Der Überfall

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Doska

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Nicht zum ersten Male hörten sie die eigenartigen Geräusche heran nahender außerirdischer Flugschiffe. Die fünf schmächtigen Gestalten gehörten zu den wenigen Überlebenden, denen es gelungen war, den Hajeps zu entkommen. Noch vor wenigen Jahren hatte die Menschheit geglaubt, mit Hilfe der hohen Waffentechnik etwas gegen die brutalen Eroberer ausrichten zu können, doch die Hajeps befanden sich auf einem noch viel höheren Entwicklungsstand. So zählte jetzt lediglich jeder neue Tag, den ein Mensch leben konnte. Gab es noch irgendein Zeichen dafür, dass man Hoffnung haben konnte?
Obwohl Margrit, Paul und die alte „Muttsch“ sofort alles stehen und liegen gelassen hatte, um sich mit den Kindern in die schützenden Berghänge zu retten, waren sie nicht schnell genug gewesen, um die Fahrräder, Koffer und Beutel mit den Nahrungsmitteln außer Sichtweite zu bringen. Alles lag auf dem schmalen Bergweg. Mäntel und Jacken flatterten im Wind, als das erste der beiden Raumschiffe erschien. Die Kinder weinten und „Muttsch“ stöhnte, während man sich höher und höher in die Felsen hinauf begab – leider nur so schnell wie jeder eben nur sein konnte - sich dabei immer wieder in Nischen oder hinter kargem Gestrüpp versteckend.
Das merkwürdige Gebilde ähnelte, wenn auch im entfernten Sinne, einer Qualle. Rund um den ca. fünfzehn Meter breiten, wunderschönen sternförmigen Rumpf, er bestand aus blauem, metallisch glänzendem Material und glasähnlichem Gewebe, waberte ein etwa zwanzig Meter breiter, transparenter Rand auf und nieder. Der saugte die Luft gurgelnd ein und stieß sie wieder quakend unter sich aus. Ihm folgte ein sehr viel kleinerer, fester Flugkörper, unscheinbar und grau, mit vier gleich großen, beweglichen Flügeln. Ein fast melodisches Summen aus drei elastischen Röhrchen verriet den Düsenantrieb am Heck.
Margrit vermutete, dass in diesem Winzding höchstens zwei Besatzungsmitglieder Platz haben konnten, so schmal war es gebaut, und sie fand, dass dessen Form irgendwie mit einer Pfeilspitze vergleichbar war. Es folgte dem größeren Flugobjekt in solch einer exakten Weise, als würde es von ihm magnetisch angezogen, auch noch, als dieses über die Bergkuppe, hinter welcher sich Margrit mit ihrer Familie gerade verborgen hatte, hinweg setzte. In der Mitte dieses Felsmassivs befand sich eine Talsenke mit vielen Bäumchen und Buschwerk und es gab dort auch noch glücklicherweise zwei kleinere Höhlen, je eine auf der einen und auf der anderen Seite, welche man von oben nicht sehen konnte.
Das Ding schwebte trotzdem genau über dieser Talsenke, verringerte kurz seine Höhe und verharrte danach freischwebend in der Luft wie eine Libelle.
Margrit, die sich mit den Kindern in der größeren Höhle auf der linken Seite versteckt hatte, sah den Feind direkt aus der Nähe. Ja, sie glaubte, durch die nur leicht abgedunkelten Scheiben des Raumschiffs sogar Personen mit übergroßen – etwa deformierten? – Köpfen zu erkennen, die wohl miteinander im Gespräch waren und dabei zu den Fenstern hinab zum Tal wiesen. Was schienen die Außerirdischen so plötzlich hier zu suchen? Hatten sie vorhin die Fahrräder auf dem Weg liegen sehen und vermuteten nun Menschen hier?
Vielleicht hielten sie ja auch nur Ausschau nach irgendwelchen Sklaven, die ihnen wieder mal entlaufen waren! Immerhin schien es tröstlich, mit eigenen Augen feststellen zu dürfen, dass die Außerirdischen aufrecht und anscheinend auf zwei Beinen liefen, auch nur zwei Arme hatten und Hände und nur einen Kopf, selbst wenn der etwas unähnlich denen der Menschen war.
Trotzdem hatte nicht nur Margrit ein mulmiges Gefühl im Magen, Julchen und Tobias zitterten sogar vor Angst, denn auch sie hatten den unberechenbaren Feind noch nie aus solch einer Nähe gesehen, und sie versuchten deshalb Margrit vom Höhleneingang wegzuziehen, was ihnen nicht gelang, weil die sich dagegen stemmte.
Paul und Muttsch hatten ebenfalls noch rechtzeitig eine Höhle finden können. Auf der gegenüber liegenden Seite lugten sie nun auch ziemlich irritiert hervor.
Ihre Gesichter spiegelten die gleiche Angst, aber komischerweise auch dieselbe Neugierde wider, die Margrit empfand, denn die Flugschiffe – welche nun einen Heidenlärm machten - übten eine seltsame Faszination auf sie aus. Vielleicht lag es auch daran, dass man endlich einmal deutlicher sah, was man Jahr um Jahr gefürchtet, wovor man ständig weggelaufen war.
„Uuuh ... die sind aber ganz und gar hässlich! Bäh!“, würgte Julchen schließlich hervor, die sich dicht an Margrits Hüften presste.
„Die Flugschiffe?“, hakte Margrit nach.
„Nee, die Leute drin!“
„Ach wo! Die sehen nur etwas anders aus als wir!“, versuchte Margrit die Kinder zu beruhigen.
„Und die Köpfe?“, erkundigte sich Tobias trotzdem weiter. Er stand hinter Julchen und nuckelte aufgeregt an seiner Unterlippe.
„Was soll mit denen sein?“, fragte Margrit möglichst arglos.
„Das sind riesige Spünnenköpfe, Tobi!“, klärte ihn Julchen einfach an Stelle von Margrit auf - denn sie grauste sich entsetzlich vor Insekten.
Tobias zog den Schnodder in seiner Nase hoch, was er meist tat, wenn er ziemlich aufgeregt war, und sagte: „Riesige Kreuzspinnenköpfe Jule!“
„Stümmt!“, ächzte Julchen und dann wurde sie käseweiß. „Ich glaub` ich muss ko-oootzen, Mamms!“
Tobias tippte Julchen von hinten an die Schulter. „Hab` ich schon ... kam aber nur Spucke raus ... uuups!“
„Aber Kinder, das ist doch alles Unsinn!“, sagte Margrit sanft. Trotzdem pochte auch ihr Herz etwas schneller, denn sie fragte sich, weshalb der Feind nicht endlich weiterflog? Der hatte doch nun genug umher geguckt. Automatisch tauchte wieder das furchtbare Bild von Mariannas und Armins grausamen Tod vor ihr auf und auch ihr Magen rumpelte. Waren sie die Nächsten?
„Und .... und warum haben die ... die außerirdischen Kreu ... Kreuzspinnen so viele am Kopf?“, keuchte Tobias
„So viele WAS, Tobias?“
„Ich weiß es!“, schnaufte Julchen. „Weil ... in den vielen Beulen ... da sind die vielen, vielen, ganz vielen Augen
drin!“
„Uuuurgh!“, machten nun die beiden Kinder gleichzeitig.
„Das sind keine Beulen sondern schicke ... na, irgendwie aufgetürmte Frisuren!“, fiel es Margrit grad` so ein.
„Aber ... es sind doch Männer, nich`? Oder .... oder sind`s Mädchen?“, erkundigte sich Julchen und die Blässe verschwand ein wenig aus ihrem Gesicht.
„Es sind Männer!“, bemerkte Tobias jetzt ganz einfach. „Spinnenmänner!“ Und auch er bekam eine etwas frischere Farbe.
„Mädchen können auch Soldaten sei ... ein!“, trällerte Julchen jetzt triumphierend.
Komisch, dass der Feind auch weiblich sein könnte, daran hatte Margrit eigentlich bisher noch nie gedacht! Oder war der gar geschlechtslos? Auch diese Idee erschien ihr mit einem Male gar nicht so abwegig. Margrit fasste mit nun so viel Mut, dass sie auch die Bauchseite der ´Qualle´ bei dieser Gelegenheit gründlicher in Augenschein nehmen wollte, wo stets das spezielle Erkennungszeichen der unterschiedlichen außerirdischen Gruppen zu sehen sein sollte. Sie schob ihren Kopf ins Freie. Schade, dass sie so eine schlechte Brille hatte.
