Der Kapitänshintern

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Vasco

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Vorab: Ein galaktisches Gewitter sorgte für einen kompletten Datenverlust aller Rechner auf der Erde. Das führte dazu, dass ein großes Raumschiff auf einem - glücklicherweise sehr lebenswerten - Planeten gestrandet ist. Die technisch zurück geworfene kleine Siedlergruppe stellt sich den Herausforderungen...



Mir widerfuhr das größte Glück, das ein Geologe und Eisenbahningenieur je erfahren kann. Im Jahr 93 nach der Begründung von Neuland erhielt ich den Auftrag, den Seehafen von Portus Maximus mit unserer Hauptstadt Caputa Universa durch eine Eisenbahnstrecke in Verbindung zu bringen. Bereits seit der Zeit meines Großvaters hatte man einige Gleise verlegt und dampfgetriebene Fahrzeuge der einfachsten Art dafür verwendet. Doch genügte der Verkehr nie wirklich den Erfordernissen und die Lokomotiven der ersten Generation befanden sich häufiger in den Werkstätten als unter Dampf vor einem beladenen Zug. Erst die Fortschritte der vergangenen etwa zwanzig Jahre ermöglichten nun, eine Eisenbahn zu errichten, welche diesen Namen auch verdient hatte.

Begeistert studierte ich wieder und wieder das Schreiben, welches mir im aufkommenden Frühjahr durch einen berittenen Boten des Hofes zugestellt worden war. Des Königs Berater hielt eine Spurbreite von zwei Schritt für angemessen. Zwei Schritt! Welch ungeheuer mächtige Dampfrösser würde eine solche Spur tragen können, welch berauschende Geschwindigkeiten dabei erzielt werden können!

Beide Orte liegen fünf Tagereisen mit dem Maultiere auseinander. Man stellte mir Material für den Gleisbau, Geldmittel und den Bauhof am Hafen von Portus zur Verfügung. Dazu das Kommando über einen Trupp Arbeiter und als Berater einige gute Köpfe, die mir wirklich von großem Nutzen waren. Noch heute habe ich freundschaftliche Gepflogenheiten mit ihnen.

Nun, ich ließ keine unnötige Zeit verstreichen und traf sofort Vorbereitungen für eine umfassende Expedition, welche uns Aufschluss über das Gelände, aber auch über mögliche Gefährdungen geben sollte.
Dazu erwählte ich drei Begleiter, von denen ich annahm, dass sie mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen meiner Expertise ein festes Fundament verleihen würden. Weiters begleiteten uns zwei berittene Schützen, welche von der königlichen Kommandantur zu unserer Sicherung abgestellt worden waren.

Am Tag der ersten Sichel des natürlichen Mondes, welcher stets etwas geheimnisvoll blau schimmernd Vera III still umrundet, brachen wir im frühen Morgengrauen mit unseren Maultieren auf. Wir hatten neben Zelten, Trinkwasser und Vorräten auch Feingerät zur Vermessung dabei, sowie einige Pistolen samt Munition. Bei günstiger Witterung kamen wir sehr gut voran. Die ersten Streckenmeilen hatte ich bereits vor meinem geistigen Auge, und fügte von Zeit zu Zeit einige Skizzen und Bemerkungen in mein Planungsheft ein.

Am dritten Tag kam der junge Beggins, den ich als vieler Sprachen mächtigen Kundschafter ins Gefolge berufen hatte, in unser Tageslager
zurück geritten. Allerdings überbrachte er eine bestürzende Nachricht.

„Mister Vasco, es gibt ein Problem. Die Felsenkinder dieses kleinen Fleckens vor uns wollen keine Bahnstrecke in ihrem Gebiet. Es ist aber vor allem ein störrischer, alter Mann, der etwas dagegen hat“ berichtete er knapp.

Sofort nahm ich mir eines der Maultiere und bat Beggins, mich an den Ort zu führen. Die Felsenkinder sind Ureinwohner dieses Planeten. Sie sind freundlich bis zur Naivität, bewegen sich aber in felsigem Gebiet mit unglaublicher Leichtigkeit. Nur die Steinziegen, von deren Milch sie leben, klettern besser als dieses gewandte Völkchen. Mir erschien es seltsam, dass diese friedfertigen, und uns Erdlingen gegenüber sehr aufgeschlossenen Wesen, den Bau der Gleise verhindern wollten. Und als wir nach einer knappen halben Stunde den Ort erreicht hatten, war mir auch sofort klar, dass es hier eine andere Bewandtnis haben musste.

