Der Fisch in der Suppe

Rainer Lieser

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Der Fisch in der Suppe

Vor Wermesblut Speckwinkel stand ein extra großer Teller Suppe. Sein Mittagessen. Darin schwamm ein quicklebendiger kleiner bunter Fisch.

Wermesblut Speckwinkel war heute zum ersten Mal in dem Restaurant. Er wusste nicht so recht, was er von dieser Suppe halten sollte. Womöglich war es an diesem Ort ja üblich Suppen mit lebendigen Fischen zu servieren. Vielleicht war es hier sogar eine Delikatesse. Heutzutage gab es ja die merkwürdigsten Dinge. Warum nicht auch das. Wermesblut konnte nun wirklich nicht von sich behaupten, über die aktuellen Suppentrends auf dem Laufenden zu sein.

Wenn er Zuhause einen Fernsehapparat, einen Computer, ein Radio oder wenigstens eine Zeitung gehabt hätte, wüsste er über solche Dinge bestimmt besser bescheid. Aber die eigene Unabhängigkeit war Wermesblut nun einmal wichtiger als sich unablässig mit der Auswertung der Informationen moderner Medien zu beschäftigen – denn wer sich einmal in den Sog der allgegenwärtigen Informationsflut begab, davon war Wermesblut Speckwinkel felsenfest überzeugt, der verlor sich darin für den Rest seiner Tage. Der verlor die eigene Unabhängigkeit. Deshalb besass Wermesblut weder einen Fernsehapparat, einen Computer, ein Radio oder eine Zeitung. Abgesehen davon, hatte er dafür auch überhaupt keinen Platz – und normalerweise entbehrte er diese Dinge ja eigentlich auch gar nicht.

Doch gerade jetzt befand er sich in einer für ihn absolut ungewöhnlichen Lebenssituation. Er saß in einem Restaurant und vor ihm stand ein extra großer Teller Suppe mit einem lebendigen bunten Fisch darin. Einem munter umher schwimmenden Tierchen, welches sich in dem Teller absolut wohl zu fühlen schien. Ob sich daran etwas ändert, wenn ich ein wenig von der Suppe gekostet habe, fragte sich Wermesblut. Immerhin war er in der Überzeugung hierher gekommen nach aufgegebener Bestellung, in annehmbarer Zeit, einen schmackhaften Teller Suppe vorgesetzt zu bekommen und den Inhalt dieses Tellers genussvoll verspeisen zu können. In den Restaurants die er bisher aufgesucht hatte, war das stets so abgelaufen.

Warum aber auch, wechselte er ständig die Restaurants, hielt sich Wermesblut jetzt vor. Natürlich kannte er die Antwort. Auch hier war es wieder der Wunsch nach Unabhängigkeit, der ihn dazu trieb. Es war ihm ein absolut verhasster Gedanke in ein Restaurant einzutreten, vom Ober mit Namen angesprochen und zu dem immer gleichen Platz geleitet zu werden, an dem er dann in gewohnter Weise das übliche Gericht serviert bekam. So ein Leben lehnte Wermesblut Speckwinkel zutiefst ab. Er brauchte das Abenteuer, den Nervenkitzel, die Herausforderung, das Spontane, Ungewohnte. Aber ein quicklebendiger kleiner bunter Fisch im Suppenteller, war eindeutig zu viel des Guten.

Womöglich war die Suppe vor ihm ja auch nur ein übler Scherz, kam ihm nun in den Sinn. Womöglich machte sich da gerade jemand gehörig lustig über Wermesblut. Er hatte schon von diesem Typus Mensch gehört, dessen größte Freude darin bestand, sich über andere Menschen lustig zu machen. Womöglich war er gerade in diesem Augenblick einem dieser Menschen auf den Leim gegangen.

