Der Geist in der Flasche

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SnowMan

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Hallo zusammen,

hier nun eine weitere Kurzgeschichte. Da meine erste glaub zu lang war, und niemand so richtig darauf geantwortet hat, hoffe ich, das Ihr diese Geschichte kritisch betrachtet und mir ggf. den einen oder anderen Punkt zeigt, wo sie nicht stimmig ist :)

Viel Spass beim lesen.

Euer SnowMan

Der Geist in der Flasche


An jeder verdammten Ecke konnte man es kaufen. Perfide aufgereiht, an Stellen, wo man unweigerlich in Versuchung gebracht wird. Eine legale Droge, die sogar in der Öffentlichkeit ohne Scham konsumiert wird.

Seit zwölf Jahren bin ich jetzt trocken. So nennt man es, wenn man die Krankheit hatte.
Verdammt, ja, ich hatte sie.

Damals schwemmte ich die Probleme weg, ohne zu wissen, wie zerstörerisch es ausging. In dieser Zeit war der Geist in der Flasche allgegenwärtig.

An der Decke meiner Küche hängt eine dieser schäbigen IKEA-Lampen. In ihr sammelte sich allerlei totes Getier. Unwiderstehlich angezogen vom Licht. Kamen sie zu nahe, verbrannten sie.

Jetzt stand sie wieder da, im Schein der Lampe. In der Mitte meines Küchentisches. Anziehend, verlockend und doch tödlich.
Ich erinnere mich nur noch schemenhaft. Eines Abends stand meine Frau vor mir und sagte aus heiterem Himmel: „Karl, ich lass mich scheiden.“
Ohne ersichtlichen Grund. Einfach so.
Damals brach meine Welt wie ein Kartenhaus zusammen. Damals griff ich das erste Mal zur Flasche. Das ist jetzt zwölf Jahre her.
Jetzt sitze ich am gleichen Platz und starre wie gebannt auf den Inhalt der Flasche.
Grüble über mein leben nach. Was für eine Scheiße.

„Mach mich auf“, hämmerte eine stimme im Kopf. Suggerierte mir, ich müsse trinken. Nur dadurch könnte ich meinen Schmerz vergessen.
Mit Wut schleuderte ich das Glas gegen die Wand. Es zerbrach in tausend Scherben, die wie ein Platzregen im Sommer zu Boden fielen.
Ich warf meinen Kopf zurück in den Nacken - wieder nach vorn -, so, dass mir beinahe schwarz vor Augen wurde.
„NEIN!, ich kann es nicht“, schrie ich.
Die Stimme wurde lauter. Der Zwang, es doch zu tun, immer heftiger.
Ich schrie, tobte in der Wohnung umher.
„WARUM!, warum aufgeben(!)?“
Innerlich griffen tausend Hände nach mir, versuchten mich in den Abgrund zu reißen. (Wo es kein Entrinnen gab, fiel man einmal hinein.)
Unter massiver Anstrengung rang ich nach Luft. Kämpfte gegen den Drang zu trinken.
Erneut flüsterte die geisterhafte Stimme verführerisch, „Trink mich! Und ich helfe dir, deine Probleme zu vergessen. Komm. Nur einen Schluck. Was ist schon dabei.“
Das Süße Säuseln wurde verlockender.
„Komm. Öffne mich. Nur ein Schluck!“, forderte sie mich eindringlich auf.
Diese verdammte Stimme in meinem Kopf wollte mich in den Wahnsinn treiben. Ich schlug mir gegen den Kopf, in der Hoffnung, sie so zu vertreiben.
Wie in Trance ging ich ins Bad und übergab mich.
Das Gegenüber im Spiegel, ein Monster. Und das war ich. Ein Versager auf der ganzen Linie. Was hatte ich denn schon erreicht? Eine zerbrochene Ehe und keinen Job.
Meine beste Freundin hatte mich heute Morgen verlassen. Auch aus heiterem Himmel.
Wieder war ich allein. Allein auf dieser Welt, mit meinen Problemen. Alles, was ich anpackte, zerrann wie Sand in einem Stundenglas. Auf einen Schlag war alles zunichte. Zerbrochen wie ein Tongefäß.

