Der Pilot

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Mompach

Mitglied
Kälte - absolut tödliche Kälte. Feindseligkeit - neutrale ignorante Feindseligkeit. Weite -unendliche, kaum zu begreifende Entfernungen. Und dennoch so anziehend; Sehnsüchte und Phantasien erweckend, Anziehungspunkt für Milliarden Augenpaare Erwachsener und Kinder - wunderschön und faszinierend.
Der Weltraum.
Ein schwarzes Tuch, gespickt von Abermillionen glitzernder Funken mit magisch blinkender Anziehungskraft die zu rufen schienen: „Besuche uns, ergründe unsere Geheimnisse, setze Deinen Fuß auf unsere Planeten, Monde, Asteroiden.“
Und doch sitze ich hier in einem künstlichen Organismus, dessen Mikroben wir sind. Mikroben, die mit eben diesem Organismus ihre Heimat verteidigen. Verteidigen müssen, weil wir sonst keinen Platz mehr haben, von dem aus wir das All mit seinen Sternen bewundern und bestaunen können. Verteidigen gegen einen Feind, der keine Gnade kennt. Ein Feind, der uns noch nicht einmal die Chance gibt, den Konflikt mit anderen Mitteln als der Gewalt beizulegen.
Für ihn fast unmerklich versteifte sich der Körper des Piloten, als seine Gedanken abschweiften. Sie waren nun nicht mehr bei der anmutenden Pracht des Weltalls, welches auf dem Bildschirm zu sehen war, sondern kehrten zum Grund seiner Anwesenheit auf diesem Schiff wider.
Das Schiff des Piloten trieb zur Zeit fahrtlos durch den Raum, nur bewegt von den unsichtbaren Gravitationslinien, die das Weltall durchzogen und die Sterne in einem komplexen Muster miteinander verbanden.
Der Grund für die Anwesenheit des Piloten und seines Schiffes war der bösartige Feind seines Volkes. Nicht das erste Mal trafen sein Volk auf Fremde und auch nicht das erste Mal führten sie Krieg.
Aber das erste Mal mussten sie sich mit einem Feind auseinandersetzen, der ihre Existenz bedrohte. Ein Feind, der vom ersten Zusammentreffen an kein Zweifel daran ließ, das Volk des Piloten auslöschen zu wollen. Bösartig waren sie. Und grausam. Barbarisch. Ein Planet, den sie nicht erobern konnten, machten sie mit ihren Planetenkillern unbewohnbar. Oder zerstörten ihn völlig. Flüchtlingsschiffe wurden unbarmherzig zu flüssigem Metall verbrannt. Ganze Städte ausradiert. Kapitulation kannten sie nicht. Ebenso wenig Gnade oder Verhandlungen oder das eigene Aufgeben. Sie vermehrten sich schnell und deshalb brauchten sie Platz. Sie hatten die gleichen Anforderungen an Planeten wie das Volk des Piloten. Sie waren gierig. Ihre Habgier und ihre Intoleranz waren unglaublich. Und so erkannte das Volk des Piloten, dass ein Waffengang unumgänglich war. Aber nicht wie bei den letzten Kriegen gegen andere Fremde genügte es diesmal, sie einmal vernichtend zu schlagen. Sie kamen immer und immer wieder. Mit noch mehr Schiffen, noch mehr Soldaten, noch mehr Brutalität und Verbissenheit. Sein Volk dachte, sie würden es schaffen aber es sah zur Zeit nicht so aus. Im Gegenteil, es wurde schlimmer und schlimmer. Sie kämpften nunmehr schon seit vier Jahren gegen die Aliens.
Nicht weit entfernt – zumindest an kosmischen Maßstäben gemessen – hatte eine der unzähligen Schlachten in diesem Krieg stattgefunden, den sie nun schon seit so langer Zeit gegen die Aliens führten. Den heutigen Kampf hatten sie gewonnen aber nur deshalb, weil die barbarischen Außerirdischen diesmal nicht wieder mit einer großen Menge an Kampfschiffen - von denen sie anscheinend über einen schier unerschöpflichen Vorrat verfügten - sondern mit, für ihre Maßstäbe, relativ wenigen Schiffen angegriffen hatten. Sie hatten vermutlich mit weniger Wiederstand gerechnet. Der Pilot dankte seinen Vorfahren, dass die Verhörspezialisten des Geheimdienstes dem einen lebenden Gefangenen, dem man bis jetzt machen konnte und der in der Hierarchie der Aliens anscheinend ziemlich weit oben stand, ein paar Informationen hatte herauspressen können. Unter anderem Ort und Zeitpunkt eines ihrer nächsten Angriffe. Dieses Angriffes. Nicht das es wirklich etwas bedeutet hätte. Die Fremden vermehrten sich schnell und zahlreich. Deshalb waren sie auch in der Lage, so viele und so große Raumschiffe zu bauen – sie hatten einfach das Personal und konnten an mehreren Orten gleichzeitig mit solcher Wucht angreifen, dass dem Militär seines eigenen Volkes nur allzu oft der Rückzug blieb. Trotz der eigenen technischen Überlegenheit – sie hatten einfach nicht die industriellen und personellen Ressourcen wie ihre Feinde.
Und so zog sich das Volk des Piloten seit Ausbruch des Krieges tiefer und tiefer in das eigene Gebiet zurück, vernichtete tausende Schiffe der Angreifer und wurden doch durch deren Übermacht überrollt.
Es war deshalb auch kaum verwunderlich, dass in den Kreisen der Raumschiffbesatzungen und Bodensoldaten, beim Sanitärpersonal, beim Geheimdienst und anderen das angstvolle Gerücht umhersprang wie ein Fegefeuer, der verhasste Feind könnte bald soweit vorgedrungen sein, dass ein Angriff auf das Zentralsystem möglich sei.
Diesmal hatten sie die Schlacht gewonnen – solche Siege waren viel zu selten. Fünf Schiffe der Aliens hatten sich abgesetzt, bevor sie zerstört oder kampfunfähig gemacht werden konnten. Das Schiff des Piloten war auf der ausgedehnten Front den Flüchtenden am nächsten gewesen und sie hatten drei Schiffe fast sofort vernichten können. Den vierten der abgrundtief hässlichen feindlichen Raumer konnten sie nicht viel später ebenfalls stellen und zu kosmischen Staub verarbeiten Aber das letzte Schiff hatte sich bis jetzt mehrmals den alles auffressenden Salven ihrer Geschütze entziehen können. Der feindliche Schiffskommandant war anders. Er legte eine Intelligenz, Raffinesse, Durchtriebenheit und taktisches Können an den Tag, die den Piloten fast schon beeindruckte.
Die Aliens folgten einer einfachen militärische Doktrin: Sie wussten, dass sie den Schiffen seines Volkes im Kampf eins zu eins unterlegen waren und griffen deshalb immer mit einer absoluten Überzahl an. Schrumpfte diese Übermacht auf unter eins zu acht zusammen, zogen sie sich zurück (was in diesem Krieg nicht oft vorkam). Wenn sie dann aber erkannten, dass eine Flucht nicht mehr möglich war, stellten sie sich stumpf dem Kampf und ließen sich wie Zielscheiben zusammenschießen. Sie feuerten zwar aus allen Geschützen, machten sonst aber selten Anstalten ihr Ende hinauszuzögern.
Diesmal war es anders. Der feindliche Alienkommandant ließ seinen Piloten komplizierte Manöver fliegen, machte Finten, täuschte, flüchtete, griff an, setzte sich ab, versteckte sich. Vielleicht lag es daran, dass es sich bei dem feindlichen Schiff nicht um eines ihrer riesigen Schlachtschiffe oder Truppentransporter handelte, sondern um eine kleinere Einheit, nicht viel größer als der Kampfraumer des Piloten. Dieses Schiff war merklich schneller als seine großen Brüder und Schwestern, sogar schneller als das Schiff des Piloten. Gewiss, der Alien hatte waffentechnisch eine relativ kleine Chance ihnen beizukommen aber er hatte die Schnelligkeit seines Schiffes jetzt schon zweimal geschickt eingesetzt, um den Schutzschirm ihres Schiffes mit seinen Waffen zum Flimmern zu bringen. Und das war besorgniserregend. Man hatte keine Erfahrung mit diesem taktischen Verhalten. Zumindest nicht der Kommandant des Piloten. Seit dem letzten Angriff des Aliens war fast eine Stunde vergangen. Er hatte sich abgesetzt und war von den Ortungsschirmen verschwunden. Die Spur seiner Antriebsemissionen hatte in ein nahegelegenes Sternensystem geführt. Aber diese Information war nicht wirklich hilfreich. Wieder einmal hatte der feindliche Kommandant seine Intelligenz unter Beweis gestellt und sein Schiff in ein Sonnensystem geführt, dass aus dreizehn Planeten bestand, von denen manche mehrere Monde besaßen, die teilweise sogar eigene Trabanten hatten. Was die Suche noch weiter erschwerte, war ein ausgedehnter Asteroidenring zwischen den beiden äußeren Planeten. Ein Teil der kosmischen, zerklüfteten Trümmer waren fast ebenso groß wie kleine Monde. Ein großes und unbewohntes System. Für sie. Für den Alienkommandanten bot es zig Möglichkeiten sich zu verstecken. Oder sich für eine Falle auf die Lauer zu legen.
