Der Reiher

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Daunelt

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Der Reiher


Am herbstlichen Wasser
Schaut der Herr des Teiches
Über sein Reich.

Eine silberne Spur des Schreckens
Zieht dem tastenden Schritt voraus.
Sein Speer pfählt die Opfer,
Niemand widersteht dieser Macht.

Aber er weiß: es ist nichts von Dauer.
Im Wind fegt die Ahnung des Todes herbei,
Vergessene Bilder würgen den König:
Die Weiher gefroren, die Bäume entlaubt.

Der große Winter, gekürt und gekrönt,
Zerreißt die Träume der Menschen und Tiere.
 

Eve

Mitglied
Hallo Daunelt,

vor mir sehe ich den Reiher am Teich – an sich ein friedvolles Bild.

"Die Spur des Schreckens" ist sein Schatten, wenn er auf Jagd geht? Ich verstehe nicht ganz, wie der Reihe seine Opfer "pfählt" ... meinst du, er spießt seine Beute auf seinem Schnabel auf? Ich kenne mich nicht so aus, aber logisch klingt es für mich nicht, denn wie sollte er sonst den Fisch von seinem Spieß/Schnabel wieder runter bekommen? Und ich denke doch, dass so einige Fische ihm auch entkommen können ...

Wieso hat der Reiher Todesahnungen – stirbt er im kalten Winter, wenn der Teich zugefroren ist? Viel eher ist er doch auch ein Zugvogel, der den Teich gar nicht im Winter zu sehen bekommt.

Ich finde, das Winterbild passt nicht so ganz zum Reiher – und für mich ist auch nicht klar, warum in diesem Zusammenhang die Träume von Mensch und Tier
"zerreißen" sollen.

Du hast viele einzelne Szenen, die auch ganz anschaulich rüberkommen – aber für mich sind sie in ihrer Gesamtheit passen sie nicht zusammen.

Aber ich lasse mich gerne belehren ;-)

Viele Grüße,
Eve
 

Daunelt

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Hallo Eve,

in der Tat erbeutet der Reiher (die Rede ist immer vom Fischreiher, der hier bei uns lebt) seine Nahrung durch schnelles Zustoßen, also aufspießen, was ich vielleicht etwas dramatisch (für das Opfer ist es allerdings dramatisch) als "Pfählen" bezeichnet habe. Die Spur des Schreckens ist sein Schatten. Natürlich fängt er nicht jedes Tier, daß ihm vor den Schnabel kommt, aber es gibt keine Fischart (und die meisten anderen Kreaturen) im Teich, die nicht a priori zu seiner Beute gehören, also im übertragenen Sinn unter seiner Herrschaft stehen. Nur ein Teil der Reiher geht auf Wanderschaft, teilweise überwintern sie im Brutgebiet (Quelle: Das moderne Tierlexikon, Gütersloh 1980). Wenn dann die Teiche zufrieren, beginnt auch für den "König" eine harte Zeit. Dieser hier hat wohl schon einige Winter überlebt, aber die Erinnerung bedrückt ihn, er spürt, das es jemanden (etwas) gibt, daß seiner Herrschaft Schranken setzt. Seine Macht ist nur relativ, eine Illusion, ein Traum angesichts der Kraft der Natur. Und damit gleicht er den Menschen, deren Träume ebenso leicht zerreißen. Es würde mich freuen, wenn Du das Gedicht jetzt etwas stimmiger findest, denn, ehrlich gesagt, es gehört zu meinen Lieblingswerken :)

liebe Grüße
Daunelt
 

Eve

Mitglied
Hallo Daunelt,

vielen Dank für die ausführliche Erklärung - jetzt wird mir dein Gedicht in der Tat stimmiger! Ich wusste nicht, dass Reiher ihre Beute tatsächlich aufspießen ... ich dachte eher, sie "fangen" sie mit dem Schnabel.

Viele Grüße,
Eve
 



 
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