„Mmmach` keinen Scheiß, Mamms!“ Trotzdem spähte er auch empor. „Da is nämlich echt die Kacke am dampfen!“
„Drück dich nicht immer so ordinär aus, Tobias!“, rügte ihn Margrit und schob sich mit zitterigen Fingern ihre Brille besser zurecht.
„Auwei, auwei!“ Julchen begann, mit ihren kleinen Zähnchen den Ärmel von ihrem Pullover zu benagen.
Es waren nämlich einige der Insassen inzwischen von ihren Sitzen aufgesprungen, hatten sich helmartige Gebilde über die anscheinend weichen Köpfe geschoben, Umhänge über ihre etwas stacheligen Schultern geworfen. Sie schienen wohl weiter ins Innere des Flugschiffes laufen zu wollen, wo sich bereits eine Gruppe von etwa fünf Mann formiert hatte.
„Wollen die sich etwa alle verpiss ... äh, und hier aussteigen?“ Tobias Hand tastete instinktiv nach dem ´Blaui´ - das war eine Hartgummikugel und sein Talisman - den er gegebenenfalls gleich dem erstbesten Außerirdischen an den Kopf werfen wollte.
„Ha, es ist also tatsächlich eine hajeptische Qualle ... quatsch ... Flugzeug!“, rief Margrit aufgeregt und der Wind peitschte ihr dabei die Haare ins Gesicht. „Das Zeichen ist zwar ein bisschen klein, aber ich konnte es trotzdem erkennen.“
„Und was nutzt dir das?“, brüllte Paul nun ziemlich ungehalten aus der gegenüber liegenden Höhle. Auch sein Haar war völlig verwurstelt. Er sah wie ein Igel aus, als er hinter seinem Felseingang hervor lugte. „Die ... die grässlichen Dickschädel werden gleich zu uns hinabsteigen und wenn sie zu uns kommen, was machen wir dann?“
„Wir sagen ihnen guten Tag!“ , schlug Tobias ganz spontan, aber etwas grau im Gesicht, vor.
„Iiiih ... ihhhgittt! Ich mag aber keine Spünnenhand sch ... schütteln!“
„Kreuzspinnenhand, Jule! Uuups!“
„Oh Gott, nein! Paul hat ja so Recht!“, jammerte Muttchen, die dicht hinter Paul stand. Ihr langes, graues Haar hatte sich völlig aufgelöst. „Was machen wir, wenn ... huuuch! Munk ... MUNK! Ach Gott, ach Gott, wirst du wohl nicht ins Freie laufen!“
Paul warf stirnrunzelnd einen Blick auf den alten Kater, den Muttchen immer mit sich schleppte und der wohl irrtümlich ein prächtiges, welkes Blatt, was draußen vom Wind aufgewirbelt worden war, in seiner Verfressenheit für eine Maus gehalten hatte und dieses nun nicht gerade sehr gescheit betrachtete. Und dann musterte Paul mit bedenklicher Miene das Flugschiff am Himmel. „Hättest den verrückten Kater halt gleich in den Korb sperren sollen. Aber auf mich hört ja keiner!“
„Aber ... wenn Munk nun etwas passiert?“, Muttchen hielt sich ihr schwaches Herz. „Paul?“
„NEIN! Meinst du, ich bin lebensmüde und gehe jetzt hinaus? Besser dem Kater passiert was als mir!“
„Tierfeind! Oh, oooh! Jetzt läuft er...“
„Was sollte der sonst tun?“, murrte Paul. „Na, fliegen könnte er vielleicht auch ... von hier hinunter! Siehst du dort hinten den Abgrund, da ist ein tiefer Riss im Felsmassiv!“
„Ja, ich sehe ihn du ... du Sadist!“, schluchzte Muttchen.
Paul lachte trotz aller Angst, dann schaute er zu Margrit und den Kindern hinüber. „Schon gut!“, sagte er kleinlaut.
„Ha, gerettet!“, keuchte Muttchen jetzt erleichtert. „Er ... er läuft zu dir, Margrit. Nein, du lieber Himmel ... er hat sich nur in die Mitte gesetzt, d ... direkt unter dem Raumschiff gemütlich gemacht! Wie kann er nur...“
„Na, du siehst doch, wie er es kann!“, brummte Paul.
Munk schien den Wind von oben wohl zu mögen, der ihm um die Ohren und durchs schwarze Rückenfell fegte. Er schnurrte behaglich, denn der heutige Herbsttag war reichlich warm gewesen, und leckte sich noch ein wenig die weißen Vorderpfoten.
„Ob ich den dummen Kater einfach von da weg hole?“, fragte sich Margrit laut.
„Munk ist nicht dumm!“ , schimpfte Muttchen zu ihr hinüber. „Er ist nur ein bisschen unvorsichtig!“
„Bisschen ist gut!“ Paul verzog das Gesicht zu einem verärgerten Grinsen. „Nein, Margrit lass` das verrückte Tier da sitzen!“
„Da hat er Recht, Mamms!“ Julchen zog einen Faden aus ihrem Ärmel. „Weil die schick gekleiderten
Spünnen ...“
„Schick gekleideten Kreuzspinnen, Jule!“
„Also, die ... die beratschlagen sich nur noch ein ganz kleines winziges bisschen!“ Sie hielt zwei ihrer Fingerchen zu einem schmalen Spalt zusammen und Margrit entgegen.
Tobias nickte. Er hatte den Blaui noch immer fest in der Hand.
Die Kinder sollten Recht behalten. Nach etwa drei Minuten dehnte und streckte sich eine zunächst runde und recht winzige Luke an der Bauchseite des großen Flugschiffes ein bisschen. Schließlich wurde sie oval und vergrößerte sich bis auf etwa zwei Meter Höhe und ein Meter Breite. Unsere Familie hielt den Atem an, denn ein elegantes, löffelartiges und transparentes Gebilde schob sich daraus hervor.
Munk schaute deshalb nun doch ein wenig verwundert nach oben, er betrachtete es interessiert. Der weiche, schlauchartige Stil wurde länger und länger und der Rand des Gebildes wuchs wulstig von allen Seiten in die Höhe, bis er eine tiefe, geräumige Mulde bildete. Das Ding schimmerte und funkelte jetzt, als hätte es dabei winzig kleine Sternteilchen verschluckt. Munks Schnurrhaare zuckten, denn ein Bein in kniehohem Stiefel in einer mit üppigem Pflanzenmuster verzierten Pluderhose rutschte aus der Luke, nahm in der Mulde Platz und schon kam das zweite und stellte sich daneben.
Vier bis fünf dicke, platin-, gold- und bronzefarbene Ketten hingen um schmale Hüften und zwischen den durchtrainierten Schenkeln. Der geschmeidige Körper im weiten, von ebenfalls viel zu vielen Schnörkeln übersäten Hemd glitt hinterher. Zuletzt fiel der graufarbene Umhang über die stachelbewehrten Schultern. Der graublaue, tropfenförmige Helm bot besonders am Hinter- und Oberkopf einigen Platz. Ein biegsames Metallband, überzogen von sechs verschiedenen farbigen Streifen, lag waagerecht über der Stirn und Nasenpartie. Hatte das Wesen wirklich mehrere Augen dahinter verborgen? Der feste, schnabelartige Gesichtsschutz - es überkam einen dabei das Gefühl, dies wäre ein aus mehreren Geschöpfen zusammengesetzter Raubvogel - verband den unteren Teil des Antlitzes mit den vielen, dicht bei dicht liegenden Ketten am Hals. Wo waren die Waffen? Es gab breite Reifen zum Beispiel um Handgelenke oder Oberarme, an denen kostbare, steinähnliche Dinge zu sehen waren oder längliche, komische Stäbchen. Sonst war auf den ersten Blick überhaupt keine Waffe erkennbar. Während sich die außerirdische Kreatur panthergleich in das löffelförmige Gebilde hineinkauerte, die behandschuhten Finger hielten dabei einen länglichen Gegenstand in den Händen, der einige Ähnlichkeit mit einem Fernrohr hatte, und es wohl weiter hinabgehen sollte, denn es zeigten sich bereits die ebenso pompös verhüllten Beine des nächsten Soldaten in der Luke, verriet jener, der zuerst hinunter hatte wollen, wenn auch nur verhalten, einige Aufregung. Sein Fernrohr zuckte und er wies damit auf Munk, der plötzlich fauchte und dabei sogar eine seiner weißen Vorderpfoten himmelwärts erhoben hatte. Offensichtlich hatten diese Außerirdischen noch nie eine Katze gesehen, waren sich jedoch nicht im Klaren, ob sie die nun töten wollten oder nicht!
