Der Kauf

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klaragabel

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Der Kauf

„Und hier, mein Herr, haben wir ein wunderbares – ja, wie soll ich sagen – ein einzigartiges Exemplar.“
Der Verkäufer hob fast andächtig den Deckel der kleinen Schachtel hoch, die vor ihm auf dem schmuddeligen Ladentisch stand. Was da nun aber zum Vorschein kam, schien jedoch nicht so spektakulär, wie die Ankündigung vermuten ließ. Die Silberkugel, die, nachdem sie umständlich von ihrer schützenden Holzwolle befreit worden war, und jetzt dem Kunden hingehalten wurde, hatte eindeutig schon bessere Tage gesehen. Ihre Oberfläche war angelaufen und auch einige tiefe Kratzer waren zu sehen.
„Ich gebe sie Ihnen auch billiger,“ sagte der Verkäufer schnell, dem der skeptische Blick seines Kunden nicht entgangen war, und fügte, als er die Ware vorsichtig neben der Schachtel absetzte, leise hinzu: „Was halten Sie von zweihundert?“
„Zweihundert? Das nennen Sie „billiger“? Nun, in dem Falle müsste dieses Artefakte zumindest...“ ein leicht amüsierter Ton schwang in der Stimme des Kunden mit, als er provokativ den Satz beendete, „...verhext sein!“
„Verhext? Ja, im gewissen Sinne ist sie das.“ entgegnete der Verkäufer. Er war ein dicklicher, kleiner Mann – so um die sechzig – mit einem rötlichen, freundlichen Gesicht. Alles schien rund an ihm. Sein Kopf, seine Statur, seine Brille, die er jetzt abnahm und eifrig mit einem riesigen Taschentuch zu putzen begann.
„Das ist ja interessant,“ meinte der Kunde, der immer noch versonnen die Kugel betrachtete. Er konnte sich überhaupt nicht erklären, warum sie ihn, trotz ihrer offensichtlichen Wertlosigkeit, zu fesseln schien. Nach einer Weile das Schweigens, das nur von dem Ticken einer großen, antiken Standuhr begleitet wurde, räusperte sich der Kunde und sagte, ohne den Blick von dem Objekt zu wenden: „Na, dann erzählen Sie mal!“
„Nun...“, sagte der Verkäufer und zog wieder das übergroße Taschentuch hervor, um sich diesmal die Stirn abzuwischen, auf der sich ganz plötzlich Schweißperlen gebildet hatten, und das, obwohl es im Laden angenehm kühl war. „... nun, da gibt es eigentlich nicht allzu viel zu erzählen. Alles, was ich weiß, ist, dass diese Kugel, so unscheinbar sie vielleicht auch aussehen mag, einst einem großen Tatarenfürsten gehört hatte. Sie wissen ja, dieses aggressive Volk, das ab und zu nach Europa kam, um es ein bisschen zu verwüsten. Bei dieser Gelegenheit muss auch die Kugel ihren Weg zu uns gefunden haben.“
„Soso“, murmelte der Kunde, der sich langsam fragte, ob er hier nicht seine Zeit verschwendete. Dennoch, die Kugel hielt ihn in ihrem Bann. Je länger er sie betrachtete, umso interessanter schien sie zu werden.
„Man sagt sich,...„ fuhr der Verkäufer fort „... dass ein Schamane sie verzaubert hat. Der Besitzer hat die Macht, seine Feinde zu verfluchen... zu töten.“
Die letzten Worte waren so leise gesprochen, dass der Kunde gezwungen war, zum ersten mal aufzublicken und den Erzähler anzusehen, der nun nervös seine Hände mit dem großen Taschentuch zu trocknen begann.
„Töten? Haben Sie töten gesagt?“
Eine Verwandlung machte sich bei dem Gefragten bemerkbar. Alle Anspannung, alle Nervosität schien plötzlich von ihm abgefallen zu sein. Er sah irgendwie erleichtert aus. Erleichtert wie nach einer Beichte.
„Ja, so sagt man.“
„Soso, und wie soll das funktionieren? Soll ich diese Kugel meinem Feind an den Kopf werfen? Ich warne Sie, ich bin ein miserabler Werfer,“ meinte der Kunde leicht belustigt. Er musste sich jedoch eingestehen, dass diese gute Laune schnell einer Ernsthaftigkeit zu weichen begann. Schlimmer noch, der Kloß war wieder da. Dieser Hass! Seine Frau! Ihr Bild tauchte urplötzlich auf der Oberfläche der Kugel auf, als er sie wieder anblickte.
„Also, erzählen Sie Ihre Geschichte fertig,“ sagte er gereizt.
„Ach, das ist schnell getan,“ erwiderte vergnügt der Verkäufer. Das Taschentuch schien für immer in den Weiten seiner Hosentasche verschwunden zu sein. „Die Legende sagt, dass Sie nur bei Neu- und Vollmond eine halbe Stunde lang nackt um die Kugel tanzen und den Namen Ihres Feindes singen müssen. Je größer Ihr Hass ist, umso schneller wird die Person von einer schrecklichen, unheilbaren Krankheit befallen, die sie bald dahinrafft. Aber ich warne sie, es kann durchaus sein, dass Sie ein ganzes Jahr tanzen müssen, um den Fluch zu aktivieren.“
Der Kunde runzelte die Stirn. Das Gesicht seiner Frau schien ihm jetzt boshaft zuzulächeln. Er sog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein und dachte sich, dass er dazu nur einen maximal zwei Monate brauchen würde.
„Ich nehme die Kugel. Ihr Preis ist zwar hoch, aber ich nehme sie,“ sprach er, zog hastig zwei Scheine aus seiner Brieftasche und wartete ungeduldig, bis der Verkäufer mit dem Einpacken seines Erwerbs fertig war. Eilig verließ er den Laden und wäre fast mit einem kleinen Männchen zusammengestoßen, das urplötzlich in der Tür stand. Der Ladenbesitzer grüßte es freundlich: „Hallo Samuel. Schön, dass du mich auch einmal besuchst.“
„Aber, aber mein alter Freund,“ antwortete das Männchen und schlurfte an den Tresen. „Ich muss dich doch besuchen. Du bist mein liebster aber auch mein ärmster Freund. So ein Pech hast du auch immer. Erst dein Vater, dann deine Frau, dein Bruder und seine Frau. Ja, und jetzt deine Mutter. Mein herzliches Beileid!“
„Ja,“ sagte der Verkäufer, drehte ihm den Rücken und tat beschäftigt, indem er sich der alten Standuhr zuwandte und über ihr Gehäuse strich. Was Samuel nun nicht sehen konnte war sein Lächeln, als er sagte: „Ja, sie war ein harter Brocken. Jahrelang hat sie gelitten. – Jetzt bin ich ganz allein!“
 
