Der Weg

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Markus Veith

Mitglied
Der Blick zurück
die Straße
hinunter:

Möbiusschleifen auf Wegweisern.
Abfahrten aus Gummiasphalt.
Abzweigungen sind müßig,
Sackgassen, die nie zu Ende gepflastert wurden.
Wer lange genug
bei voller Fahrt
auf Leitplanken starrt,
kann Befehle entziffern.

Blindenhunde mit müden Splitterholzaugen.
Grenzposten in Strampelanzügen führen Analysen durch.
Zum Schafott.
Klebrige Kastrationen in heruntergelassene Hosen.
Zugluft im Stolperschritt.
Der Mensch ist nur so stark wie sein schwächstes Glied.

Vergilbte Schatten gaukelnder Gammler.
Gefesselt mit den eigenen Bärten.
Sie tippen gegen ihre Steinkopfpflaster,
horchen auf das dumpfe Echo ihrer Gelegenheiten.
Und darauf, wie ihre Sargnägel
nach innen wachsen.

Die letzten NochPoeten, pochen auf Punkt und Komma und Strich.
und kreisen ihre Arbeit ein.
Sie werden bezahlt,
Buchstaben zu sortieren.
Für einen Resttropfen Tinte.
Für vermintes Papier.
Immer wieder verzeichnen sie dieselben Worte.
In gleicher Anordnung und Schrift.
Tausende Male hintereinander:

Der Weg hat nichts mehr zu tun​
mit einem Ziel.​
 

Jarolep

Mitglied
Hallo,

Dein Werk hat mir gut gefallen, vor ein paar Tagen ging es mir genauso - also kann ich die Gefühle nachvollziehen.
Ein paar Anmerkungen der "Textarbeit" wegen:

kann Befehle entziffern - Welche? war für mich bis zum Ende nicht klar.

"Tintenblut" ist ein starker Ausdruck, klingt für mich aber etwas zu stark, fast "kitschig".

Aber alles in allem ein guter Text!

VG

jaro
 

Markus Veith

Mitglied
Danke, Jarolep, für deine Bewertung und dein Urteil.
Ich habe extra nicht 'DIE Befehle' geschrieben, um es offener zu halten. Wie oft hört unsereins, man müsse dies und jenes so und so schreiben!
Tintenblut ist übrig geblieben von einem in dieser Version gestrichenen Satz. Aber du hast recht. Ich werde es auf Tinte reduzieren.
Markus
 
X

xzar

Gast
finde den ausdruck "tintenblut" sehr stark. ich denke da an karl kraus der tinte und tod in verbindung gesetzt hat. der zusammenhang ist hier ein anderer, aber es würde da auch passen, finde ich.

lg
constantin
 
M

megan

Gast
'der weg hat nichts mehr zu tun mit einem ziel' - hatte er das jemals ..?

lg megan
 

Markus Veith

Mitglied
Standpunktfrage, oder? Fragst du die Gesellschaft, Megan, so habe ich Zweifel, dass die meisten mit Ja antworten, es sei denn, sie quatschen es ohne Substanz nach, weil sie den Satz "Der Weg ist das Ziel" so schick finden. Ich selbst bin einigermassen beruhigt, wenn ich in oder hinter meiner Prozessorientierung ein Ziel sehe. :)
Markus
 

Jarolep

Mitglied
Ich zum Beispiel finde es schick,...

...den Ausdruck "der Weg ist das Ziel", deswegen habe ich ihn auch zu meiner Signatur gewählt.
Denn wir jagen ja immer irgendwelchen Chimären nach: dem Geld, der Annerkennung, dem Glück, was das auch ist, setzen wir uns ein Ziel und merken dabei nicht, dass uns nicht die Erreichung der Ziele prägt, sondern der Weg dorthin.
Der Weg bedeutet für mich eine Entwicklung, eine Richtung, das Ziel dagegen ist statisch, ein toter Punkt. Ist man da angelangt, merkt man erst, dass es nicht das war, wonach man strebte. Dann wendet sich solch einer wieder dem Weg zu...

Also:
 
M

megan

Gast
weißt du markus, mir will scheinen, die menschen haben sich noch nie allzuviele gedanken über ihre wege und deren sinn gemacht, ... aber es ist erstaunlich, daß die jeweils in der blüte des denkens sich befindende generation regelmäßig vermeint festzustellen, alles sei dramatisch zugespitzt ..
;-)
liebe grüße von megan, der das ziel- Und weglose herumgerenne ihrer mitgenossen auch teilweise seltsam vorkommt
 

Markus Veith

Mitglied
Wir widersprechen uns nicht, Jarolep.
Obwohl ich denke, dass du schon von dem überzeugt sein wirst, was du unter deine Texte schreibst, oder? Und das ist der Unterschied zu vielen anderen, die eine irgendwo aufgeschnappte Weisheit nachplappern, die Bedeutung aber gar nicht zu begreifen scheinen. (Bestes Beispiel, finde ich, sind sämtliche Zitate aus dem „Kleinen Prinzen“.)
Aber um bei Weisheiten zu bleiben. Ich glaube, es war Frank Sinatra, der den (wie ich finde für ihn völlig untypischen) Satz gesagt haben soll: „Ich habe mir einen Stern vor meinen Karren gespannt.“ Das klingt nach Ziel, ist es aber nicht. Darum kann ich mit diesem Zitat so viel anfangen. Ich werde mein Ziel nie erreichen. Und das muss ich persönlich auch gar nicht. Wo komme ich denn hin, wenn sich plötzlich mein Traum erfüllt. Dann habe ich ja nichts mehr dahinter. Das einzige was ich muss, ist, ihn im Auge behalten.
Deshalb habe ich auch lange darüber gegrübelt, ob ich in dem Text tatsächlich den letzten Satz so stehen lasse. Allerdings schrieb ich schließlich nicht von mir. Und den ‚Anderen’ – ich treffe immer wieder auf solcherart lethargische Menschen und Nicht-Träumer – fehlt dieses Weg-Gefühl vielfach. Sie bringen Lyrik und Prosa mit Klassik in Verbindung und sehen nicht mehr die Individualität in Stil und Ausdruck. Ich könnte kotzen, wenn ich höre, dass die und die Texte nach dem und dem klingen und dadurch toll werden oder nicht mehr toll sind.
Mit literarischen Grüßen
Markus Veith
 



 
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