Der Märchenerzähler

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Der Märchenzähler
von Dagmar Buschhauer

Wie an jedem Wochenende ging Laila mit ihrer Mutter zum Basar. Die Kleine liebte das lebhafte Markttreiben sehr. Händler boten laut schreiend die unterschiedlichsten Waren feil und über allem lag der feine Duft von Gewürzen, Obst und Zuckerwerk. Immer wieder staunte Laila über Fakire auf ihren Nagelbrettern. Mit ihrem Flötenspiel brachten die Turbanmänner Schlangen zum Tanzen. Während Mama einkaufte durfte sie selbst bei dem steinalten Geschichtenerzähler auf dicken bunten Kissen sitzen und seinen Märchen lauschen. der weißbärtige alte Mann, mit dem großen roten Turban, verstand es vortrefflich die Kinder in seinen Bann zu ziehen. Heute wollte der Greis nun eine Geschichte von Hass und Eifersucht erzählen und so begann er:

"Es war einmal ein Sultan, der hatte zwei Söhne, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Ali war ein ruhiger und besonnener junger Mann, der stets gut zu den Mitmenschen war. Für die Sorgen der Bevölkerung hatte er immer ein offenes Ohr, allen sollte es gut gehen. Achmed, egoistisch und hartherzig, dachte nur an die eigenen Vorteile. Bekam er seinen Willen nicht, tobte er so laut im Palast, dass es weithin wie Donner hallte.
Eines Tages verliebten sich die Brüder in Suleika, der lieblichen Tochter des Großwesirs. Als die Schöne aber Ali den Vorzug gab und ihm als Braut in den Palast folgte, nahm das Unglück seinen Lauf.

Die Hochzeitsvorbereitungen waren in vollem Gange. Die ganze Stadt wurde aufs Feinste herausgeputzt, überall hingen bunte Fahnen. Große Tische mit erlesenen Speisen und Getränken ließ der Herrscher aufstellen, denn das Volk sollte an dem Glück des jungen Brautpaares teilhaben.
Achmeds Herz verhärtete sich immer mehr, er raste vor Eifersucht. Böse Gedanken kreisten in seinem Kopf, sie ließen ihm keine Ruhe mehr, weder bei Tag, noch in der Nacht. Er fasste einen gemeinen Plan. Kurz darauf ritt Achmed heimlich zur Wüstenoase Hatifa, um dort die berüchtigste Räuberbande des Reiches aufzusuchen. Er bot dem einäugigen Anführer Hakim einen hinterhältigen Handel an:

„Hör gut zu“, ich könnte euch verraten, wie ihr in die Schatzkammer des Palastes gelangt. Sie ist übervoll mit Juwelen.“ Der Räuberhauptmann aber erkannte ihn: „Sag, bist du nicht Achmed, einer der Söhne des Sultans? Wieso dieser Verrat? Du solltest dich schämen, noch nicht einmal einer meiner verwegenen Männer würde so etwas tun. Aber gut, sage uns, wie wir in den Palast kommen.“ Sein verbliebenes Auge funkelte gierig: „Unsere letzten Beutezüge waren leider nicht sehr erfolgreich, das Geld wird knapp. Was verlangst du als Gegenleistung?“
„Ich möchte nur die Braut meines Bruders“, sagte der Verräter, „nehmt sie gefangen und übergebt sie mir nach dem Überfall. Morgen Nacht erwarte ich euch am rückwärtigen Stadttor."

Den Bettler, der unter einer der Palmen lag und alles mit anhörte, bemerkte keiner von ihnen. Nachdem im Räubernest alle schliefen, machte er sich auf den Weg, um den Sultan und sein Volk zu warnen. Der Herrscher war stets mildtätig zu ihm, so wollte er nun seine Dankbarkeit beweisen.

Die Nacht war tiefschwarz, als die Räuberbande am Stadttor eintraf, Stille herrschte ringsum. Unter Achmeds Führung schlichen die Schurken vorsichtig zum Palast. Die Wache war nirgendwo zu sehen, gut so. Als der Sohn des Sultans den Schlüssel ins Schloss steckte und ihn umdrehte, knirschte es laut. Die Bande hielt den Atem an. Vor Schreck standen ihnen die Haare zu Berge.
„Pass doch gefälligst auf, sei leise“, zischte der Einäugige ihm zu. Ein Dieb nach dem anderen verschwand nun in dem dunklen Gebäude. Sie freuten sich schon auf die fette Beute, als das Unheil über sie hereinbrach.