Der Soldat wedelte nun ein wenig ungelenk mit den Fingern und da wuchs das löffelartige Gebilde in wenigen Sekunden zu einem mächtigen, blütenkelchartigen Trichter empor, das den Soldaten völlig umhüllte, aber transparent blieb, so dass er gut beschützt weiter hinunter schauen konnte. Munk zeigte jetzt sein schwarz-weiß geschecktes Fell hoch geplustert, der Soldat fuhr ziemlich heftig zusammen und hob den Zeigefinger und schon ging`s wieder hinauf. Das kelchartige Gebilde war zwar mitsamt Soldaten in der Luke verschwunden, doch diese war offen geblieben. Warum?
Margrit riss dem verdutzten Tobias plötzlich entschlossen den Blaui aus der Hand, ließ die Hartgummikugel aus der Höhle rollen und rief gleichzeitig mit lockender, heller Stimme. „Guck, Munkilein, was wir da für dich haben!“
Munk schätzte Bälle über alles und Tobias Blaui mochte er besonders. Im Nu war er auf den Pfoten, ja, er konnte, wenn es um so etwas ging, ein schönes Tempo zulegen. Keine Sekunde zu früh! Kaum, dass Munk die Kugel ins Maul genommen hatte, sauste auch schon zischelnd ein feiner Feuerstrahl von oben herab. Lediglich einer aus der Hajepmeute hatte mit einer kleineren Handfeuerwaffe geschossen, die anderen hielten sich noch immer unschlüssig zurück.
Munk sprang erschrocken nach vorn, ließ aber die Kugel nicht los, und der Strahl fraß sich hinter ihm durchs Gestein. Oben wurde man indes übermütig, man jagte ihn, erreichte ihn, sengte die prächtige Schwanzspitze an und wenig später roch es entsetzlich nach verkohlten Katzenhaaren, aber da war Munk schon in Julchens rettende Arme gehopst. Tobias blies die blauen Flämmchen aus. Munk war schwer erschüttert. Das musste er erst einmal alles geistig verarbeiten. Daher hatte auch nicht mitbekommen, wie sich die Luke abermals weitete. Eine ca. ein Meter große, glibberige Blase glitschte nun daraus hervor, klatschte auf den Boden und rollte auf die Höhle zu, in welcher sich Margrit, Munk und die Kinder versteckt hielten.
Das seltsame Ding bestand aus einer narbigen und zum Teil geschuppten, beigefarbenen Lederhaut. Diese wirkte irgendwie lebendig, denn sie stieß, als ob sie schwitzte, ständig Schleim aus den vielen Poren aus. Im Inneren der Blase schien es außerdem bei jeder Bewegung tüchtig zu rumoren, es knisterte dabei sogar und während die Kugel vorwärts rollte, ließ sie hinter sich eine lange, klebrige Schleimspur.
„Uuuuh!“, keuchte Julchen deshalb erschrocken und schüttelte sich. „In der Bl ... Blase sind bestümmt Spünnen
drin!“
„Bestimmt ganz kleine, klebrige Spinnen!“, fügte Tobias noch hinzu, ebenso käseweiß im Gesicht geworden.
„Bestümmt ganz kleine, klebrige Kreuzspünnen!“, verbesserte ihn Julchen und zog sich dabei noch einen Faden aus ihrem ohnehin völlig zerfledderten und inzwischen sehr kurzen Ärmel.
„Oh Gott! Meine arme Tochter, meine armen Enkel, mein armer, armer Munk!“, jammerte Muttchen. „So tu doch endlich irgendwas, Paul!“
Paul tat jedoch weiterhin nichts, außer sich nachdenklich das Kinn zu reiben, denn ihm fiel einfach nichts ein.
Nun nahm die Blase eine zeppelinähnliche Form an, wohl um besser in die Höhle hinein glitschen zu können.
Alles kreischte deshalb erschrocken, einschließlich Munk, das konnte er ja jetzt gut, weil er schon längst den Blaui in der Höhle verloren hatte.
Es machte: “Blobb“ und schon befand sich das schleimige Ding mitten in der Höhle. Es wippte nun ein wenig auf der Stelle und nahm auf diese Weise wieder die runde Form an.
Julchen weinte, als sie das sah, wischte sich die Nase, stellte sich dann aber schützend vor Tobias und dieser zog knatternd den Schnodder in seiner Nase hoch, Munk fauchte was das Zeug hielt, verließ aber trotzdem nicht Julchens Arm. Nun begann die Kugel vorwärts zu rollen. Eigentlich konnten Munk Bällchen immer nie groß genug sein, aber bei diesem hier überkamen ihn doch Zweifel, ob er mit dem spielen konnte oder der eher mit ihm.
Da knallte ein Schuss. Paul war nämlich todesmutig ein kleines Stückchen ins Freie gehechtet und hatte mit seinem Revolver zur Höhle hinein direkt auf die Blase gefeuert, dann war er zurück geflitzt. Er hatte aber gar nichts verändert, außer, dass die Luke des Raumschiffes abermals aufging und eine weitere Blase zu Boden klatschte, die nun auf Pauls und Muttchens Höhle zurollte.
Beide schrieen sie nun deshalb ebenfalls aus vollem Halse.
Das schien den unheimlichen Kugeldingern wohl irgendwie Spaß zu machen, die zweite Blase flutschte nämlich noch zielstrebiger, als wäre sie ein Lebewesen, und schneller als die erste zu Paul und Muttchen in die Höhle hinein.
Die andere rollte indes auf die drei verängstigten Menschlein zu und diese wiederum bewegten sich nach rückwärts, wenngleich sie wussten, dass es dort keinen rettenden Tunnel gab, wohin man hätte entweichen können. Hart stießen sie sich ihre mageren Körper an den feuchten und kalten Felswänden hinter sich. Sie waren gefangen, der tödlichen Gefahr hoffnungslos ausgeliefert. Währenddessen hörten sie Muttchen und Paul verzweifelt, ja fast hysterisch in einem Fort weiter schreien und immer wieder lösten sich dabei Schüsse aus Pauls Revolver, die wohl ihr Ziel nicht verfehlten, aber dem nicht viel antun konnten.
Von draußen vernahmen sie außerdem das saugende, blubbernde Geräusch des Flugschiffes, was sich jetzt wohl wieder in Bewegung gesetzt hatte und dann anschließend den feinen Summton von kleinen Düsen über dem Bergmassiv. Also flogen beide Flugkörper davon, wohl, weil dessen Mannschaften in Eile und sich völlig sicher waren, dass die lästigen Erdlinge mitsamt ihrem kleinen, komischen Fellwesen in wenigen Minuten ausgelöscht sein würden.
Doch noch schien dieser Zeitpunkt nicht gekommen. Julchen hatte nämlich Munk – zu dessen Enttäuschung - wieder auf den Boden gesetzt und dieser stand jetzt mit zitterigen Beinen da, das Fell zur größten Bürste seines Lebens gesträubt. Doch dann, als er sah, wie das Ding auf Julchen zurollte, überwand er sich selbst, wuchs heroischer Weise über sich hinaus, denn er stieß nicht nur einen lauten Kampfschrei aus, er sprang direkt auf die Blase und bearbeitete diese in Sekundenschnelle mit allen vier Pfoten zugleich. Doch die produzierte deswegen nur noch mehr Schleim und erhielt somit keinen einzigen Kratzer. Sie änderte dabei jedoch ein wenig ihre Richtung, rollte schließlich nur noch ziellos hin und her. Munk behielt dabei seine Position, als hätte man ihn eigens dafür dressiert, teilte tapfer weiterhin Hiebe aus, bis er erschöpfte war und die langen Krallen an der vielen Klebe zu haften drohten. Mit größter Mühe gelang es ihm gerade noch rechtzeitig abzuspringen, ohne von der Blase völlig überrollt zu werden. Hinter Margrits Beinen versteckt und sich dabei die Pfoten leckend, schwor er sich, künftig nie wieder Bällchen anzurühren, wenn bloß dieser schreckliche Traum ein Ende haben würde.