Tatsächlich fand ich nämlich einen alten, wirklich sehr alten Mann, welcher regungslos am Boden kauernd seinen Blick ins scheinbar Endlose gerichtet hielt. Das spärliche, schlohweiße Haar vom heißen Wind zerzaust, hockte er, seine Knie angezogen und von seinen Armen umschlossen, auf einer zerschlissenen Lederdecke.

Ich nickte Beggins zu, welcher mich dem Alten vorstellte und dann unser Anliegen vortrug. Doch der greise Graubart blieb stumm und starrte in die Wolken. Ich überlegte, was zu tun sei. Schließlich sprach ich ihn selbst an.

„Alterchen, ihr sitzt genau da, wo ich in ein paar Tagen einige Gleise verlegen sollte. Hättet ihr die Güte, einen anderen Ort für Euere Meditation zu erwählen. Hier drüben bei diesem hübschen Kakteenwäldchen vielleicht?“

„Nicht weg…“ vernahm man schwach von seinen Lippen.

„Nicht weg? Seht, ich komme Euch auch gerne entgegen“ sprach ich mit sanfter Stimme und griff nach meiner Geldkatze. „Sieh her, Großvater. Ich gebe Dir ein halbes Pfund in Silber, wenn Du mir keine Schwierigkeiten machst“

Da er aber keinerlei Regung zeigte, versuchte ich, ihm die Münzen in die Hand zu legen. Hastig fuhr er herum und stieß einen kehligen Schrei aus. Er zitterte und starrte mich mit zahnlosem Mund an, während zahlreiche Felsenkinder aus ihren Häusern gelaufen kamen. Eine jüngere Frau kam raschen Schrittes auf uns zu, während eine ältere sich nach dem Greis bückte um sich seiner anzunehmen.

„Das ist ein sehr alter und auch weiser Mann aus Euerem Volk. Er lebt aber so viele Monde bei uns, dass er einer von uns geworden ist“ erklärte die Jüngere entschieden. „Er ist voller Frieden, sitzt nur auf seinem Hintern. Genau hier. Jeden Tag. Seit Jahren“
Überrascht, dass sie unsere Sprache so hervorragend beherrschte und angetan von ihrem überaus angenehmen Äußeren, widersprach ich zunächst nicht.

„Ich bin Marek Vasco, und mein Begleiter hört auf den Namen Beggins. Wir kommen in der besten Absicht. Es ist aber unvermeidlich, dass wir einige Gleise durch dieses Gebiet verlegen müssen. Und zwar genau hier“ versuchte ich, die Dinge klar zu stellen.

Da fiel mein Blick auf das Schulterstück des Hemdsärmels des Alten. Ich bemerkte vier ausgeblichene Streifen, darüber einen Stern. Ich erschrak. War das möglich? Saß hier der verschollen geglaubte Kapitän der „Aldebaran“ - Kommodore Korner - vor mir? Er musste wohl an die 130 Erdenjahre alt sein. Das günstige Klima auf diesem Planeten und die Pflege der liebenswürdigen Felsenkinder hatten ihn offenbar mit einem sehr langen Leben beschenkt.

„Mein ganzer Respekt, Kommodore. Bitte verzeihen Sie meine Kühnheit“ bat ich den legendären Kapitän um Entschuldigung.

„Nicht…weg“ flüsterte er.

Die Felsenkinder bemerkten rasch die Veränderung der Lage und ihre Mienen entspannten sich. Die junge Frau lächelte mich sogar an, deutete auf sich und sagte „Ayasatra“. Ich nickte ihr freundlich zu und verließ zusammen mit meinem Begleiter den kleinen Ort.

Um des Friedens willen blieb mir nun keine andere Wahl, als inmitten der nahezu schnurgerade verlaufenden Strecke eine großzügige Kurve einzubauen. Welche allerdings heute, da uns Kommodore Korner schon lange verlassen hat, vollkommen lächerlich wirkt und die bei den Reisenden jederzeit für spöttische Heiterkeit sorgt. Denn landauf, landab wird diese Kurve als „der Kapitänshintern“ bezeichnet.
 

jon

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Teammitglied
Gefällt mir: Klingt gut, ist weitgehend stimmig und hat Witz.