Mit einem Mal war der ganze Palast auf den Beinen. Plötzlich erhellten überall Fackeln das Gebäude, und ein mörderischer Tumult brach los. Von allen Seiten stürmte die Palastwache mit ihren Krummsäbeln heran. Sie stürzte sich auf die überraschten Eindringlinge, die vor Entsetzen erstarrten. Nicht nur die kampferprobte Wache, sondern auch viele Bewohner der Stadt, schlugen mit Knüppeln auf sie ein. Damit hatte niemand von ihnen gerechnet. Nach einem fürchterlichen Handgemenge, ergriffen die Räuber panisch die Flucht. Wie von Sinnen rannten die Halunken davon. Man hörte nie wieder etwas von ihnen.

Achmed verfolgte das Spektakel bestürzt aus einem sicheren Versteck heraus. In dem wirren Durcheinander flüchtete er und lief um sein Leben. Viel später berichteten Händler, die mit einer Karawane durch das Land zogen, von einem verwirrten Korbmacher, der in einer weit entfernten Oase sein Leben fristet und behauptet, ein Sohn des Sultans zu sein. Doch niemand glaubte es ihm. Vielleicht wollte er sich ja nur wichtig machen, weil er mit einer zänkischen Frau verheiratet war, die ihm und seinen acht Kindern täglich das Leben zur Hölle machte.
Ali und Suleika aber lebten glücklich und in Frieden, geliebt von ihren Untertanen wegen ihrer Herzenswärme und Güte.“

Mit hochroten Wangen saßen die Kleinen auf ihren Kissen. So eine spannende Geschichte hatten sie schon lange nicht mehr gehört.
Der alte Mann erhob sich. „So, Kinder, die Märchenstunde ist vorbei. Beim nächsten Mal erzähle ich euch die Geschichte von dem Flaschengeist und…“
„Und was?“, riefen die Kinder aufgeregt.
„Nein, nein, das wird nicht verraten“, lachte er.

Als Laila an der Hand ihrer Mutter wieder nach Hause ging, dachte sie noch eine ganze Weile über die Erzählung nach. Sie wollte nie so werden wie Achmed und ihr Herz vergiften lassen durch Hass und Eifersucht, das hatte sie sich fest vorgenommen.
Dieser
 

Ully

Mitglied
Liebe Dagmar,

ein wundervolles Märchen, es gefällt mir ausgezeichnet.
Sehr fließend geschrieben und gut zu lesen. Den Kindern wird es bestimmt prima gefallen.

lG Ully
 
Liebe Ully,

ich freue mich wirklich sehr, dass Dir dieses Märchen gefällt. Vielen Dank für Deine schöne Bewertung.
Bis bald und ganz liebe Grüße
Daggi
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ach,

die armen acht kinder des verwirrten korbflechters! es reicht doch, dass der gierschlund das land verlassen mußte. etwas prügel hätt ich ihm auch noch gegönnt, aber acht kinder? die sind wirklich zu bedauern.
lg
 
na gut, Prügel kriegt dieser verschlagene Hund doch eh täglich von seiner keifenden Gattin mit Sicherheit, lach. Und die armen 8 Kinder sind so arm gar nicht, weil sie nämlich der ganze Stolz der zänkischen Mutter sind. Diese vergöttert ihre mißratenen Gören und hetzt sie gegen den verräterischen Alten auch noch auf, lach. Achmed ist echt arm dran, der begeht mit Sicherheit nie wieder Verrat!

Ganz liebe Sonntagsgrüße schickt Dir
Märchentante.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

wenn das so ist, dann sollte es in die geschichte mit rein, sonst könnte irgendein sensibelchen denken, kinder seien ganz allgemein eine strafe . . . so kam es bei mir jedenfalls erstmal an. und verschlagen ist er ja nun nicht mehr, der märchenerzähler sagte verwirrt.
lg
 
na gut, dann muss ich mir mal was nettes einfallen lassen. Vielleicht so: Zum Glück hatte er 8 liebe Kinder, die sich rührend um ihren verwirrten Vater kümmerten, lach.

