Der Todesstern will Millionär werden

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Ich glaub es nicht! Der Todesstern ist beim Jauch! 32.000 hat er schon. Schade, dass ich die letzte Sendung verpasst habe. Jauch stellt die 64.000er Frage: "Unter welchem Namen ist Herbert Ernst Karl Frahm besser bekannt? A: Willy Brandt B: Jürgen von der Lippe C: Dieter Thomas Heck D: Loriot". Da ist diese Witzfigur ratlos.

Joachim Schäfer heißt der Todesstern eigentlich. Er war in meiner Klasse, bis ich sitzen blieb. Einmal hatte er ein selbst gebasteltes Modell des Todessterns, einem Raumschiff aus einem Science-Fiction-Film, dabei. Erst hat er stolz gegrinst, dachte wohl wir wären beeindruckt. Das Grinsen ist ihm dann vergangen, als wir mit seinem Todesstern Fußball gespielt haben. Das Ding hat wohl viel Arbeit gemacht, jedenfalls hat der Joachim rumgeheult, als das Ding in Trümmern lag. Am nächsten Tag fiel meinem Kumpel Manni auf, dass der Joachim, ein Fettsack der immer in grau gekleidet war, selbst wie sein Todesstern aussah. Von da an hieß er nur noch Todesstern. Wir haben dann probiert, ob man mit dem Fettsack genauso gut Fußball spielen konnte wie mit seinem Modell. Ging nicht, dafür hat der aber lustige Gurgellaute gemacht, wenn wir ihm in den Magen traten.

Ein blödes Gesicht macht der. Hat keine Ahnung. Der 50:50-Joker muss her. Brandt und Loriot bleiben. Victor von Bülow heiße Loriot wirklich, sagt er. Der Todesstern lässt Brandt einloggen - und gewinnt.

Echt ne Schande, dass einfältige Loser soviel Geld hinterhergeschmissen kriegen. Mir selbst ist gerade die Garage über dem Auto eingestürzt, das Geld hätte gerechterweise mir zugestanden. Stattdessen muss ich mit ansehen wie dieser Streber abräumt. Der Todesstern hat damals seine Zeit immer mit so Scheiß wie Mathematik oder Computern verbracht, während Manni und ich mit Mädels aufgerissen haben, und uns volllaufen ließen. Der Typ ist bestimmt heute noch Jungfrau!

Die 125.000er Frage: Wer führte Regie bei Citizen Kane? Audrey Wells, H. G. Wells, Lawson Welles oder Orson Welles. Da guckt der Todesstern dumm. Jetzt isser wohl fällig. Wieso hat der eigentlich noch zwei Joker? Das Publikum muss her - die Leute entscheiden sich für Orson Welles, mit knappen Vorsprung vor H. G. Wells. Der feige Todesstern will das natürlich noch Absichern, verbrät also seinen letzten Joker. Er ruft seine Mutter an. "Nimm den Orson, mein Sohn!" Das dieses Muttersöhnchen keinen anderen hat, hätte ich ahnen können. Mutti hat recht. Den Joker hätte der sich sparen können.

500.000: "Wer komponierte die James-Bond-Titelmelodie? A: Monty Norman B: Hans Zimmer C: Astor Piazzolla D: Richard Beermann." Piazzolla schließt er aus, das wüsste er sonst. Hans Zimmer sei zu jung. Diesen Beermann kenne er nicht. Norman nimmt er. Der hat es drauf, also wenn der das jetzt packt, Hut ab! Ich muss den Joachim mal besuchen, seine Weisheit kann mir vielleicht beim Garagenproblem nützlich sein. Dann können wir auch über alte Zeiten scherzen, er wird ja hoffentlich nicht nachtragend sein.

Oha, die Millionenfrage: "Welche Britische Band konnte als erstes einen Nr.-1-Hit in den USA landen? A: The Beatles B: The Tornadoes, C: The Animals D: Manfred Mann"

Breites Grinsen. Es seinen die Tornadoes gewesen. Sie hätten damals den Satelliten Telstar mit einem Elektropop-Stück bedacht. Er interessiere sich für Weltraumforschung, er wisse das sicher. Ich hab sein Wissenschaftliches Talent immer bewundert. Das könnte gut gehen. Eingeloggt.

Mein Freund Joachim ist Millionär!
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Richard,

handwerklich sauber geschrieben, meine Hochachtung, dass ist hier nicht selbstverständlich. Formal also nix zu meckern.

Beim Lesen hatte ich immer das Gefühl, da schreibt sich einer den Neid von der Seele. Den Typen dort als Todesstern zu betiteln, ist eine nette Idee, erinnert mich an das Ärzteklischee: Die Galle auf der vier braucht zwei Einheiten Dopamin. Aber nicht unbedingt eine neue Idee.
Mir fehlt bei diesem Text noch die satirische Spitze, will sagen, dass ist nicht überzogen genug. Da hätte man eine bitterböse Satire draus machen können.
So ist es eher was für den eigenen Blog.

lg
Duisburger
 

Carlo Ihde

Mitglied
Erstaunlich wie schleichend der Todesstern zum "Freund Joachim" wird, wie sich dieser Wandel wirklich nur an einzelnen Worten festmacht ohne formuliert werden zu müssen. Alles in Allem bleibt der Text zwar an einer gewissen prosaisch deskriptiven Oberfläche, er will keine Parabel im eigentlichen Sinne darstellen, obwohl man anhand des Wandels das alte Zitat hervorholen könnte "Man sieht sich immer zweimal im Leben". Aber mit diesem gefloskelten Klischee brichst du insofern, als dass die Schilderung nicht aus der Sicht des ehemaligen Losers passiert. Sondern der ehemalige Gewinnertyp muss die fortlaufenden Ereignisse protokollieren, und sieht sich hinter den Möglichkeiten zurückbleiben, ist nicht mehr der Spielmacher, der er gerne wäre. Verstoßene sollen neue Freunde werden, das Götzentum der abgehalfterten Gewinnertypen ist in der Geldgeilheit zu sehen.

Schonungslosigkeit. Ist in meinen Augen immer noch ein Prädikat guter Literatur. Dass dir hiermit ein solches Stück gelungen ist, meine ich zu erkennen,weil hier die Illusion möglich wird, dass du keiner Karikatur von einer Einsicht aufsitzen musstest. Keiner wird bekehrt, alle bekommen das, was in logischer Konsequenz ihres Seins steht, der Unsichere verhält sich logisch und gibt unbewusst einen schonungslosen Blickwinkel auf sich frei. In der Beiläufigkeit dieses scheinbar unerhörten Einblicks,( entlang der modernen Popkultur, die eine Renaissance des Bidlungsbürgertums proklamieren könnte weil da Reichtum durch Wissen entstehen kann, jedoch ist Wissen nicht wirklich attraktiver geworden sondern zum Ausverkauf preisgegeben)liegt die ganz große Stärke.
 
Vielen Dank für Lob und Kritik!

@Duisburger: Danke für die Anregung. Vielleicht fällt mir ja noch etwas ein.

@Carlo Ihde: Es freut mich zu hören, dass einige meiner Absichten aufgegangen sind. Insbesondere freut mich, wenn die Wirkung nicht zu sehr erzwungen wirkt, wie ich es nach dem schreiben befürchtet hatte.
 

petrasmiles

Mitglied
Was Carlo da gesagt da, trifft es auf den Punkt. Besser hätte ich es nicht beschreiben können, wie ich den Text sehe.
Wirklich gekonnt, dieses Jonglieren mit Vorturteilen.

Liebe grüße
Petra
 



 
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