Nun trieb das Schiff des Piloten also langsam von schräg‚oben’ auf das System hinab und versuchte den Fremden aufzuspüren, dessen Spur sich zwischen dem Trümmerring verloren hatte.
Der Kommandant hatte den Antrieb auf Leerlauf herunterfahren lassen, um den eigenen Ortungsinstrumenten noch weniger Grund für verfälschte Messungen zu geben.
Aber auch das hatte nichts gebracht. Das Raumschiff der Aliens blieb verschwunden. Der Pilot schaute nach rechts zum Orter. Der studierte seine Instrumente und Anzeige in höchster Konzentration, nahm Feinabstimmungen vor und horchte auf die Hintergrundstrahlung des Alls, die von den hochempfindlichen Sensoren und Antennen des Schiffes eingefangen und an seinen Kopfhörer weitergegeben wurde. Seinem Gesicht nach zu schließen war aber auch hier nichts aufzunehmen. Außer dem Klang der Unendlichkeit - das innerwährende Singen des Universums mit seiner ganz eigenen und unverwechselbaren Melodie.
Hinter dem Piloten, im vorderen mittleren Bereich der Zentrale saß der Kommandant in seinem Kommandosessel und beriet sich mit seinem Stellvertreter. An ihrem Gesten und an ihrer Mimik konnte der Pilot erkennen, dass beide nicht weiter wussten, keine Ideen in ihre Köpfe fuhren, keine Erleuchtung sie heimsuchte, wie man dem feindlichen Schiff auf die Schliche kommen konnte. Der Pilot konnte die Ratlosigkeit auf ihren Gesichtern sehen – nur allzu deutlich.
Links vom Pilot saß der Waffenmeister an seinen Kontrollen und studierte die letzten Protokolle, suchte nach einer Lösung, gewillt beim nächsten Schlagabtausch dem Alienschiff alle im zur Verfügung stehenden Strahlen und Sprengkörper in den unwirklichen Bauch zu platzieren.
Der Pilot versuchte sich in die Rolle seines Kommandanten zu versetzen.
Natürlich könnten wir Verstärkung rufen aber um dieses System effektiv durchsuchen zu können, bräuchten wir weit mehr Schiffe als man uns zugestehen würde. Falls wir überhaupt Schiffe bekommen würden. Die Front ist groß und breit und unsere Reihen sind ausgedünnt. Der Pilot lachte innerlich auf. Oh, die Aliens haben nicht unsere Probleme, ihre Industrie baut immer weiter, ihre Weibchen setzten unermüdlich neuen Nachwuchs in ihre Welt. Unsere Industrie ist spezialisiert, mehr auf Qualität ausgerichtet aber dies nützt uns in diesem Krieg wenig. Aber unsere Führer scheinen blind für diese Schwäche zu sein. Sie wollen nicht erkennen, dass wir mit halb so guten Schiffen immer noch kampfkräftiger als die Aliens wären aber schneller bauen könnten.
Aber wenn wir keine Verstärkung rufen oder kriegen, was wollen wir dann jetzt und hier tun? Warten bis wer weiß wann? Bis der Alien dann doch zu einem neuen Angriff auftaucht und wieder verschwindet? Das kann doch dann noch ewig dauern.
Oder abziehen und den Alien ein Alien sein lassen? Also nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Kommandant dazu entschließt. Das käme doch einer Niederlage gleich. Das würde zeigen, dass wir feige sind, dass wir dem Alien nicht überlegen sind. Ich weiß es nicht. Gut, dass ich nur Pilot und kein Kommandant bin.
Der Pilot fragte sich, warum ihre Führer noch nicht bei anderen Rassen um Hilfe gebeten hatten, auch die mussten erkennen wie blutrünstig und bösartig die Aliens waren. Oder haben sie die benachbarten Rassen bereits um Hilfe gebeten und diese nicht bekommen? Haben die sich vielleicht schon mit den Aliens verbündet? Ein Schlag ging durch den Körper des Piloten und er setzte sich abrupt aufrecht und spann das Gedankenspiel weiter.
Konnte das vielleicht der Grund für die unglaublichen Ressourcen der Fremden sein?
Vielleicht werden sie von anderen Völkern mit Rohstoffen oder sogar Technik beliefert. Wir haben ja nicht nur Freunde in der bekannten Galaxis. Nicht alle sind uns wohlgesonnen. Der Pilot rieb sich den Nasenrücken. Vielleicht so eine Art Rache für einen verlorenen Krieg. Aber wenn ich überlege, gegen wir in unserer jüngeren Geschichte Krieg geführt haben – das sind drei Rassen. Ich glaube, die hätten, selbst wenn sie alle mit den Feinden verbündet wären, nicht die Kapazitäten um den Aliens in diesem Ausmaß helfen zu können.
Unmerklich schüttelte der Pilot den Kopf. Das konnte es also auch nicht sein. Vielleicht eine ältere Rasse. Aber in der weit zurückliegenden Geschichte seines Volkes war der Pilot nicht bewandert. Er war doch noch jung. Und die ältere Geschichte war in der Schule immer nur kurz angerissen worden. Dies kam erst in den weiterführenden Schulen zur Sprache.
Ehe der Pilot sich wieder entspannen und zu seiner ursprünglichen Sitzposition zurückkehren konnte, wurde er durch ein Piepen aufgeschreckt, welches von der Ortungsstation in seine Ohren drang. Ortungsalarm! Sein Kopf schnellte nach rechts. Ebenso der Kopf des Kommandanten und der seines Stellvertreters. Konzentriert las der Orter seine Anzeigen ab und machte dann Meldung:
„Tasterreflex auf...“, er nannte ein paar Zahlen, „Nicht natürlichen Ursprungs, Bewegungsrichtung nach...“ wieder Zahlen, „ ...kontinuierlicher Geschwindigkeitsaufbau. Für eine genaue Ortung ist die Entfernung noch zu groß. Aber die Masseangabe stimmt nicht mit den Werten des Alienraumers überein.“
Noch ein fremdes Raumschiff?
Kommandant und erster Offizier schauten sich an. Der Pilot hatte den Antrieb anfahren lassen und wartete auf den Befehl zum Start. Aber der kam nicht.
„Orter. Wohin führt der Kurs genau? Extrapolieren sie so weit wie möglich.“
„Dicht am dritten äußeren Planenten vorbei. Mit zweimaligem Durchflug des Trümmerringes. Dann kernauswärts aus dem System. Und zwar mit einem Winkel von 112 Grad von unserer Position.“
Nachdenklich kratzte sich der Kommandant am Kinn und flüsterte seinem Stellvertreter etwas zu. Der nickte, schien aber nichts zu antworten.
„Pilot, Antrieb hochfahren und langsamen Kurs auf die Position, wo der Alien zum ersten Mal geortet wurde. Ich habe das Gefühl, unser ‚Freund’ will uns mal wieder in eine Falle locken oder uns drängen, dass wir dieses System verlassen. Haben wir Daten über das flüchtige Schiff? Haben die vielleicht Beiboote an Bord?“
„Unsere Daten über die Aliens sind mehr als dürftig. Der Schiffstyp dort draußen ist in den Datenbanken überhaupt nicht vorhanden. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass dieser Raumer ein Beiboot besitzt, zumindest keines mit dermaßen hohen Beschleunigungswerten. Das erfordert eine gewisse Maschinengröße und folglicherweise ein entsprechend großes Schiff.“
Der erste Offizier schaute wieder von seinem tragbaren Computer hoch und seinen Vorgesetzten an. Dieser wiederum drehte sich zum Piloten um.
„Auf einen halben Sublicht erhöhen. Waffenmeister, bereiten sie eine Sonarbombe vor. Bei Erreichen der äußersten Waffendistanz die Bombe abfeuern und an der Stelle detonieren lassen, an der die Ortung den Alien ausgemacht hat. Ebenso feuern sie Raumminen ab und zwar mit kugelförmiger Entfaltung um die Detonation der Sonarbombe. Minimalste Verzögerung, Entfernung zum Mittelpunkt 3000 Kilometer. Pilot: zum Zeitpunkt des Abfeuerns auf Minimalfahrt gehen.“