Liebe Grüße
Märchentante
 
M

MichaelKuss

Gast
Kindergeschichte

Solche Kindergeschichten lese ich mit dem gleichen Vergnügen, wie ich oft abends auch das Sandmännchen einschalte, obwohl ich aus dem Kindesalter ja schon'ne Weile raus bin.
Echt schön, eine einfache Sprache, klare Struktur, jeder weiß - nach meinen Wertmaßstäben - woran er ist, und Kinder erfreut es ebenso wie jung gebliebene Alte.
Weiter so! Lieben Gruß,
Michael
 
Lieber Michael,

schön, dass die Gechichte auch bei Dir so gut ankommt. Du hast recht, die Kindern hören sie sehr gerne. Habe sie erst letztens in verschiedenen Schulen gelesen. Mir ist dabei aufgefallen, dass sie gerade bei Jungs gut ankommt. Übrigens schaue ich mir heute auch noch so manche Kindersendung an,(obwohl auch den Kinderschuhen entwachsen, lach) leider gibt es ja nicht mehr vieles was man sich überhaupt ansehen kann.

Lieber Gruß
Märchentante
 

HerbertH

Mitglied
spannend, spannend, kein wunder, dass jungs da glühende ohren bekommen...

weiter so!

erinnert sich noch gern an Kater Mikesch, Jim Knopf und all die andern und würde sich dafür vielleichtwieder ein TV anschaffen
 
D

Dominik Klama

Gast
Wenn man den Text aus dem Internet kopiert und in eine Word-Datei einfügt, sieht man sogleich eine rote Unterschlängelung seitens der Rechtschreib- und Grammatik-Kontrolle bei „die berüchtigste Räuberbande des Reiches“. Man sollte sich ja viel öfter auf Word verlassen, so sehr dumm ist es meist gar nicht.

„Du solltest dich schämen, noch nicht einmal einer meiner verwegenen Männer würde so etwas tun. Aber gut, sage uns, wie wir in den Palast kommen. Unsere letzten Beutezüge waren leider nicht sehr erfolgreich, das Geld wird knapp.“
Ja, eine der unangenehmen Eigenschaften, die Geld an sich hat. Aber, wer unseren lieben Kleinen weis macht, dass anständige Kriminelle keinen Verrat begehen und ehrliche Menschen nur ausrauben, wenn sie selbst in Gefahr sind, andernfalls verhungern zu müssen, der sollte sich eventuell jetzt um eine Herausforderung als Texter für die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ bemühen, wo er (sie) den lieben Kleinen wird erklären können, dass treu sorgende Unternehmerpersönlichkeiten Menschen nicht etwa deshalb um ihre Arbeit bringen, weil dies die Kosten senkt, den Profit mithin steigert, sondern allein dann nur, wenn sie selber dazu ernsthaft gezwungen sind, weil sie andernfalls verhungern müssten. Unsere Welt, wie sie „pädagogisch wertvoll“ ist.

„Sie freuten sich schon auf die fette Beute, als das Unheil über sie hereinbrach.“
Diesen Satz finde ich keineswegs so geschickt geschrieben wie das Gros des übrigen Textes. Ich frage mich, ob es wirklich nötig war, hier ein Schild hoch zu halten: „Achtung, gleich passiert was!“ Statt es einfach passieren zu lassen. Und ich finde es nicht elegant, eine Innenschau ins Gefühlsleben der Räuber hinein mit einer Weitsicht in die Zukunft hinaus in einen Satz zu vermengen.

„Wie von Sinnen rannten die Halunken davon. Man hörte nie wieder etwas von ihnen.“
Wahrscheinlich sind sie Taxifahrer geworden.