Er hätte den Ober zur Rede stellen sollen, als es die Gelegenheit dazu gab. Gleich nachdem der Ober den Teller auf dem Tisch abgestellt hatte, war Wermesblut ja bereits der quicklebendige kleine bunte Fisch aufgefallen. Nun war es zu spät. Der Ober außerhalb der Reichweite. Doch irgendwann würde er wieder auftauchen. Schließlich gab es noch mehr Gäste in dem Restaurant. Einige davon schienen mit der Umgebung sogar sichtlich vertraut. Zumindest verhielten sie sich entsprechend ungezwungen, machte es auf Wermesblut den Eindruck. Und dieser Eindruck liess darauf schließen, dass sie öfter hierher kamen. Demnach konnte der Service hier nicht allzu schlecht sein, vorausgesetzt natürlich, diese Gäste legten Wert auf eine zuvorkommende oder zumindest ordnungsgemässe Behandlung. Was Wermesblut einfach mal unterstellte. Lag er mit dieser Einschätzung richtig, würde nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit zweifelsohne in absehbarer Zeit abermals ein Ober in seine Nähe geraten.
Darum bemüht Aufmerksamkeit zu vermeiden, begann Wermesblut damit die restlichen Gäste zu sondieren. Das Hauptaugenmerk richtete er auf den Inhalt ihrer Teller. Was er dort sah, dämpfte seine Irritation ein wenig. Bei allen anderen Gästen schwammen ebenfalls kleine bunte Fische in den Tellern herum. Demnach war das hier so üblich. Während er das feststellte, bemerkte er schon ein neues Mysterium. Niemand schien bisher von der Suppe gekostet zu haben. Wermesblut selbst ja auch nicht.

Wermesbluts Blick richtete sich auf den Inhalt seines eigenen Tellers. Wie unter Zwang begann Wermesblut sich plötzlich zu bewegen. In der gleichen ungezwungenen Art, die ihm zuvor an den anderen Gästen aufgefallen war. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, platzierte einen Arm leger auf der Stuhllehne, schlug die Beine übereinander, zog wider eigenen Willen ein Taschentuch aus der Hose und schnäuzte sich in ungehöriger Lautstärke – fast so als wolle er damit ein Signal abgeben. Wieso er das tat? Erneut sah Wermesblut auf den Fisch in seinem Teller. Quicklebendig. Klein. Bunt – BUNTE SIGNALKREISE! Endlich verstand er. Ein Hypnosefisch!

Ein Hypnosefisch – er hatte davon gehört, ihn aber stets ins Reich der Märchen und Mythen verband. Offenkundig ein Fehler. Es gab den Hypnosefisch wirklich. Vor ihm schwamm einer. Doch was hatte der Fisch mit ihm vor? Wozu all das?

Neben Wermesblut erschien der Ober, der ihm vor geraumer Zeit den Suppenteller hingestellt hatte. Der Mann schob den Teller etwas zur Seite und positionierte einen Plastikeimer auf dem frei gewordenen Platz. Während der Prozedur war Wermesbluts Blick weiterhin wie magisch auf den Hypnosefisch gerichtet. Alles was um ihn herum geschah, nahm Wermesblut nur aus den Augenwinkeln wahr. Wie sehr es ihn auch danach verlangte mehr zu sehen.

Der Ober verschwand. Aus dem Eimer drang ein zutiefst unangenehmer Geruch. Stechend. Widerwärtig. Wermesblut war neugierig darauf zu erfahren, was sich in dem Eimer befand. Doch er konnte nicht über dessen Rand blicken. Wermesblut war vollkommen bewegungsunfähig.

Eine Stimme erklang in Wermesbluts Kopf.

Stimme: Gleich werden sie mit etwas konfrontiert, dass ihnen nicht gefallen wird. Es sind Rückstände ihrer eigenen Vergangenheit. Rückstände, die sie ungenutzt haben verkommen lassen. So etwas sollte man eigentlich nicht tun. Doch sie taten es. Gedankenlos. Ohne Rücksicht auf mögliche Folgen. Wenn einen etwas nicht direkt betrifft, ist das wohl ein Leichtes. Unsere Brüder und Schwestern traf es dafür umso härter. Einen Teil der Qualen, die unsere Brüder und Schwestern erleiden mussten, sollen heute die Verursacher dieser Rückstände erfahren. SIE!