Hi KlaraGabel,
garnichtmal schlecht, dein Einstieg. Die Verkaufsszene finde ich gut gelungen, zum Schluss, muss ich sagen, fehlte mir irgendwas - vielleicht war es dieses Bild, das ich erwartet habe, diesen Mann, der jede Vollmondnacht nackt um diese Kugel tanzt. Natürlich hast du bei deiner Geschichte noch vieles weggelassen - das Motiv, eigentlich aller Personen, denn daraus hättest du dann eine Geschichte entwickeln können, dann eine Art Strafe für das Benutzen der Kugel (solche mächtigen Gegenstände sind doch meistens mit einem Fluch behaftet) - mit solchen möglichen Strafen kann man dann spielen und sich witzige Pointen ausdenken - ich denke doch, daß deine Geschichte drauf hinaus will?

Jedenfalls, noch ein wenig kurz, aber nicht schlecht,

Gruss, Marcus
 

klaragabel

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hallo marcus,
hab dank für deine doch recht positive v.a. aber konstruktive kritik. wenn du "kurz" schreibst, dann hast du den nagel auf den kopf getroffen, denn das war meine intention: eine kurzgeschichte. ich wollte eine nachvollziehbare aber auch absurde szene darstellen, ohne irgendwelche charaktere entwickeln oder unnötige hintergrundinformationen liefern zu müssen. ich glaube auch nicht, dass dir so viel gefehlt haben kann, wenn ich nicht ausführlicher auf das nackttanzen bei neu- und vollmond eingegangen bin, denn du hast dir offensichtlich gedanken darüber gemacht (v.a. wenn man zwangsläufig an die augenblicklichen temperaturen denkt). also wurde doch etwas erreicht, denn deine fantasie wurde angeregt... trotzdem verspreche ich dir hiermit, dass mein nächster beitrag etwas länger wird.
K.
 



 
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