Plötzlich kam der Ball – er war diesmal nur einen Meter von Margrit entfernt - irgendwie nicht mehr so recht voran, denn er hatte etwas kleines, hartes überrollt und das war Tobias Blaui gewesen, den Munk vorhin aus seiner Schnauze verloren hatte. Tobias feste aber auch recht elastische Kugel klebte plötzlich am Schleimbauch der weichen Blase. Sie holperte daher ein wenig, hielt schließlich inne, als würde sie darüber nachdenken, doch dann bewegte sie sich trotz der Behinderung einfach weiter, behielt aber irgendwie ihre Richtung nicht so recht bei. Tobias und Margrit schauten sich an und da hatten sie beide den gleichen Gedanken. „Steine werfen!“, brüllten sie.
„Steine werfen?“, hörten sie verwundert Pauls erschöpfte Stimme von gegenüber.
So schnell wie sie nur konnten schleuderten jetzt nicht nur Margrit, Tobias und Julchen der Blase Steine in den Weg, sondern auch Muttchen und Paul.
Würden sie Erfolg haben? Beide Blasen schienen tatsächlich Schwierigkeiten zu haben über die vielen Steine zu rollen. Sie mussten noch mehr Schleim produzieren, nicht nur um glitschiger zu sein, sondern auch, um das Ankleben der Steine an der weichen Haut zu verhindern.
Eine unheimliche, gelbliche Soße ergoss sich dabei über den Boden.
„Einen Wall bauen!“, schrie Paul jetzt zu ihnen hinüber.
„Einen WAS?“, fragte Margrit laut zurück, während ihr die Kinnlade nur so zitterte, da die Blase nun zu schaukeln begann, wohl um Schwung zu holen, um besser über die Steine zu kommen.
„Er hat gesagt Wall, Mamms! G ... ganz ohne Scheiß!“ Und schon schickte sich der Kleine an, es Paul nachzutun.
„Wir müssen ihn so hoch machen, dass die Blase immer wieder zurückrollen muss ... hab` so was nämlich schon ganz oft für den “Blaui“ gemacht“.
Kaum hatte die Kugel die erste Steinreihe überrollt, nahm sie schon den Wall in Angriff, rollte vor, kam zurück, rollte vor. Da sich der Blaui inzwischen von der Kugel gelöst hatte - Munk hatte sich verkniffen den anzurühren - nahm ihn Tobias, nachdem er den Schleim an der Felswand abgewischt hatte, in die Hand und ließ ihn, gerade als es der Blase gelingen wollte, über den Wall zu kommen, vorsichtig den Wall hinunter gegen den Bauch der Blase rollen.
Die Blase hatte offensichtlich nicht mehr genügend Klebe, verlor wegen der kleinen Kugel deshalb fast vollständig die Balance und rollte nur nach rückwärts, die alten getrockneten Schleimspuren entlang zur Höhle hinaus.
Draußen begegnete ihr die zweite Blase, Paul und Muttchen musste ein ähnliches Kunststück geglückt sein, und die beiden Blasen prallten zusammen. Sie klebten aneinander und rollten nun gemeinschaftlich ein gutes Stück noch weiter nach rückwärts.
„Puh, war das ein Schreck!“ Paul kam aus seiner Höhle hervor, wohl weil er alles für erledigt hielt, doch zu früh gefreut. Die Beute war nahe und diese Chance wollten die Blasen nun doch noch nutzen. Sie gingen an die Reserve heran, produzierten noch eine kleine Menge Schleim und schon rollten beide Kugeln vereint aber heißhungrig auf Paul zu.
„Ihr Biester!“, kreischte da Julchen mit Tränen in den Augen, ergriff sich Tobias Blaui - Munk hatte sich abermals verkniffen diesen anzurühren - und warf die Hartgummikugel nach den beiden Blasen.
Julchen war noch sehr klein und konnte daher auch nicht besonders gut werfen, doch jene Blase, welche bereits schon zweimal mit diesem kleinen blauen Ding schlechte Erfahrung gemacht und dieses wohl auch bei sich gespeichert hatte, rollte sicherheitshalber vor der kleinen Kugel erst einmal zurück und riss dabei die andere mit sich, welche noch immer an ihr klebte.
Tobias Blaui sprang indes, wohl weil hier so viele Unebenheiten waren, wie etwas Lebendiges über Stock und Stein, hüpfte erst völlig zick zack, aber dann plötzlich schnurstracks zu den Blasen hinunter. Er gewann dabei sogar an Beschleunigung. Die Kugeln wichen zwar ebenso schnell zurück, achteten jedoch dabei nicht auf das, was hinter ihnen war. Da war nämlich nichts! Vor lauter Schreck versuchten sie noch einmal Klebe zu produzieren, es gelang ihnen auch noch ein winziges kleines Kleckschen und so blieben sie doch noch in allerletzter Sekunde am Felsrand des Abgrundes, allerdings „kopfunter“ hängen.
Sie schaukelten wie wild hin und her und wurstelten sich dabei mit größter Anstrengung vollends hoch. Gemeinschaftlich versuchten sie schließlich etwas mehr Schwung zu bekommen, um auch noch über den dicken Rand des Abgrundes und somit völlig auf die rettende ebene Felsfläche zu gelangen.
Da hüpfte Tobias Blaui gerade das letzte Stückchen ausgesprochen elegant zu ihnen hinunter und Zack sprang er auch noch gegen die Blasen. Dieser kleine Schups gab den entscheidenden Ausschlag. Das dünne Klebestückchen, an welchem die Blasen sich bisher noch gehalten hatten, riss nun doch und die beiden segelten gemeinschaftlich in den Abgrund.
Es knallte unten ganz gewaltig – sie waren wohl ohnehin für eine Explosion programmiert gewesen - eine grünliche Masse spritzte dabei nach allen Seiten, bis ganz nach oben.
Es roch noch immer ätzend bis zu Tobias Nase und er hielt sich diese deshalb zu, als er hinunter schaute.
Schlagartig waren in diesem Felsspalt Bäume und Büsche verätzt und ein erhebliches Loch hatte sich dort gebildet, wo die zerfetzten Blasen aufgeschlagen waren.
„Uuuuh! Das war echt knapp!“, ächzte Tobias erleichtert, dann wurde sein Gesicht aber plötzlich ganz ernst. „Und wo ist jetzt der Blaui?“
Paul stand hinter ihm und wischte sich den Schweiß von der Stirn. “Tja, der ist wohl für immer weg, Tobias!“ Er machte ebenfalls ein ernstes Gesicht. „Damit musst du dich nun abfinden! Trage es tapfer wie ein Mann, denn...“
„Lügner, Lügner!“, quiekte Julchen hinter ihm. „Ich habe ja gesehen, wie du ihn vorhin aus dem Löwenzahn geholt hast, Paul!“
„Die Explosion hat ihn also bis ganz nach oben...?“ Tobias wasserblaue Äuglein leuchteten auf. „Du liebe Schei ... äh ... schön!“, krächzte er zutiefst erleichtert.
„Ach Julchen, du bist wirklich eine Schnatterliese!“, schimpfte Paul lachend und dann griff er feierlich in die Gesäßtasche und stutzte, denn da war die Kugel nicht. Die Finger fuhren in die Tasche auf der anderen Seite, wieder nichts. Seine Bewegungen wurden immer schneller und unsicherer, als er schließlich seine ganze Kleidung durchsuchte. „Ich muss sie verloren haben?“, keuchte er und wirkte dabei so erschrocken darüber, wie eigentlich sonst immer nur Tobias. „Und zwar vorhin, als ich das Taschentuch hervorgeholt habe...“
„Er war keine ´Sie´ sondern ein ´Er´!“, schniefte Tobias und wischte schon an einem seiner Augenwinkel herum.
Da hörte man das feine Rieseln von kleinen Steinchen und ein flinkes Rascheln.
“MUNK!“, kreischte plötzlich alles.
Munk schaute richtig verschämt drein, aber als man ihm die Kugel wegnahm, mit der er gerade so schön gespielt hatte, um sie Tobias zu reichen, fauchte er doch.
Später, am Abend, hatte Tobias dann doch seinen Blaui dem Kater zum Spielen überlassen und sie waren schließlich alle zusammen darüber eingedöst. Munk hatte die Kugel fest zwischen seinen Pfoten. Seine Schnurrhaare zuckten, während er von unzähligen Bällen träumte. Tobias hatte sein Kinn zwischen Munks Ohren vergraben. „Mein Bbblaui ... wird alle Hajeps besiegen!“ murmelte er im Schlaf. „Ganz ohne Scheiß!“
 

Doska

Mitglied
Nicht zum ersten Male hörten sie die eigenartigen Geräusche heran nahender außerirdischer Flugschiffe. Die fünf schmächtigen Gestalten gehörten zu den wenigen Überlebenden, denen es gelungen war, den Hajeps zu entkommen.
