Der Mann mit dem Weihnachtsmannkostüm

Alter Ego

Mitglied
23. Dezember.
Feierabend. Er schritt durch die Straßen, müde von der Arbeit. Sein Ziel war die kleine Mietwohnung, die er sein Zuhause nannte. Der Mann trug das klischeehafte Kostüm eines Weihnachtsmannes. Rote Hose, roter Mantel, rote Mütze, langer weißer Bart. Während der Adventzeit spielte er im Kaufhaus den Weihnachtsmann für die unzähligen Kinder, die täglich dort vorbeischauten. Nach Heiligabend würde er sich nach einer anderen Arbeit umsehen müssen. Es war jedoch nicht so, dass er das Kostüm vermissen würde. Das Tausendste „Hohoho“ wäre ihm fast im Hals stecken geblieben. Er hasste die Weihnachtszeit. Sie erinnerte ihn daran wie schlecht die Welt doch war. Empirische Beobachtungen hatten ihn den Schluss ziehen lassen, dass der Otto-Normalbürger ein Egoist war. Die Menschen dieser Stadt taten nie etwas uneigennütziges, es sei denn, die gesellschaftlichen Konventionen schrieben es so vor. Zu Weihnachten machten die Leute pflichtschuldige Geschenke für Arbeitskollegen, Familienangehörige und Bekannte. Irgendein Krimskrams was freudig ausgepackt, in höchsten Tönen gelobt und dann in die nächste Ecke gestellt wurde. Nicht im Traum käme einer auf die absurde Idee einem Obdachlosen einen Kaffee oder eine warme Decke zu spendieren, dafür war ihnen ihr vieles Geld zu schade. Man musste schließlich Prioritäten setzen. Die meisten Menschen kamen gut damit klar; Sie waren Egoisten, hatten aber kein Problem damit. Ab und zu machten sie eine kleine Spende an wohltätige Organisationen um ihr Selbstwertgefühl aufzubessern oder sagten ihren Kindern, sie sollen brav aufessen, weil viele Menschen in Afrika hungern müssen. Was für eine Relevanz eine derartige Aussage auf das Essverhalten hat, sei jedoch dahingestellt. Die Stadt wurde beherrscht von Ignoranz und Heuchelei. Dem Mann mit dem Weihnachtsmannkostüm schien es, als wäre er der einzige der nicht verdorben war und mit Begriffen wie Mitgefühl, Liebe und Toleranz etwas anzufangen wusste. Er hegte Aversionen gegenüber den übrigen Bürgern und fühlte stets Hass und verzweifelte Wut in sich aufsteigen, wenn er ihre unverdient glücklichen Gesichter sah. Sein Leben wurde beherrscht von Einsamkeit und Hilflosigkeit. Es war ihm völlig unverständlich weshalb ihm, einem Mensch reinen Herzens, das Glück verwehrt blieb.

24. Dezember.
Über Nacht hat es geschneit, die ganze Stadt ist in weiße Kleider gehüllt. In der Mitte des Platzes steht eine meterhohe Fichte, traditionell mit Unmengen von Schmuck behängt. Die prachtvolle Dekoration mittels Girlanden und Kugeln wird gekrönt mit einem auf der Spitze thronenden goldfarbenen Stern aus Messing. Der ansonsten abendlich-düstere Platz wird durch zahlreiche Festtagsbeleuchtungen feierlich erhellt. Lichterketten an Häuserwänden glitzern um die Wette mit schlittenziehenden LED-Rentieren, die etwas erhöht, nahe dem Weihnachtsbaum stehen. Im Schlitten sitzt ein in rot-weißes Gewand gehüllter, langbärtiger Mann aus Plastik, der die linke Hand zu einem fröhlichen Gruß erhoben hat, während seine rechte einen opulenten Sack umklammert, in dem Ausformungen von Geschenken zu erkennen sind. Süßlicher Glühweinduft hängt in der Luft, ausgehend von einem Getränkestand auf der rechten Seite des Platzes, der von einer Vielzahl von Leuten belagert wird. Liebliche Geigenklänge von Little Drummer Boy wehen über den Platz und tauchen die gesamte Atmosphäre in überschwängliche Festlichkeit.

Von einer kleinen im Dachgeschoß gelegenen Mietwohnung in der Nähe des Platzes hat man einen wunderbaren Ausblick auf das rege Weihnachtstreiben. Würde jemand das Zimmer betreten, fände dieser jedoch keine sonderlich weihnachtliche Stimmung vor. Auf dem Boden des Zimmers liegt ein roter Mantel. Daneben eine rote Hose und eine rote Mütze. Ein weißer Kostümbart ist halb versteckt unter einer leeren Schnapsflasche. Inmitten dieses Durcheinanders liegt ein umgekippter Stuhl.
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Alter Ego, ich habe den Text mehrfach gelesen. Der Anfang gefällt mir, du steigst direkt ein. Aber dann bleibst du stecken in der Larmoyanz. Das hier ist noch keine Kurzgeschichte. Da passiert nichts (Handlung/Konflikt). Was willst du uns erzählen? Lass deinen Text diese Frage beantworten. Und schreib weiter, lass dich nicht beirren, die Kritik hier ist (fast) immer als Hilfestellung zum Weitermachen und Weiterlernen gedacht. LG - herziblatti
 



 
Oben Unten