DETAILARBEIT

Vorab: Ein galaktisches Gewitter sorgte für einen kompletten Datenverlust aller Rechner auf der Erde. Das führte dazu, dass ein großes Raumschiff auf einem - glücklicherweise sehr lebenswerten - Planeten gestrandet ist. Die technisch zurück geworfene kleine Siedlergruppe stellt sich den Herausforderungen...
Lehrzeichen vor den drei Punkten
Wieso ein Daten-Komplett-Verlust auf der Erde ein Raunmschiff weitab in All zur Notlandung zwingt, ist nicht ganz nachvollziehbar. Die (erzeugte) Diskrepanz zwischen großem Raumschiff und kleiner Siedlergruppe irritiert ebenfalls.
Planeten sind nie lebenswert, Leben sind lebenswert. Planeten können bewohnbar sein, oder gute Lebensbedingungen bieten.

Bereits seit der Zeit meines Großvaters hatte man einige Gleise verlegt und dampfgetriebene Fahrzeuge der einfachsten Art dafür verwendet.
Veränderte Sprache hin oder her: Die haben wohl eher nicht die Fahrzeuge dafür (für den Bau) verwendet, sondern die Gleise für (den Einsatz der Fahrzeuge) verlegt.

Des Königs Berater hielt eine Spurbreite von zwei Schritt für angemessen. Zwei Schritt! Welch ungeheuer mächtige Dampfrösser würde eine solche Spur tragen können, welch berauschende Geschwindigkeiten dabei erzielt werden können!
Leserfrage: Was hat die Spurbreite mit dem Tempo zu tun?

Man stellte mir Material für den Gleisbau, Geldmittel und den Bauhof am Hafen von Portus zur Verfügung. Dazu das Kommando über einen Trupp Arbeiter und als Berater einige gute Köpfe, die mir wirklich von großem Nutzen waren. Noch heute habe ich freundschaftliche Gepflogenheiten mit ihnen.
Semantikfehler: Man kann Material und Wissen zur Verfügung stellen, aber nicht das Kommando über Leute.
Semantikfehler: Was sind "Gepflogenheiten mit ihnen"?

Nun, ich ließ keine unnötige Zeit verstreichen und traf sofort Vorbereitungen für eine umfassende Expedition, welche uns Aufschluss über das Gelände, aber auch über mögliche Gefährdungen geben sollte.
Semantikunsauberkeit: Er ließ nicht unnötig Zeit verstreichen.
Du meinst das Gelände, durch das es schon eine (wenn auch wenig effektive) Eisenbahnlinie gibt? Das sollte doch bekannt sein ...


Am dritten Tag kam der junge Beggins, den ich als vieler Sprachen mächtigen Kundschafter ins Gefolge berufen hatte, in unser Tageslager
zurück geritten. Allerdings überbrachte er eine bestürzende Nachricht.
Wo kommen auf dem Planeten so viele verschiedene Sprachen her?
Was soll das "allerdings"? Es gibt keinen echten oder angeblichen Widerspruch zwischen "ins Lager kommen" und "schlechte Nachricht bringen".
Hier ist wohl ein Absatz reingerutscht, der da nichts zu suchen hat.

„Mister Vasco, es gibt ein Problem. Die Felsenkinder dieses kleinen Fleckens vor uns wollen keine Bahnstrecke in ihrem Gebiet. Es ist aber vor allem ein störrischer, alter Mann, der etwas dagegen hat“[red]KOMMA[/red] berichtete er knapp.
Sie sind freundlich bis zur Naivität, bewegen sich aber in felsigem Gebiet mit unglaublicher Leichtigkeit.
Was soll das "aber"? Wo ist da ein Widerspruch?

Mir erschien es seltsam, dass diese friedfertigen, und uns Erdlingen gegenüber sehr aufgeschlossenen Wesen, den Bau der Gleise verhindern wollten.
Kommas nach "friedfertigen" und "Wesen" ergeben keinen Sinn.

Und als wir nach einer knappen halben Stunde den Ort erreicht hatten, war mir auch sofort klar, dass es hier eine andere Bewandtnis haben musste.
Semantikproblem: Bewandtnis womit?