Wie von Geisterhand gesteuert richtete sich Wermesbluts Oberkörper auf. Wermesbluts Augen schauten in den Eimer. Ihm drehte sich der Magen um. Seine Hand ergriff den Löffel. Der Löffel senkte sich in den Eimer. Tauchte in die klumpige Masse aus mehr oder weniger verdorbenen Abfällen. Nahrungsresten. Treibstoffen. Säuren. Die Klärgrube eines Lebens. Dreckig. Stinkend. Unappetitlich.

Wermesblut öffnete den Mund. Nahm den Inhalt des Eimers Löffel um Löffel zu sich.

War er tot? War dies die Hölle oder das Fegefeuer? Würde er hier und jetzt für jede noch so kleine Verfehlung seines Lebens bestraft werden? Er musste tot sein. Wie sonst war es zu erklären, dass sein Körper auf die grausige Mahlzeit nicht die geringste Reaktion zeigte. Er schluckte doch gerade das reinste Gift. Eigentlich hätte er doch schon nach dem Verzehr des ersten Löffelinhalts tot vom Stuhl fallen müssen. War er aber nicht. Folglich musste Wermesblut bereits tot sein – oder ...

Oder das was er zu sich nahm, war nicht das, was es zu sein schien. Immerhin nahm er es unter dem Einfluss eines Hypnosefischs zu sich.

Wie lautete die Wahrheit?

Warum nur musste immer alles so kompliziert sein. Wermesblut hasste das. Bevorzugte das Einfache. So hatte er auch versucht sein Leben zu gestalten. Einfach. Möglichst unabhängig. Nichts und niemanden hatte er je belästigen wollen. Keine Verantwortung übernehmen. Sich stets aus allem raushalten – das war seine Devise gewesen.

Ach wäre er doch nie in dieses Restaurant gegangen. Wäre er doch Zuhause geblieben. Zuhause in seiner Tonne, die er sich in Anlehnung an Diogenes als Heim gewählt hatte. Ob Diogenes in seinem Leben je auf einen Hypnsefisch getroffen war? Unwahrscheinlich. Wäre er es, wäre das bestimmt in irgendeiner Schrift der alten Griechen erwähnt worden. Nur zu gerne hätte Wermesblut bei den alten Griechen gelebt. Damals war das Leben noch einfach gewesen.

Erneut führte er einen Löffel der Brühe zu Mund.

Wermesblut fragte sich, wie viel er von der Gülle noch zu sich nehmen musste, ehe der Hypnosefisch ihn wieder frei gab.

Wie verhielt es sich mit den anderen Gästen? Glaubten die Fische wirklich durch diese Strafaktion bei irgendeinem der hier Anwesenden einen Lebenswandel ins Positive zu bewirken? Ging es darum bei all dem hier? Um Fische, die die Menschheit zur Vernunft bringen wollten? Wie konnten die Fische so etwas nur denken. Hatten die nichts besseres zu tun? Andererseits, wie konnte er sich anmassen die Gedanken der Hypnosefische zu verstehen?

War das was hier geschah am Ende vielleicht gar nicht so kompliziert, wie Wermesblut glaubte, sondern verkomplizierte er es aufgrund eigener Denkmuster? Hatte er eigentlich schon die Möglichkeit in Betracht gezogen alles nur zu träumen?

Stimme: Wir geben sie nun wieder frei. Sie können zurückkehren in ihr früheres Leben oder einen anderen Weg einschlagen. Das bleibt ihnen überlassen. Wir wollten sie nur darauf hinweisen, dass ihr bisheriges Leben nach unserem Verständnis nicht optimal verlief. Sollte ihnen unsere kleine Vorstellung gefallen haben, würden wir uns freuen, wenn sie unsere Aktivitäten zukünftig unterstützen. Helfer sind uns immer willkommen.

Der Ober von vorhin kam wieder vorbei und nahm den Teller mit dem Fisch in der Suppe und den Eimer von Wermesbluts Tisch. Auch die anderen Tische wurden abgeräumt.