Endlich gibt es wieder etwas zu tun. Diese Warterei zerrt wirklich an den Nerven.
Der Pilot sah auf sein Steuerpult und nahm eine Verbundschaltung mit der Waffenstation vor, so dass der Antrieb sofort nach Abfeuern der Sonarbombe Gegenschub gab und das Schiff auf die vom Kommandanten angeordnete Geschwindigkeit verlangsamte.
Die Stimme des Orters zerschnitt die angespannte Ruhe in der Zentrale:
„Der erste Ortungsimpuls liegt kurz hinter dem dicken Trümmerstück in Raster 25.“
Der entsprechende Ausschnitt wurde in vergrößerter Form auf dem Hauptbildschirm dargestellt. Rechts unterhalb des großen Asteroiden wurden Daten eingeblendet. Danach war dieses Trümmerstück wirklich ‚dick’. Auf jeden Fall groß genug, dass sich dahinter ein Raumschiff verstecken konnte.
„Irgendetwas stört mich,“ meinte der erste Offizier, „der Alien kann sich doch denken, dass wir genau das tun, was wir gerade machen. Bis jetzt hat er gezeigt, wozu er in der Lage ist. Und dazu gehört auch zwei bis drei Schritte weiter zu denken. Das erscheint mir zu einfach.“
Nickend nahm der Kommandant den Einwand zur Kenntnis, sagte aber ansonsten nichts.
Unter dem Piloten vibrierte der Boden leicht, als die Minen abgeschossen wurden. Die Sonarbombe hatte bereits vorher – unbemerkt – ihr Trägerschiff verlassen. Zeitgleich hatte das Schiff verlangsamt und ‚kroch’ jetzt vorwärts. Kurze Zeit später schlugen sämtliche Ortungstaster aus, als die Sonarbombe explodierte.
Eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Bombe. Das kugelförmige Gebilde platzt an den angegeben Koordinaten auseinander und setzt massive – auch überdimensionale – Störstrahlen frei, welche gegnerische Sensoren kurzfristig lahm legen sollten.
Mit kaum merklichen Unterschied detonierten die Raumminen an ihrer vorgesehenen Stelle. Als das Licht der Explosionen das Raumschiff erreichte, verdunkelte sich automatisch der Bildschirm, ansonsten hätte die Zentralbesatzung einige Zeit eklatante Sehstörungen erdulden müssen. Der Bereich, in dem die Raumminen explodierten, hüllte sich in ein Gemisch aus Licht, Gasen und Trümmerbrocken. Farbige Feuerkaskaden sprangen aus der Explosionswolke hervor, griffen nach benachbarten Asteroidenstücken und zermahlten diese, fraßen sie auf, zerschmolzen sie.
Und mitten aus der Explosion stachen rote Finger nach dem Schiff des Piloten, hämmerten in den Schutzschirm und wurden zurückgeworfen. Die mechanische Energie der Schutzschirmeinschläge machte sich in der Zentrale akustisch bemerkbar. Da alle Besatzungsmitglieder schon seit Beginn der Raumschlacht ihre Schutzanzüge trugen, fuhren jetzt nur noch die Helme aus den Krägen und legten sich schützend über ihre Träger. Gleichzeitig schaltete sich der Bordfunk ein. Nun konnte man sich trotz des todenden Lärms verständigen.
Allerdings sagte zur Zeit niemand ein Wort. Denn das sie mitten aus der Explosionswolke heraus beschossen wurden, war so gut wie unmöglich.
Der Pilot zog das Schiff zur Seite weg und die Energiestrahlen schossen an ihnen vorbei, hörten dann kurz auf, erschienen erneut und wanderten ihnen dann nach.
„Wieso Namen hat er die Explosion überlebt. Und wieso kann er mitten aus der Detonation heraus auf uns feuern?“
Die Stimmedes Kommandanten klingt ein wenig zitternd. Wenn nicht sogar ängstlich. Dachte der Pilot bei sich, als er sein Schiff weiter zur Seite zwang und dabei den Antrieb hochfuhr. Unterdessen jagte der Waffenmeister diverse Strahlen und Raketen in die Wolke, die sich auflöste.
Auf Nachfrage entgegnete der Orter:
„Ich habe ihn. Hinter dem großen Trümmerstück war ein zweites. Dazwischen muss er gewesen sein, als die Minen explodiert sind. Die Asteroiden haben in vermutlich geschützt. Danach scheint er in die Gaswolke geflogen sein und feuerte auf unsere letzte, ihm bekannte Position.“
„Waffenmeister, eine Rakete mit Atomsprengkopf Klasse 3“
„Verzeihung Kommandant aber das erscheint mir zu gefährlich. Die Explosion wäre uns zu nahe.“
„Ich will die Rakete auch nicht auf ihn feuern!“ Wütend schaute der Kommandant seinen Vertreter an. „Aber wir machen dem Ganzen hier und jetzt ein Ende. Dieser verdammte Alien hat uns schon genug Zeit gekostet!“
Dann wandte er sich wieder an den angesprochenen Waffenmeister:
„Die Rakete mit einem Vorsprengkopf ausstatten. Dann feuern sie auf einen großes Trümmerstück in der Nähe des Alien. Vorsprengung bei Aufschlag. Hauptdetonation eine Sekunde später. Die Explosionstrümmer, die in seinen Schutzschirm fliegen werden, sollten ihn zumindest für kurze Zeit irritieren und blenden. Dann Wirkungsfeuer mit allen Waffen, Selbst wenn uns das kurzzeitig Energie aus dem Antrieb und dem Schirm nehmen sollte.“ Er sah kurz auf die Anzeige an seinem Bildschirm. „Die Schirme halten seinem Feuer im Moment noch mühelos stand. Fangen sie an!“
Fast so groß wie ein kleines Beiboot verließ die Trägerrakete mit einem Röhren den Schiffsleib und strebte dem anvisierten Asteroidenstück zu. Im Vergleich zu dem was dann folgte, war die Explosion der Raumminen zuvor nur eine kleine Verpuffung. Selbst durch die immer noch vorhandene Filterung auf dem Bildschirm schmerzte das grelle Blitzen in den Augen. Im Stakkato schlugen abgesprengte Brocken des Zieles in den Schutzschirm ein. Sämtliche Taster schlugen aus, als die Atomexplosion – nicht durch eine Atmosphäre gebremst – in einer Kettenreaktion mehr und mehr Asteroiden auffraß. Und durch den ganzen Lärm und das Licht hindurch quälte sich die Stimme des Orters: „Da ist er! Markierung erfolgt!“
Ohne Steuerung und Antrieb trudelte der Alienraumer, sich drehend und rollend, von der Explosion weg. Und dann erfassten ihn mehrere Raketen und Energiestrahlen. Zerrten an seinem Schutzschirm, der aufflackerte und erlosch. Seine metallene Hülle bot wenig Schutz und setzte den zerstörerischen Waffen nur wenig Widerstand entgegen, als sie in den Schiffskörper eindrangen. Und plötzlich war es vorbei. Stille in der Zentrale. Die letzten Materiereste des Feindschiffes trudelten in alle Richtungen davon, prallten mit Asteroiden zusammen, strebten dem offenen Weltraum entgegen oder wurden von den Ausläufern der Atomexplosion verschluckt.
Es ist vorbei. Endlich ist es vorbei.
Der Pilot stoppte das Schiff, unschlüssig, welchen Kurs er ohne Anweisung einschlagen sollte. Alle starrten auf den Bildschirm, der gar nicht in der Lage war, wirklich emotional wiederzugeben, was dort draußen geschehen war.
Langsam drehte sich der Kommandant in seinem Sitz um und schaute seine Untergeben einem nach den anderen an.
„Danke Männer, ihr habt eine gute Leistung vollbracht. Pilot, setzen sie einen Kurs zur Flotte.“ Dann drehte er sich wieder um und starrte gedankenverloren auf den Hauptbildschirm.
Automatisch tippte der Pilot seine Kursangaben in den Navigationsrechner, setzte die Startsequenz in Gang und lehnte sich, als das Schiff herumschwang um das Sonnensystem zu verlassen, in seinem Sitz zurück.
Wir müssen Angst haben. Wenn die Aliens anfangen alle so findig zu werden wie dieser Kommandant und sie in der Lage sind bessere Schiffe und Waffen zu bauen, dann wird unser Volk ausgelöscht werden.
Mit Ekel dachte der Pilot an die Bilder, die man ihnen von den Aliens gezeigt hatte. Widerwärtige, hochaufragende und haarlose Körper. Unförmige, waagerechte Mundöffnungen mit breiten Beißwerkzeugen. Dem Piloten drehte sich beim bloßen Gedanken an die bösartigen, alles zerstörenden, sich ungebremst vermehrenden und aggressiven Aliens der Magen um. Allein schon wie sie sich selbst nannten, ein in der Sprache seines Volkes kaum auszusprechender Name:
MENSCHEN!

