Der Bus und wie ich zum Denker wurde

Anonym

Gast
Ich sitze im Bus auf dem Weg zur Arbeit.
Da ich noch müde bin, versuche ich wenig zu schlafen. Meinen Kopf lehne ich nach hinten gegen die Polsterung und schließe meine Augen. Schön wie mein Verstand sich langsam abschaltet. Ein wenig denke ich noch nach was ich heute alles leisten werde. Schließlich beginnen die Ohren stumm zu werden.
Da passiert es.
Ein grausiger und lauter Ton pfeift irgendwo her und stört mich beim einschlafen.
Nach ein paar Sekunden öffne ich meine Augen und blicke mich verwirrt um.
Ich suche nach dem grausigen Ton.
Zuerst schaue ich nach vorne, dort einige Sitzreihen von mir entfernt sitzen zwei alten Damen und reden wirres Zeug, so wie es viele alte Leute tun.
Ich schwenke daher meinen Kopf langsam nach rechts und suche Reihe für Reihe nach dem Ursprung dieses Lärms.
Drei oder vier junge Kinder sitzen dort und rasseln mit ihren Schulranzen herum. Ist zwar auch Lärm, aber längst nicht so störend wie der andere, der noch immer anhält.
Als ich dann die Drehung nach rechts weiter mache und so schließlich die Sitzreihen hinter mir im Blickfeld bekomme, hört der grausige Ton auf.
Und ich weiß auch warum, denn direkt hinter mir sitzt eine Frau und hält ein Handy gegen ihr Ohr.
Naja, ist endlich vorbei, denke ich mir und drehe mich wieder um und mach da weiter wo ich vorher stehen geblieben war.
Die Augen fallen zu.
Der Verstand schaltet sich ab.
Und die Frau hinter mir, krächzt plötzlich laut vor sich hin:
"Ja am Wochenende waren wir so besoffen, dass kannst du dir gar nicht vorstellen"
Der Verstand schaltet sich wieder ein.
"Ja und mit dem Mike hab ich auch was gehabt" Sagt sie laut vor sich hin.
Die Augen halte ich zwar geschlossen, aber meine Ohren sind irgendwie offen für das Gespräch, das hinter mir stattfindet:
"Ja, wenn ich´s dir doch sage. Mit dem Mike! Ja da kannst du die Nicole fragen, weil die dabei war!"
Genau frag die Nicole und dann leg endlich auf, denke ich mir in diesem Moment.
Und meine Gebete wurden scheinbar erhört, denn im nächsten Augenblick bahnt sich das Ende des Gesprächs an:
"Hallo?Hallo!"
Und dann kehrte wieder Ruhe. Naja die Ruhe, die ich halt sonst im Bus "höre".
Aber keine fünf Sekunde später, ging es dann wieder von vorne los.
Zuerst der grausige Ton, und dann die krächzende Stimme, die erleichtert vor sich hin trällerte:
"Was war denn los? Kein Guthaben mehr? Verbindungsabbruch? Macht eh nix, ich werd mir eh bald ein neues Handy kaufen, wo es so was eh nicht mehr gibt"
Ja kauf dir doch so ein Handy, denke ich mir. Und plötzlich fällt mir was auf.
Ich finde es plötzlich lustig, der Frau zu antworten. Also zumindest mir eine Antwort dazu zu denken:
"Du ich muss jetzt gleich aussteigen! Ja heute arbeite ich bis fünf Uhr"
Aussteigen warum denn aussteigen, jetzt wo ich so eine Freude daran habe.
"Gut treffen wir uns danach im ´Melange´"
Ich werd dort sein.
"Und dann erzähl ich dir´s genauer, was alles passiert ist"
Da bin ich aber schon gespannt.
"Ok tschau bis später"
Genau, bis später.
Und dann rasselt es hinter mir kurz. Dann war das berühmte "PING" Geräusch zu hören, das dem Busfahrer signalisierte, dass jemand aussteigen will.
Ich spüre schließlich eine leichte Bremsung, bis der Bus dann scheinbar stehen bleibt und die Tür, die sich rechts auf dem anderen Sitzreihen befindet, öffnet und ein leichter Luftzug den Bus durchströmt.
Einige Personen huschen durch die Gänge, scheinbar auf den Ausgang hin um aus zu steigen. Unter ihnen wahrscheinlich auch die Frau.
Dann schließt sich die Tür und der Bus beginnt sich wieder zu bewegen.
Und ich bleib sitzen, kümmere mich nicht mehr darum und beginnen wieder da wo ich vorher aufgehört habe.
Zumindest die Augen habe ich schon zu. Diesen Teil kann ich überspringen.
Und da höre ich ihn wieder.
Den grausigen Ton. Ich öffne sofort meine Augen und blicke hinter mich! Eigentlich hätte ich mich schon daran gewöhnen müssen, aber da war etwas, das mich in diesem Augenblick störte. Und so fragte ich mich: War denn die Frau nicht eben gerade ausgestiegen?
Ja war sie, antwortete ich mir selbst, nachdem ihn das Gesicht eines jungen Mannes geblickt hatte, der scheinbar bei der letzte Haltestelle eingestiegen war und sich genau auf dem Platz, wo die Frau vorher war hinsetzten musste.
Schließlich zieht auch er ein Handy hervor und hält es gegen sein Ohr. Ich drehe mich schließlich wieder um, diesmal allerdings mit offenen Augen. Die Mühe, sie zu schließen mache ich mir nicht mehr.
"Grüß dich! Du glaubst nicht was ich am Wochenende gemacht habe!" Brüllt er vor sich hin.
Das fängt schon mal besser als vorher an, denke ich mir und beginne erneut passende Antworten zu überlegen.
"Ja wenn ich´s dir doch sage! Ehrenwort! Du kannst die Nicole fragen, die war dabei....."
 



 
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