Wermesblut wusste nicht so recht, was er von all dem halten sollte. Den anderen Gästen schien es ähnlich zu gehen. Man sah sich stumm und betroffen an. Wermesblut erhob sich.

Wermesblut: Ähem, mein Name ist Wermesblut Speckwinkel und ich habe den größten Teil meines Lebens in einer Tonne verbracht, weil mir der Rest der Menschheit stets ziemlich fremd erschien. Man könnte sagen, ich mied die Menschen. Gerade eben wurde ich daran erinnert, dass ich dennoch ein Teil dieser seltsamen Gattung bin. Fehlerbehaftet wie alle anderen Menschen. Ich vermute Mal die Fische haben jedem in diesem Raum Anwesenden gerade vorgeworfen bisher kein optimales Leben geführt zu haben?

Er hielt kurz inne und sah in die Gesichter der Anderen. Niemand widersprach.

Wermesblut: Ich dachte es mir. Zumindest in meinem Fall hatten sie damit recht. Mir ist bewusst geworden, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, ob wir das wollen oder nicht. Ich würde deshalb gerne mehr über sie alle erfahren. Am besten sofort.
Anton: Man bleibt sich solange fremd, bis man versucht einander kennen zu lernen.
Wermesblut: Wie bitte?
Anton: Das ist es doch, was sie aus der Begegnung mit den Fischen für sich mitgenommen haben – oder? Sie versuchen sich zu ändern, indem sie damit beginnen mit den anderen Gästen Kontakt aufzunehmen. Noch vor einer Stunde, hätten sie doch mit keinem von uns auch nur ein Wort gewechselt.
Wermesblut: Stimmt.
Anton: Interessant. Für mich stand der ökologische Aspekt deutlich mehr im Vordergrund als der Soziale.
Wermesblut: Aufgrund der eigenen Lebensgeschichte, reagiert wohl jeder anders auf bestimmte Ereignisse. Wie heißen sie eigentlich?
Anton: Entschuldigen sie bitte, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Anton Blubb. Ehemaliger Bundestagsabgeordneter.
Gerlinde: Mir brennt eine Frage siedend heiß auf der Zunge, deshalb mische ich mich an dieser Stelle einfach Mal in das Gespräch ein. Gab es da nicht Mal einen Griechen, der wie sie in einer Tonne lebte?
Wermesblut: Das war Diogenes. Ein Philosoph. Der ist aber schon lange tot.
Gerlinde: Sind sie auch Grieche?
Wermesblut: Nein – und Philosoph bin ich ebenso wenig.
Gerlinde: Macht ja nichts. Ich bin übrigens Gerlinde Ringelblume. Mir wurde durch das Erlebnis eben sehr deutlich vor Augen geführt, wie verwundbar wir alle sind. Klar ist das jedem von uns eigentlich immer bewusst, aber niemand rechnet doch ernsthaft damit, dass ihm wirklich etwas schlimmes widerfährt. Stellen sie sich nur mal vor, statt der Fische wären da bombenumhängte Terroristen in der Suppe geschwommen ...
Anton: Dann hätten die Teller erheblich größer ausfallen müssen.
Gerlinde: Sehr witzig. Sie wissen genau, was ich damit sagen wollte, Herr Bundestagsabgeordneter a.D.
Anton: Der Zusatz a.D. ist in Bezug auf meine Person vollständig unkorrekt.
Wermesblut: Aber meine Herrschaften. Ich bitte sie um etwas mehr Toleranz im Umgang miteinander.
Dudlmoser: Das gerade sie von Toleranz sprechen, halte ich schon für etwas befremdlich. Sprachen sie nicht gerade davon an dem Rest der Menschheit bis vor wenigen Minuten nicht das geringste Interesse gehabt zu haben?
Gerlinde: Manche Dinge können sich sehr schnell ändern. Springen sie nur mal ohne Fallschirm aus einem Flugzeug in 30000 Metern Höhe.
Anton: Mit welchen Flugzeugen sind sie denn unterwegs?
Gerlinde: Ich denke der Herr wusste mein Beispiel sehr wohl einzuordnen – oder Herr ... Ähh
Dudlmoser: Ich bin der Dudlmoser Sepp und ich bin nicht der Ansicht, dass wir den Hokuspokus der Buntfische überbewerten sollten. Ich zumindest beabsichtige an meinem Leben nichts zu ändern.
Wermesblut: Jeder sollte das tun, was er für richtig hält.
Dudlmoser: Richtig – und darum gehe ich jetzt.
Gerlinde: Oje – und dabei haben wir uns alle doch gerade so schön miteinander unterhalten ...
Anton: Ich schließe mich den Fischen an.
Wermesblut: Ich auch.