© Mompach Michael Rosenthal (2005)
 

endlich

Mitglied
Hallo Mompach,

erst mal herzlich willkommen hier!

Ein paar Eindrücke:
Die Kriegsszenen sind schon spannend genug, dass man weiterliest. Die Idee an sich finde ich auch gut.
Aber:
Ich wusste schon nach fünf Sätzen, wer die Aliens sind.
Und die, aus deren Sicht du erzählst, sind seeehr menschlich, etwas zu menschlich, als dass es noch überzeugend wirken könnte, dass die anderen die Menschen sind/sein sollen.

Kannst du nicht die Hauptpersonen etwas fremder machen und etwas abgefahrener denken und handeln lassen?
Ich würde das so anfangen: Stell dir vor, wie genau dieses Volk ist, wie es aussieht, wahrnimmt, denkt, handelt etc.
Dann kannst du weiterspinnen: Wie müsste ihr Raumschiff aussehen, damit es ihrs ist, kein typisch menschliches?
Vielleicht haben sie Röntgenaugen oder gar keine Augen? Wie kommunizieren sie? Sich zum Kommandanten umdrehen und fragend gucken ist sowas von menschlich ...

Ach ja, und die Grammatik solltest du überarbeiten, da stolpert man schon noch ziemlich oft.

Ich hoffe, das bringt dich weiter!

Viele Grüße
endlich
 

Mompach

Mitglied
Deine Gedanken haben etwas für ich.
Bin beruflich zur Zeit etwas eingespannt, deshalb finde ich zur Zeit einfach nicht die Ruhe den Text zu bearbeiten, was ich aber auf jeden Fall machen werde und da kann ich Deine Gedanken mit aufgreifen und einfließen lassen.