„Tue es. TUE ES!“, hämmerte die Stimme erneut.
„NEIN!“, brüllte ich ihr entgegen. „Lass mich in Ruhe. Verschwinde!“
Mit geballter Faust schlug ich auf den Spiegel ein, der augenblicklich zerbrach. Blut tropfte wie Tränen in das Waschbecken. Mein Gesicht spiegelte sich bizarr in den Bruchstücken. Meine Gliedmaßen zuckten, meine Muskeln wurden wie Gummi. Unfähig zu einer klaren Handlung.
Ich schrie, schrie wie ein Schwein im Todeskampf.

Es klopfte an der Türe. Kräftig. Ich erinnere mich nur noch schemenhaft daran, was passierte.
»Herr Fiedler, ist alles in Ordnung?«
Mein Nachbar, der zwei Türen weiter wohnte, stand vor mir.
»Nichts!, womit ich nicht selbst fertig werde. Sie kleines neugieriges Arschloch«, rief ich hasserfüllt.
»Wie haben Sie mich genannt?«, antwortete er. Seine Stimme klang plötzlich schroff und bedrohlich.
»Haaalllt’s Maauul. Verschwinde, neugieriger Drecksack«, brüllte ich.
»Hören Sie auf mit dem Geschrei, sonst rufe ich die Polizei.«
»Hau ab. Ich brauch deine Hilfe nicht.“ Langsam kroch ich auf allen Vieren in Richtung Küche.
Der Geist stand immer noch auf dem Tisch. Thronte dort verhöhnend.
Am Türrahmen rappelte ich mich auf und rannte zum Tisch. Nahm die Flasche, öffnete sie. Mit zitternden Händen trank ich einen großen Schluck.
Einen weiteren - einen dritten.

Wohlbefinden durchflutete meine Adern wie ein ausgetrocknetes Flussbett. Alles um mich herum wurde leichter. Mein Körper schien sich aufzulösen - zu schweben. Ich schloss die Augen, sah mich, meine Kinder und meine Frau, auf einer endlosen Blumenwiese. Wir hatten Spaß. Lachten. Meine Kinder tollten im Blumenmeer fröhlich umher. Ich hielt meine Frau in den Armen. Ein leichter Wind blies den Duft des Meeres herüber, Vögel zwitscherten in den Bäumen. Schmetterlinge umschwirrten uns.
So gut hatte ich mich seit zwölf Jahren nicht mehr gefühlt. Dann wurde mein Kopf schwer wie Blei. Er knallte unsanft auf den Tisch und riss mich zurück in die Realität. Wände schienen sich langsam zu nähern, als wollten sie mich wie eine Schmeißfliege zerquetschen. Schatten schienen lebendig zu werden. Alles verschwamm zu einer unscharfen Suppe.
Und da war sie wieder. Diese Stimme in meinem Kopf.
„Das war doch gut. Nicht wahr?“, flüsterte sie in einem spöttischen Tonfall.
„Jetzt nur nicht aufhören. Trink. Es tut dir gut.“
Die Welt um mich herum verschwand Stück für Stück.
Ich trank immer mehr.
Irgendwann musste ich das Bewusstsein verloren haben, denn ich erwachte in meinem Erbrochenen. Es war heller Morgen.
An die Begebenheiten dieser Nacht erinnerte ich mich nur lückenhaft.

Langsam schleppte ich mich in den Flur, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer meines besten Freundes.
„Jo - Jim hier?“, antwortete er.
„Ich … Ich bin’s. Kurt“, stammelte ich in den Hörer.
„Jo Mann (oder: englisch und klein "man"), was gibt’s?“
„Ich hab’s wieder getan. Ich konnte nicht anders.“
„Was ist passiert, Kurt?“, fragte er mit besorgter Stimme.
„Die Flasche - sie hat mich wieder im Griff.“

Unter Tränen erzählte ich, was passiert war. Die bruchstückhaften Erinnerungen versuchte ich ihm zu schildern.
Ich hatte versagt. Auf der ganzen Linie. Als Ehemann, als guter Familienvater und als ein Geheilter der Krankheit. Dem Alkoholismus.

„Warte. Ich bin gleich bei dir“, sagte er in einer Stimmlage, die mich beruhigen sollte.
„Danke. Was würde ich nur ohne dich machen.“
„Hey, wozu hat man denn Freunde? Das bekommen wir beide gemeinsam wieder in den Griff. Einen Ausrutscher hat jeder mal“, antwortete er.

Ich legte auf, sank neben dem Telefon zu Boden und weinte bitterlich.
 