Noch vor wenigen Jahren hatte die Menschheit geglaubt, mit Hilfe der hohen Waffentechnik etwas gegen die brutalen Eroberer ausrichten zu können, doch die Hajeps befanden sich auf einem noch viel höheren Entwicklungsstand.
So zählte jetzt lediglich jeder neue Tag, den ein Mensch leben konnte. Gab es noch irgendein Zeichen dafür, dass man Hoffnung haben konnte?

Obwohl Margrit, Paul und die alte „Muttsch“ sofort alles stehen und liegen gelassen hatte, um sich mit den Kindern in die schützenden Berghänge zu retten, waren sie nicht schnell genug gewesen, um die Fahrräder, Koffer und Beutel mit den Nahrungsmitteln außer Sichtweite zu bringen. Alles lag auf dem schmalen Bergweg. Mäntel und Jacken flatterten im Wind, als das erste der beiden Raumschiffe erschien.
Die Kinder weinten und „Muttsch“ stöhnte, während man sich höher und höher in die Felsen hinauf begab – leider nur so schnell wie jeder eben nur sein konnte - sich dabei immer wieder in Nischen oder hinter kargem Gestrüpp versteckend.
Das merkwürdige Gebilde ähnelte, wenn auch im entfernten Sinne, einer Qualle. Rund um den ca. fünfzehn Meter breiten, wunderschönen sternförmigen Rumpf, er bestand aus blauem, metallisch glänzendem Material und glasähnlichem Gewebe, waberte ein etwa zwanzig Meter breiter, transparenter Rand auf und nieder. Der saugte die Luft gurgelnd ein und stieß sie wieder quakend unter sich aus. Ihm folgte ein sehr viel kleinerer, fester Flugkörper, unscheinbar und grau, mit vier gleich großen, beweglichen Flügeln. Ein fast melodisches Summen aus drei elastischen Röhrchen verriet den Düsenantrieb am Heck.
Margrit vermutete, dass in diesem Winzding höchstens zwei Besatzungsmitglieder Platz haben konnten, so schmal war es gebaut, und sie fand, dass dessen Form irgendwie mit einer Pfeilspitze vergleichbar war.
Es folgte dem größeren Flugobjekt in solch einer exakten Weise, als würde es von ihm magnetisch angezogen, auch noch, als dieses über die Bergkuppe, hinter welcher sich Margrit mit ihrer Familie gerade verborgen hatte, hinweg setzte.
In der Mitte dieses Felsmassivs befand sich eine Talsenke mit vielen Bäumchen und Buschwerk und es gab dort auch noch glücklicherweise zwei kleinere Höhlen, je eine auf der einen und auf der anderen Seite, welche man von oben nicht sehen konnte.
Das Ding schwebte trotzdem genau über diesem Tal, verringerte kurz seine Höhe und verharrte danach freischwebend in der Luft wie eine Libelle.
Margrit, die sich mit den Kindern in der größeren Höhle auf der linken Seite versteckt hatte, sah den Feind direkt aus der Nähe. Ja, sie glaubte, durch die nur leicht abgedunkelten Scheiben des Raumschiffs sogar Personen mit übergroßen – etwa deformierten? – Köpfen zu erkennen, die wohl miteinander im Gespräch waren und dabei zu den Fenstern hinab zum Tal wiesen.
Was schienen die Außerirdischen so plötzlich hier zu suchen? Hatten sie vorhin die Fahrräder auf dem Weg liegen sehen und vermuteten nun Menschen hier?
Vielleicht hielten sie ja auch nur Ausschau nach irgendwelchen Sklaven, die ihnen wieder mal entlaufen waren!
Immerhin schien es tröstlich, mit eigenen Augen feststellen zu dürfen, dass die Außerirdischen aufrecht und anscheinend auf zwei Beinen liefen, auch nur zwei Arme hatten und Hände und nur einen Kopf, selbst wenn der etwas unähnlich denen der Menschen war.
Trotzdem hatte nicht nur Margrit ein mulmiges Gefühl im Magen, Julchen und Tobias zitterten sogar vor Angst, denn auch sie hatten den unberechenbaren Feind noch nie aus solch einer Nähe gesehen, und sie versuchten deshalb Margrit vom Höhleneingang wegzuziehen, was ihnen nicht gelang, weil die sich dagegen stemmte.
Paul und Muttsch hatten ebenfalls noch rechtzeitig eine Höhle finden können. Auf der gegenüber liegenden Seite lugten sie nun auch ziemlich irritiert hervor.
Ihre Gesichter spiegelten die gleiche Angst, aber komischerweise auch dieselbe Neugierde wider, die Margrit empfand, denn die Flugschiffe – welche nun einen Heidenlärm machten - übten eine seltsame Faszination auf sie aus. Vielleicht lag es auch daran, dass man endlich einmal deutlicher sah, was man Jahr um Jahr gefürchtet, wovor man ständig weggelaufen war.
„Uuuh ... die sind aber ganz und gar hässlich! Bäh!“, würgte Julchen schließlich hervor, die sich dicht an Margrits Hüften presste.
„Die Flugschiffe?“, hakte Margrit nach.
„Nee, die Leute drin!“
„Ach wo! Die sehen nur etwas anders aus als wir!“, versuchte Margrit die Kinder zu beruhigen.
„Und die Köpfe?“, erkundigte sich Tobias trotzdem weiter. Er stand hinter Julchen und nuckelte aufgeregt an seiner Unterlippe.
„Was soll mit denen sein?“, fragte Margrit möglichst arglos.
„Das sind riesige Spünnenköpfe, Tobi!“, klärte ihn Julchen einfach an Stelle von Margrit auf - denn sie grauste sich entsetzlich vor Insekten.
Tobias zog den Schnodder in seiner Nase hoch, was er meist tat, wenn er ziemlich aufgeregt war, und sagte: „Riesige Kreuzspinnenköpfe Jule!“
„Stümmt!“, ächzte Julchen und dann wurde sie käseweiß. „Ich glaub` ich muss ko-oootzen, Mamms!“
Tobias tippte Julchen von hinten an die Schulter. „Hab` ich schon ... kam aber nur Spucke raus ... uuups!“
„Aber Kinder, das ist doch alles Unsinn!“, sagte Margrit sanft. Trotzdem pochte auch ihr Herz etwas schneller, denn sie fragte sich, weshalb der Feind nicht endlich weiterflog? Der hatte doch nun genug umher geguckt. Automatisch tauchte wieder das furchtbare Bild von Mariannas und Armins grausamen Tod vor ihr auf und auch ihr Magen rumpelte. Waren sie die Nächsten?
„Und .... und warum haben die ... die außerirdischen Kreu ... Kreuzspinnen so viele am Kopf?“, keuchte Tobias
„So viele WAS, Tobias?“
„Ich weiß es!“, schnaufte Julchen. „Weil ... in den vielen Beulen ... da sind die vielen, vielen, ganz vielen Augen
drin!“
„Uuuurgh!“, machten nun die beiden Kinder gleichzeitig.
„Das sind keine Beulen sondern schicke ... na, irgendwie aufgetürmte Frisuren!“, fiel es Margrit grad` so ein.
„Aber ... es sind doch Männer, nich`? Oder .... oder sind`s Mädchen?“, erkundigte sich Julchen und die Blässe verschwand ein wenig aus ihrem Gesicht.
„Es sind Männer!“, bemerkte Tobias jetzt ganz einfach. „Spinnenmänner!“ Und auch er bekam eine etwas frischere Farbe.
„Mädchen können auch Soldaten sei ... ein!“, trällerte Julchen jetzt triumphierend.
Komisch, dass der Feind auch weiblich sein könnte, daran hatte Margrit eigentlich bisher noch nie gedacht! Oder war der gar geschlechtslos? Auch diese Idee erschien ihr mit einem Male gar nicht so abwegig. Margrit fasste nun so viel Mut, dass sie auch die Bauchseite der ´Qualle´ bei dieser Gelegenheit gründlicher in Augenschein nehmen wollte, wo stets das spezielle Erkennungszeichen der unterschiedlichen außerirdischen Gruppen zu sehen sein sollte. Sie schob ihren Kopf ins Freie. Schade, dass sie so eine schlechte Brille hatte.