„Alterchen, ihr sitzt genau da, wo ich in ein paar Tagen einige Gleise verlegen sollte. Hättet ihr die Güte, einen anderen Ort für Euere Meditation zu erwählen. Hier drüben bei diesem hübschen Kakteenwäldchen vielleicht?“
"Ihr" nicht "ihr"

„Nicht weg…“[red]KOMMA[/red] vernahm man schwach von seinen Lippen.
Lesezeichen nach "weg"
Stil: Wer ist man?

„Nicht weg? Seht, ich komme Euch auch gerne entgegen“[red]KOMMA[/red] sprach ich mit sanfter Stimme und griff nach meiner Geldkatze. „Sieh her, Großvater. Ich gebe Dir ein halbes Pfund in Silber, wenn Du mir keine Schwierigkeiten machstPUNKT“
Wieso wechselt er zum du?
"dir" und "du" statt "Dir" und "Du"

Eine jüngere Frau kam raschen Schrittes auf uns zu, während eine ältere sich nach dem Greis bückte[red]KOMMA[/red] um sich seiner anzunehmen.
Jünger als wer?

„Das ist ein sehr alter und auch weiser Mann aus Eu[strike]e[/strike]rem Volk. Er lebt aber so viele Monde bei uns, dass er einer von uns geworden ist“[red]KOMMA[/red] erklärte die Jüngere entschieden. „Er ist voller Frieden, sitzt nur auf seinem Hintern. Genau hier. Jeden Tag. Seit Jahren[red]PUNKT[/red]“
Überrascht, dass sie unsere Sprache so hervorragend beherrschte[red]KOMMA[/red] und angetan von ihrem überaus angenehmen Äußeren, widersprach ich zunächst nicht.
Wieso sollte er auch widersprechen? Was an den Worten der Frau ist unglaubwürdig bzw. müsste zurechtgerückt werden?

„Ich bin Marek Vasco, und mein Begleiter hört auf den Namen Beggins. Wir kommen in der besten Absicht. Es ist aber unvermeidlich, dass wir einige Gleise durch dieses Gebiet verlegen müssen. Und zwar genau hier“KOMMA versuchte ich, die Dinge klar zu stellen.
Das "müssen" ist überflüssig; es tritt ein Doppelt-gemoppelt-Effekt auf.
"klarzustellen" nicht "klar zu stellen"

Da fiel mein Blick auf das Schulterstück des Hemdsärmels des Alten.
Seit wann haben Ärmel Schulterstücke?

„Mein ganzer Respekt, Kommodore. Bitte verzeihen Sie meine Kühnheit[red]AURUFEZEICHEN[/red]“[red]KOMMA[/red] bat ich den legendären Kapitän um Entschuldigung.

„Nicht[red]LZ[/red]…[red]LZ[/red]weg“[red]KOMMA[/red] flüsterte er.
(LZ = Leerzeichen)
 

Vasco

Mitglied
Vorab: Ein galaktisches Gewitter sorgte für einen kompletten Datenverlust aller Rechner. Das führte dazu, dass ein großes Raumschiff auf einem - glücklicherweise sehr lebensbegünstigenden - Planeten gestrandet ist. Die technisch zurück geworfene Siedlergruppe stellt sich den Herausforderungen ...



Mir widerfuhr das größte Glück, das ein Geologe und Eisenbahningenieur je erfahren kann. Im Jahr 93 nach der Begründung von Neuland erhielt ich den Auftrag, den Seehafen von Portus Maximus mit unserer Hauptstadt Caputa Universa durch eine Eisenbahnstrecke in Verbindung zu bringen. Bereits seit der Zeit meines Großvaters hatte man einige Gleise verlegt und dampfgetriebene Fahrzeuge der einfachsten Art verwendet. Doch genügte der Verkehr nie wirklich den Erfordernissen und die Lokomotiven der ersten Generation befanden sich häufiger in den Werkstätten als unter Dampf vor einem beladenen Zug. Erst die Fortschritte der vergangenen etwa zwanzig Jahre ermöglichten nun, eine Eisenbahn zu errichten, welche diesen Namen auch verdient hatte.

Begeistert studierte ich wieder und wieder das Schreiben, welches mir im aufkommenden Frühjahr durch einen berittenen Boten des Hofes zugestellt worden war. Des Königs Berater hielt eine Spurbreite von zwei Schritt für angemessen. Zwei Schritt! Welch ungeheuer mächtige Dampfrösser würde eine solche Spur tragen können, welch berauschende Geschwindigkeiten dabei erzielt werden können!

