Der Junge, der von den Sternen kam

4,60 Stern(e) 5 Bewertungen
Wenn man in einer klaren Winternacht draußen im scharfen Wind steht und zum Himmel schaut, dann sieht man hinter vielen Sternen und noch mehr Sternen einen ganz besonderen Stern. Er leuchtet ungewöhnlich hell, heller als all die anderen, und betrachtet man ihn eine Zeit lang, dann könnte man fast glauben, er ist gar nicht allzu weit von der Erde entfernt. Aber kein Mensch war jemals in seiner Nähe, nicht einmal die Astronauten mit ihren Raketen, weil die Raumfahrtbehörde denkt, ohnehin könne dort niemand leben. Aber das stimmt nicht ganz, denn vor gar nicht langer Zeit war ein kleiner Junge auf dem Stern zu Hause. Ein überaus magerer Junge mit blassem Gesicht, müden Augen und dunklen Augenringen darunter, die ihm wohl eine etwas kränkliche Natur bescheinigt hätten, wäre da bloß nicht sein Haar gewesen, das wie Sternenstaub im Sonnenwind überaus lebendig schimmerte. Der Junge war ein Sternenkind, und wie es bei einem Sternenkind üblich ist, lebte er ganz alleine auf seinem Stern. Eigentlich hätte der Junge ein recht zufriedenes Kind sein können, denn was sein Herz auch begehrte, auf dem Zauberstern gingen all seine Wünsche in Erfüllung. Er brauchte nur seine Augen zu schließen, an ein beliebiges Spielzeug zu denken, und schon war es in seinem Besitz. Aber das machte ihn keineswegs glücklich, weil es für ihn doch so gewöhnlich war, und so geschah es nicht einmal, dass er sich darüber ein bisschen freute oder dass er gar lächelte.
Aber wenn er im Schlaf lag und träumte, Träume, die er wunderschön in Erinnerung hatte, dann lag ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht.
Eines Tages, es war im Dezember und zur Weihnachtszeit, saß der Junge auf seinem Spielzeugberg. Er war gerade damit beschäftigt, zu seinen Füßen eine kleine Welt nach seinen Wünschen und Träumen zu gestalten. Eine Winterlandschaft war schon geschaffen, über der einige Schneeflocken lieblich umhertrieben. Das gefiel ihm sehr und er klatschte in die Hände. Als es ihn aber an der Nase und den Ohren zu frieren begann, begrub er das Schneetreiben unter einer Spielzeuglawine. Lustlos setzte er sich auf sein Schaukelpferd, das ihn hin und her wiegte, bis er ganz schläfrig wurde davon, und er sich von ihm herunterfallen ließ auf seinen Rücken. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und blickte zu den abertausenden Sternen am Himmel. Er dachte an seine Träume und fragte sich, ob da draußen wohl noch jemand sei, wie er manchmal zu träumen glaubte. Doch darauf fand er keine Antwort, und das machte ihn schrecklich traurig.
Als er ein Weilchen so da lag und seine Augen zumachte, spürte er auf einmal, wie etwas sanft auf seinem Bauch landete. Erschrocken fuhr der Junge hoch und das rätselhafte Ding rollte von ihm herab und klimperte zu Boden. Staunend betrachtete er das hübsch verzierte Eisenrohr, das an dem einen Ende drei und an dem anderen vier Fingerbreit und an beiden Enden mit Glas verschlossen war. Vorsichtig hob er das Stück auf, drehte und wendete es in seinen Händen, bis er es wagte, einen Blick hindurchzuwerfen. Was er daraufhin zu sehen bekam, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. All die Sterne, die an anderen Tagen so weit entfernt waren, lagen zum Berühren nahe. Und als er an dem kleinen Rädchen drehte, das an dem wundersamen Rohr seitlich hervorsprang, wollten sie gar nicht mehr aufhören damit, näher und näher zu kommen. Der Junge jauchzte, und während er nach immer weiteren Himmelskörpern suchte, sprach er liebevolle Worte zu dem Zauberrohr. Hin und her schwenkte er das Instrument, bis er einen kleinen Planeten