Danke
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ganz knapp zum ebenfalls-einfließen-lassen:
* Der Anfang ist zu schwülstig.
* Wieso heißt das Ganze "Der Pilot"? Der Typ spielt doch keine Rolle – der Kommandant ist der, der entscheidet. Ich weeeeiß: Er soll den Point of View abgeben – aber das passiert so unsäglich verkrampft, dass es eher peinlich als "geschickt gemacht" wirkt.
* Die "Vorgeschichte" ist erzähltechnisch zu ausufernd detailiert für den Rest der Story.


Eine inhaltliche Bemerkung: Warum um Himmels willen sollte ausgerechnet die einzigen Fähigkeit, die der Mensch wirklich kontinuiertlich "verbessert hat " – die der Kriegsführung – so nachlassen, dass ein simples Katz-und-Maus-Spiel eine "neue Qualität der Angriffe" darstellt?
 

tom

Mitglied
hallo die story ist technisch nicht schlecht, aber wo sind die außerirdischen?
wie sehen sie aus, wie vermehren sie sich, warum attackieren sie die erde?
das denke ich würde uns viel mehr interessieren als irgendwelche schlachtszenen, die wir alle zur genüge aus der Glotze kennen.
ein bisschen mehr biologie weniger technik, du hast es doch drauf