Beide Orte liegen fünf Tagereisen mit dem Maultiere auseinander. Man stellte mir Material für den Gleisbau, Geldmittel und den Bauhof am Hafen von Portus zur Verfügung. Dazu wurde mir das Kommando über einen Trupp Arbeiter übertragen. Und als Berater standen mir einige gute Köpfe zur Seite, die mir wirklich von großem Nutzen waren. Noch heute unterhalten wir Verbindungen freundschaftlicher Art.

Nun, ich ließ die Zeit nicht unnötig verstreichen und traf sofort Vorbereitungen für eine umfassende Expedition, welche uns Aufschluss über das Gelände, aber auch über mögliche Gefährdungen geben sollte.
Dazu erwählte ich drei Begleiter, von denen ich annahm, dass sie mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen meiner Expertise ein festes Fundament verleihen würden. Weiters begleiteten uns zwei berittene Schützen, welche von der königlichen Kommandantur zu unserer Sicherung abgestellt worden waren.

Am Tag der ersten Sichel des natürlichen Mondes, welcher stets etwas geheimnisvoll blau schimmernd Vera III still umrundet, brachen wir im frühen Morgengrauen mit unseren Maultieren auf. Wir hatten neben Zelten, Trinkwasser und Vorräten auch Feingerät zur Vermessung dabei, sowie einige Pistolen samt Munition. Bei günstiger Witterung kamen wir sehr gut voran. Die ersten Streckenmeilen hatte ich bereits vor meinem geistigen Auge, und fügte von Zeit zu Zeit einige Skizzen und Bemerkungen in mein Planungsheft ein.

Am dritten Tag kam der junge Beggins, den ich als vieler Sprachen mächtigen Kundschafter ins Gefolge berufen hatte, in unser Tageslager
zurück geritten. Er überbrachte mir eine bestürzende Nachricht.

„Mister Vasco, es gibt ein Problem. Die Felsenkinder dieses kleinen Fleckens vor uns wollen keine Bahnstrecke in ihrem Gebiet. Es ist aber vor allem ein störrischer, alter Mann, der etwas dagegen hat“, berichtete er knapp.

Sofort nahm ich mir eines der Maultiere und bat Beggins, mich an den Ort zu führen. Die Felsenkinder sind Ureinwohner dieses Planeten. Sie sind freundlich bis zur Naivität und bewegen sich in felsigem Gebiet mit unglaublicher Leichtigkeit. Nur die Steinziegen, von deren Milch sie leben, klettern besser als dieses gewandte Völkchen. Mir erschien es seltsam, dass diese friedfertigen und uns Erdlingen gegenüber sehr aufgeschlossenen Wesen den Bau der Gleise verhindern wollten. Und als wir nach einer knappen halben Stunde den Ort erreicht hatten, war mir auch sofort klar, dass es mit der Ablehnung meiner Pläne eine andere Bewandtnis haben musste.

Tatsächlich fand ich nämlich einen alten, wirklich sehr alten Mann, welcher regungslos am Boden kauernd seinen Blick ins scheinbar Endlose gerichtet hielt. Das spärliche, schlohweiße Haar vom heißen Wind zerzaust, hockte er, seine Knie angezogen und von seinen Armen umschlossen, auf einer zerschlissenen Lederdecke.

Ich nickte Beggins zu, welcher mich dem Alten vorstellte und dann unser Anliegen vortrug. Doch der greise Graubart blieb stumm und starrte in die Wolken. Ich überlegte, was zu tun sei. Schließlich sprach ich ihn selbst an.

„Alterchen, Ihr sitzt genau da, wo ich in ein paar Tagen einige Gleise verlegen sollte. Hättet Ihr die Güte, einen anderen Ort für Euere Meditation zu erwählen. Hier drüben bei diesem hübschen Kakteenwäldchen vielleicht?“

„Nicht weg…“, vernahm man schwach von seinen Lippen.