ausmachte, der recht unscheinbar zwischen den funkelnden Sternen steckte. Er war von blauweißer Farbe und überaus entzückend. Unaufhörlich drehte der Junge an dem Rädchen. Städte und Dörfer erblickte er bald, und dann war es ihm gar möglich, in die weihnachtlich geschmückten Häuser der Menschen zu sehen: Frauen in Schürzen sah er an Backöfen stehen, Männer, die mit ihren Kindern spielten, oder gar Bäume hübsch verzierten, und als er bemerkte, dass all die Kinder lachten, da setzte er sich und begann auf seinen Lippen zu nagen. Wohin er auch schaute, überall herrschte ausgelassene Fröhlichkeit. Aber in einem Haus, es lag etwas abseits von den anderen und war kaum beleuchtet, entdeckte er zwei Menschen, die ganz betrübt beieinandersaßen. Dabei wurde ihm recht seltsam zumute. Er dachte an sein Leben, und daran, wie es ihn manchmal traurig machte, dass er alleine war. Als er das Fernrohr senkte, um den Planeten mit bloßem Auge zu sichten, war er verschwunden, so weit war er entfernt. Da lehnte er sich zurück an einen großen Spielzeugklotz und war völlig regungslos. Seine Augen schmerzten, fest schloss er sie, und er wünschte sich eine Maschine zum Fliegen. Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, hörte er auch schon ein Scheppern und Klappern. Ein kleines, rundes Raumschiff, das zitterte und wackelte, stand da auf drei Beinen. Argwöhnisch musterte der Junge das unmögliche Gefährt, doch dann wurde er mutig. Er steckte das Fernrohr in den Hosenbund, prüfte dessen Halt und beherzten Schrittes trat er an die Blechkiste heran. Entsetzlich quietschte die Luke, als er sie öffnete. Ein letztes Mal blickte er zurück, dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz. Den Steuerknüppel hielt er fest in seiner rechten Hand, kräftig drückte er ihn nach vorne. Das Raumschiff ruckelte und spuckte aus den Antriebsdüsen Feuer. Bald flog der Junge durch den Weltraum, und das fürchterlich schnell. Mit seinem Zauberrohr hielt er zielstrebig nach dem kleinen Planeten Ausschau.
Nach nicht allzu langer Zeit landete er auf der Erde vor dem spärlich beleuchteten Haus. Er klopfte an die Tür, als ihm niemand öffnete, trat er geräuschlos ein. In der Stube stand ein Mann, und neben ihm saß, die Hände in den Schoß gelegt, eine Frau. Sie beteten zusammen. Der Junge räusperte sich verlegen. Er fragte scheu, ob es ihm erlaubt sei, einzutreten. Beide nickten sie, wobei sie verwunderte Blicke tauschten. Der Junge schaute sich um und fragte nach ihren Kindern. Die Frau senkte den Kopf und sagte mit leiser Stimme, dass sie keine Kinder hätten, sich aber nichts sehnlichster wünschten, als welche zu haben, und dann brach sie in Tränen aus, ohne einen Laut von sich zu geben. Als der Junge die Frau weinen sah, spürte er eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen, die er nicht zu deuten wusste, die ihn angenehm und doch zugleich schmerzlich berührte. Er blickte zum Fenster, dort sah er den Mond am Horizont stehen und er dachte an sein Zuhause, an all seine Spielsachen und an die vielen einsamen Stunden, die er auf dem Zauberstern verbracht hatte. Dann erzählte er den beiden von seiner weiten Reise und von seinem Zuhause. Der Mann bedauerte daraufhin zutiefst, kein Geschenk für ihn zu haben. Der Sternenjunge sagte, dass er kein Geschenk brauche, dass er sich aber wünschte, bleiben zu dürfen, vielleicht für immer. Und er gab den beiden Menschen seine Hand. Da schlang die Frau ihre Arme um den Jungen und küsste ihn, und dann küsste sie ihn noch einmal, und der Junge bekam ganz rote Wangen.
Bald saßen sie bei Tisch und aßen heiße Suppe, und später, da lachten sie, während es draußen zu schneien begann.
 