tom
 

Mompach

Mitglied
Duell im Gürtel

Duell im Gürtel

Kälte - absolut tödliche Kälte. Feindseligkeit - neutrale ignorante Feindseligkeit. Weite -unendliche, kaum zu begreifende Entfernungen. Und dennoch so anziehend; Sehnsüchte und Phantasien erweckend, Anziehungspunkt für Milliarden Augenpaare Erwachsener und Kinder - wunderschön und faszinierend.
Der Weltraum.
Ein schwarzes Tuch, gespickt von Abermillionen glitzernder Funken mit magisch blinkender Anziehungskraft die zu rufen schienen: „Besuche uns, ergründe unsere Geheimnisse, setze Deinen Fuß auf unsere Planeten, Monde, Asteroiden.“
Und doch sitze ich hier in einem künstlichen Organismus, dessen Mikroben wir sind. Mikroben, die mit eben diesem Organismus ihre Heimat verteidigen. Verteidigen müssen, weil wir sonst keinen Platz mehr haben, von dem aus wir das All mit seinen Sternen bewundern und bestaunen können. Verteidigen gegen einen Feind, der keine Gnade kennt. Ein Feind, der uns noch nicht einmal die Chance gibt, den Konflikt mit anderen Mitteln als der Gewalt beizulegen.
Für ihn fast unmerklich, versteifte sich der Körper des Piloten, als seine Gedanken abschweiften. Sie waren nun nicht mehr bei der anmutenden Pracht des Weltalls, welches auf dem Bildschirm zu sehen war, sondern kehrten zum Grund seiner Anwesenheit auf diesem Schiff zurück.
Das Schiff des Piloten trieb zurzeit fahrtlos durch den Raum, nur bewegt von den unsichtbaren Gravitationslinien, die das Weltall durchzogen und die Sterne in einem komplexen Muster miteinander verbanden.
Der Grund für die Anwesenheit des Piloten und seines Schiffes war der bösartige Feind seines Volkes. Nicht das erste Mal traf sein Volk auf Fremde und auch nicht das erste Mal führten sie Krieg.
Aber das erste Mal mussten sie sich mit einem Feind auseinandersetzen, der ihre Existenz bedrohte. Ein Feind, der vom ersten Zusammentreffen an kein Zweifel daran ließ, das Volk des Piloten auslöschen zu wollen. Bösartig waren sie. Und grausam. Barbarisch. Ein Planet, den sie nicht erobern konnten, machten sie mit ihren Planetenkillern unbewohnbar. Oder zerstörten ihn völlig. Flüchtlingsschiffe wurden unbarmherzig zu flüssigem Metall verbrannt. Ganze Städte ausradiert. Kapitulation kannten sie nicht. Ebenso wenig Gnade oder Verhandlungen oder das eigene Aufgeben. Sie vermehrten sich schnell und deshalb brauchten sie Platz. Sie hatten die gleichen Anforderungen an Planeten wie das Volk des Piloten. Sie waren gierig. Ihre Habgier und ihre Intoleranz waren unglaublich. Und so erkannte das Volk des Piloten, dass ein Waffengang unumgänglich war. Aber nicht wie bei den letzten Kriegen gegen andere Fremde genügte es diesmal, sie einmal vernichtend zu schlagen. Sie kamen immer und immer wieder. Mit noch mehr Schiffen, noch mehr Soldaten, noch mehr Brutalität und Verbissenheit. Sein Volk dachte, sie würden es schaffen aber es sah nun nicht mehr so aus. Im Gegenteil, es wurde schlimmer und schlimmer. Sie kämpften nunmehr schon seit vier Jahren gegen die Aliens.
Nicht weit entfernt – zumindest an kosmischen Maßstäben gemessen – hatte eine der unzähligen Schlachten in diesem Krieg stattgefunden, den sie nun schon seit so langer Zeit gegen die Aliens führten. Den heutigen Kampf hatten sie gewonnen aber nur deshalb, weil die barbarischen Außerirdischen diesmal nicht wieder mit einer großen Menge an Kampfschiffen - von denen sie anscheinend über einen schier unerschöpflichen Vorrat verfügten - sondern mit, für ihre Maßstäbe, relativ wenigen Schiffen angegriffen hatten. Sie hatten vermutlich mit weniger Wiederstand gerechnet. Der Pilot dankte seinen Vorfahren, dass die Verhörspezialisten des Geheimdienstes dem einen lebenden Gefangenen, den man bis jetzt machen konnte und der in der Hierarchie der Aliens anscheinend ziemlich weit oben stand, ein paar Informationen hatte herauspressen können. Unter anderem Ort und Zeitpunkt eines ihrer nächsten Angriffe. Dieses Angriffes. Nicht das es wirklich etwas bedeutet hätte. Die Fremden vermehrten sich schnell und zahlreich. Deshalb waren sie auch in der Lage, so viele und so große Raumschiffe zu bauen – sie hatten einfach das Personal und konnten an mehreren Orten gleichzeitig mit solcher Wucht angreifen, dass dem Militär seines eigenen Volkes nur allzu oft der Rückzug blieb. Trotz der eigenen technischen Überlegenheit – sie hatten einfach nicht die industriellen und personellen Ressourcen wie ihre Feinde.
Und so zog sich das Volk des Piloten seit Ausbruch des Krieges tiefer und tiefer in das eigene Gebiet zurück, vernichtete tausende Schiffe der Angreifer und wurden doch durch deren Übermacht überrollt.
Es war deshalb auch kaum verwunderlich, dass in den Kreisen der Raumschiffbesatzungen und Bodensoldaten, beim Sanitätspersonal, beim Geheimdienst und anderen das angstvolle Gerücht umhersprang wie ein Fegefeuer, der verhasste Feind könnte bald soweit vorgedrungen sein, dass ein Angriff auf das Zentralsystem möglich sei.
Diesmal hatten sie die Schlacht gewonnen – solche Siege waren viel zu selten. Fünf Schiffe der Aliens hatten sich abgesetzt, bevor sie zerstört oder kampfunfähig gemacht werden konnten. Das Schiff des Piloten war auf der ausgedehnten Front den Flüchtenden am nächsten gewesen und sie hatten drei Schiffe fast sofort vernichten können. Den vierten der abgrundtief hässlichen feindlichen Raumer konnten sie nicht viel später ebenfalls stellen und zu kosmischen Staub verarbeiten Aber das letzte Schiff hatte sich bis jetzt mehrmals den alles auffressenden Salven ihrer Geschütze entziehen können. Der feindliche Schiffskommandant war anders. Er legte eine Intelligenz, Raffinesse, Durchtriebenheit und taktisches Können an den Tag, die den Piloten fast schon beeindruckte.
Die Aliens folgten einer einfachen militärische Doktrin: Sie wussten, dass sie den Schiffen seines Volkes im Kampf eins zu eins unterlegen waren und griffen deshalb immer mit einer absoluten Überzahl an. Schrumpfte diese Übermacht auf unter eins zu acht zusammen, zogen sie sich zurück (was in diesem Krieg nicht oft vorkam). Wenn sie dann aber erkannten, dass eine Flucht nicht mehr möglich war, stellten sie sich stumpf dem Kampf und ließen sich wie Zielscheiben zusammenschießen. Sie feuerten zwar aus allen Geschützen, machten sonst aber selten Anstalten ihr Ende hinauszuzögern.
Diesmal war es anders. Der feindliche Alienkommandant ließ seinen Piloten komplizierte Manöver fliegen, machte Finten, täuschte, flüchtete, griff an, setzte sich ab, versteckte sich. Vielleicht lag es daran, das es sich bei dem feindlichen Schiff nicht um eines ihrer riesigen Schlachtschiffe oder Truppentransporter handelte, sondern um eine kleinere Einheit, nicht viel größer als der Kampfraumer des Piloten. Dieses Schiff war merklich schneller als seine großen Brüder und Schwestern, sogar schneller als das Schiff des Piloten. Gewiss, der Alien hatte waffentechnisch eine relativ kleine Chance ihnen beizukommen aber er hatte die Schnelligkeit seines Schiffes jetzt schon zweimal geschickt eingesetzt, um den Schutzschirm ihres Schiffes mit seinen Waffen zum Flimmern zu bringen. Und das war besorgniserregend. Man hatte keine Erfahrung mit diesem taktischen Verhalten. Zumindest nicht der Kommandant des Piloten. Seit dem letzten Angriff des Aliens war fast eine Stunde vergangen. Er hatte sich abgesetzt und war von den Ortungsschirmen verschwunden. Die Spur seiner Antriebsemissionen hatte in ein nahegelegenes Sternensystem geführt. Aber diese Information war nicht wirklich hilfreich. Wieder einmal hatte der feindliche Kommandant seine Intelligenz unter Beweis gestellt und sein Schiff in ein Sonnensystem geführt, dass aus dreizehn Planeten bestand, von denen manche mehrere Monde besaßen, die teilweise sogar eigene Trabanten hatten. Was die Suche noch weiter erschwerte, war ein ausgedehnter Asteroidenring zwischen den beiden äußeren Planeten. Ein Teil der kosmischen, zerklüfteten Trümmer waren fast ebenso groß wie kleine Monde. Ein großes und unbewohntes System. Für sie. Für den Alienkommandanten bot es zig Möglichkeiten sich zu verstecken. Oder sich für eine Falle auf die Lauer zu legen.
Nun trieb das Schiff des Piloten also langsam von schräg‚oben’ auf das System hinab und versuchte den Fremden aufzuspüren, dessen Spur sich zwischen dem Trümmerring verloren hatte.
Der Kommandant hatte den Antrieb auf Leerlauf herunterfahren lassen, um den eigenen Ortungsinstrumenten noch weniger Grund für verfälschte Messungen zu geben.
Aber auch das hatte nichts gebracht. Das Raumschiff der Aliens blieb verschwunden. Der Pilot schaute nach rechts zum Orter. Der studierte seine Instrumente und Anzeige in höchster Konzentration, nahm Feinabstimmungen vor und horchte auf die Hintergrundstrahlung des Alls, die von den hochempfindlichen Sensoren und Antennen des Schiffes eingefangen und an seinen Kopfhörer weitergegeben wurde. Seinem Gesicht nach zu schließen war aber auch hier nichts aufzunehmen. Außer dem Klang der Unendlichkeit - das innerwährende Singen des Universums mit seiner ganz eigenen und unverwechselbaren Melodie.
Hinter dem Piloten, im vorderen mittleren Bereich der Zentrale saß der Kommandant in seinem Kommandosessel und beriet sich mit seinem Stellvertreter. An ihrem Gesten und an ihrer Mimik konnte der Pilot erkennen, dass beide nicht weiter wussten, keine Ideen in ihre Köpfe fuhren, keine Erleuchtung sie heimsuchte, wie man dem feindlichen Schiff auf die Schliche kommen konnte. Der Pilot konnte die Ratlosigkeit auf ihren Gesichtern sehen – nur allzu deutlich.
Links vom Pilot saß der Waffenmeister an seinen Kontrollen und studierte die letzten Protokolle, suchte nach einer Lösung, gewillt beim nächsten Schlagabtausch dem Alienschiff alle im zur Verfügung stehenden Strahlen und Sprengkörper in den unwirklichen Bauch zu platzieren.
Der Pilot versuchte sich in die Rolle seines Kommandanten zu versetzen.
Natürlich könnten wir Verstärkung rufen aber um dieses System effektiv durchsuchen zu können, bräuchten wir weit mehr Schiffe als man uns zugestehen würde. Falls wir überhaupt Schiffe bekommen würden. Die Front ist groß und breit und unsere Reihen sind ausgedünnt. Der Pilot lachte innerlich auf. Oh, die Aliens haben nicht unsere Probleme, ihre Industrie baut immer weiter, ihre Weibchen setzten unermüdlich neuen Nachwuchs in ihre Welt. Unsere Industrie ist spezialisiert, mehr auf Qualität ausgerichtet aber dies nützt uns in diesem Krieg wenig. Aber unsere Führer scheinen blind für diese Schwäche zu sein. Sie wollen nicht erkennen, dass wir mit halb so guten Schiffen immer noch kampfkräftiger als die Aliens wären aber schneller bauen könnten.
Aber wenn wir keine Verstärkung rufen oder kriegen, was wollen wir dann jetzt und hier tun? Warten? Und wie lange? Bis der Alien dann doch zu einem neuen Angriff auftaucht und wieder verschwindet? Das kann doch dann noch ewig dauern.
Oder abziehen und den Alien ein Alien sein lassen? Also nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Kommandant dazu entschließt. Das käme doch einer Niederlage gleich. Das würde zeigen, dass wir feige sind, dass wir dem Alien nicht überlegen sind. Ich weiß es nicht. Gut, dass ich nur Pilot und kein Kommandant bin.

