Der Zögling

Anonym

Gast
Der Zögling II

Ich bin den Weg beinahe zu Ende gegangen. Nun stehe ich am Abgrund, doch der Weg führt weiter. Da unten sehe ich meine Last verborgen, doch ich bin nicht bereit, sie zu tragen. Ich werde nicht wissen, was zu tun sein wird, denn mir rast das Herz vor Angst. Die Angst ist mein Bote. Der Bote sagt, ich werde nicht springen. Morgen wollte ich ganz neu beginnen. Doch ich existiere angewurzelt und mir hat sich ein Dorn eingebrannt, der nicht bereit ist sich von mir zu lösen. Auch ich bin nicht bereit. Ich bin nicht bereit zu sehen, was wirklich ist. Das Luftschloss ist abgebrannt, es hat einen lauten Knall gegeben. Der Topf mit der Bohnensuppe war leer. Mir ist es ein Rätsel, wer als Nächster die Speise herrichten wird. Ich habe Angst vor dem Geschmack des kommenden Sprungs. Das Zögern ist mir angeboren.

Und dann zog unwiderruflich das tiefe Beben heran, verdichtete sich zu einem Moloch, das mich schob, immer einige Zentimeter nach vorne schob, als setzte ich ein Fuß vor den anderen. Es war wie der Großvater damals, der davon wusste, wie gut ich mich bewegen würde, wenn ich erstmal im Becken war. Und doch wehrte ich mich, wehrte mich gegen das neue Empfinden, das neue ungeahnte Erleben, das nach mir selbst schmeckte, dessen Geschmack ich jedoch angewidert von mir wies. Es war der Geruch meiner Mutter. Alle drei gewussten Generationen trugen braune Augen. Meine hingegen zeigten sich wässrig grau und auch der tiefe Schlund erschien mir grau wie alles, was ich immer schon gesehen hatte. Mir blieb nichts. Ich rief ab da nach der Mutterhand.
 



 
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