rogathe

Mitglied
Hallo Gernot,
hattest du tatsächlich "Sternenkinder", d.h. totgeborene bzw. kurz nach der Geburt verstorbene Kinder im Kopf?
 

Grauschimmel

Mitglied
Oh Gernot, eine wunderschöne Geschichte zum Dritten Advent. Guten Morgen!
Eine Geschichte, die anrührend, nicht rührselig, erzählt. Auch für kleinere Kinder, weil aus ihrer Welt mit nachvollziehbaren Emotionen beschrieben, wird deutlich welchen Wert menschliche Liebe und Zuwendung besitzt. Deine Geschichte wird in meine Vorlesesammlung aufgenommen. Nach Weihnachten werde ich Dir über die Reaktionen meiner Enkel und deren Freunde berichten.
Lieber Gruß vom Grauschimmel!
 
E

eisblume

Gast
Lieber Gernot,

ich möchte mich Grauschimmel anschließen - deine Geschichte ist einfach nur schön!
Die Assoziation mit den "Sternenkindern", die rogathe ansprach, blitzte beim ersten Lesen auf, hat sich (bei mir) beim Weiterlesen aber gleich wieder verloren, wobei die Geschichte aber auch so oder so funktionieren würde.

Wenn ich jetzt aufgerufen wäre, wenigstens einen Kritikpunkt anzubringen, woran mir aber gar nicht gelegen ist, dann wäre das allenfalls die "Raumfahrtbehörde".

Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
eisblume
 

Karinina

Mitglied
für Gernot

Oh ja, Deine Geschichte ist sehr,sehr schön, mit viel Fantasie, eine richtig gute Kindergeschichte, die auch einer alten Frau zutiefst gefällt. Ich bin bezaubert und verzaubert. Es ist nichts daran zu kritisieren, sie ist wirklich gut.
Lass Dich dafür umarmen von Karin
 
