Der Pudel und der Dackel, und nichts als die Wahrheit

Nova

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Der Pudel und der Dackel, und nichts als die Wahrheit.

Am Mittag beobachtete ich vom Fenster eine Schurkerei.
Die beiden Hunde, ein Pudel, und der Dackel, werden zusammen mittags gefüttert.
Um zwölf Uhr erscheint die Haushälterin mit einer großen Schüssel, in dem allerlei Fleisch und Schwarten waren. Dieses Mahl die Hunde sollten teilen.

Heute ist sonniges Wetter. Da lagen die Tiere auf den schneefreien Steinfließen im prallen Sonnenschein.
Der Pudel, ist noch ein ganz junges Tier, aber der Dackel ist bereits ein lebenserfahrener Hund.
Als die große Standuhr in unserer Diele anhub, mit tiefem Schlag die Mittagsstunde zu verkünden, sprang der Dackel plötzlich auf, raste nach dem Hoftor und schlug dort ein mörderisches Gebell an, obwohl sich beim dem Tor gar nichts gerührt hatte.
Der junge Pudel, der nun glaubte, am Tor müsse der Teufel los sein, flog wie ein großer Wollknäuel hinterher und bellte mit seiner gelockten Schnauze auch wie rasend. In seiner jung-hündischen Albernheit fauchte er wie eine Dogge noch immer das Tor an, als der Dackel längst Zurückschlich. Und wie schlich der Hund! Die verdrehten Augen gaben seiner langgestreckten Visage eine wahre Gaunerphysiognomie. Und nun wurde der Plan des Schurken offenbar.
Die Haushälterin war unterdes mit der Freßschüssel erschienen, und der Dackel machte sich sofort darüber her, fischte gierig alle Fleischbrocken und Schwarten heraus.
Als der Pudel am Haustor endlich merkte, das dort wirklich gar nichts zu verbellen war, kam auch getrabt zum Mittagsmahl. Fand er nur noch Kartoffelresten vor, das ihm der Dackel großmütig überließ.

Diese Hundegeschichte interessierte mich mehr als Bohlen Abenteuer. Ich erzählte sie beim Skatspielen, aber die Herren nickten nur mit den Köpfen und lächelten. Also, sie glaubten mir nicht. Da lud ich sie zu mir zum Mittagsessen, denn die Tierkomödie wiederholte sich alle Tage.
John Anders kam am nächsten Tag und überzeugte sich, das ich die Wahrheit gesprochen hatte.
“Da mußt das Luder, denken können”, sagte er verblüfft.
“Kann er auch, Herr Anders! Zu seinem Gaunerstreich gehört Phantasie, Verstandsschlüsse, Schauspielerkunst. Ja, lieber Freund, in einem einzigen Köter gibt der Herrgott mehr Rätsel auf, als der Mensch auflösen kann.”

Der Farin kam als zweiter Kronzeuge leider um einen Tag zu spät. Denn an diesem Tag zerstörte die Haushälterin, das dumme Weib, das reizende Spiel.
Die Haushälterin erschien mit der Schüssel, noch ehe die Uhr schlug. Da schliefen beide Hunde noch. Und sie sagte roh:
“Warte, Dackel du Mistvieh, dir werde ich es austreiben, jeden Tag den Pudel um das Fleisch zu betrügen!”
Sie trat den Dackel mit dem Fuß, und stellte die Schüssel hin, über die beiden Hunde sich anknurrend herfielen. Und der Zauber war aus.
Ich bin wütend hinausgegangen und habe die Haushälterin fortgejagt.

Nach zwei Tagen war die Haushälterin wieder bei uns. Sie war geflennt gekommen, man möge sie wieder aufnehmen, da sie keine andere Arbeit finden kann, und sie wollte in Zukunft dem Dackel alles und dem Pudel nichts zu fressen geben.
So wenig verstand hatte dieses Frauenbild, worauf es mir angekommen war!
 



 
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