„Mmmach` keinen Scheiß, Mamms!“ Trotzdem spähte Tobias auch empor. „Da is nämlich echt die Kacke am dampfen!“
„Drück dich nicht immer so ordinär aus, Tobias!“, rügte ihn Margrit und schob sich mit zitterigen Fingern ihre Brille besser zurecht.
„Auwei, auwei!“ Julchen begann, mit ihren kleinen Zähnchen den Ärmel von ihrem Pullover zu benagen.
Es waren nämlich einige der Insassen inzwischen von ihren Sitzen aufgesprungen, hatten sich helmartige Gebilde über die anscheinend weichen Köpfe geschoben, Umhänge über ihre etwas stacheligen Schultern geworfen.
Sie schienen wohl weiter ins Innere des Flugschiffes laufen zu wollen, wo sich bereits eine Gruppe von etwa fünf Mann formiert hatte.
„Wollen die sich etwa alle verpiss ... äh, und hier aussteigen?“ Tobias Hand tastete instinktiv nach dem ´Blaui´ - das war eine Hartgummikugel und sein Talisman - den er gegebenenfalls gleich dem erstbesten Außerirdischen an den Kopf werfen wollte.
„Ha, es ist also tatsächlich eine Qualle ... quatsch ... Flugzeug, einer besonderen Organisation!“, rief Margrit aufgeregt und der Wind peitschte ihr dabei die Haare ins Gesicht. „Das Zeichen einer Schlange ist zwar ein bisschen klein, aber ich konnte es trotzdem erkennen.“
„Und was nutzt dir das?“, brüllte Paul nun ziemlich ungehalten aus der gegenüber liegenden Höhle. Auch sein Haar war völlig verwurstelt. Er sah wie ein Igel aus, als er hinter seinem Felseingang hervor lugte. „Die ... die grässlichen Dickschädel werden gleich zu uns hinabsteigen und wenn sie zu uns kommen, was machen wir dann?“
„Wir sagen ihnen guten Tag!“ , schlug Tobias ganz spontan, aber etwas grau im Gesicht, vor.
„Iiiih ... ihhhgittt! Ich mag aber keine Spünnenhand sch ... schütteln!“
„Kreuzspinnenhand, Jule! Uuups!“
„Oh Gott, nein! Paul hat ja so Recht!“, jammerte Muttchen, die dicht hinter Paul stand. Ihr langes, graues Haar hatte sich völlig aufgelöst. „Was machen wir, wenn ... huuuch! Munk ... MUNK! Ach Gott, ach Gott, wirst du wohl nicht ins Freie laufen!“
Paul warf stirnrunzelnd einen Blick auf den alten Kater, den Muttchen immer mit sich schleppte und der wohl irrtümlich ein prächtiges, welkes Blatt, was draußen vom Wind aufgewirbelt worden war, in seiner Verfressenheit für eine Maus gehalten hatte und dieses nun nicht gerade sehr gescheit betrachtete. Und dann musterte Paul mit bedenklicher Miene das Flugschiff am Himmel. „Hättest den verrückten Kater halt gleich in den Korb sperren sollen. Aber auf mich hört ja keiner!“
„Aber ... wenn Munk nun etwas passiert?“, Muttchen hielt sich ihr schwaches Herz. „Paul?“
„NEIN! Meinst du, ich bin lebensmüde und gehe jetzt hinaus? Besser dem Kater passiert was als mir!“
„Tierfeind! Oh, oooh! Jetzt läuft er...“
„Was sollte der sonst tun?“, murrte Paul. „Na, fliegen könnte er vielleicht auch ... von hier hinunter! Siehst du dort hinten den Abgrund, da ist ein tiefer Riss im Felsmassiv!“
„Ja, ich sehe ihn du ... du Sadist!“, schluchzte Muttchen.
Paul lachte trotz aller Angst, dann schaute er zu Margrit und den Kindern hinüber. „Schon gut!“, sagte er kleinlaut.
„Ha, gerettet!“, keuchte Muttchen jetzt erleichtert. „Er ... er läuft zu dir, Margrit. Nein, du lieber Himmel ... er hat sich nur in die Mitte gesetzt, d ... direkt unter dem Raumschiff gemütlich gemacht! Wie kann er nur...“
„Na, du siehst doch, wie er es kann!“, brummte Paul.
Munk schien den Wind von oben wohl zu mögen, der ihm um die Ohren und durchs schwarze Rückenfell fegte. Er schnurrte behaglich, denn der heutige Herbsttag war reichlich warm gewesen, und leckte sich noch ein wenig die weißen Vorderpfoten.
„Ob ich den dummen Kater einfach von da weg hole?“, fragte sich Margrit laut.
„Munk ist nicht dumm!“ , schimpfte Muttchen zu ihr hinüber. „Er ist nur ein bisschen unvorsichtig!“
„Bisschen ist gut!“ Paul verzog das Gesicht zu einem verärgerten Grinsen. „Nein, Margrit lass` das verrückte Tier da sitzen!“
„Da hat er Recht, Mamms!“ Julchen zog einen Faden aus ihrem Ärmel. „Weil die schick gekleiderten Spünnen ...“
„Schick gekleideten Kreuzspinnen, Jule!“
„Also, die ... die beratschlagen sich nur noch ein ganz kleines winziges bisschen!“ Sie hielt zwei ihrer Fingerchen zu einem schmalen Spalt zusammen und Margrit entgegen.
Tobias nickte. Er hatte den Blaui noch immer fest in der Hand.
Die Kinder sollten Recht behalten. Nach etwa drei Minuten dehnte und streckte sich eine zunächst runde und recht winzige Luke an der Bauchseite des großen Flugschiffes ein bisschen. Schließlich wurde sie oval und vergrößerte sich bis auf etwa zwei Meter Höhe und ein Meter Breite. Unsere Familie hielt den Atem an, denn ein elegantes, löffelartiges und transparentes Gebilde schob sich daraus hervor.
Munk schaute deshalb nun doch ein wenig verwundert nach oben, er betrachtete es interessiert. Der weiche, schlauchartige Stil wurde länger und länger und der Rand des Gebildes wuchs wulstig von allen Seiten in die Höhe, bis er eine tiefe, geräumige Mulde bildete.
Das Ding schimmerte und funkelte jetzt, als hätte es dabei winzig kleine Sternteilchen verschluckt.
Munks Schnurrhaare zuckten, denn ein Bein in kniehohem Stiefel in einer mit üppigem Pflanzenmuster verzierten Pluderhose rutschte aus der Luke, nahm in der Mulde Platz und schon kam das zweite und stellte sich daneben.
Vier bis fünf dicke, platin-, gold- und bronzefarbene Ketten hingen um schmale Hüften und zwischen den durchtrainierten Schenkeln.
Der geschmeidige Körper im weiten, von ebenfalls viel zu vielen Schnörkeln übersäten Hemd glitt hinterher. Zuletzt fiel der graufarbene Umhang über die stachelbewehrten Schultern. Der graublaue, tropfenförmige Helm bot besonders am Hinter- und Oberkopf einigen Platz.
Ein biegsames Metallband, überzogen von sechs verschiedenen farbigen Streifen, lag waagerecht über der Stirn und Nasenpartie.
Hatte das Wesen wirklich mehrere Augen dahinter verborgen? Der feste, schnabelartige Gesichtsschutz - es überkam einen dabei das Gefühl, dies wäre ein aus mehreren Geschöpfen zusammengesetzter Raubvogel - verband den unteren Teil des Antlitzes mit den vielen, dicht bei dicht liegenden Ketten am Hals.
Wo waren die Waffen? Es gab breite Reifen zum Beispiel um Handgelenke oder Oberarme, an denen kostbare, steinähnliche Dinge zu sehen waren oder längliche, komische Stäbchen. Sonst war auf den ersten Blick überhaupt keine Waffe erkennbar.
Während sich die außerirdische Kreatur panthergleich in das löffelförmige Gebilde hineinkauerte, die behandschuhten Finger hielten dabei einen länglichen Gegenstand in den Händen, der einige Ähnlichkeit mit einem Fernrohr hatte, und es wohl weiter hinabgehen sollte, denn es zeigten sich bereits die ebenso pompös verhüllten Beine des nächsten Soldaten in der Luke, verriet jener, der zuerst hinunter hatte wollen, wenn auch nur verhalten, einige Aufregung. Sein Fernrohr zuckte und er wies damit auf Munk, der plötzlich fauchte und dabei sogar eine seiner weißen Vorderpfoten himmelwärts erhoben hatte.
Offensichtlich hatten diese Außerirdischen noch nie eine Katze gesehen, waren sich jedoch nicht im Klaren, ob sie die nun töten wollten oder nicht!