Wenn man in einer klaren Winternacht draußen im scharfen Wind steht und zum Himmel schaut, dann sieht man hinter vielen Sternen und noch mehr Sternen einen ganz besonderen Stern. Er leuchtet ungewöhnlich hell, heller als all die anderen, und betrachtet man ihn eine Zeit lang, dann könnte man fast glauben, er ist gar nicht allzu weit von der Erde entfernt. Aber kein Mensch war jemals in seiner Nähe, nicht einmal die Astronauten mit ihren Raketen, weil sie denken, dort könne ohnehin niemand leben.
Doch das stimmt nicht ganz, denn einmal war ein kleiner Junge auf dem Stern zu Hause. Ein überaus magerer Junge mit blassem Gesicht, müden Augen und immer dunklen Augenringen darunter, die ihm wohl eine etwas kränkliche Natur bescheinigt hätten, wäre da nicht sein Haar gewesen, das wie Sternenstaub im Sonnenwind überaus lebendig schimmerte.
Der Junge war ein Sternenkind, und wie es bei einem Sternenkind üblich ist, lebte er ganz allein auf seinem Stern. Eigentlich hätte der Knabe ein recht zufriedenes Kind sein können, denn was sein Herz auch begehrte, auf dem Stern, der ein Zauberstern war, gingen all seine Wünsche in Erfüllung. Er brauchte nur die Augen zu schließen, an ein beliebiges Spielzeug zu denken, und schon war es in seinem Besitz. Doch das machte ihn keineswegs glücklich, weil die Zauberei für ihn ganz gewöhnlich war. Er freute sich nicht über diese herrliche Gabe, und nie geschah es, dass sie ihn zum Lachen brachte. Aber wenn er im Schlaf lag und träumte, Träume, die er später in wundervoller Erinnerung behalten würde, formten seine Lippen sich zu einem Lächeln.
Eines Tages, es war im Dezember zur Weihnachtszeit, fing der Junge an, sich eine Traumwelt nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Eine Winterlandschaft war schon geschaffen, über der lieblich einige Schneeflocken trieben. Das gefiel ihm, als seine Nase und Ohren jedoch zu frieren begannen, begrub er das lustige Schneetreiben sogleich wieder unter einer Spielzeuglawine. Lustlos setzte er sich auf sein Schaukelpferd, das ihn wiegte, bis er ganz schläfrig wurde und sich von ihm herunterfallen ließ. Er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und blickte zu den Abertausenden Sternen am Himmel. Er fragte sich, ob da draußen wohl noch jemand war, wie er es schon so oft geträumt hatte. Doch darauf fand er keine Antwort, und das machte ihn schrecklich traurig. Als er ein Weilchen so dalag und seine Augen schloss, spürte er auf einmal, wie etwas sanft seinen Bauch berührte. Erschrocken fuhr der Junge hoch, und das rätselhafte Ding rollte von ihm hinab und klimperte zu Boden. Staunend betrachtete er das hübsch verzierte, an dem einen Ende drei und an dem anderen Ende vier Finger breite Eisenrohr. An beiden Enden war es mit Glas verschlossen. Vorsichtig hob er das Stück auf, drehte und wendete es in den Händen, bis er es wagte, einen Blick hindurchzuwerfen.
Was er daraufhin zu sehen bekam, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. All die Sterne, die sonst so weit entfernt waren, lagen zum Berühren nahe. Und als er an dem kleinen Rädchen drehte, das an dem wundersamen Rohr seitlich hervorsprang, rückten sie näher und näher. Der Junge jauchzte, und während er nach weiteren Himmelskörpern suchte, sprach er liebevolle Worte zu dem Zauberrohr. Hin und her schwenkte er das Instrument, bis er einen kleinen Planeten ausmachte, der recht unscheinbar zwischen den funkelnden Sternen steckte. Er war von wunderschöner blau-weißer Farbe, die den Jungen sehr entzückte.Unaufhörlich drehte er an dem Rädchen. Städte und Dörfer erblickte er bald, und dann war es ihm gar möglich, in die geschmückten Häuser der Menschen zu sehen: Frauen in Schürzen sah er an Backöfen stehen, Männer, die mit ihren Kindern spielten oder Bäume hübsch verzierten, und als er bemerkte, dass all die Kinder lachten, setzte er sich hin und begann auf seinen Lippen zu nagen. Wohin er auch schaute, überall herrschte ausgelassene Fröhlichkeit. Aber in einem Haus, es lag etwas abseits von den anderen und war kaum beleuchtet, entdeckte er zwei Menschen, die ganz betrübt beieinandersaßen. Auf einmal wurde ihm seltsam zumute. Er dachte an sein Leben und daran, wie traurig die Einsamkeit ihn manchmal machte. Als er das Zauberrohr senkte, um den Planeten mit bloßem Auge zu sichten, war dieser verschwunden. Der Junge lehnte sich zurück an einen großen Spielzeugklotz und war völlig regungslos. Seine Augen schmerzten, fest schloss er sie, und er wünschte sich eine Maschine zum Fliegen. Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, hörte er schon ein Scheppern und Klappern.Ein kleines, rundes Raumschiff, das zitterte und wackelte, stand da auf drei Beinen. Argwöhnisch musterte der Junge das sonderbare Gefährt, doch dann wurde er mutig. Er steckte das Rohr in den Hosenbund, prüfte dessen Halt und trat schließlich beherzten Schrittes an die Blechkiste heran. Entsetzlich quietschte die Luke, als er sie öffnete. Ein letztes Mal blickte er zurück, dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz. Den Steuerknüppel hielt er in seiner rechten Hand, kräftig drückte er ihn nach vorne. Das Raumschiff ruckelte und spuckte Feuer aus den Antriebsdüsen. Bald flog der Junge durch den Weltraum, und das unheimlich schnell. Mit seinem Zauberrohr hielt er zielstrebig nach dem kleinen Planeten Ausschau.
Nach nicht allzu langer Zeit landete er auf der Erde vor dem spärlich beleuchteten Haus. Er klopfte an die Tür. Als ihm niemand öffnete, trat er geräuschlos ein. In der Stube stand ein Mann, und neben ihm saß, die Hände in den Schoß gelegt, eine Frau. Sie beteten zusammen. Verlegen räusperte der Junge sich. Er fragte scheu, ob es ihm erlaubt sei, einzutreten. Beide nickten, wobei sie verwunderte Blicke tauschten. Der Knabe schaute sich um und fragte nach ihren Kindern. Die Frau senkte den Kopf und antwortete mit leiser Stimme, dass sie keine Kinder hätten, sich aber nichts sehnlicher wünschten, als welche zu haben, und dann brach sie in Tränen aus, ohne einen Laut von sich zu geben. Als der Junge die Frau weinen sah, spürte er eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen, die er nicht zu deuten wusste. Sie berührte ihn angenehm und schmerzlich zugleich. Er blickte aus dem Fenster und sah den Mond am Himmel stehen. Er dachte an sein Zuhause, an all seine Spielsachen und an die vielen einsamen Stunden, die er auf dem Zauberstern verbracht hatte. Mit Tränen in den Augen erzählte er den beiden von der weiten Reise und von seinem Stern. Der Mann betrachtete den Jungen lange Zeit und bedauerte dann zutiefst, kein Geschenk für ihn zu haben. Der Sternenjunge sagte, dass er kein Geschenk bräuchte, dass er sich aber wünschte, bleiben zu dürfen, vielleicht für immer. Zögerlich reichte er den beiden Menschen seine Hand.
Im nächsten Augenblick schlang die Frau ihre Arme um den Jungen und küsste ihn, und dann küsste sie ihn noch einmal, und der Junge bekam ganz rote Wangen. Tief in seinem Inneren wusste er, das war jetzt sein größtes Geschenk.
 
