Der Stein

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Platoya

Mitglied
Der Stein


Ein unbedeutend grauer Stein lag achtlos inmitten des Lebens,
längst wurde er nicht mehr bemerkt,
sein Dasein schien vergebens.

Doch eines Tages, siehe da, ein Regen setzte ein. Ganz ungewöhnlich
heftig, von bärenstarker Wucht
reißt er den Stein mit einem Schwall hinab in eine Schlucht.

Wie übermütig purzelt dieser, als er da kommt ins Rollen,
er hofft auf eine lange Reise, das verspricht des Donners Grollen.

Die Wolkenmassen reißen hin und wieder große Lücken,
die krachend´ Blitze freigeben.
Thor jauchzte vor Entzücken.

Als würd´ des Himmels dunstig´ Grund in tausend Stücke gerissen.
Bald jedes Leben um sich bangt,
nur er wollt´ dies Ereignis nicht missen.

Die Wassermassen schieben ihn als wäre er ein Ball. Bewegung heißt das Zauberwort,
Rinnsale überall.

Er suhlt sich im Moraste, der ihn mit Leichtigkeit
schiebt vom verhassten Orte.
Der Stein – er hofft, recht weit.

Nach Güssen wie aus Wannen ward es langsam heller,
erneut schwemmt träge er ein Stück,
dann noch mal ganz kurz schneller.

Jetzt lag er ruhig auf weichem Gras, und machte sich recht schwer.
Von hier wollte er nie mehr weg
- nicht jetzt und nimmermehr.

`Oh Dank dir, Gott, wie gern ich hier mein Steinenleben friste.`
Denkt er, und ahnt nicht mal davon,
dass man ihn schon vermisste.

An jenem öden Straßenrand ging suchend ein Blick umher,
einer von den vielen Menschen
wünscht ihn sich wieder her.

Er hatte schließlich seinen Zweck, das war ihm nicht bekannt.
Wie sinnlos fühlt´ er sich seit Jahren an diesem Straßenrand.

Man sprach: er hielte Autos ab, die sonst die Hecke rammten.
`Soll das eines Stein´ s Erfüllung sein? ihr Menschen,
ihr verdammten!?`

Von dieser Aufgabe befreit lag er nun voller Glück
in jener Schlucht, straßabwärts weit
- nie wollte er zurück.

Selbst die Grashalme, feucht und matt, legten sich sehr bereit
nun unter seinen Bauch ganz brav –
sie taten ihm fast leid.

Ein kleiner Vogel kitzelt ihm die harte Oberfläche,
nie durft´ er etwas schönres spür´n
- wie herrlich, diese Schwäche.

Bald lässt der Sonne Helligkeit ihn gierig um sich blicken
- ein Baum, ein Strauch, begrünte Hügel -
was könnt ihn mehr beglücken!

Der Grillen Zirpen gleich begann mit unverhohlener Kraft.
Wie dankte er dem Donnergott
für diese Gönnerschaft.

Ein Kätzchen schärfte seine Krallen an seinem festen Rücken,
selbst das war höchstes Glück für ihn
- er steinte voll Entzücken.

Des duftig´ Tagesende sank feucht herab wie Tau,
fast wie ein abendliches Bad
- geseift von einer Frau.

Wie fühlte er sich frisch und rein, so glitt er in die Nacht hinein.
Die mild umhüllend´ Finsternis, die friedlich ihn sah liegen
- Sein Glück war so vollkommen jetzt, ihm war als könnt´ er fliegen.

Leis´ zog die Dunkelheit ihr Band über die Lebensstätte, ein Nachtfalter
glitt putzig aus auf unsres Steines Glätte.

Noch viele unbekannte Gäste suchten ihn nachts auf. Einige landeten neben ihn, andre flogen dreist obendrauf.

Die erste wohlbehüt´te Nacht, seit er sich kann erinnern. Schläfrig beginnt der neue Tag mit leichtem Nebelflimmern.

Das Morgenrot beginnt zu glühen, der Horizont zu brennen.
Das Glück, das seine Form umspielt
- er kann es kaum benennen.

So viel verschiedne Vogelstimmen nahm er noch niemals wahr.
Soll das das Paradies hier sein? - er glaubt es ganz und gar.

Ein Hauch von Wind setzt zögernd ein, so säuselnd wie ein Bach. Doch was war dieses Beben dort? - war´n das gar Schritte – ach!!!

Zwei große Schuhe stapften da den Abhang schwer hinunter, ein Pfeifen, das ihm wohlbekannt, begleitet den Vorgang munter.

