Der Hirtenjunge

Simmias

Mitglied
28.09.2010
DER HIRTENJUNGE

„Wo bleibt nur die Herde?“, fragt sich der Wolf. „Nun ist bald Mittag, da sollte sie demnächst hier passieren! Gewiss kommt sie an einigen Tagen erst später, doch an anderen wäre sie längst ein getroffen!
Habe ich es übertrieben in letzter Zeit? Die Herde traut sich nicht mehr den Pfad hinauf und ich muss verhungern? Doch dem Fuchs scheint es gut zu gehen. Wie schafft er es? Mir war es, als wage er sich nicht an die Herde heran. Wie bitter habe ich mich getäuscht, nun weiß ich, dass er es ist, der mir meine Beute streitig macht. Und heute hat er sicher etwas erlegt. Der Hund, man könne doch erwarten, dass man zueinander hält, unter alten Bekannten! Aber er lauert im Tal, kurz hinter dem Dorf, und fängt die Herde ab. Und was tue ich?

Ich warte, doch die Herde kommt nicht mehr, gleich ist schon Mittag. Der Hirte hat es versäumt und für heute die Herde im Dorf gelassen! Und ich Tor warte ein Leben lang auf die Herde, die in aller Ruhe und Friedlichkeit im Dorfe grast. Sollte ich nachsehen, hervorkommen aus meinem Versteck, ins Tal hinunterspähen? Vorsichtig! Wenn Sie kommen, haben sie dich entdeckt. Bevor die Vögel dich verraten, musst du in Deckung bleiben. Oder gehe ich ganz ins Dorf, kann ich dort etwas erlegen? Fürchtet sich nicht einjeder vor mir, dem Bösen?

Halt, eine Taube hat mich entdeckt, sie fliegt auf, direkt ins Dorf, jetzt muss ich schnell sein, falls ich am Leben bleiben will, schnell! Was wird dir auf dem Weg begegnen, denkt nach! Der Hirte ist bewaffnet, ihn darf ich nicht entgegenkommen; im Dorf wohnen viele Leute, dort darf ich nicht erblickt werden! Und wo wird dann die Herde sein? Doch stop! Nicht bewegen, nichts übereilen! Welch Glück, ich sehe am Horizont Bewegung, da kommt die Herde. Ich habe es geahnt, übrigens war es auch sehr wahrscheinlich, der Hirte hat getrödelt, wie es häufiger vorkommt.

Aber nein, was sehe ich? Es sind viele Hirten! Sie kommen, mich zu holen! Es sind einige, doch ich bin allein! Der Wolf wird sich stellen; einen oder zwei kann mich wohl mitreißen. So leicht macht er es ihnen nicht, nicht mit in ihr, ihre Hirten! Sieh zu, dass du ihnen entgegen läufst, sie wissen um mein Versteck bescheid, es war die Taube, die mich verraten hat. Wer kann es ihr verübeln? Aber ich sterbe in Ehren. In Ehren und im Freien geht der Wolf im blutigen Gefechte unter! Schnell, spring ihnen entgegen, aus der Deckung hervor!

Stillgestanden! Lieber ziehe ich mich tiefer in die Büsche zurück, es sind nur Jungen, die in morgendlicher Stunde sorglos in den Bergen spielen. Ihr Narren, wie ist Ihr denn nicht, wer hier lauert? Und bald ist Mittag vorbei und ich habe nicht gefressen. Vielleicht ist die Herde verendet. Krankheiten gibt es genug. Oder der Hirte liegt im Sterben, in jedem Fall ist die Herde im Dorf. Und doch weiß ich im Inneren, dass der Fuchs sie verschreckt hat, ich nehme es hin, er hat die Herde verängstigt, sodass der Hirte gezwungen war, direkt ins Dorf zurückzukehren. Oder hat er vielleicht mein Versteck in den Büschen erahnt? Und daraufhin einen anderen Weg genommen? Oder nein - wenn der Hirte mich erahnt hat, hetzt er nach mir.

Jetzt klar denken! Werde ich beschattet? Was lauert hinter dem Baum? Es ist der Lauf des Gewehres, das mich in gespannter Erwartung meiner Beute erlegen wird. Muss ich fliehen? Was, wenn ich in dem Moment hervor stürzte, in dem der Hirte um die Kurve kommt! Er ist kaltblütig und bewaffnet, zudem groß und grausam. Er schießt mich tot. Hat er vielleicht heute zusätzlich Schutz gefordert? Oh weh! Die Herde ist bewacht. Der Fuchs hat die Wachen alarmiert! Er hat mich verraten der Schuft, was denkt sich solch Abtrünniger?

Es bleibt mir nur, mich zu bedauern, was habe ich für ein Pech! Welche Qualen erleide ich in Ungewissheit. Ein Jammer, dass ich elendig verenden muss!“

Und als der Hirtenjunge gegen Mittag singend und lachend dem Pfad entlang springt, bemerkt er, von der Herde gefolgt, nicht, wie ein Wolf sich windend im Gebüsch krepiert.
 

Garde

Mitglied
Hallo Simmias,

zunächst hätte ich der Geschichte einen anderen Titel gegeben. Irgendetwas in die Richtung, "wer zuviel denkt", oder ähnliches.
Wie so oft, finde ich die Idee prima. Die Geschichte hat eine schöne Moral. Ein Raubtier, dass zu zögerlich ist, oder wer zuviel denkt etc.
Aber sie ist in meinen Augen zu langatmig und zu unpräzise. Du holst sehr weit auf und wiederholst dich.
Das könnte eine richtig gute kleine Geschichte werden.

LG
Garde
 



 
Oben Unten