Der Felsenlacher

Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu wrden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm in auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu vestehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mit, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 

Profatus

Mitglied
Hallo Martin,

zunächst sind mir ein paar Flüchtigkeitsfehler ins Auge gefallen:

Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder [red]von von[/red] uns jeden lebenden Menschen kennen.
Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu [red]wrden[/red], dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen.
Die Dunkelheit schwieg, nahm [red]in[/red] auf und zog ihn in das unbekannte Land.
Ohne einen Sinn zu suchen ließ [red]marcel[/red] sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, [red]bleib[/red] stehen, ging und stand.
Sag [red]mit[/red], wer ich bin.
Der folgende Satz fiel mir ebenfalls auf. Er klingt so, als hättest Du den Überblick verloren und dabei vergessen zu sagen, was genau Marcel jetzt eigentlich tut:
Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Die Fehler mindern leider etwas den Lesespaß. Trotzdem bin ich dabei geblieben. Mir gefällt der Ausdruck, die Wortwahl, das Spiel mit den Wörtern. An einigen Stellen wurde ich an Poetry Slam Texte erinnert. Sehr gut!
Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass ich mich nach dem ersten Lesen fast etwas erschlagen fühlte. So schön und faszinierend einige Passagen von Dir erzählt werden, so wirr und überladen wirken dann wieder andere Stellen (siehe Beispiel des "unvollständigen Satzes" oben).
Dadurch bekommt man unfreiwillig den Eindruck, dass der Autor sich etwas übernommen hat bzw. zu viel auf einmal wollte.

Trotz allem habe ich Deine Geschichte gern gelesen und ich hoffe, dass meine Kritik nicht allzu negativ bei Dir ankommt.

Gruß, Profatus
 
Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu wrden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm in auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu vestehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mir, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 
Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu wrden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm in auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu vestehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mir, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 
Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu werden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm in auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ Marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu vestehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mir, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 
Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu werden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm in auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ Marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu verstehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mir, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 
Der Felsenlacher

