ich hoffe nicht, dass er es am Computer versucht.

Im weiteren Verlauf wird mir der Ton etwas aufdringlich, die Richtung ein wenig gewollter. Also diese These, dass die Dame Liebe heuchelt um Sex zu bekommen, ist zwar interessant, aber ganz hat sie mich nicht überzeugt. Zumal die Frau ja hübsch ist und wohl genug auch großartigen Sex bekommen könnte, ohne dass sie Liebe heucheln müsste. Mir kam das jedenfalls etwas überzogen vor, für eine Satire wiederum nicht überzogen genug. Manche schöne Formulierung gleicht dabei vieles aus.

Und trotz der Einwände ein toller Einstand.

Liebe Grüße
Monfou
PS: Da gibts bei der wörtlichen Rede noch Diagonalstriche, die nicht dorthin gehören. Mit dem Button löschen / bearbeiten kannst du Korrekturen an deinem Text vornehmen.
 

Katinka

Mitglied
Liebe Freifrau von Löwe (ein wunderbarer Name, vor allem das Freifrau, von mir nicht als Adelstitel, sondern als zusammengesetzes Wort betrachtet, gefällt mir darin),

danke, für die Bewertung zu meiner Debüt-Geschichte. Noch dazu eine gute, das macht mir Mut.

Die erste Anmerkung hat meine Zustimmung gefunden und ich habe sie sogleich eingearbeitet. Das Wort 'verdienen' behalte ich bei, es gefällt mir in seiner Aussage, genau so nämlich.

Katinka
 

Katinka

Mitglied
Hi Monfou,

auch dir, danke für die Bewertung und ausführliche Besprechung meines Textes.

Im Grunde geht es der 'Dame' ja nicht um Sex, oder sagen wir, nicht nur. Es geht ihr vor allem darum, die Männer zu quälen, zu verletzen, in dem sie ihnen das zurück gibt, was sie selbst erfahren hat. Und zudem noch ihre Hingabe an sie für sich ausbeutet. Daraus zieht sie ihren Kick. Verletzung als Motivation. Rache als Triebfeder. Das halte ich nicht für überzogen sondern passiert tatsächlich.
Und, für unumstößlich, absolut, halte ich außerdem die These, dass Sex in Kombination mit Liebe, oder sagen wir vorsichtig, mit Herz, deutlich besser ist, als der aus ausschließlich sexueller Motivierung, auf den rein körperlichen Akt reduziert, betriebene. So bekommt die Protagonistin gleich die totale Befriedigung: das Austoben-können ihrer Racheglüsten, ihren Kick der Verletzung (Ausbeutung, Erniedrigung) des Mannes, und zudem noch den besten Sex, den eine Frau kriegen kann, nämlich den eines liebenden Mannes. That's ist!

Die Diagonalstriche sind bereits entfernt. Danke auch hier für den Hinweis.

Katinka
 

Pali

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Fies, fies, aber gut. Auch wenn mein maskulines Ego gerade anderer Meinung ist und in einer Ecke kauernd seine Wunden leckt.

Dennoch: Rundum gelungener Einsteig. Weiter so.



(Ich geh jetzt wieder mein Ego aufpeppeln.)
 

Gandl

Mitglied
Hi Katinka,
also, ich kann mich meinen Vorschreiben so gar nicht anschließen.
In Bezug auf: fies oder bitterböse – meine ich.
Aber du schreibst ja auch: So ist das Leben.
Ja, so isses ...
Gruß
Gandl

@ Pali: was ist „maskulines Ego“? Hab ich auch sowas? Und wenn, wo?

P.S. Klasse Einstand, Katinka.
 

Katinka

Mitglied
Danke Pali. Aber ... welche Meinung vertritt denn dein maskulines Ego? Und ... hat es sich mittlerweile wieder auf Normallevel justieren können? :)
 

Katinka

Mitglied
Danke Gandl fürs Lob. Und ... ja! so ist das Leben. Nicht immer freundlich, nicht immer gerecht und nicht immer sind die Menschen menschlich korrekt. Aber ... manchmal gibt es ja auch noch 'the bright side of life' zu sehen. Deshalb hält man es aus. Oder?
 



 
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