Der Stalker

Hazekiel

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Anton lächelte. Gerade hatte Eva das Lokal betreten. Doch das Lächeln erstarb sofort wieder. Hinter ihr dackelte ihr Neuer, Robert, diese halbe Portion. Es war unglaublich, dass sie sich überhaupt mit so jemandem abgab. Er war in jeder Hinsicht minderwertiger als er. Robert fuhr einen günstigen Gebrauchtwagen, er selbst einen teuren SUV. Robert fuhr eine kleine Honda, er Harley. Robert wohnte zur Miete, er hatte einen ganzen Bauernhof für sich allein. Dazu kam noch, dass Robert lächerliche Klamotten trug und sich wie eine Klette an Eva hing, ständig hielten sie Händchen. Wie unwürdig, wie wenig männlich. Passte aber zu seiner Statur, schließlich war er einen Kopf kleiner als Anton, der ein echter Bikertyp war, ein Rocker. Lange Haare, Bart, Lederklamotten und –kappe, eine prall gefüllte Brieftasche an einer Stahlkette. Dazu Bier aus der Flasche und Zigarillos. Männlicher ging es doch kaum.

Das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück, denn er würde Eva wieder zurück gewinnen, er hatte alles genau geplant…

Schon bei der Trennung von Eva hatte er ein Fakeprofil auf Facebook angelegt, um sie im Auge behalten zu können. Er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie erkennen würde, dass er der einzig wahre Mann für sie war und zu ihm zurückkehren würde. Dummerweise musste sie erst aus ihren Fehlern lernen, aber er war gerne bereit, sie darin zu unterstützen. Aus dem Verborgenen.

Nach einiger Recherche im Internet und den sozialen Netzwerken hatte er Anton auf Facebook gefunden und einen Köder ausgelegt. Über das Fakeprofil hatte er etwas Süßholz geraspelt und sich als interessiert dargestellt. Und wie erwartet hatte Robert nach kurzem Zögern angebissen. Wie berechenbar, es war schon fast zu einfach. Er würde den Chatverlauf kopieren und Fotos vom Treffpunkt mitsamt dem nun klar erkennbar untreuen Neuen an Eva senden. Anonym per Mail. Sie würde erkennen, dass er nichts taugt und wieder zu ihm zurückkehren. Schließlich wusste sie ja, dass es für Anton nur die eine Eva gab. Von den paar bezahlten Frauen, die er zwischenzeitlich zum Abreagieren gebraucht hatte, musste sie ja nichts erfahren.

Als Berta getarnt hatte er nun ein Date mit Robert, allerdings erst in einer Woche. Bis dahin musste er sich damit begnügen, Eva weiterhin aus seinem Versteck heraus zu beobachten, wenn sie mit dem Hund abends ihre große Runde ging, die den Wald entlang verlief.

Wie jeden Abend legte er sich auf die Lauer und wartete geduldig, dass seine Zukünftige auftauchte. Seit Monaten hatte er sie fast täglich observiert, abends, allein mit dem Hund. Er wusste, dass sie ihn nicht entdecken durfte, sie hätte ihn sonst bestimmt als besessen oder gar verrückt angesehen. Gut versteckt, stand er wie üblich hinter einer Baumgruppe nahe dem Waldrand, von dem aus er einen guten Blick auf den Weg hatte, den Eva immer für ihren Abendspaziergang nutzte. Gerade als sie seinen Posten passiert hatte, zuckte er zusammen…

Robert sah sich um, es dämmerte langsam, gleich würde es losgehen. Komplett in Tarnkleidung und Waldbewuchs gehüllt, wurde er von der Umgebung verschluckt. Er hatte sich etwa zehn Meter entfernt von der Baumgruppe positioniert, die Anton immer als Deckung nutzte. Seit geraumer Zeit beobachtete er dieses Treiben schon. Es machte ihn krank. Der Ex seiner Verlobten war offensichtlich ein Stalker, ein Besessener. Und wie alle Besessenen würde er Hilfe brauchen, um von seiner Obsession los zu kommen. Er, Robert, würde ihm gern dabei helfen. Dann hörte er Antons schweren Wagen, der sich dem Waldrand näherte. Er erstarrte zu Gestrüpp im Wald, die rechte Hand an der ebenfalls unsichtbaren Armbrust, der Jagdpfeil darin war gespannt und bereit zu töten, genau wie er.

