Der alte Mann und die CD

Woddi

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Der Tresor sollte Geld enthalten, enthielt es aber nicht. Stattdessen war eine CD darin, die unbeschriftet in einer Plastikhülle verpackt war. Was blieb Davies anderes übrig als die CD mitzunehmen. Er nahm sie und verließ das Haus. Zwei Tage später traf er sich mit Johnson. So nannte sich der Mann, der ihn beauftragt hatte, diesen Einbruch durchzuführen, der ihm gesagt hatte, im Tresor sei Geld. Das Geld, so hatte Johnson gesagt, könne er behalten, er selber wolle nur den Rest haben, der im Tresor liegen würde. Okay, hatte sich Davies gedacht, das hört sich gut an.

Johnson merkte, dass Davies sauer war.
„Ich wusste nicht, dass es da kein Geld gibt. Meine Informationen lauteten anders“, versuchte er Davies zu besänftigen
„Wie können wir uns einigen? Ich habe die CD. Die wollen Sie doch haben, oder?“ Davies holte die CD hervor und hielt sie vorsorglich außer Reichweite von Johnson.
„Geben Sie sie mir!“
„Was geben Sie mir dafür?“
„Das!“ Johnson schoss Davies in den Kopf. Er griff nach der CD und entriss sie Davies Fingern. Die Menschenmenge stob in Panik auseinander, als Johnson mit der Waffe in der Hand davon lief. Er stieg in einen dunklen Mercedes. Der Fahrer fuhr davon.

Johnson traf sich mit dem alten Mann um zwanzig Uhr. Der Alte lud zum Essen in seine Villa. Johnson wurde respektvoll begrüßt.
„Ich habe, was Sie wollen“, sagte er und holte die CD hervor. Der alte Mann nickte kurz und wies mit kaum merklicher Handbewegung zu einem seiner Bodyguards. Johnson gab ihm die CD, woraufhin der Mann verschwand. Dann aßen sie. Der Alte sprach nicht viel, ließ seine Gäste reden. Er hörte gerne zu. Man sagte, er sei so alt geworden, weil er so schweigsam und so aufmerksam war. Ein Anwalt berichtete von einer Geschäftsreise nach Peru. Es folgte eine lange und langweilige Beschreibung von Lima. Der Alte hörte aufmerksam zu. Nach dem Essen wurde Johnson zu ihm ins Büro gebeten.
Johnson erzählte alles, was vorgefallen war. Der Alte hörte zu und nickte. Danach durfte Johnson endlich gehen.

Als er wieder in seiner Wohnung angekommen war, wollte er unter die Dusche und anschließend ins Bett gehen. Als er duschte, merkte er nicht, dass sich die Haustür öffnete. Man erschoss ihn direkt im Badezimmer. Die CD war leer gewesen.

Der alte Mann ordnete an, Davies Wohnung und Schlupflöcher zu durchsuchen. Alle CDs, die man fand, enthielten nicht das Gesuchte. Der alte Mann wusste, dass, wenn Davies ein Spiel gespielt hatte, jemand an ihn herantreten würde, um die CD zu verkaufen. Er wartete. Niemand trat an ihn heran. Also, schlussfolgerte der alte Mann, war es wahrscheinlich, dass die leere CD diejenige war, die im Tresor gelegen hatte. Die CD, so hatte man ihm berichtet, war einem Bekannten entwendet worden und enthielt Material, das brisant war.

Er ließ Mr. S. zu sich kommen. Mr. S. wurde nur dann zu Hilfe gerufen, wenn es verzwickt wurde. S. versprach, die richtige CD zu besorgen. Zusammen mit einem Experten auf diesem Gebiet bereitete Mr. S. einen erneuten Einbruch vor. Bei der Ausführung seines Planes gab es keine Schwierigkeiten, und wie Davies gelang es ihm, ohne Schwierigkeiten ins Haus einzudringen. Er suchte alles ab und nahm jede CD mit, die er finden konnte. Er ließ den Experten den Tresor öffnen, fand dessen Inneres aber leer vor. Zusammen mit den Mitarbeitern des alten Mannes durchsuchten sie die CDs, fanden jedoch nicht die richtige. Mr. S. entledigte sich des Experten und schüttelte den Kopf. Seine Versprechen pflegte er zu halten.

Als er alleine in einem Schnellrestaurant zu Mittag aß, setzte sich ein gut gekleideter Mann mit Halbglatze und zurück gekämmter Restbehaarung ihm gegenüber. Wortlos schob er ihm einen Umschlag zu, nickte kurz, stand auf und verließ das Lokal. S. aß weiter. Er bezahlte die Rechnung steckte den Umschlag ein, ohne ihn weiter zu beachten und fuhr nach Hause. Dort öffnete er ihn. Der Umschlag enthielt ein Schreiben, in dem jemand seine Hilfe anbot, ohne einen Namen zu nennen.
„Ich weiß, wonach Sie suchen, und ich weiß, wo es sich befindet. Wenn Sie mir 50.000 mitbringen, werde ich es Ihnen sagen.“
Es folgten ein Datum und ein Treffpunkt. Mr. S. grübelte. Ihm gefiel das nicht. Er besprach sich mit dem alten Mann. Letztlich lief es darauf hinaus, dass Mr. S. mit einem Koffer voll Geld und einem Waffenarsenal unter dem Trenchcoat zum Treffpunkt ging.