Der Soldat wedelte nun ein wenig ungelenk mit den Fingern und da wuchs das löffelartige Gebilde in wenigen Sekunden zu einem mächtigen, blütenkelchartigen Trichter empor, das den Soldaten völlig umhüllte, aber transparent blieb, so dass er gut beschützt weiter hinunter schauen konnte.
Munk zeigte jetzt sein schwarz-weiß geschecktes Fell hoch geplustert, der Soldat fuhr ziemlich heftig zusammen und hob den Zeigefinger und schon ging`s wieder hinauf.
Das kelchartige Gebilde war zwar mitsamt Soldaten in der Luke verschwunden, doch diese war offen geblieben. Warum?
Margrit riss dem verdutzten Tobias plötzlich entschlossen den Blaui aus der Hand, ließ die Hartgummikugel aus der Höhle rollen und rief gleichzeitig mit lockender, heller Stimme. „Guck, Munkilein, was wir da für dich haben!“
Munk schätzte Bälle über alles und Tobias Blaui mochte er besonders. Im Nu war er auf den Pfoten, ja, er konnte, wenn es um so etwas ging, ein schönes Tempo zulegen. Keine Sekunde zu früh! Kaum, dass Munk die Kugel ins Maul genommen hatte, sauste auch schon zischelnd ein feiner Feuerstrahl von oben herab.
Lediglich einer aus der Hajepmeute hatte mit einer kleineren Handfeuerwaffe geschossen, die anderen hielten sich noch immer unschlüssig zurück.
Munk sprang erschrocken nach vorn, ließ aber die Kugel nicht los, und der Strahl fraß sich hinter ihm durchs Gestein. Oben wurde man indes übermütig, man jagte ihn, erreichte ihn, sengte die prächtige Schwanzspitze an und wenig später roch es entsetzlich nach verkohlten Katzenhaaren, aber da war Munk schon in Julchens rettende Arme gehopst.
Tobias blies die blauen Flämmchen aus. Munk war schwer erschüttert. Das musste er erst einmal alles geistig verarbeiten. Daher hatte auch nicht mitbekommen, wie sich die Luke abermals weitete.
Eine ca. ein Meter große, glibberige Blase glitschte nun daraus hervor, klatschte auf den Boden und rollte auf die Höhle zu, in welcher sich Margrit, Munk und die Kinder versteckt hielten.
Das seltsame Ding bestand aus einer narbigen und zum Teil geschuppten, beigefarbenen Lederhaut. Diese wirkte irgendwie lebendig, denn sie stieß, als ob sie schwitzte, ständig Schleim aus den vielen Poren aus. Im Inneren der Blase schien es außerdem bei jeder Bewegung tüchtig zu rumoren, es knisterte dabei sogar und während die Kugel vorwärts rollte, ließ sie hinter sich eine lange, klebrige Schleimspur.
„Uuuuh!“, keuchte Julchen deshalb erschrocken und schüttelte sich. „In der Bl ... Blase sind bestümmt Spünnen
drin!“
„Bestimmt ganz kleine, klebrige Spinnen!“, fügte Tobias noch hinzu, ebenso käseweiß im Gesicht geworden.
„Bestümmt ganz kleine, klebrige Kreuzspünnen!“, verbesserte ihn Julchen und zog sich dabei noch einen Faden aus ihrem ohnehin völlig zerfledderten und inzwischen sehr kurzen Ärmel.
„Oh Gott! Meine arme Tochter, meine armen Enkel, mein armer, armer Munk!“, jammerte Muttchen. „So tu doch endlich irgendwas, Paul!“
Paul tat jedoch weiterhin nichts, außer sich nachdenklich das Kinn zu reiben, denn ihm fiel einfach nichts ein.
Nun nahm die Blase eine zeppelinähnliche Form an, wohl um besser in die Höhle hinein glitschen zu können.
Alles kreischte deshalb erschrocken, einschließlich Munk, das konnte er ja jetzt gut, weil er schon längst den Blaui in der Höhle verloren hatte.
Es machte: “Blobb“ und schon befand sich das schleimige Ding mitten in der Höhle. Es wippte nun ein wenig auf der Stelle und nahm auf diese Weise wieder die runde Form an.
Julchen weinte, als sie das sah, wischte sich die Nase, stellte sich dann aber schützend vor Tobias und dieser zog knatternd den Schnodder in seiner Nase hoch, Munk fauchte was das Zeug hielt, verließ aber trotzdem nicht Julchens Arm.
Nun begann die Kugel vorwärts zu rollen. Eigentlich konnten Munk Bällchen immer nie groß genug sein, aber bei diesem hier überkamen ihn doch Zweifel, ob er mit dem spielen konnte oder der eher mit ihm.
Da knallte ein Schuss. Paul war nämlich todesmutig ein kleines Stückchen ins Freie gehechtet und hatte mit seinem Revolver zur Höhle hinein direkt auf die Blase gefeuert, dann war er zurück geflitzt. Er hatte aber gar nichts verändert, außer, dass die Luke des Raumschiffes abermals aufging und eine weitere Blase zu Boden klatschte, die nun auf Pauls und Muttchens Höhle zurollte.
Beide schrieen sie nun deshalb ebenfalls aus vollem Halse.
Das schien den unheimlichen Kugeldingern wohl irgendwie Spaß zu machen, die zweite Blase flutschte nämlich noch zielstrebiger, als wäre sie ein Lebewesen, und schneller als die erste zu Paul und Muttchen in die Höhle hinein.
Die andere rollte indes auf die drei verängstigten Menschlein zu und diese wiederum bewegten sich nach rückwärts, wenngleich sie wussten, dass es dort keinen rettenden Tunnel gab, wohin man hätte entweichen können. Hart stießen sie sich ihre mageren Körper an den feuchten und kalten Felswänden hinter sich.
Sie waren gefangen, der tödlichen Gefahr hoffnungslos ausgeliefert.
Währenddessen hörten sie Muttchen und Paul verzweifelt, ja fast hysterisch in einem Fort weiter schreien und immer wieder lösten sich dabei Schüsse aus Pauls Revolver, die wohl ihr Ziel nicht verfehlten, aber dem nicht viel antun konnten.
Von draußen vernahmen sie außerdem das saugende, blubbernde Geräusch des Flugschiffes, was sich jetzt wohl wieder in Bewegung gesetzt hatte und dann anschließend den feinen Summton von kleinen Düsen über dem Bergmassiv.
Also flogen beide Flugkörper davon, wohl, weil dessen Mannschaften in Eile und sich völlig sicher waren, dass die lästigen Erdlinge mitsamt ihrem kleinen, komischen Fellwesen in wenigen Minuten ausgelöscht sein würden.
Doch noch schien dieser Zeitpunkt nicht gekommen.
Julchen hatte nämlich Munk – zu dessen Enttäuschung - wieder auf den Boden gesetzt und dieser stand jetzt mit zitterigen Beinen da, das Fell zur größten Bürste seines Lebens gesträubt. Doch dann, als er sah, wie das Ding auf Julchen zurollte, überwand er sich selbst, wuchs heroischer Weise über sich hinaus, denn er stieß nicht nur einen lauten Kampfschrei aus, er sprang direkt auf die Blase und bearbeitete diese in Sekundenschnelle mit allen vier Pfoten zugleich.
Doch die produzierte deswegen nur noch mehr Schleim und erhielt somit keinen einzigen Kratzer. Sie änderte dabei jedoch ein wenig ihre Richtung, rollte schließlich nur noch ziellos hin und her. Munk behielt dabei seine Position, als hätte man ihn eigens dafür dressiert, teilte tapfer weiterhin Hiebe aus, bis er erschöpfte war und die langen Krallen an der vielen Klebe zu haften drohten. Mit größter Mühe gelang es ihm gerade noch rechtzeitig abzuspringen, ohne von der Blase völlig überrollt zu werden.
Hinter Margrits Beinen versteckt und sich dabei die Pfoten leckend, schwor er sich, künftig nie wieder Bällchen anzurühren, wenn bloß dieser schreckliche Traum ein Ende haben würde.
Plötzlich kam der Ball – er war diesmal nur einen Meter von Margrit entfernt - irgendwie nicht mehr so recht voran, denn er hatte etwas kleines, hartes überrollt und das war Tobias Blaui gewesen, den Munk vorhin aus seiner Schnauze verloren hatte.