Einmal, es war ein Novembertag, durchquerte Marcel Zweygarth erneut mit den Gedanken kämpfend den Wald. Unerwartet pochten fremde, ungewohnt gewordene Gedankenbilder an und drängten die Dämonen mehr und mehr in den Hintergrund. Fremd waren diese Gedanken nicht. Es waren Bilder einer abgelegten Liebe, wie so oft, doch zeigten sie sich nüchtern, verschwommen im ersten Moment, die sich dann formten, ihn umtänzelten, ihm dann eine andere Sicht öffneten. Wie Rosalinde beteuerten sie ihm, er sei der beste Mensch dieser Welt. Oft schwor Rosalinde zärtliche diese Worte in sein Ohr und bekräftige diesen Schwur mit einem zärtlichen Kuss. Benommen nahm er diese Beteuerung auf, schwindelig wurde ihm mit diesen Lobeserhebungen. Marcel lächelte zaghaft über die Erinnerungsrevue vor seinen Augen. Seit langer, langer Zeit konnte er keine Heiterkeit in sich fühlen. In diesem Augenblick wirkte sein Lächeln wie eine befreiende Revolte. So zog er weiter durch den Wald, die Wortbilder fühlend, und fragte sich, woher Rosalinde wissen konnte, dass ausgerechnet er der beste aller lebenden Menschen sei und auch wie er selbst Rosalinde so titulieren konnte. Um diese Feststellung treffen zu können muss jeder von uns jeden lebenden Menschen kennen. Ob dem so sei, fragte Marcel einen der vielen Bäume, der schwieg und nachzudenken schien. Marcel beabsichtigte nicht den Baum zu stören und setzte den Weg fort.
Das zunehmende Licht deutete an, dass der Wald wenige Meter vor seinen Füßen endete. Marcel blieb stehen, äugte dem Dämmerlicht zu, überdachte erneut die Liebesschwüre, die sie sich gaben und wie weit sie von der Möglichkeit lagen verwirklicht zu werden, dann flüsterte er vor sich hin, die irdische Liebe sei ein Tanz zwischen den Extremen. Am Waldrand angekommen, fasste er die Erkenntnis über die Liebe mit den Worten "Tanz auf dem Vulkan" zusammen und lehnte sich an einen Baumstamm.
Das Zwielicht des Abends warf Kontraste in die Landschaft. Dort das grelle Orange der entschwundenen Sonne, da die Dunkelheit der Bäume, Büsche, Hügel. Der Himmel loderte im Westen und verhüllte sich violett, dann dunkelblau, dann schwarzblau. Ein Flugzeug wob einen Kondensstreifen, der eindringlich am schwarzen Himmel aufleuchtete. Das Zwielicht verwandelte das Land, tauchte es in Zwiespalt. "Zwiespältiges Licht", dachte Marcel. "Zwiespältig wie die Liebe!" Heißhungrig durchzogen seine Augen den Himmel und die Landschaft. Sie unterhielten sich mit dem Schauspiel des Lichtes und der Schatten und er dachte an die gespaltenen Gespräche und Augenblicke der vergangenen Zeiten.
Benommen stapfte Marcel nach wenigen Minuten in die Lichtorgie. Die Dunkelheit schwieg, nahm ihn auf und zog ihn in das unbekannte Land. Marcel fühlte sich ratlos und froh zugleich, kam sich wie ein Wanderer vor, der über die Grenzen tanzt. Zweifel und Hoffnung verbanden sich zu einem Strom, vereinten sich zu Schwingungen, die ihn einnahmen und erfüllten.
Plötzlich nahm er auf einem nahe liegenden Hügel eine Gestalt wahr, die unruhig von Ort zu Ort zog, sich einen Moment niederließ, dann weiterzog in fremde Regionen. Ein Grenzgänger wie er. Ja, er selbst war ein Grenzgänger seit seiner Kindheit, wie dieser Fremde, der sich in den Nachtschatten auflöste und Marcel verstand, er selbst war dieser Fremde, den er gesehen hatte.
Er lenkte seinen Schritt zu diesem Hügel. Eine unsichtbare Hand zog ihn dorthin. Ohne einen Sinn zu suchen ließ Marcel sich von dieser Kraft treiben, bis er vor einer Felswand des Hügels stand.
Auf der rechten Seite lagen Papiere, rostige Dosen, leere Plastikflaschen. Eine vergessene Mülldeponie, die verwitterte, die ihn nicht befremdete. Langsam trat er an ihren Rand, sein Blick schweifte über den Abfall, machte da und dort junge, grüne Pflanzentriebe aus, die sich durch den Unrat bohrten. Das Bild war ihm vertraut und er fühlte eine vage Verbundenheit mit dem Abfallhaufen.
"Ich bin so gut, so schlecht ich bin", hörte er seine Stimme und fühlte sie aus seiner Seele kommen. Hastig fuhr Marcel auf, schüttelte den Kopf, raufte beide Hände und lief vor die Felswand, die sich von seinem Standpunkt aus betrachtet in schwindelerregende Höhen erhob. Er trat einige Schritte zurück, hielt inne und sah wieder auf die Wand. Die Zeit verging, bewegungslos erhob sich die Wand. Marcel verwurzelte sich, wurde bewegungslos, steinern, still. Die Wand schwieg. Das Licht verschwand in der Dunkelheit. Marcel verschwand in seinen Gedanken im Felsen, bleib stehen, ging und stand. Der Felsen ging in die Nacht und Marcel, der vor dem Felsen stand, auf seinen Atem lauschend und einen fremden Atem hörend, der von der Felswand kam, sich mit Marcels Atem verband, erneut sich löste und verband.
Kein Mensch außer Marcel hielt sich hier auf. Er verstand, wessen Atem er wahrnahm ohne zu verstehen. Der Felsen atmete. Der atmende Stein wartete, hatte Ohren so groß wie die Nacht. Ohren des Steins, die Marcels Ohren waren, die hören wollten und hörten.
"Wer bin ich", schrie Marcel in die Wand.
"Ich", war die Antwort.
"Sag mir, wer ich bin."
"Bin"
"Bin ich Ich?"
"Ich?"
Ein Lachen kullerte aus Marcels Bauch dem Mund zu. Ein Lachen, das nur Lachen war. Laut stob es der Felswand entgegen, purzelte aus seinem Bauch, hielt an, verschmolz mit der Seele, dem Körper und der Welt zu einer Harmonie aus Klang, in der Marcel sein Gesicht erkannte. Da stand er, Marcel, der Felsenlacher, geboren aus einem Augenblick, der nicht endete.

Martin Kirchhoff
 



 
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