Zwei Tage später bekam der alte Mann Besuch. Der Besucher war ein alter Bekannter, aber gewiss kein Freund. Nichtsdestotrotz pflegte man, wenn man sich denn direkt gegenüber stand, einen absurd höflichen Umgangston.
Nach einigen geheuchelten Floskeln a la „Ich freue mich Sie zu sehen“, “Die Freude ist ganz meinerseits“ etc. sprach der Besucher:
„Mr. S. ist tot. Ich kann Ihnen sagen, wo er liegt. Mr. S. wird mich nun nie mehr behindern. Die 50.000 habe ich Ihnen überwiesen. Die will ich nicht, und die wollte ich nie. Ich wollte Ihre Leute binden. Während Sie die CD suchten, die es nie gab, habe ich ziemlich ungestört Geschäfte mit unseren südamerikanischen Partnern in Millionenhöhe abgeschlossen. Die waren etwas erstaunt zu hören, womit Sei beschäftigt waren, und haben dankend mit mir Verträge geschlossen.“
Der alte Mann lächelte und schwieg.
„Mr. S. war dumm. Die Falle war ziemlich offensichtlich.“
Der alte Mann räusperte sich. „Wie es scheint, geht diese Runde an Sie. Ich gratuliere.“ Er stand auf und reichte seinem Gast die Hand. Dieser nahm sie, drückte sie und deutete eine Verbeugung an.
„Sie werden alt“, sagte er, „Aber damit haben Sie etwas erreicht, was ich nie schaffen werde.“
Der Alte lachte leise. „Ich fürchte Sie haben recht. Sie sind zu naiv.“
„Wären Sie so freundlich, dies zu erläutern?“
„Ich wollte die CD haben, um sie Ihnen zu geben. Als Geschenk. Ich wollte Sie nicht erpressen. Was soll ich mit den Sachen die auf der Scheibe gewesen sein sollen? Das sind Kleinigkeiten, Kindereien. Ich hätte sie Ihnen gegeben, ohne eine Gegenleistung zu fordern oder zu erbitten. Die hätte ich nicht nötig gehabt. Ihre Geschäfte habe ich Sie abschließen lassen, weil ich sie nicht wollte. Mr. S. wurde von mir geschickt. Er hatte mich enttäuscht. Sowohl er als auch ich wussten, dass das eine Falle war. Ich hoffe, das mindert Ihren Triumph nicht.“
„Doch, das tut es. Sie haben also sehenden Auges das Spiel bis zum Ende mit gespielt. Warum? Was haben Sie davon?“
„Wenn Sie doch mein Alter erreicht haben sollten, und wenn Sie so erfolgreich sein sollten, wie ich, dann werden Sie eventuell eine große Leere fühlen. Ich habe alles, es gibt für mich kein „mehr“. Also versuche ich, mir die Zeit zu vertreiben.“
Der Besucher sah verwirrt aus. Der Alte lachte.
„Was rede ich denn da?“, sagte der Alte und erhob sich erneut. „Genießen Sie Ihren Sieg.“
Der Besucher wurde hinaus geleitet. Er setzte sich in seinen Wagen, umringt von seinen Bodyguards, die draußen gewartet hatten.

Der Wagen schaffte zwei Kreuzungen, bevor er in die Luft flog.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Willkommen auf/in/unter der Leselupe!

Nette Idee.
Mir etwas zu blutrünstig, zu sehr mit "war/ist alles ganz anders!" gespickt (bei einer oder zwei solchen Wendungen sind diese überrraschend, ab drei wird es langweilig, hier sind …zig davon drin) und zu wenig lakonisch runtererzählt, um den lakonischen Ton wirklich glaubhaft zu machen (Die Passage, dass der Alte gern zuhört, zum Beispiel hat mit der eigentlichen Geschichte nicht viel zu tun und ist deshalb bei einem "echt lakonischen Stil", bei dem ganz schmucklos der Plot "mitgeteilt" wird.), was bewirkt, dass ich nicht sicher bin, ob du nur das Lakonische nicht beherrschst oder doch das Erzählen.
 

Tom Schwarz

Mitglied
@Jon: Ich wusste gar nicht, dass es einen "lakonischen Stil" überhaupt gibt, bis du es erwähnt hast.^^

Ansonsten hatte ich beim Lesen nämlich den Eindruck, dass es sich um eine Art Zusammenfassung bzw. um eine sehr grobe Ausgestaltung einer umfangreicheren Story handelt.
 
P

Pikolaus

Gast
Mach was daraus

Für mich eine Idee eines Krimis, eine Zusammenfassung, gewagt vielleicht ein Exposé, aus der was werden könnte.

LG von Pikolaus
 



 
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