Was will der Mensch in diesem Reich, das nicht für ihn geschaffen! - zwei knöcherne Hände umfassen den Stein, sie sind dessen einfachste Waffen. Welch Elend unser Stein erlebt in jeglichem Momende, ist unvorstellbar wohl für uns
- im Griffe dieser Hände.

Was soll er tun, sich tot stelln´ jetzt, das würde ihm nichts nützen, der Mensch hält ihn doch eh für tot, denn er spürt nicht sein Schwitzen. , Ist das nicht gemein, so machtlos zu sein?`
Denkt hilflos der Stein.

Tatsächlich – wird ihm jetzt bewusst, ward er schon sehr vermisst, er war ein recht erles´ner Stein, der ziemlich selten ist. Warum hat er das nie gewusst?- das hätte ihm gegeben, die Zuversicht, er sei doch Wer in sein belanglos` Leben.

Nun war es aber eh zu spät, nie mehr kann er verzeihen, dass man ihm Dinge vorenthielt, die hülfen zu gedeihen. Enttäuscht von allen weltlich` Dingen liegt er jetzt wieder dort, wo niemand ihn beachtet hat - an seines Elends Ort.

Ganz gleich, wie man sich plötzlich müht, ihm Farbe übern Rücken zieht, es wird ihm nichts mehr gelten.
Früher hätt´ ihm das Spaß gemacht, - damals-
als er noch nichts wusste von anderen Welten.

Das Schlimmste für ihn ist, dass er genossen bessre Sachen, die jetzt, wo er von ihnen weiß, ihn endlos traurig machen.

Ab jetzt wird Sehnsucht sein Metier, die gute, alte, treue. Die, wenn man sie in sich trägt, einen stets verzehrt aufs Neue. Gleichwohl ist sie ein Gegenstand, der Sinn dem Leben gibt. Auch wenn sie aussichtslos erscheint, schön ist es wenn man liebt.

So trostlos wie das alles klingt, ist es dann aber nicht. Der Stein liegt wieder an dem Platz, wo er hat seine Pflicht.

Man kann es drehen wie man will:
Was ist von beiden schlimmer?
– der Umstand, dass er Bessres sah, Liebe in sich trägt für immer?

Oder wär´ es annehmbarer, von alldem nichts zu wissen?
Fürwahr! - es hat schon was für sich:
man kann dann nichts vermissen.
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

weisst Du, was toll wäre...
und sicher eine ganz große Bereicherung?
Wenn Du genau das, was Du eigentlich mit diesem langen Text aussagen möchtest,
in einem höchstens Zwei-Drei-Strophen, oder noch besser 5 Zeiler spiegelst.

Nur meine Meinung...:)
denn es wäre das wert...

lG
Stofel
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Platoya,

ich meinte auch nur,
wenn es in einer kurzen Fassung für mich zu fassen wäre, als Leser,
dann hätte es sicher einen noch grösseren Effekt.
Ja, auch ich poste unter "Sonstiges",
weiß schon , was meinst.

Ich honoriere es, ein Gefühl in dieser Form wiederzugebn, denn ich selbst kann das nicht.
Vieleicht, so habe ich eben mal gedacht, sollte ich aber damit mal anfangen.

Kann sein, das es so ist, das ICH immer besser verstehe, wenn etwas kurz und knapp ist. Aber eben las ich das mal wieder und habe eine "Schönheit" entdeckt.
Was ganz neues für mich...danke.

lG
Stoffel
 

Platoya

Mitglied
Hallo Stoffel,

zuerst einmal danke ich Dir ganz lieb für deine Worte, denn die sagen mir, dass Du den Inhalt genauso erfasst hast, wie er gemeint ist. Vielleicht hast Du ja ähnliche Erfahrungen gemacht...
Es ist richtig, dass ich hier ein Gefühl wiedergeben wollte, denn die Geschichte ist aufgrund einer Erfahrung in mir entstanden.
Du bist der Meinung, ein Gefühl nicht ebenso wiedergeben zu können? – das kann ich nicht finden. Nun, ich hatte bisher noch nicht die Zeit, alle Deine Gedichte zu lesen; bin aber zu der Erkenntnis gelangt, dass Du genau das sehr gut kannst, z.B. in deinem Gedicht „Bungee - Jumping“ ist das Empfinden, welches Du vermitteln willst, unheimlich gut nachzuvollziehen.Ich fühlte mich sofort an eine Alltagssituation erinnert... Also, unterschätze Dich nicht, das hast Du nicht nötig.

Liebe Grüße und ein schönes Osterfest.

Platoya
 
S

Stoffel

Gast
Lieben Dank zurück und Dir auch ein schönes Osterfest :)

lG
Stoffel
 



 
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