casagrande
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Der Computer hat immer recht
Im Zuge der Wasserversorgung von Taif wurde ein Hochbehälter mit fünfzigtausend Kubikmetern Inhalt gebaut. Taif ist in den frühen Fünfzigerjahren bekannt geworden durch die Friedenskonferenzen, die dort im Zuge der Irakkrise abgehalten wurden. Der Ort diente der Erholung begüterter Saudis, die der Gluthitze der Ebene in 1600 Metern über dem Meer entgehen wollten.
Um die Luxushotels und Privatpaläste mit Wasser zu bedienen wird dieses von der Meerentsalzungsanlage in der Nähe von Makkah hochgepumpt und im erwähnten Reservoir vorgehalten.
Beim Bau dieses Behälters passierte die folgende Geschichte, die nicht typisch für die Saudis, sondern vielmehr bezeichnend für die Einstellung der meisten Leute zu Computerausdrucken ist.
Nach dem Abschluss der Bauarbeiten am Behälter erstellte die einheimische Baufirma die Endrechnung. Dafür war notwendig, ein genaues Aufmaß der Massen vorzulegen. Ein pakistanischer Ingenieur hatte in einer dreizehnmonatigen Arbeit detailliert mit Hilfe aller nur denkbaren geometrischen Figuren diese Betonkubatur berechnet. Die Zahlenwerte füllten zwei Aktenordner, insgesamt über vierhundert Seiten.
Der von der saudischen Wasserbehörde eingesetzte deutsche Ingenieurkonsulent sollte im Zuge seines Gesamtauftrages diese Berechnung prüfen und zur Zahlung freigeben. Als die Zahlen beim zuständigen Ingenieur des Konsulenten, Roland Fichtner, auf den Tisch kamen, delegierte er dies an den Sachbearbeiter weiter, der ihm erklärte, dass eine Prüfung mindestens vier bis sechs Monate dauern würde. Es war klar, dass diese Arbeit weder vom Konsulenten kalkuliert oder in seinem Angebot vorgesehen war noch, dass dieser zusätzliche Aufwand von den Saudis honoriert werden würde. Sinnlos auch, dem saudischen Auftraggeber zu erklären, dass die vorgelegte Berechnung in der Größenordnung glaubwürdig wäre, die wollten eine exakte Überprüfung.
Eine interne Rücksprache mit den Computerexperten in der Ingenieurfirma ergab die ernüchternde Auskunft, dass alleine die Erhebung und Eingabe der Daten eine Person zumindest vier Monate beschäftigen würde, dazu käme noch die Erstellung eines entsprechenden Programms. Und dies alles nur, um dann ein Ergebnis zu erhalten, das bereits feststand. Vielleicht einige Prozente abweichend, jedenfalls nicht gravierend unterschiedlich.
Fichtner beriet sich mit einem Freund, der mathematisch versiert genug war, ihm aus dem Dilemma zu helfen. Ein umfangreicher Computerausdruck von mindestens fünfhundert Seiten sollten das Ergebnis sein. Vorgaben waren, dass auf einer Anzahl von Seiten bestimmte Zahlen als Summe aufschienen, die mit den Abrechnungszahlen des Bauunternehmers korrespondierten. Sie einigten sich auf die Gauß´sche Zahlenmenge, willkürliche Zahlen, die vom Computer in einem definierten Rahmen generiert werden. Innerhalb von zwei Tagen lag der Papierhaufen auf Fichtners Tisch. Mit Anschreiben und fiktiven Erklärungen ging der Packen nach einer Anstandsfrist von drei Wochen, was eine ernsthafte Beschäftigung mit der Materie vortäuschte, an die Wasserbaubehörde und war damit für Fichtner erledigt.
Die Überraschung kam zwei Jahre später, als vier junge saudische Ingenieure zum Training nach Deutschland bei dem Ingenieurkonsulenten zu Gast waren und Fichtner deren Schulung übernahm. Sie wussten Weiteres um die Computerberechnung des Behälters.
In der zuständigen Abteilung der saudischen Wasserbaubehörde hatte man die Verantwortung für die Zahlung an die Baufirma nicht so ohne weiteres übernehmen wollen, außerdem war eine traditionelle Skepsis gegenüber Nichtarabern normal. Darum übergaben sie den Packen Papier dem ägyptischen Professor für angewande Mathematik an der Hochschule in Riyadh, mit der Aufforderung, die Berechnung umgehend und kurzfristig zu prüfen.
Der Herr Professor hatte offensichtlich dieselben Überlegungen angestellt, wie es Fichtner getan hatte und wollte ebenso wenig Arbeit oder Zeit in die Angelegenheit investieren. Außerdem sah er wohl sehr klar, dass er sich mit einer detaillierten Prüfung nur Ärger einhandeln konnte. Er bestätigte kurzerhand die Richtigkeit der Berechnung und unterstrich seine Glaubwürdigkeit, indem er um die Genehmigung ersuchte, die Dokumentation der Berechnung seinen Studenten als eine Demonstration, was mithilfe des Computers in der Praxis technisch machbar wäre. Die Genehmigung wurde erteilt, die Behörde beruhigt.
Die angereisten früheren Studenten waren nun an der Methode interessiert und Fichtner hatte ein Problem, ohne Gesichtverlust die Wahrheit zu verschleiern. Aber das gelingt zum Beispiel den Energieversorgern ebenfalls, die damit rechnen, dass jedermann, beim Anblick der sinnlosen Zahlen auf der vom Computer erstellten Rechnung, resigniert aufgibt.