Wenn man in einer klaren Winternacht draußen im scharfen Wind steht und zum Himmel schaut, dann sieht man hinter vielen Sternen und noch mehr Sternen einen ganz besonderen Stern. Er leuchtet ungewöhnlich hell, heller als all die anderen, und betrachtet man ihn eine Zeit lang, dann könnte man fast glauben, er ist gar nicht allzu weit von der Erde entfernt. Aber kein Mensch war jemals in seiner Nähe, nicht einmal die Astronauten mit ihren Raketen, weil sie denken, dort könne ohnehin niemand leben.
Doch das stimmt nicht ganz, denn einmal war ein kleiner Junge auf dem Stern zu Hause. Ein überaus magerer Junge mit blassem Gesicht, müden Augen und immer dunklen Augenringen darunter, die ihm wohl eine etwas kränkliche Natur bescheinigt hätten, wäre da nicht sein Haar gewesen, das wie Sternenstaub im Sonnenwind überaus lebendig schimmerte.
Der Junge war ein Sternenkind, und wie es bei einem Sternenkind üblich ist, lebte er ganz allein auf seinem Stern. Eigentlich hätte der Knabe ein recht zufriedenes Kind sein können, denn was sein Herz auch begehrte, auf dem Stern, der ein Zauberstern war, gingen all seine Wünsche in Erfüllung. Er brauchte nur die Augen zu schließen, an ein beliebiges Spielzeug zu denken, und schon war es in seinem Besitz. Doch das machte ihn keineswegs glücklich, weil die Zauberei für ihn ganz gewöhnlich war. Er freute sich nicht über diese herrliche Gabe, und nie geschah es, dass sie ihn zum Lachen brachte. Aber wenn er im Schlaf lag und träumte, Träume, die er später in wundervoller Erinnerung behalten würde, formten seine Lippen sich zu einem Lächeln.
Eines Tages, es war im Dezember zur Weihnachtszeit, fing der Junge an, sich eine Traumwelt nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Eine Winterlandschaft war schon geschaffen, über der lieblich einige Schneeflocken trieben. Das gefiel ihm, als seine Nase und Ohren jedoch zu frieren begannen, begrub er das lustige Schneetreiben sogleich wieder unter einer Spielzeuglawine. Lustlos setzte er sich auf sein Schaukelpferd, das ihn wiegte, bis er ganz schläfrig wurde und sich von ihm herunterfallen ließ. Er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und blickte zu den Abertausenden Sternen am Himmel. Er fragte sich, ob da draußen wohl noch jemand war, wie er es schon so oft geträumt hatte. Doch darauf fand er keine Antwort, und das machte ihn schrecklich traurig. Als er ein Weilchen so dalag und seine Augen schloss, spürte er auf einmal, wie etwas sanft seinen Bauch berührte. Erschrocken fuhr der Junge hoch, und das rätselhafte Ding rollte von ihm hinab und klimperte zu Boden. Staunend betrachtete er das hübsch verzierte, an dem einen Ende drei und an dem anderen Ende vier Finger breite Eisenrohr. An beiden Enden war es mit Glas verschlossen. Vorsichtig hob er das Stück auf, drehte und wendete es in den Händen, bis er es wagte, einen Blick hindurchzuwerfen.
Was er daraufhin zu sehen bekam, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. All die Sterne, die sonst so weit entfernt waren, lagen zum Berühren nahe. Und als er an dem kleinen Rädchen drehte, das an dem wundersamen Rohr seitlich hervorsprang, rückten sie näher und näher. Der Junge jauchzte, und während er nach weiteren Himmelskörpern suchte, sprach er liebevolle Worte zu dem Zauberrohr. Hin und her schwenkte er das Instrument, bis er einen kleinen Planeten ausmachte, der recht unscheinbar zwischen den funkelnden Sternen steckte. Er war von wunderschöner blau-weißer Farbe, die den Jungen sehr