Der Heldenmut einer Legehenne

gueko

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Der Heldenmut einer Legehenne

Seine Augen strahlten wieder wie damals, als sie sich kennen lernten. Es war vor fünfzehn Monaten: Sabine verliebte sich zuerst in diese Augen, dann erst in Peter. Sie freute sich, dass sie in den vergangenen Tagen wieder dieses kribbelnde Gefühl im Magenbereich spürte, wenn sie ihn ansah. Sie dachte schon dieses stimulierende Gekrabbel nie wieder spüren zu können, dass sie schon zu lange zusammen wären, dass das Verliebtsein sich in diese ewige Liebe verpuppte. Aber Peter erweckte es jetzt wieder in ihr, dieses besondere Empfinden in der Bauchhöhle. Alles war gut, Peter der richtige Mann für sie, sie die richtige Frau für Peter. Warum sonst würden seine Augen so strahlen nach drei Tagen Seminar, drei Tagen an denen sie nur zwei Mal telefonieren konnten. „Sicher habe ich ihm schon gefehlt“, dachte Sabine.

Befremdend auf sie wirkte nur, dass er nach drei Tagen Abstinenz erst ins Bett stieg, nach dem sie eingeschlafen war, und dass er sie auch nicht weckte, wie sonst immer. Auch die zwei Nächte danach kam er nicht unter ihre Decke. Das empfand sie ungewöhnlich, seltsam, verwirrend. Erst dachte sie noch, er wäre zu müde gewesen, nach der langen Autofahrt. Jetzt waren es aber schon sechs Tage ohne Sex – Peter verhielt sich seit dem Seminar anders. Das Kribbeln im Bauch wurde stärker. Sie war verliebt wie in den ersten Wochen, wenn sie an ihn dachte, an ihren Peter.

Seit dem Seminar bekam sie morgens nur noch einen flüchtigen Abschiedskuss. An das konnte er sich doch nicht in drei Tagen gewöhnt haben, dass es am Morgen keinen Kuss gibt, dachte Sabine. Wie war das schön in den ersten Wochen. Als sie das erste Mal bei ihm übernachtete und er sich um Viertel nach Sieben fertig machte, um in die Arbeit zu fahren, da endete der Abschiedskuss erst nachdem er noch einmal zu ihr ins Bett gestiegen war. Diese jungfräulichen Beziehungsaugenblicke gingen ihr durch den Kopf, wenn sie jetzt an ihn dachte. So leidenschaftlich war ihre Beziehung schon länger nicht mehr. Doch seit dem Seminar war die Leidenschaft gänzlich verschwunden, ausgenommen aus seinen Augen, die funkelten wie damals.

Was, wenn er sie nicht mehr liebte? Das Bauchkribbeln wandelte sich zu einer Ganzkörpergänsehaut. Sie begann zu zittern. Sie verdrängte diesen Gedanken wieder. Natürlich würden sie ewig zusammen bleiben. Peter brauchte sie, dass war für Sabine sicher. Nur nicht noch länger alles runterschlucken, was sie störte, das wollte sie jetzt. Sie würde das ansprechen. Über ihre Gefühle zu reden, das konnte sie mit Peter. Zumindest am Anfang der Beziehung, als sie eine ganze Nacht im Garten saßen und redeten. Gut, vielleicht war heute nicht der beste Tag dafür. Er würde erst spät nach Hause kommen und nur sein Essen wollen, ein wenig Zeitung lesen und dann die Sportsender durchzappen. Heute war sicher keine Zeit für Gespräche, für Gefühlsduselei, wie er es vor einigen Wochen genannt hatte. Das war ihr jetzt ganz bewusst.

Morgen würde sie ihn darauf ansprechen. Sie würde ihm sein Lieblingsgericht kochen, den guten Wein einschenken – rechtzeitig dekantiert, so wie er ihn gerne mochte - und dann würde sie das Thema auf ihre Beziehung lenken, so dachte Sabine bei sich. Obwohl sie wusste, dass er sie liebte, wie sie war und brauchte, was sie für ihn tat, wollte sie sich nicht länger so behandeln lassen. Wobei sie keinen Grund hatte sich zu beschweren, es ihr mit Peter eigentlich gut erging. Im Vergleich zu Claudia, die von Seki immer wieder geschlagen wurde. Obwohl Seki Claudia sicher liebte und ein total lieber Kerl war. Manchmal ging es eben durch mit ihm. Seki hat es nicht so leicht in seinem Job, erklärte ihr Claudia das zeitweilige Ausrasten ihres Geliebten.

Peter hatte es auch nicht leicht. Immer diesem Druck ausgesetzt zu sein, etwas verkaufen zu müssen, um Provision zu kassieren, kilometerlange Fahrten um Fünfminutenkundengespräche zu führen. Da wollte sie ihn am Abend nicht noch mit ihren Beziehungsproblemchen belasten. Peter ließ aufgestauten Dampf wenigstens nicht an ihr ab, wenn sie ihn nicht übermäßig reizte. Vergangenen Dienstag ausgenommen. Nach dem ersten Schrecken wurde Sabine schnell klar, wie blöd sie da reagiert hatte. Da brauchte sie sich nicht zu wundern. Und tat es auch nicht. Peter hatte es nicht böse gemeint. Ganz im Gegenteil, es tat ihm sogar Leid und er nahm sich extra ein paar Minuten mehr Zeit beim Liebesakt. Fast hätte sie einen Orgasmus bekommen. Das bewiese wieder Peters zärtliche, ungebrochene Leidenschaft, seine Liebe und seine Zuneigung, dachte sie.

Ihre Freundin Karin hatte erzählt, dass sie den Verdacht hegt, dass ihr Mann Sandor sie betrügt. Das würde Peter niemals tun. Er hatte einfach zu viel Arbeit, zu viel um die Ohren. Den Freitag-Stammtisch nutzte er um sich abreagieren zu können, von der Arbeit und so. Da hatte sie dann wenigstens Zeit und Ruhe sich um sich selbst zu kümmern, zu bügeln und die Wohnung zu reinigen. Aber den Ton, den Peter in den letzten Tagen anschlug, das war ihr nicht ganz Recht, das müsste sich wieder ändern. Bis er nach Hause käme wollte sie noch ein wenig fernsehen. Sie schaltete ein und sah eine Dokumentation, es schien über Massentierhaltung oder Eierproduktion zu gehen. „Nach 12-15 Monaten werden die Legehennen gegen Jungtiere ausgetauscht und als Suppenhühner verkauft!“ Die Worte des Sprechers bewirkten, dass sich Sabines Gedanken vernetzten und ihr plötzlich glasklar wurde, dass sie trotz ihrer Bedenken hinsichtlich Peters Gesprächsbereitschaft noch heute den Mut aufbringen wird, um mit Peter zu reden, in jedem Fall heute, keinen Tag später.
 

Walther

Mitglied
Hi Gueko,

der Titel will nicht so recht zur Geschichte passen, der übrigens ein echtes Ende fehlt. Gut geschriebener Text, der irgendwie unfertig wirkt. Eigentlich schade.

Irgendwie meine ich, die Story sollte noch ein wenig weitergehen, die Legehennengeschichte in ein brauchbares Ende, warum nicht mit der Aussprache koppeln, einflechten.

Soweit mein Lesereindruck. Als eher lyriklastiger Schreiber bin ich kein KG Experte.

Gruß W.
 



 
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