Der Klügere gibt nach

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masi

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Die gleiche Prozedur, jeden Morgen. Mein heiß geliebter Wecker mit dem aufbauenden schrillen Piepen ertönt. Aber eines will ich ihm lassen: er weckt mich. Auf geht’s, das rechte Bein aus dem Bett schubsen, erschauern aufgrund der plötzlichen Kälte, es folgt das linke und dann muss ich nur noch versuchen, den Rest meines noch fast schlafenden Körpers in die Senkrechte zu bekommen.
Wenn das alles geschafft ist, tappe ich sehr ungeschickt durch das Dunkel bis zum Bad. Einmal tief einatmen. Der Moment ist gekommen. Knips. Das Licht geht an. Und ich bin gezwungen mein Spiegelbild anzusehen, nachdem das Licht seine Grelligkeit verloren hat. Na, denk ich, da hast du heut morgen wieder einiges zu tun. Die Tätigkeiten, die mich wach kriegen sollen, ich meine richtig wach, und die, die mich auch wach aussehen lassen sollen, nehmen ihren Lauf. Plötzlich geht die Tür auf, ich erschrecke und will schreien, doch noch gerade rechtzeitig merke ich, es ist meine Schwester.
„Mhm“ brummt sie, „Mhm“ antworte ich. „Ich muss hier rein.“ Sagt sie. „Ich bin hier drin.“ Sage ich. Langsam werden wir plötzlich wach. Sie sagt befehlend: „Ich bin aber eh schon zu spät aufgestanden, also lass mich zuerst rein. Raus!“ Fast muss ich lachen: „Und ich bin pünktlich aufgestanden und will es auch bleiben, also, was ich damit sagen will: selber schuld und es ist nicht mein Problem.“ Das Gezanke geht weiter und weiter, so dass wir endlich beide zu spät sind. Aber egal, Hauptsache meine Schwester sieht ein, dass ich im Recht bin.
Schließlich kommt noch jemand ins Badezimmer, zerzaust und zerstrubbelt wie ein frisch geborenes Küken sieht jemand aus. Doch als ein „Kindchen, was soll das?“ zu vernehmen ist, erkennen wir unsere Mutter. Nachdem wir ausführlich erläutert haben, wie rücksichtslos und uneinsichtig wir sind, sagt meine Mutter: „Den Flur runter rechts müsste noch ein Bad liegen. Da war es jedenfalls die letzten Jahre, vielleicht habt ihr Glück und es ist immer noch da.“ Beide gleichzeitig zu zweit drängen wir durch die Tür und rufen empört und auch etwas triumphierend: „Der Klügere gibt nach!“
 



 
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