entzückte. Unaufhörlich drehte er an dem Rädchen. Städte und Dörfer erblickte er bald, und dann war es ihm gar möglich, in die geschmückten Häuser der Menschen zu sehen: Frauen in Schürzen sah er an Backöfen stehen, Männer, die mit ihren Kindern spielten oder Bäume hübsch verzierten, und als er bemerkte, dass all die Kinder lachten, setzte er sich hin und begann auf seinen Lippen zu nagen. Wohin er auch schaute, überall herrschte ausgelassene Fröhlichkeit. Aber in einem Haus, es lag etwas abseits von den anderen und war kaum beleuchtet, entdeckte er zwei Menschen, die ganz betrübt beieinandersaßen. Auf einmal wurde ihm seltsam zumute. Er dachte an sein Leben und daran, wie traurig die Einsamkeit ihn manchmal machte. Als er das Zauberrohr senkte, um den Planeten mit bloßem Auge zu sichten, war dieser verschwunden. Der Junge lehnte sich zurück an einen großen Spielzeugklotz und war völlig regungslos. Seine Augen schmerzten, fest schloss er sie, und er wünschte sich eine Maschine zum Fliegen. Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, hörte er schon ein Scheppern und Klappern.Ein kleines, rundes Raumschiff, das zitterte und wackelte, stand da auf drei Beinen. Argwöhnisch musterte der Junge das sonderbare Gefährt, doch dann wurde er mutig. Er steckte das Rohr in den Hosenbund, prüfte dessen Halt und trat schließlich beherzten Schrittes an die Blechkiste heran. Entsetzlich quietschte die Luke, als er sie öffnete. Ein letztes Mal blickte er zurück, dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz. Den Steuerknüppel hielt er in seiner rechten Hand, kräftig drückte er ihn nach vorne. Das Raumschiff ruckelte und spuckte Feuer aus den Antriebsdüsen. Bald flog der Junge durch den Weltraum, und das unheimlich schnell. Mit seinem Zauberrohr hielt er zielstrebig nach dem kleinen Planeten Ausschau.
Nach nicht allzu langer Zeit landete er auf der Erde vor dem spärlich beleuchteten Haus. Er klopfte an die Tür. Als ihm niemand öffnete, trat er geräuschlos ein. In der Stube stand ein Mann, und neben ihm saß, die Hände in den Schoß gelegt, eine Frau. Sie beteten zusammen. Verlegen räusperte der Junge sich. Er fragte scheu, ob es ihm erlaubt sei, einzutreten. Beide nickten, wobei sie verwunderte Blicke tauschten. Der Knabe schaute sich um und fragte nach ihren Kindern. Die Frau senkte den Kopf und antwortete mit leiser Stimme, dass sie keine Kinder hätten, sich aber nichts sehnlicher wünschten, als welche zu haben, und dann brach sie in Tränen aus, ohne einen Laut von sich zu geben. Als der Junge die Frau weinen sah, spürte er eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen, die er nicht zu deuten wusste. Sie berührte ihn angenehm und schmerzlich zugleich. Er blickte aus dem Fenster und sah den Mond am Himmel stehen. Er dachte an sein Zuhause, an all seine Spielsachen und an die vielen einsamen Stunden, die er auf dem Zauberstern verbracht hatte. Mit Tränen in den Augen erzählte er den beiden von der weiten Reise und von seinem Stern. Der Mann betrachtete den Jungen lange Zeit und bedauerte dann zutiefst, kein Geschenk für ihn zu haben. Der Sternenjunge sagte, dass er kein Geschenk bräuchte, dass er sich aber wünschte, bleiben zu dürfen, vielleicht für immer. Zögerlich reichte er den beiden Menschen seine Hand.
Im nächsten Augenblick schlang die Frau ihre Arme um den Jungen und küsste ihn, und dann küsste sie ihn noch einmal, und der Junge bekam ganz rote Wangen. Tief in seinem Inneren wusste er, das war jetzt sein größtes Geschenk.
 