Niemand durfte seine Eva ansehen wie es Anton tat. Er hatte ihn beobachtet, aus dem Augenwinkel, im vorbei gehen, jeden Abend, an dem sich ihre Wege in angesagtesten Lokal der Stadt gekreuzt hatten. Er hatte im Internet recherchiert, hatte Eva immer wieder harmlose Fragen gestellt und dabei alles über ihn erfahren, was er wissen musste. Er war zwar keine Gefahr für ihn, doch er wollte kein Risiko eingehen. Nicht bei Eva. Seiner Eva.

Sie hatte zusammen mit dem Hund Shrek gerade die Baumgruppe passiert, als sich Robert aus seiner Versteinerung löste. Er wusste, dass Anton jetzt abgelenkt war. Er legte an und traf seinen Vorgänger eine Sekunde später in den Hinterkopf. Lautlos sackte der schwere Körper zusammen. Eva hatte durch ihre Kopfhörer nichts von alldem mitbekommen und schlenderte in ihre Musik vertieft weiter.

Robert wartete noch eine Minute, bis Eva außer Sichtweite war, dann gab er mit dem Laserpointer das Zeichen für Milosch. Drei weitere Minuten später war Milosch, als Jogger getarnt, eingetroffen. Sie wuchteten die Leiche auf eine dicke Plastikplane und schleppten sie so über den Waldboden zu seinem Wagen. Es musste schnell gehen. Mit vereinten Kräften verfrachteten sie den Leblosen in seinen eigenen Kofferraum, Robert setzte sich die Lederkappe auf und klemmte sich hinters Steuer. Milosch versteckte sich hinter dem Fahrersitz im Fond, bis ihn Robert am Parkplatz seines eigenen Wagens absetzte. Er wartete, bis Milosch sein Fahrzeug gestartet hatte und folgte ihm dann über abgelegene Straßen und Wege bis zu dessen früherer Arbeitsstätte, dem Schrottplatz.

Nach wenigen Minuten war das SUV bereit für die Presse. 500 Tonnen zwängten Anton immer enger in seinen geliebten Wagen. Es würde eine Verbindung für immer sein. So, wie er es sich mit Eva gewünscht hatte.

Die ganze Aktion hatte nicht mal eine Stunde gedauert. Milosch würde dicht halten, er hatte ihm vor langer Zeit einen ähnlichen Gefallen erwiesen. Eva durfte nichts davon erfahren, sie würde ihn sonst für einen Besessenen, vielleicht sogar für einen Verrückten halten. Aber er hatte einen Trumpf in der Hand: Wer würde glauben, dass ein Hungerhaken, wie er oft schon genannt wurde, einem ganzen Kerl wie Anton gefährlich werden, ihn gar überwältigen und dann aus dem Weg schaffen konnte? Zudem hatte er mit einem gefakten Facebookaccount schon vor Wochen dafür gesorgt, dass die Gang, der Anton angehörte, mit einer anderen Bikergruppe im Streit lag. Sollten sie wirklich jemals seinen metallenen Grabstein finden, würden sie die rivalisierende Gruppe verdächtigen.

Robert lächelte, er hatte alles genau geplant…
 

jon

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Schnell etwas, worüber ich gestolpert bin:
Nach einiger Recherche im Internet und den sozialen Netzwerken hatte er Anton auf Facebook gefunden und einen Köder ausgelegt.
Anton hat Anton gefunden?

Erster Leseeindruck sonst: Geschickt durchgekniffelt diese "Spiegelei", aber spannend fand ich es nicht. Der "Turn" ist mir zu langatmig geraten - der Witz, dass Robert der noch Bösere ist, wird quasi zerredet. Besser hätte ich gefunden, wenn Antons Plan ausführlich dargestellt worden wäre und Robert ratzfatz (maximal 1 oder 2 Absätze lang) zuschlägt.
 

Hazekiel

Mitglied
Jon

Ah, verdammt, da hab ich mich wirklich vertan. Ich werde es bei Gelegenheit ändern, momentan bin ich unterwegs und hab nur das Handy.
Ich werde den Tipp bezüglich des Turms beherzigen!
Vielen Dank für die konstruktive Kritik.

Mfg

H.
 



 
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