Der Pilot fragte sich, warum ihre Führer noch nicht bei anderen Rassen um Hilfe gebeten hatten, auch die mussten erkennen wie blutrünstig und bösartig die Aliens waren. Oder haben sie die benachbarten Rassen bereits um Hilfe gebeten und diese nicht bekommen? Haben die sich vielleicht schon mit den Aliens verbündet? Ein Schlag ging durch den Körper des Piloten und er setzte sich abrupt aufrecht und spann das Gedankenspiel weiter.
Konnte das vielleicht der Grund für die unglaublichen Ressourcen der Fremden sein?
Vielleicht werden sie von anderen Völkern mit Rohstoffen oder sogar Technik beliefert. Wir haben ja nicht nur Freunde in der bekannten Galaxis. Nicht alle sind uns wohlgesonnen. Angestrengt rieb sich der Pilot den Nasenrücken. Vielleicht so eine Art Rache für einen verlorenen Krieg. Aber wenn ich überlege, gegen wir in unserer jüngeren Geschichte Krieg geführt haben – das sind drei Rassen. Ich glaube, die hätten, selbst wenn sie alle mit den Feinden verbündet wären, nicht die Kapazitäten um den Aliens in diesem Ausmaß helfen zu können.
Unmerklich schüttelte der Pilot den Kopf. Das konnte es also auch nicht sein. Vielleicht eine ältere Rasse. Aber in der weit zurückliegenden Geschichte seines Volkes war der Pilot nicht bewandert. Er war doch noch jung. Und die ältere Geschichte war in der Schule immer nur kurz angerissen worden. Dies kam erst in den weiterführenden Schulen zur Sprache.
Ehe der Pilot sich wieder entspannen und zu seiner ursprünglichen Sitzposition zurückkehren konnte, wurde er durch ein Piepen aufgeschreckt, welches von der Ortungsstation in seine Ohren drang. Ortungsalarm! Sein Kopf schnellte nach rechts. Ebenso der Kopf des Kommandanten und der seines Stellvertreters. Konzentriert las der Orter seine Anzeigen ab und machte dann Meldung:
„Tasterreflex auf...“, er nannte ein paar Zahlen, „Nicht natürlichen Ursprungs, Bewegungsrichtung nach...“ wieder Zahlen, „ ...kontinuierlicher Geschwindigkeitsaufbau. Für eine genaue Ortung ist die Entfernung noch zu groß. Aber die Masseangabe stimmt nicht mit den Werten des Alienraumers überein.“
Noch ein fremdes Raumschiff?
Kommandant und erster Offizier schauten sich an. Der Pilot hatte den Antrieb anfahren lassen und wartete auf den Befehl zum Start. Aber der kam nicht.
„Orter. Wohin führt der Kurs genau? Extrapolieren sie so weit wie möglich.“
„Dicht am dritten äußeren Planenten vorbei. Mit zweimaligem Durchflug des Trümmerringes. Dann kernauswärts aus dem System. Und zwar mit einem Winkel von 112 Grad von unserer Position.“
Nachdenklich kratzte sich der Kommandant am Kinn und flüsterte seinem Stellvertreter etwas zu. Der nickte, schien aber nichts zu antworten.
„Pilot, Antrieb hochfahren und langsamen Kurs auf die Position, wo der Alien zum ersten Mal geortet wurde. Ich habe das Gefühl, unser ‚Freund’ will uns mal wieder in eine Falle locken oder uns drängen, dass wir dieses System verlassen. Haben wir Daten über das flüchtige Schiff? Haben die vielleicht Beiboote an Bord?“
„Unsere Daten über die Aliens sind mehr als dürftig. Der Schiffstyp dort draußen ist in den Datenbanken überhaupt nicht vorhanden. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass dieser Raumer ein Beiboot besitzt, zumindest keines mit dermaßen hohen Beschleunigungswerten. Das erfordert eine gewisse Maschinengröße und folglicherweise ein entsprechend großes Schiff.“
Der erste Offizier schaute wieder von seinem tragbaren Computer hoch und seinen Vorgesetzten an. Dieser wiederum drehte sich zum Piloten um.
„Auf einen halben Sublicht erhöhen. Waffenmeister, bereiten sie eine Sonarbombe vor. Bei Erreichen der äußersten Waffendistanz die Bombe abfeuern und an der Stelle detonieren lassen, an der die Ortung den Alien ausgemacht hat. Ebenso feuern sie Raumminen ab und zwar mit kugelförmiger Entfaltung um die Detonation der Sonarbombe. Minimalste Verzögerung, Entfernung zum Mittelpunkt 3000 Kilometer. Pilot: zum Zeitpunkt des Abfeuerns auf Minimalfahrt gehen.“
Endlich gibt es wieder etwas zu tun. Diese Warterei zerrt wirklich an den Nerven.
Der Pilot sah auf sein Steuerpult und nahm eine Verbundschaltung mit der Waffenstation vor, so dass der Antrieb sofort nach Abfeuern der Sonarbombe Gegenschub gab und das Schiff auf die, vom Kommandanten angeordnete, Geschwindigkeit verlangsamte.
Die Stimme des Orters zerschnitt die angespannte Ruhe in der Zentrale:
„Der erste Ortungsimpuls liegt kurz hinter dem dicken Trümmerstück in Raster 25.“
Der entsprechende Ausschnitt wurde in vergrößerter Form auf dem Hauptbildschirm dargestellt. Rechts unterhalb des großen Asteroiden wurden Daten eingeblendet. Danach war dieses Trümmerstück wirklich ‚dick’. Auf jeden Fall groß genug, dass sich dahinter ein Raumschiff verstecken konnte.
„Irgendetwas stört mich,“ meinte der erste Offizier, „der Alien kann sich doch denken, dass wir genau das tun, was wir gerade machen. Bis jetzt hat er gezeigt, wozu er in der Lage ist. Und dazu gehört auch zwei bis drei Schritte weiter zu denken. Das erscheint mir zu einfach.“
Nickend nahm der Kommandant den Einwand zur Kenntnis, sagte aber ansonsten nichts.
Unter dem Piloten vibrierte der Boden leicht, als die Minen abgeschossen wurden. Die Sonarbombe hatte bereits vorher – unbemerkt – ihr Trägerschiff verlassen. Zeitgleich hatte das Schiff verlangsamt und ‚kroch’ jetzt vorwärts. Kurze Zeit später schlugen sämtliche Ortungstaster aus, als die Sonarbombe explodierte.
Eigentlich handelte es sich gar nicht um eine Bombe. Das kugelförmige Gebilde platzt an den angegeben Koordinaten auseinander und setzt massive – auch überdimensionale – Störstrahlen frei, welche gegnerische Sensoren kurzfristig lahm legen sollten.