Wenn man in einer klaren Winternacht draußen im scharfen Wind steht und zum Himmel schaut, dann sieht man hinter vielen Sternen und noch mehr Sternen einen ganz besonderen Stern. Er leuchtet ungewöhnlich hell, heller als all die anderen, und betrachtet man ihn eine Zeit lang, dann könnte man fast glauben, er ist gar nicht allzu weit von der Erde entfernt. Aber kein Mensch war jemals in seiner Nähe, nicht einmal die Astronauten mit ihren Raketen, weil sie denken, dort könne ohnehin niemand leben.
Doch das stimmt nicht ganz, denn einmal war ein kleiner Junge auf dem Stern zu Hause. Ein überaus magerer Junge mit blassem Gesicht, müden Augen und immer dunklen Augenringen darunter, die ihm wohl eine etwas kränkliche Natur bescheinigt hätten, wäre da nicht sein Haar gewesen, das wie Sternenstaub im Sonnenwind überaus lebendig schimmerte.
Der Junge war ein Sternenkind, und wie es bei einem Sternenkind üblich ist, lebte er ganz allein auf seinem Stern. Eigentlich hätte der Knabe ein recht zufriedenes Kind sein können, denn was sein Herz auch begehrte, auf dem Stern, der ein Zauberstern war, gingen all seine Wünsche in Erfüllung. Er brauchte nur die Augen zu schließen, an ein beliebiges Spielzeug zu denken, und schon war es in seinem Besitz. Doch das machte ihn keineswegs glücklich, weil die Zauberei für ihn ganz gewöhnlich war. Er freute sich nicht über diese herrliche Gabe, und nie geschah es, dass sie ihn zum Lachen brachte. Aber wenn er im Schlaf lag und träumte, Träume, die er später in wundervoller Erinnerung behalten würde, formten seine Lippen sich zu einem Lächeln.
Eines Tages, es war im Dezember zur Weihnachtszeit, fing der Junge an, sich eine Traumwelt nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Eine Winterlandschaft war schon geschaffen, über der lieblich einige Schneeflocken trieben. Das gefiel ihm, als seine Nase und Ohren jedoch zu frieren begannen, begrub er das lustige Schneetreiben sogleich wieder unter einer Spielzeuglawine. Lustlos setzte er sich auf sein Schaukelpferd, das ihn wiegte, bis er ganz schläfrig wurde und sich von ihm herunterfallen ließ. Er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und blickte zu den Abertausenden Sternen am Himmel. Er fragte sich, ob da draußen wohl noch jemand war, wie er es schon so oft geträumt hatte. Doch darauf fand er keine Antwort, und das machte ihn schrecklich traurig. Als er ein Weilchen so dalag und seine Augen schloss, spürte er auf einmal, wie etwas sanft seinen Bauch berührte. Erschrocken fuhr der Junge hoch, und das rätselhafte Ding rollte von ihm hinab und klimperte zu Boden. Staunend betrachtete er das hübsch verzierte, an dem einen Ende drei und an dem anderen Ende vier Finger breite Eisenrohr. An beiden Enden war es mit Glas verschlossen. Vorsichtig hob er das Stück auf, drehte und wendete es in den Händen, bis er es wagte, einen Blick hindurchzuwerfen.
Was er daraufhin zu sehen bekam, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. All die Sterne, die sonst so weit entfernt waren, lagen zum Berühren nahe. Und als er an dem kleinen Rädchen drehte, das an dem wundersamen Rohr seitlich hervorsprang, rückten sie näher und näher. Der Junge jauchzte, und während er nach weiteren Himmelskörpern suchte, sprach er liebevolle Worte zu dem Zauberrohr. Hin und her schwenkte er das Instrument, bis er einen kleinen Planeten ausmachte, der recht unscheinbar zwischen den funkelnden Sternen steckte. Er war von wunderschöner blau-weißer Farbe, die den Jungen sehr entzückte. Unaufhörlich drehte er an dem Rädchen. Städte und Dörfer erblickte er bald, und dann war es ihm gar möglich, in die geschmückten Häuser der Menschen zu sehen: Frauen in Schürzen sah er an Backöfen stehen, Männer, die mit ihren Kindern spielten oder Bäume hübsch verzierten, und als er bemerkte, dass all die Kinder lachten, setzte er sich hin und begann auf seinen Lippen zu nagen. Wohin er auch schaute, überall herrschte ausgelassene Fröhlichkeit. Aber in einem Haus, es lag etwas abseits von den anderen und war kaum beleuchtet, entdeckte er zwei Menschen, die ganz betrübt beieinandersaßen. Auf einmal wurde ihm seltsam zumute. Er dachte an sein Leben und daran, wie traurig die Einsamkeit ihn manchmal machte. Als er das Zauberrohr senkte, um den Planeten mit bloßem Auge zu sichten, war dieser verschwunden. Der Junge lehnte sich zurück an einen großen Spielzeugklotz und war völlig regungslos. Seine Augen schmerzten, fest schloss er sie, und er wünschte sich eine Maschine zum Fliegen. Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, hörte er schon ein Scheppern und Klappern. Ein kleines, rundes Raumschiff, das zitterte und wackelte, stand da auf drei Beinen. Argwöhnisch musterte der Junge das sonderbare Gefährt, doch dann wurde er mutig. Er steckte das Rohr in den Hosenbund, prüfte dessen Halt und trat schließlich beherzten Schrittes an die Blechkiste heran. Entsetzlich quietschte die Luke, als er sie öffnete. Ein letztes Mal blickte er zurück, dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz. Den Steuerknüppel hielt er in seiner rechten Hand, kräftig drückte er ihn nach vorne. Das Raumschiff ruckelte und spuckte Feuer aus den Antriebsdüsen. Bald flog der Junge durch den Weltraum, und das unheimlich schnell. Mit seinem Zauberrohr hielt er zielstrebig nach dem kleinen Planeten Ausschau.
Nach nicht allzu langer Zeit landete er auf der Erde vor dem spärlich beleuchteten Haus. Er klopfte an die Tür. Als ihm niemand öffnete, trat er geräuschlos ein. In der Stube stand ein Mann, und neben ihm saß, die Hände in den Schoß gelegt, eine Frau. Sie beteten zusammen. Verlegen räusperte der Junge sich. Er fragte scheu, ob es ihm erlaubt sei, einzutreten. Beide nickten, wobei sie verwunderte Blicke tauschten. Der Knabe schaute sich um und fragte nach ihren Kindern. Die Frau senkte den Kopf und antwortete mit leiser Stimme, dass sie keine Kinder hätten, sich aber nichts sehnlicher wünschten, als welche zu haben, und dann brach sie in Tränen aus, ohne einen Laut von sich zu geben. Als der Junge die Frau weinen sah, spürte er eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen, die er nicht zu deuten wusste. Sie berührte ihn angenehm und schmerzlich zugleich. Er blickte aus dem Fenster und sah den Mond am Himmel stehen. Er dachte an sein Zuhause, an all seine Spielsachen und an die vielen einsamen Stunden, die er auf dem Zauberstern verbracht hatte. Mit Tränen in den Augen erzählte er den beiden von der weiten Reise und von seinem Stern. Der Mann betrachtete den Jungen lange Zeit und bedauerte dann zutiefst, kein Geschenk für ihn zu haben. Der Sternenjunge sagte, dass er kein Geschenk bräuchte, dass er sich aber wünschte, bleiben zu dürfen, vielleicht für immer. Zögerlich reichte er den beiden Menschen seine Hand.
Im nächsten Augenblick schlang die Frau ihre Arme um den Jungen und küsste ihn, und dann küsste sie ihn noch einmal, und der Junge bekam ganz rote Wangen. Tief in seinem Inneren wusste er, das war jetzt sein größtes Geschenk.
 

Daniel Techet

Mitglied
Ich werde nicht groß betonen, dass ich die erzählende Formulierung beinahe als perfekt empfinde und keinerlei Zweifel daran hege, dass auch die letzten kleinen Reste des Unperfekten sich verflüchtigen werden, wenn der Autor nur weiter schreibt..
Einfach aus Freude am Schreiben..
Gebend.
Die Wärme aus dem Herzen schenkend, die den kleinen Jungen erfüllte..

Dann kann es sich verhalten, wie bei einem Maler, der malt und malt und malt und schließlich ein Meister geworden ist, ohne es zu bemerken.
Die Bilder die dann entstehen, sind perfekt und geschehen in Mühelosigkeit, weil die Hand Alles von alleine tut und der Mensch nur noch Instrument ist..
Träumend, schaffend und wirkend - durch die eine Kraft bewegt..

Besonders wichtig ist es mir, zu betonen, dass hier SINN vermittelt wird.
Tiefster, wichtigster und wertvollster Sinn - gebündelt und potenziert in einer kleinen Geschichte.
Darauf kommt es an.. nur darauf..
Aber das verstehen die Meisten leider erst dann, wenn es zu spät geworden ist..
 



 
Oben Unten