Tobias feste aber auch recht elastische Kugel klebte plötzlich am Schleimbauch der weichen Blase. Sie holperte daher ein wenig, hielt schließlich inne, als würde sie darüber nachdenken, doch dann bewegte sie sich trotz der Behinderung einfach weiter, behielt aber irgendwie ihre Richtung nicht so recht bei.
Tobias und Margrit schauten sich an und da hatten sie beide den gleichen Gedanken. „Steine werfen!“, brüllten sie.
„Steine werfen?“, hörten sie verwundert Pauls erschöpfte Stimme von gegenüber.
So schnell wie sie nur konnten schleuderten jetzt nicht nur Margrit, Tobias und Julchen der Blase Steine in den Weg, sondern auch Muttchen und Paul.
Würden sie Erfolg haben? Beide Blasen schienen tatsächlich Schwierigkeiten zu haben über die vielen Steine zu rollen. Sie mussten noch mehr Schleim produzieren, nicht nur um glitschiger zu sein, sondern auch, um das Ankleben der Steine an der weichen Haut zu verhindern.
Eine unheimliche, gelbliche Soße ergoss sich dabei über den Boden.
„Einen Wall bauen!“, schrie Paul jetzt zu ihnen hinüber.
„Einen WAS?“, fragte Margrit laut zurück, während ihr die Kinnlade nur so zitterte, da die Blase nun zu schaukeln begann, wohl um Schwung zu holen, um besser über die Steine zu kommen.
„Er hat gesagt Wall, Mamms! G ... ganz ohne Scheiß!“ Und schon schickte sich der Kleine an, es Paul nachzutun.
„Wir müssen ihn so hoch machen, dass die Blase immer wieder zurückrollen muss ... hab` so was nämlich schon ganz oft für den “Blaui“ gemacht“.
Kaum hatte die Kugel die erste Steinreihe überrollt, nahm sie schon den Wall in Angriff, rollte vor, kam zurück, rollte vor. Da sich der Blaui inzwischen von der Kugel gelöst hatte - Munk hatte sich verkniffen den anzurühren - nahm ihn Tobias, nachdem er den Schleim an der Felswand abgewischt hatte, in die Hand und ließ ihn, gerade als es der Blase gelingen wollte, über den Wall zu kommen, vorsichtig den Wall hinunter gegen den Bauch der Blase rollen.
Die Blase hatte offensichtlich nicht mehr genügend Klebe, verlor wegen der kleinen Kugel deshalb fast vollständig die Balance und rollte nur nach rückwärts, die alten getrockneten Schleimspuren entlang zur Höhle hinaus.
Draußen begegnete ihr die zweite Blase, Paul und Muttchen musste ein ähnliches Kunststück geglückt sein, und die beiden Blasen prallten zusammen. Sie klebten aneinander und rollten nun gemeinschaftlich ein gutes Stück noch weiter nach rückwärts.
„Puh, war das ein Schreck!“ Paul kam aus seiner Höhle hervor, wohl weil er alles für erledigt hielt, doch zu früh gefreut. Die Beute war nahe und diese Chance wollten die Blasen nun doch noch nutzen. Sie gingen an die Reserve heran, produzierten noch eine kleine Menge Schleim und schon rollten beide Kugeln vereint aber heißhungrig auf Paul zu.
„Ihr Biester!“, kreischte da Julchen mit Tränen in den Augen, ergriff sich Tobias Blaui - Munk hatte sich abermals verkniffen diesen anzurühren - und warf die Hartgummikugel nach den beiden Blasen.
Julchen war noch sehr klein und konnte daher auch nicht besonders gut werfen, doch jene Blase, welche bereits schon zweimal mit diesem kleinen blauen Ding schlechte Erfahrung gemacht und dieses wohl auch bei sich gespeichert hatte, rollte sicherheitshalber vor der kleinen Kugel erst einmal zurück und riss dabei die andere mit sich, welche noch immer an ihr klebte.
Tobias Blaui sprang indes, wohl weil hier so viele Unebenheiten waren, wie etwas Lebendiges über Stock und Stein, hüpfte erst völlig zick zack, aber dann plötzlich schnurstracks zu den Blasen hinunter.
Er gewann dabei sogar an Beschleunigung. Die Kugeln wichen zwar ebenso schnell zurück, achteten jedoch dabei nicht auf das, was hinter ihnen war. Da war nämlich nichts!
Vor lauter Schreck versuchten sie noch einmal Klebe zu produzieren, es gelang ihnen auch noch ein winziges kleines Kleckschen und so blieben sie doch noch in allerletzter Sekunde am Felsrand des Abgrundes, allerdings „kopfunter“ hängen.
Sie schaukelten wie wild hin und her und wurstelten sich dabei mit größter Anstrengung vollends hoch. Gemeinschaftlich versuchten sie schließlich etwas mehr Schwung zu bekommen, um auch noch über den dicken Rand des Abgrundes und somit völlig auf die rettende ebene Felsfläche zu gelangen.
Da hüpfte Tobias Blaui gerade das letzte Stückchen ausgesprochen elegant zu ihnen hinunter und Zack sprang er auch noch gegen die Blasen. Dieser kleine Schups gab den entscheidenden Ausschlag.
Das dünne Klebestückchen, an welchem die Blasen sich bisher noch gehalten hatten, riss nun doch und die beiden segelten gemeinschaftlich in den Abgrund.
Es knallte unten ganz gewaltig – sie waren wohl ohnehin für eine Explosion programmiert gewesen - eine grünliche Masse spritzte dabei nach allen Seiten, bis ganz nach oben.
Es roch noch immer ätzend bis zu Tobias Nase und er hielt sich diese deshalb zu, als er hinunter schaute.
Schlagartig waren in diesem Felsspalt Bäume und Büsche verätzt und ein erhebliches Loch hatte sich dort gebildet, wo die zerfetzten Blasen aufgeschlagen waren.
„Uuuuh! Das war echt knapp!“, ächzte Tobias erleichtert, dann wurde sein Gesicht aber plötzlich ganz ernst. „Und wo ist jetzt der Blaui?“
Paul stand hinter ihm und wischte sich den Schweiß von der Stirn. “Tja, der ist wohl für immer weg, Tobias!“ Er machte ebenfalls ein ernstes Gesicht. „Damit musst du dich nun abfinden! Trage es tapfer wie ein Mann, denn...“
„Lügner, Lügner!“, quiekte Julchen hinter ihm. „Ich habe ja gesehen, wie du ihn vorhin aus dem Löwenzahn geholt hast, Paul!“
„Die Explosion hat ihn also bis ganz nach oben...?“ Tobias wasserblaue Äuglein leuchteten auf. „Du liebe Schei ... äh ... schön!“, krächzte er zutiefst erleichtert.
„Ach Julchen, du bist wirklich eine Schnatterliese!“, schimpfte Paul lachend und dann griff er feierlich in die Gesäßtasche und stutzte, denn da war die Kugel nicht. Die Finger fuhren in die Tasche auf der anderen Seite, wieder nichts.
Seine Bewegungen wurden immer schneller und unsicherer, als er schließlich die ganze Kleidung durchsuchte. „Ich muss sie verloren haben?“, keuchte er und wirkte dabei so erschrocken darüber, wie eigentlich sonst immer nur Tobias. „Und zwar vorhin, als ich das Taschentuch hervorgeholt habe...“
„Er war keine ´Sie´ sondern ein ´Er´!“, schniefte Tobias und wischte schon an einem seiner Augenwinkel herum.
Da hörte man das feine Rieseln von kleinen Steinchen und ein flinkes Rascheln.
“MUNK!“, kreischte plötzlich alles.
Munk schaute richtig verschämt drein, aber als man ihm die Kugel wegnahm, mit der er gerade so schön gespielt hatte, um sie Tobias zu reichen, fauchte er doch.

Später, am Abend, hatte Tobias dann doch seinen Blaui dem Kater zum Spielen überlassen und sie waren schließlich alle zusammen darüber eingedöst.
Munk hatte die Kugel fest zwischen seinen Pfoten. Seine Schnurrhaare zuckten, während er von unzähligen Bällen träumte. Tobias hatte sein Kinn zwischen Munks Ohren vergraben. „Mein Bbblaui ... wird alle Hajeps besiegen!“ murmelte er im Schlaf. „Ganz ohne Scheiß!“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Was für ein hübsche Idee!
Die Erwachsenen sind mir zwar zu kindlich, der Text sprachlich/schreibtechnisch ist noch sehr verbesserunsgebdürftig, aber die Idee find ich echt liebenswert.
 



 
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