Mit kaum merklichem Unterschied detonierten die Raumminen an ihrer vorgesehenen Stelle. Als das Licht der Explosionen das Raumschiff erreichte, verdunkelte sich automatisch der Bildschirm, ansonsten hätte die Zentralbesatzung einige Zeit eklatante Sehstörungen erdulden müssen. Der Bereich, in dem die Raumminen explodierten, hüllte sich in ein Gemisch aus Licht, Gasen und Trümmerbrocken. Farbige Feuerkaskaden sprangen aus der Explosionswolke hervor, griffen nach benachbarten Asteroidenstücken und zermahlten diese, fraßen sie auf, zerschmolzen sie.
Und mitten aus der Explosion stachen rote Finger nach dem Schiff des Piloten, hämmerten in den Schutzschirm und wurden zurückgeworfen. Die mechanische Energie der Schutzschirmeinschläge machte sich in der Zentrale akustisch bemerkbar. Da alle Besatzungsmitglieder schon seit Beginn der Raumschlacht ihre Schutzanzüge trugen, fuhren jetzt nur noch die Helme aus den Krägen und legten sich schützend über ihre Träger. Gleichzeitig schaltete sich der Bordfunk ein. Nun konnte man sich trotz des tobenden Lärms verständigen.
Allerdings sagte zurzeit niemand ein Wort. Denn das sie mitten aus der Explosionswolke heraus beschossen wurden, war so gut wie unmöglich.
Der Pilot zog das Schiff zur Seite weg und die Energiestrahlen schossen an ihnen vorbei, hörten dann kurz auf, erschienen erneut und wanderten ihnen dann nach.
„Wieso Namen hat er die Explosion überlebt. Und wieso kann er mitten aus der Detonation heraus auf uns feuern?“
Die Stimme des Kommandanten klingt ein wenig zitternd. Wenn nicht sogar ängstlich. Dachte der Pilot bei sich, als er sein Schiff weiter zur Seite zwang und dabei den Antrieb hochfuhr. Unterdessen jagte der Waffenmeister diverse Strahlen und Raketen in die Wolke, die sich auflöste.
Auf Nachfrage entgegnete der Orter:
„Ich habe ihn. Hinter dem großen Trümmerstück war ein zweites. Dazwischen muss er gewesen sein, als die Minen explodiert sind. Die Asteroiden haben in vermutlich geschützt. Danach scheint er in die Gaswolke geflogen sein und feuerte auf unsere letzte, ihm bekannte Position.“
„Waffenmeister, eine Rakete mit Atomsprengkopf Klasse 3“
„Verzeihung Kommandant aber das erscheint mir zu gefährlich. Die Explosion wäre uns zu nahe.“
„Ich will die Rakete auch nicht auf ihn feuern!“ Wütend schaute der Kommandant seinen Vertreter an. „Aber wir machen dem Ganzen hier und jetzt ein Ende. Dieser verdammte Alien hat uns schon genug Zeit gekostet!“
Dann wandte er sich wieder an den angesprochenen Waffenmeister:
„Die Rakete mit einem Vorsprengkopf ausstatten. Dann feuern sie auf einen großes Trümmerstück in der Nähe des Alien. Vorsprengung bei Aufschlag. Hauptdetonation eine Sekunde später. Die Explosionstrümmer, die in seinen Schutzschirm fliegen werden, sollten ihn zumindest für kurze Zeit irritieren und blenden. Dann Wirkungsfeuer mit allen Waffen, Selbst wenn uns das kurzzeitig Energie aus dem Antrieb und dem Schirm nehmen sollte.“ Er sah kurz auf die Anzeige an seinem Bildschirm. „Die Schirme halten seinem Feuer im Moment noch mühelos stand. Fangen sie an!“
Fast so groß wie ein kleines Beiboot verließ die Trägerrakete mit einem Röhren den Schiffsleib und strebte dem anvisierten Asteroidenstück zu. Im Vergleich zu dem was dann folgte, war die Explosion der Raumminen zuvor nur eine kleine Verpuffung. Selbst durch die immer noch vorhandene Filterung auf dem Bildschirm schmerzte das grelle Blitzen in den Augen. Im Stakkato schlugen abgesprengte Brocken des Zieles in den Schutzschirm ein. Sämtliche Taster schlugen aus, als die Atomexplosion – nicht durch eine Atmosphäre gebremst – in einer Kettenreaktion mehr und mehr Asteroiden auffraß. Und durch den ganzen Lärm und das Licht hindurch quälte sich die Stimme des Orters: „Da ist er! Markierung erfolgt!“
Ohne Steuerung und Antrieb trudelte der Alienraumer, sich drehend und rollend, von der Explosion weg. Und dann erfassten ihn mehrere Raketen und Energiestrahlen. Zerrten an seinem Schutzschirm, der aufflackerte und erlosch. Seine metallene Hülle bot wenig Schutz und setzte den zerstörerischen Waffen nur wenig Widerstand entgegen, als sie in den Schiffskörper eindrangen. Und plötzlich war es vorbei. Stille in der Zentrale. Die letzten Materiereste des Feindschiffes trudelten in alle Richtungen davon, prallten mit Asteroiden zusammen, strebten dem offenen Weltraum entgegen oder wurden von den Ausläufern der Atomexplosion verschluckt.
Es ist vorbei. Endlich ist es vorbei.
Der Pilot stoppte das Schiff, unschlüssig, welchen Kurs er ohne Anweisung einschlagen sollte. Alle starrten auf den Bildschirm, der gar nicht in der Lage war, wirklich emotional wiederzugeben, was dort draußen geschehen war.
Langsam drehte sich der Kommandant in seinem Sitz um und schaute seine Untergeben einem nach den anderen an.
„Danke Männer, ihr habt eine gute Leistung vollbracht. Pilot, setzen sie einen Kurs zur Flotte.“ Dann drehte er sich wieder um und starrte gedankenverloren auf den Hauptbildschirm.
Automatisch tippte der Pilot seine Kursangaben in den Navigationsrechner, setzte die Startsequenz in Gang und lehnte sich, als das Schiff herumschwang um das Sonnensystem zu verlassen, in seinem Sitz zurück.
Wir müssen Angst haben. Wenn die Aliens anfangen alle so findig zu werden wie dieser Kommandant und sie in der Lage sind bessere Schiffe und Waffen zu bauen, dann wird unser Volk ausgelöscht werden.
Mit Ekel dachte der Pilot an die Bilder, die man ihnen von den Aliens gezeigt hatte. Widerwärtige, hochaufragende und haarlose Körper. Unförmige, waagerechte Mundöffnungen mit breiten Beißwerkzeugen. Dem Piloten drehte sich beim bloßen Gedanken an die bösartigen, alles zerstörenden, sich ungebremst vermehrenden und aggressiven Aliens der Magen um. Allein schon wie sie sich selbst nannten, ein in der Sprache seines Volkes kaum auszusprechender Name:
MENSCHEN!


© Mompach Michael Rosenthal (2005)
(editiert 11/08)
 



 
Oben Unten