Der Kapuzenmann

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Der Kapuzenmann

Meistens treten sie im Pulk auf. Zu viert, zu fünft, gerne auch in Großgruppen, dem Anlass entsprechend. In jedem Fall scheint es dunkel um sie herum, die Gesichter farblos und stumm, wie ihre Klamotten. Hosen, die sich nicht entscheiden können, ob sie auf der Straße liegen bleiben oder unwesentliche Teile ihrer meist klapprigen Gestalt bedecken wollen. Jacken, deren Seitentaschen größer sind als Mamas Einkauftasche. Riesenpranken müssen rein, meist bewaffnet mit Flaschen.

Weiter oben ein Kopf. Zumindest Teile davon ist sichtbar, wenn der Träger ihn ausnahmsweise einmal anhebt. Denn die bevorzugte Haltung ist eher eine geneigte, mit Permanentblick auf die ungeputzten schnurlosen NBA-Treter. Der Rest ist wie gesagt schwerlich sichtbar, sicher verstaut in eine dreiwandige Kapuze, die oben von einer gleichfarbenen Schirmmütze gehalten wird. Was für eine eine Kombination!

Wenn sie nicht im Tross erscheinen und man hat das Glück, ein Einzelexemplar einen Augenblick länger zu begutachten, sollte man sich die Details einmal genauer ansehen. Zumindest kann man sie ungeniert mustern, ohne dass einem gleich ein rotziges und von Gruppenkraft getragenes „Ääh-wass-wiss-du-denn-du-aasch“ entgegen geschleudert wird.

Still und leise hatte er sich in eine Sitzschale der U-Bahn verkrümelt und ließ sich seine Ohren per Direkteinspeisung von hyperkonzentriertem und speziell gemixtem Audiokrach zermartern. Eine Lautstärke, die seinem gesamten Stammespulk zu einer ausgiebigen Abrocksession gereicht hätte. Dazu natürlich die Füße hochgelegt, die breiten Pirellisohlen gegen die eh schon nicht sehr ansehnlichen U-Bahn-Sitzschalen gestemmt, von denen grundsätzlich zwei in Beschlag genommen werden. Wie charakteristisch hängt der Kopf auf minus dreißig Grad gen Süden und lässt dunkle Augen die Tiefen einer Mini-Spielkonsole ergründen, während schmuddelige Finger hastig über das Tastenfeld huschen und kontinuierlich überlaute Piepstöne erzeugen. Die sind wohl nur für uns Mitfahrer gedacht, denn der Drücker selbst kann sie nicht hören. Nur ein Haufen düsterer Klamotten in der Form eines liegenden Fragezeichens mit angeschraubtem vorstehendem Kappenschirm ist zu sehen, kein Hinweis auf Persönliches, auf Ausdruck, Stimmung und Befinden. Kein Blick, keine Geste, keine Farben, kein Bild. Alles verbarrikadiert, zugemacht als Schutz gegen die Öffentlichkeit. Was ist das für ein Mensch, der sich da scheinbar gegen alles abschottet? Wie soll man den ansprechen?

Vermummung - Verdummung. Klingt das nur zufällig ähnlich? Es kreischt und fiept. Diesmal ist es nicht das Spielgerät, sondern die Bremse der Bahn. Der Zug hält und der schwarze Geist erhebt sich behäbig, um in gleichbleibend sitzender Körperhaltung gehend den Wagen zu verlassen. Und nun erblicke ich doch noch etwas sehr Persönliches: Ein Kaugummi klebt breit und fett seitlich an der Sitzschale. Hat er wohl vergessen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gut getroffen. Ja, so sind sie, diese unheimlichen Zeitgenossen resp. so wirken sie!

Vielleicht ist das eher eine Kurzprosa denn eine Kurzgeschichte, denn passieren tut ja nicht viel, sondern Du beschreibst eher.

LG Doc
 

APO

Mitglied
Hi Creator,

deine Sprache respektive Schreibe gefällt mir gut. Der Typ steht klar und interessant gezeichnet vor meinem inneren Auge. Ein weinig stört mich, dass du mir als Leser deine Meinung über ihn so aufdrängst. Da fühle ich mich etwas auf den Haken genommen.Aber das mag Geschmackssache sein. Und warum lässt du ihn nichts erleben? Das kann ja eine Kleinigkeit sein, eine Begegnung mit einem anderen Fahrgast, ein Missgeschick.

so weit meine Gedanken, war gern mit der Skizze beschäftigt.

Gruß von APO
 



 
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