„Mit einem Mal war der ganze Palast auf den Beinen. Plötzlich erhellten überall Fackeln das Gebäude, und ein mörderischer Tumult brach los. Von allen Seiten stürmte die Palastwache mit ihren Krummsäbeln heran. Sie stürzte sich auf die überraschten Eindringlinge, die vor Entsetzen erstarrten. Nicht nur die kampferprobte Wache, sondern auch viele Bewohner der Stadt schlugen mit Knüppeln auf sie ein.“
Gut, ich mag ein pingeliger Erbsenzähler sein, aber es beschäftigt mich wirklich. Der Palast ist also ein Gebäude, das hatten wir so auch erwartet, er ist also nicht unermesslich groß. Dennoch sind darin nicht nur die Palastwache, deren Job es doch wäre, sondern auch viele Einwohner der Stadt aufgezogen, um die Räuber abzuwehren. Nun, das würde ich eine vorbildliche PR-Einstellung des Sultans nennen. Statt im Dunkel der Nacht recht unauffällig reinen Tisch mit der Opposition zu machen, während die Bürger nichts ahnend schlafen, lädt er sein Volk in den Palast ein, lässt es bewaffnen, lässt Anteil nehmen an den Streitigkeiten innerhalb seiner Familie und zeigt zu einem Zeitpunkt, als der Gegner noch nicht wirklich besiegt ist, dass er als Herrscher nicht ganz unumstritten ist. Vorbildliche Glasnost, das.

„Sie wollte nie so werden wie Achmed und ihr Herz vergiften lassen durch Hass und Eifersucht, das hatte sie sich fest vorgenommen. Dieser“
Ich dagegen habe mir als Kind einst vorgenommen, mein Herz von all dem Hass und der Eifersucht der Welt füllen zu lassen. Und es ist gelungen. Man sieht es daran, wie gefühllos ich mit so einer Herz erwärmenden Kindergeschichte umspringe!

Aber irgendwer hat hier nicht aufgepasst und den allerletzten Satz, der mit „Dieser“ begonnen hatte, gelöscht, bzw. umzukopieren vergessen. Dieser Satz aber lautete:
„Dieser Tag auf dem Basar war wie im Flug vergangen. Dieser Märchenerzähler, wurde Laila einige Jahre später klar, hatte eine magische Gabe besessen. Er vermochte, seine Zuhörer, kleine wie große, allein mit der Macht des Wortes in seinen Bann zu schlagen. Und dafür schenkten sie ihm viele Gold- und Silberstücke als Zeichen ihrer Anerkennung. Denn nichts vermag unser Leben heller zu erleuchten als eine gut erzählte Geschichte. Und an dem Tag, da Laila das verstand, begann sie sich um einen Internetanschluss zu bemühen, damit möglichst viele Menschen ihrer himmlischen Gabe teilhaftig werden konnten, die sie nun unermüdlich auszubilden begann.“

Niemand aber achtete auf den buckligen, einäugigen Bettler, der, mit sich selber sprechend, lamentierte und maulte: „Wozu hat es eigentlich dieser Rahmenhandlung von der Mutter und dem kleinen Mädchen bedurft, bevor und nachdem die Liebenden und die Räuber auf den Plan traten? Doch wohl nur, damit außer den Jungs auch die Mädchen eine Identifikationsfigur geboten bekamen. Ha, Märchentante, ich durchschaue dein Spiel!“ Aber, wie gesagt, es war nur ein verbitterter alter Mann. Und niemand nahm seine Worte jemals sehr wichtig. Laila aber nahm sich vor, nie in meinem Leben will ich zu einem Nörgler werden, sondern immer nur das Schöne sehen in allem, was mir begegnet.
 
S

suzah

Gast
hallo märchentante,
ich lese zwar gerne orientalische märchen, aber hier irritiert mich doch etwas:

"über Fakire auf ihren Nagelbrettern. Mit ihrem Flötenspiel brachten die Turbanmänner Schlangen zum Tanzen. Während Mama einkaufte durfte sie selbst bei dem "

die fakire und schlangenbeschwörer gehören nach indien, die namen wie achmed etc und titel wie großwesir stammen aus dem orient und dem alten türkischen großreich.

ich frage mich, warum mixt du das durcheinander und wozu diese rahmenhandlung?
der märchenerzähler könnte auch mehr in der blumigen sprache seiner zunft reden, er erinnert mich in seinem erzählstil an geschichten über störtebeker o.ä.

vielleicht solltest du das noch ein wenig überarbeiten?

liebe grüße suzah
 



 
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