Die meisten Gäste taten es dem Dudlmoser Sepp gleich und verliessen das Restaurant. Einzig Anton Blubb, Gerlinde Ringelblume und Wermesblut Speckwinkel blieben zurück. Die drei setzten sich zusammen an einen Tisch. Gerlinde lächelte fröhlich vor sich hin und zupfte ihre blumenübersäte Rüschenbluse zurecht. Anton Blubb sah sie ungläubig an. Er konnte dieser verschrobenen jungen Dame beim besten Willen nichts abgewinnen. Oft genug hatte dieser Typus ihn bei seinen Wahlkampfauftritten aus der Fassung gebracht. Wermesblut freute sich von Menschen umgeben zu sein – auch wenn da jetzt nur noch zwei waren – und empfand diese Gesellschaft äußerst unterhaltsam. Gerade als er felsenfest damit rechnete, dass Herr Blubb Frau Ringelblume an die Gurgel springen würde, weil diese wieder einen unsäglichen Vergleich vorgebracht hatte, erschien ein Ober an Wermesbluts Seite.

Ober: Sie möchten uns also unterstützen. Sehr schön. Dann erzähle ich ihnen jetzt, was sie erwartet, wenn sie unserer kleinen Bewegung beitreten.

Er machte eine bedeutungsschwangere Pause, die Frau Ringelblume dazu nutzte einen klitzekleinen Schluck aus ihrer Reisekaffeetasse zu sich zu nehmen. Dem winzigen Schluck folgte ein wohliges, Ah.

Ober: Die nächsten fünf Jahre werden sie in unserem Ausbildungszentrum in Castrop-Rauxel verbringen. Danach erhalten sie einen eigenen Teller mit Suppe und einem bunten Fisch darin. Für den Rest ihres Lebens wird es ihre Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass dieser Teller stets voller Suppe ist und es dem Fisch gut geht. Als Gegenleistung stellt man ihnen einen schriftlichen Beleg aus, der ihnen versichert, ihr Leben nicht sinnlos vergeudet zu haben.
Anton: Das ist alles?
Ober: Das ist alles.
Anton: Klingt nicht sonderlich anspruchsvoll und aufregend.
Ober: Sie können sich nicht vorstellen, was es bedeutet einen bunten Fisch zufrieden zu stellen.
Anton Das ist wohl wahr.
Gerlinde: Fast könnte man denken, sie wollen uns zu Anhängern einer neuen Religion oder Sekte machen. Ist das etwa so?
Ober: Religionen und Sekten sind zumeist stark hierarchisch aufgebaut – im Diesseits und im Jenseits. Bei den bunten Fischen gibt es so etwas nicht. Die bunten Fische unterscheiden nur zwischen Fisch und Nicht-Fisch – und wer jetzt noch kein Fisch ist, der wird nach der Wiedergeburt einer sein. Entscheiden sie selbst, ob sie dies für die Lehre einer Religion oder Sekte halten – oder für ihre Chance auf ein glückliches Leben.
Gerlinde: Ähem, mein Lebensglück soll aus der Vorfreude bestehen, als Fisch wieder geboren zu werden?
Ober: Das ist es, wozu sie der schriftliche Beleg berechtigt. Zur Wiedergeburt als bunter Fisch. Sie werden ein ewiges Wesen. Unsterblich. Erhaben. Erleuchtet. Unabhängig von Raum und Zeit. Mit eigenem Suppenteller. Ist das etwa keine erfreuliche Aussicht?
Wermesblut: Sie sprechen immer von bunten Fischen. Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich dabei um Hypnosefische handelt – wie die, die uns vorgesetzt wurden?
Ober: Die bunten Fische mögen die Bezeichnung Hypnosefische nicht. Sie finden dadurch wird ein falsches Bild von dem vermittelt was sie tun. Sie ziehen es vor als bunte Fische bezeichnet zu werden.
Anton: Wann erhält man den Beleg, von dem sie gesprochen haben?
Ober: Selbstverständlich nicht vor dem letzten Atemzug, denn erst dann kann eine alles umfassende Beurteilung ordnungsgemäss durchgeführt werden. Erhielten sie den Beleg früher, wäre das doch wohl ein eindeutiger Etikettenschwindel.
Gerlinde: Mit diesen ganzen Belegen wird schon viel zu viel Schindluder getrieben. Da ist es völlig richtig, wenn sie ihren erst ganz am Ende herausgeben.
Anton: Könnten sie es vielleicht in Betracht ziehen, für eine Weile ihren Mund geschlossen zu halten, Frau Ringelblume?
Gerlinde: Seien sie froh, dass sie nicht mehr im Bundestag sitzen, sonst hätte ich sie aufgrund ihrer eben gemachten Anmerkung augenblicklich abgewählt.

