Der Weg II

kio

Mitglied
Die Ankunft war unspektakulär. Das Hotelzimmer mit weißer, fast unschuldiger Bettwäsche. Ich sah in meiner Phantasie den Blutfleck darauf. Bewußt gegebene Unschuld. Ein Blick in den Spiegel, die Worte wieder im Kopf....
"Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand
Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen
Der liebliche corall der lippen wird verbleichen,
Der Schultern warmer schnee wird werden kalter
sand...."
Nein, Hofmannswaldau, so weit sind wir hier noch lange nicht und der Weg geht noch ein wenig weiter, viel weiter. Außerdem...hattest du auch Brüste..? Wie kannst du als Mann von vergänglicher, weiblicher Schönheit schreiben? Ein kurzer Blick ins Bad. Das Fenster ein Bullauge...wie nett...die Regentropfen bilden wieder Schlieren entlang des Fensters. Ich öffne es und sehe auf die kalten Gleise; Blick auf Zuggleise, das Grün der Zugampel bestätigt mein Vorhaben. Zurück in die Realität...Ich habe heute ein date mit Mr. Unknown. Wir haben uns vor dem Hotel verabredet. Im Hotellift überlege ich mir kurz, welche Rolle denn heute angebracht ist. Im Erdgeschoß angelangt, fällt mir wieder ein...be yourself. Mr. Unknown kommt auf mich zu. Ich sehe ihn zunächst verschwommen, die Eitelkeit hatte die Brille auf meiner Nase nicht zugelassen. Er ist schon ganz nah' und stellt sich vor. Mr. Unknown wird zu Mr. Known...oder doch nicht? Wir wandern durch eine mir unbekannte Stadt, ich versuche ihn zu fixieren, er versucht es sicher auch bei mir, doch es wird mir nicht bewußt. Die Stadt zieht an mir vorüber. Ich gehe entlang eines Weges. Mr.- inzwischen Known-und ich sitzen beim Kaffee. Wir reden, doch das gesprochene zwischen uns wird mehr und mehr zur Luftvibration, denn das unausgesprochene verursacht zunehmend elektronische Vibration in zwei grauen Massen. Die Elektronenübertragung funktioniert gut, bei jedem für sich....ob sich nun durch vorhandene physikalische Gesetze unsere Elektronen mit der Luftvibration vereinigen könnten und sich abstoßen...oder ob ein Elektron zum Proton werden könnte? Die Zeit wird zu knapp, um einen Test durchführen zu können. Wir beschließen zunächst, jeder für sich, seine Elektronen zu behalten und sie nicht nach außen abzugeben. Und wieder im Hotelzimmer...Mr. Strange (so habe ich ihn inzwischen genannt) und ich...lassen unseren Elektronen, Protonen und auch Neutronen freien Lauf. Vergessen der Blutfleck von der gegebenen Unschuld. Danach verlassen wir das Hotelzimmer...für immer....das elektronische Gewitter hinterlässt kaum Spuren. Jetzt, auf meinem Rückweg beobachte ich wieder die Regenschlieren, die sich entlang des schmutzigen Zugfensters schmieren; der Weg geht weiter....
 
Y

Yamiko

Gast
find ich sogar besser als teil 1... oder einfach nur etwas anders, sagen wir so.
Übrigens, ich habe auch eine kurzgeschichte, die "der weg" heißt. die müsste jetzt irgendwo auf der zweiten/dritten seite gelandet sein. Mich würde gerade deine meinung interessieren...
 

Martina H.

Mitglied
Der Weg und Der WegII

....jetzt habe ich gerade den Trainspot gepostet und dann deinen Weg angesehen....
Züge haben schon was faszinierendes - wie auch Regentropfen sind sie in Bewegung, das ist der Sinn ihrer Existenz - und wie der Reisende mit seinen Gedankenschienen in andere Welten fliegen kann - so denke ich fliegst auch du.
Zu sehen was andere nicht sehen, den Bahnhof zu fühlen - wunderschöne Motive.
Mr. Unknown - Known - Strange eine Nebenrolle in deinem Stück?
Ich mag den Weg - denn auf ihm sind wir noch voller Hoffnung auf das Ziel
Gruss Martina
 
L

loona

Gast
So es auch anders war, im ersten Ansehen, so fand ich doch den Weg weitergegangen... Gelächelt habe ich bei: "Außerdem...hattest du auch Brüste..? Wie kannst du als Mann von vergänglicher, weiblicher Schönheit schreiben?" Treffer.

Dann wurde es sehr physikalisch und eventuell auch physisch. Mir fremd und deshalb schwer zu erkennen...

Es bleiben viele Deutungsmöglichkeiten. :) Nur die des Selbstmords von Andrea (Teil1) konnte ich hier nun gar nicht wiederfinden. Jedenfalls nicht die physische Variante.

Danke.

loona
 



 
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