Im Zuge der Wasserversorgung von Taif wurde ein Hochbehälter mit fünfzigtausend Kubikmetern Inhalt gebaut. Taif ist in den frühen Fünfzigerjahren bekannt geworden durch die Friedenskonferenzen, die dort im Zuge der Irakkrise abgehalten wurden. Der Ort diente der Erholung begüterter Saudis, die der Gluthitze der Ebene in 1600 Metern über dem Meer entgehen wollten.
Um die Luxushotels und Privatpaläste mit Wasser zu bedienen wird dieses von der Meerentsalzungsanlage in der Nähe von Makkah hochgepumpt und im erwähnten Reservoir vorgehalten.
Beim Bau dieses Behälters passierte die folgende Geschichte, die nicht typisch für die Saudis, sondern vielmehr bezeichnend für die Einstellung der meisten Leute zu Computerausdrucken ist.
Nach dem Abschluss der Bauarbeiten am Behälter erstellte die einheimische Baufirma die Endrechnung. Dafür war notwendig, ein genaues Aufmaß der Massen vorzulegen. Ein pakistanischer Ingenieur hatte in einer dreizehnmonatigen Arbeit detailliert mit Hilfe aller nur denkbaren geometrischen Figuren diese Betonkubatur berechnet. Die Zahlenwerte füllten zwei Aktenordner, insgesamt über vierhundert Seiten.
Der von der saudischen Wasserbehörde eingesetzte deutsche Ingenieurkonsulent sollte im Zuge seines Gesamtauftrages diese Berechnung prüfen und zur Zahlung freigeben. Als die Zahlen beim zuständigen Ingenieur des Konsulenten, Roland Fichtner, auf den Tisch kamen, delegierte er dies an den Sachbearbeiter weiter, der ihm erklärte, dass eine Prüfung mindestens vier bis sechs Monate dauern würde. Es war klar, dass diese Arbeit weder vom Konsulenten kalkuliert oder in seinem Angebot vorgesehen war noch, dass dieser zusätzliche Aufwand von den Saudis honoriert werden würde. Sinnlos auch, dem saudischen Auftraggeber zu erklären, dass die vorgelegte Berechnung in der Größenordnung glaubwürdig wäre, die wollten eine exakte Überprüfung.
Eine interne Rücksprache mit den Computerexperten in der Ingenieurfirma ergab die ernüchternde Auskunft, dass alleine die Erhebung und Eingabe der Daten eine Person zumindest vier Monate beschäftigen würde, dazu käme noch die Erstellung eines entsprechenden Programms. Und dies alles nur, um dann ein Ergebnis zu erhalten, das bereits feststand. Vielleicht einige Prozente abweichend, jedenfalls nicht gravierend unterschiedlich.
Fichtner beriet sich mit einem Freund, der mathematisch versiert genug war, ihm aus dem Dilemma zu helfen. Ein umfangreicher Computerausdruck von mindestens fünfhundert Seiten sollten das Ergebnis sein. Vorgaben waren, dass auf einer Anzahl von Seiten bestimmte Zahlen als Summe aufschienen, die mit den Abrechnungszahlen des Bauunternehmers korrespondierten. Sie einigten sich auf die Gauß´sche Zahlenmenge, willkürliche Zahlen, die vom Computer in einem definierten Rahmen generiert werden. Innerhalb von zwei Tagen lag der Papierhaufen auf Fichtners Tisch. Mit Anschreiben und fiktiven Erklärungen ging der Packen nach einer Anstandsfrist von drei Wochen, was eine ernsthafte Beschäftigung mit der Materie vortäuschte, an die Wasserbaubehörde und war damit für Fichtner erledigt.
Die Überraschung kam zwei Jahre später, als vier junge saudische Ingenieure zum Training nach Deutschland bei dem Ingenieurkonsulenten zu Gast waren und Fichtner deren Schulung übernahm. Sie wussten Weiteres um die Computerberechnung des Behälters.
In der zuständigen Abteilung der saudischen Wasserbaubehörde hatte man die Verantwortung für die Zahlung an die Baufirma nicht so ohne weiteres übernehmen wollen, außerdem war eine traditionelle Skepsis gegenüber Nichtarabern normal. Darum übergaben sie den Packen Papier dem ägyptischen Professor für angewande Mathematik an der Hochschule in Riyadh, mit der Aufforderung, die Berechnung umgehend und kurzfristig zu prüfen.
Der Herr Professor hatte offensichtlich dieselben Überlegungen angestellt, wie es Fichtner getan hatte und wollte ebenso wenig Arbeit oder Zeit in die Angelegenheit investieren. Außerdem sah er wohl sehr klar, dass er sich mit einer detaillierten Prüfung nur Ärger einhandeln konnte. Er bestätigte kurzerhand die Richtigkeit der Berechnung und unterstrich seine Glaubwürdigkeit, indem er um die Genehmigung ersuchte, die Dokumentation der Berechnung seinen Studenten als eine Demonstration, was mithilfe des Computers in der Praxis technisch machbar wäre. Die Genehmigung wurde erteilt, die Behörde beruhigt.
Die angereisten früheren Studenten waren nun an der Methode interessiert und Fichtner hatte ein Problem, ohne Gesichtverlust die Wahrheit zu verschleiern. Aber das gelingt zum Beispiel den Energieversorgern ebenfalls, die damit rechnen, dass jedermann, beim Anblick der sinnlosen Zahlen auf der vom Computer erstellten Rechnung, resigniert aufgibt.