Wipfel

Mitglied
Gefällt mir ausgesprochen gut! Kurzgeschichte? Tja. Eher Kurzprosa. Aber du schreibst gut! Auch wenn es ein trauriges Thema ist.

Grüße von wipfel
 

Vagant

Mitglied
hallo snowman, eigentlich bin ich durch deine neue storie (zu der wollte ich mich nicht äußern, da ich es eigentlich nicht gut heiße, dass man hier 3 stories ins rennen schickt, aber nicht daran interssiert ist, sich zu den arbeiten der anderen zu äußern) zu dieser gelangt. die kürze der storie hat mich dazu bewogen sie mal flott zu lesen. und sie ließ sich flott lesen; das allein ist schon mal ein lob wert.
im grunde ist es hier ja wie in einem guten countrysong, von dem man ja sagt, dass, lässt man ihn rückwärts laufen, der held alles wieder bekommt: seine frau, seinen job, seine wohnung.
also eine geschichte wie ein lamento über die alkoholsucht, und den damit einhergehenden absturz.
aber wer sagt denn, dass man nicht auch mal ein lamento anstimmen kann? Sicher kann man. mir hat es so ganz gut gefallen.
stilistisch mochte ich die kurzen, prägnanten sätze, den erzählton, der im dialog ein wenig an bukowski erinnert, und die nähe zum protagonisten. gut, könnte man sagen; ich-erzähler, na wenn da die nähe zum protagonisten nicht schon von beginn an gegeben ist... aber ich habe hier schon ich-erzähler gelesen, die waren so weit weg von sich, da konnte man annehmen, sie wären gar nicht mit am set. das ist bei dir nicht so, du hast das sprachlich recht gut ausgearbeitet, denke ich.
den ersten absatz würde ich ersatzlos streichen. hier bringst du binsenweisheiten und besetzt allgemeinplätze.
"seit 12 jahren bin ich trocken.", wäre ein verdammt guter anfang gewesen.

lg vagant.
 

SnowMan

Mitglied
Hallo Vagant,

erstmal Danke für Deine Antwort.

hallo snowman, eigentlich bin ich durch deine neue storie (zu der wollte ich mich nicht äußern, da ich es eigentlich nicht gut heiße, dass man hier 3 stories ins rennen schickt, aber nicht daran interssiert ist, sich zu den arbeiten der anderen zu äußern) zu dieser gelangt. die kürze der storie hat mich dazu bewogen sie mal flott zu lesen. und sie ließ sich flott lesen; das allein ist schon mal ein lob wert.
Hier Schande über mich. Nur hab ich das Problem, ich weiss nicht wie man Texte kommentiert. Wenn ich auf antworten klicke, kommt nur ein leeres Feld. Muss ich immer QUOTE eintippen?

Sehr gerne äußere ich mich zu anderen Texten, nur das Funktioniert hier nicht.

Zum Text: Die kurzen Sätze sollten die Dramatik des ganzen unterstützen. Bei vielen meiner Texte hab ich das Gefühl, das diese zu sehr abgehackt sind. Also Übergänge von Absatz zu Absatz zu schaffen. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.

So, werde mir jetzt mal die Funktion des Beantwortens genauer anschauen.

LG

SnowMan
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Deine Story

Ich will es kurz und sachlich machen.

Die Geschichte krankt meiner Meinung nach an folgenden
Dingen:

1. Das Thema wird konventionell verarbeitet. Alkohol - die personifizierte Flasche - hat den Mann im Griff. Als Idee nicht neu.

2. Viele Bilder stimmen nicht, treten zu geballt auf oder irrtieren. Beispiel: Erst zerinnt alles wie Sand in einem Stundenglas (stimmt das überhaupt so?) dann zerbricht alles wie ein Tongefäß (warum gerade ein Tongefäß). Wohlbefinden durchflutete meine Adern wie ein ausgetrocknetes Flußbett. Durch Adern fließt Blut, es handelt sich also mitnichten um etwas Trockenes. Der Vergleich Adern=ausgetrocknetes Flußbett ist daher wenig stimmig.


3. Das Ende? Er ruft jemanden an nach dem Rückfall. Aha, so what? Happy End?

4. Groß- und Kleinschreibung beachten. Beispiel: Grüble über mein leben nach.

Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: Wenn du die Handlung so lassen willst, muss die Sprache besser, kreativer und stimmiger werden. Wenn du die Sprache nicht spannender, kreativer gestalten kannst, muss die Handlung spannender werden.

Gruß,

CPMan
 



 
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