Der Urg

Nicht das ich jemals vorher an einen dieser Plagegeister geglaubt hätte, mir wären einfach nur diese albernen Trickfilme wie Pumuckel eingefallen.
Also um es gleich vorweg zu sagen, diese kleinen Biester sind böse, und ich meine nicht nur lästig, sondern richtig abgrundtief böse.
Der Urg stand morgens plötzlich grinsend auf meiner Seifenablage während ich mich rasierte. Da ich mich bis jetzt erfolgreich gegen die idiotensichere Doppelklingenstrategie der Multirasieries erfolgreich gewährt hatte, schnitt ich mir vor Schreck mit der alten Rotbart rostfrei fast die Kehle durch. „ Bravo“, meinte der Urg, allerdings eher beiläufig, da er den Mund voll von meinem Blut hatte. Behände war er mir von der Ablage an den Hals gesprungen und hatte sich schmatzend an ihm festgesaugt. Mit einem reflexartigen Griff packte ich ihn wie eine zu große Zecke, und schleuderte ihn in den Arzneischrank, wo er zwischen Asperin und einer Tube Zinksalbe aufschlug.
„Kriegst mich nicht tot“, hörte ich eine feine Fistelstimme triumphierend krähen. Da Alkohol, Drogen oder auch zuviel Sex in dieser Nacht auszuschließen waren, war ich entweder verrückt geworden, oder diese beknackten Typen hatten vielleicht doch recht.
„Haltung bewahren“, dachte ich, „Finger an die Stirn, Augen schließen.OOOOOHHHHHHMMMM, Mist“. Die Zinksalbe traf mich zwischen rechtem und linkem Auge. Ziemlich genau in der Mitte.
Mit meiner transzendenten Selbstbeherrschung war es dahin. „Na warte, ist ja nicht so das ich nichts drauf hätte, zwei Jahre Bund können ja nicht umsonst gewesen sein“. Das dreckige Lachen aus der Rotkreuzkiste erweckte ungeahnte Gewaltphantasien in mir. Mit einem Ruck riss ich die lächerliche Blümchengardine von dem Glassteinfenster. Schnell zusammengefaltet und um die Stirn gebunden. Rambo lässt Grüßen.
Es hatte doch ein wenig zu lange gedauert. Pillendosen, Tablettenröhrchen, Tuben sowie mehrere Flaschen mit Medizin regneten auf mich herab. Eiskalte Wut ist ein schlechter Begleiter. Der Spiegel hatte den ungezielten Wurf mit der Toilettenbürste jedenfalls nicht überlebt. Aber immerhin lagen einige spitze Glasscherben auf den Fliesen verteilt. Nur schneller sein als diese hässliche Heimsuchung. Ein schmerzhaftes Stechen im linken Unterschenkel belehrte mich das Größe nicht gleich Schnelligkeit ist. Vorsichtig sah ich hinunter. Das ekelhafte grüne Ding klebte saugend an meinem Bein. Es sah aus wie eine Mischung zwischen einer Eidechse und einer Barbiepuppe. Das Schmatzen klang wie „urg, urg, urg“. Während es trank hatte ich den Eindruck das es immer dicker wurde. „Hau ab“, rief ich sinnloser Weise.
Ich packte mir eine besonders spitze Spiegelscherbe und versuchte in das Ekel hineinzustechen. „ Kriegst mich nicht tot“, krähte das Biest zum zweiten Mal, und war weg bevor ich mir einen kräftigen Hieb ins Bein verpasste. Mir kam in den Sinn das die beknackten Typen scheinbar doch recht hatten.
Ich kam mir ziemlich perforiert vor und das nicht nur körperlich. Mein Gehirn schien irgendwie durchlöchert und konnte keine klare Strategie entwickeln. Hing vielleicht mit dem Blutverlust zusammen.
„Nimm Dich zusammen Mann. Wo ist es?. Irgendwo ist meine Chance“.
Blitzlicht! Das könnte klappen. Irgendwie hab ich mich dann vorsichtig dem Alaunstift auf der Ablage genähert und ihn unauffällig an mich genommen.
Ich bückte mich und zog ihn einmal durch meinen Wunde am Knöchel.
Dickes klebriges Blut blieb an ihm hängen.
Als nächstes habe ich ihn in eine Ecke geworfen und gewartet. Hat auch nicht lange gedauert. Zufriedenes Saugen und Lutschgeräusche sagten mir das mein Plan klappen könnte.
Plötzlich ging das Nuckeln in kurzatmiges Stöhnen und Keuchen über. Und dann Ruhe.
Ich hab noch zehn Minuten gewartet und mich vorsichtig der Ecke genähert wo eben noch die Schmatzgeräusche herkamen. Hinter einem Putzeimer hat er gelegen. Mit zwei Fingern habe ich ihn genommen und geschüttelt. Erst als ich sicher war das er tot ist, habe ich ihn genauer untersucht. Er fühlte sich an wie eine Blutwurst, und so etwas ähnliches war er auch. Nachdem er Mengen von meinem Lebenssaft getrunken hatte war ihm der Alaunstift zur Blutstillung nicht so sehr bekommen.
Das Blut in seinem Magen war sofort geronnen und hatte ihn umgebracht.
Rotbart rostfrei hat mir dann geholfen ihn in kleine Scheiben zu schneiden. Ich spülte seine Reste dann die Toilette hinunter.
Nachher habe ich alles sauber gemacht. Zum Schluss rief ich einen von den beknackten Typen an und habe ihm die ganze Sache erzählt.
Er hat mich während dessen weder unterbrochen noch ein einziges beiläufiges Wort gesagt, aber als ich zu Ende war einen Lachanfall bekommen.
Etwas enttäuscht habe ich dann meine Meinung über die Weisheit von den beknackten Typen revidiert.
 



 
Oben Unten