„Nicht weg? Seht, ich komme Euch auch gerne entgegen“, sprach ich mit sanfter Stimme und griff nach meiner Geldkatze. „Sieh her, Großvater. Ich gebe dir ein halbes Pfund in Silber, wenn du mir keine Schwierigkeiten machst“

Da er aber keinerlei Regung zeigte, versuchte ich, ihm die Münzen in die Hand zu legen. Hastig fuhr er herum und stieß einen kehligen Schrei aus. Er zitterte und starrte mich mit zahnlosem Mund an, während zahlreiche Felsenkinder aus ihren Häusern gelaufen kamen. Eine Frau mit frischen jungen Gesichtszügen kam raschen Schrittes auf uns zu, während eine ältere sich nach dem Greis bückte, um sich seiner anzunehmen.

„Das ist ein sehr alter und auch weiser Mann aus Euerem Volk. Er lebt aber so viele Monde bei uns, dass er einer von uns geworden ist“, erklärte die Jüngere entschieden. „Er ist voller Frieden, sitzt nur auf seinem Hintern. Genau hier. Jeden Tag. Seit Jahren."
Überrascht, dass sie unsere Sprache so hervorragend beherrschte, und angetan von ihrem überaus angenehmen Äußeren, schwieg ich einen Moment. Dann versuchte ich mit ruhigen, aber deutlichen Worten, die Dinge klarzustellen:

„Ich bin Marek Vasco, und mein Begleiter hört auf den Namen Beggins. Wir kommen in der besten Absicht. Es ist aber unvermeidlich, dass wir einige Gleise durch dieses Gebiet verlegen werden. Und zwar genau hier“.

Da fiel mein Blick auf den Hemdsärmel des Alten. Ich bemerkte vier ausgeblichene Streifen, darüber einen Stern. Ich erschrak. War das möglich? Saß hier der verschollen geglaubte Kapitän der „Aldebaran“ - Kommodore Korner - vor mir? Er musste wohl an die 130 Erdenjahre alt sein. Das günstige Klima auf diesem Planeten und die Pflege der liebenswürdigen Felsenkinder hatten ihn offenbar mit einem sehr langen Leben beschenkt.

„Mein ganzer Respekt, Kommodore. Bitte verzeihen Sie meine Kühnheit!“, bat ich den legendären Kapitän um Entschuldigung.

„Nicht … weg“ flüsterte er.

Die Felsenkinder bemerkten rasch die Veränderung der Lage und ihre Mienen entspannten sich. Die junge Frau lächelte mich sogar an, deutete auf sich und sagte „Ayasatra“. Ich nickte ihr freundlich zu und verließ zusammen mit meinem Begleiter den kleinen Ort.

Um des Friedens willen blieb mir nun keine andere Wahl, als inmitten der nahezu schnurgerade verlaufenden Strecke eine großzügige Kurve einzubauen. Welche allerdings heute, da uns Kommodore Korner schon lange verlassen hat, vollkommen lächerlich wirkt und die bei den Reisenden jederzeit für spöttische Heiterkeit sorgt. Denn landauf, landab wird diese Kurve als „der Kapitänshintern“ bezeichnet.
 

Vasco

Mitglied
Hallo Jon,

vielen Dank für die ausführliche Textarbeit. Ich habe Deine Verbesserungsvorschläge übernommen und die vielen Kommafehler nun (hoffentlich) alle beseitigt. Dazu einige schwer verständliche Sätze umgestellt.

Was die Geschwindigkeit anbelangt, geht die Idee auf den Eisenbahningenieur Isambard Kingdom Brunel zurück, welcher eine breitere Spur bauen ließ, als damals allgemein üblich. Die Loks erzielten auf dieser über 2 Meter breiten Spur (unsere heutige sog. Normalspur misst 1435 mm Weite) enorme Geschwindigkeiten von über 120 km/h, während der Rest um 1850 herum höchstens die Hälfte erzielte. Leider setzte sich diese Superidee wegen hoher Kosten nicht durch ...

Nochmals vielen Dank für Deine Mühe.

Gruß,
Vasco
 

FrankK

Mitglied
Hallo, @Vasco

Für meinen Geschmack eine interessante Mischung aus Steampunk und Karl May, eingebettet in eine SF-Landschaft, in der "das Rad" neu erfunden werden muss.

Flüssiger Sprachstil, Erzählelemente, die wiederum Winnetou entliehen scheinen, und eine unterhaltsame Story, wie ich gerne mehr lesen würde.

Erbsenzählerei? Hinfällig, Ulrike hat schon alles unter die Leselupe genommen. ;)


Herzliche Grüße aus Westfalen
Frank
 



 
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