Anton verdrehte entnervt die Augen und verzichtete auf eine weitere Bemerkung.

Wermesblut: Ist es absolut sicher, dass jeder der seine Arbeit bei ihnen gut verrichtet einen schriftlichen Beleg erhält?
Ober: Bisher ist mir nichts gegenteiliges bekannt.
Gerlinde: Also ein schriftlicher Beleg und die Aussicht auf Wiedergeburt überzeugen mich ja nun nicht gerade. Aber das ich nach einer fünfjährigen Ausbildungszeit einen putzigen bunten Fisch geschenkt bekomme, halte ich für eine feine Sache – ich trete ihrer Vereinigung bei.
Wermesblut: Also auf nach Castrop-Rauxel. Auf das wir eines Tages allesamt bunte Fische werden.
 

jon

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Knallharte Auskunft

Sorry, aber obwohl ich mir jetzt sicher bin, dass dir bei deinen Texten wichtige Botschaften vorschweben, habe ich diesen hier genau an der Stelle jener Erkenntnis aufgehört zu lesen. Nicht wegen der "Botschaft", sondern weil wieder so ein "Dreh" drin war, als sei dir eben noch was anderes eingefallen – du würdest, so fühlte es sich an – auf das, was ich eben in aller Ausführlichkeit gelesen hatte, eh nicht zurückkommen, es war also (mit Blick auf die kommenden Textteile) "Zeitverschwendung", sich darauf eingelassen zu haben.

Ich habe den Rest des Textes inzwischen natürlich noch überflogen. Erinnert mich an "extra 3", nur ist "extra 3" irgendwie besser. Handlicher. Will nicht so viel auf einmal und/oder ufert nicht so aus. Dadurch wird es klarer, verschwimmt nicht so sehr zu einer allgemeinen "Die Politiker/Unpolitiker/Problembewussten/Problemignorierer sind schlecht/blöd/dumm"-Suppe. Schade, ich mag diese Mischung aus Sarkasmus, Analyse und Blödelei eigentlich.

Muss ich das mit den Dialogen noch erwähnen? ;)
Hier wär meiner Meinung nach der zweite Teil (ab da, wo die Stimme spricht) wohl ausreichend als Geschichte und dies alles dann auch gern in reiner "Drehbuch"-Form (für ein Kabarett-Stück). Ja, die Idee gefällt mir ...
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
für mich fehlt da irgendwie der Dreh vom erstauntwitzigen zum aha-Erlebnis.
schön schrullig, aber nicht ganz treffend, als ob der eigentlich Clou noch fehlte.

cu
lap
 



 
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