Der einsame Lyriker

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Ironbiber

Foren-Redakteur
Flimmernde goldbunte Regenschnüre benetzen meine Haut.
Mein Haar, es glänzt, trotzig lenkt der Wille meinen Schritt.
Vier Kilometer noch bis in das Kaff, in dem mein Wohnklo steht. Warum muss es gerade jetzt anfangen zu pissen? Und vor allem, wie bin ich nur auf die Idee gekommen, Lyriker zu werden? Die Schuhe quietschen zum Takt der Schmerzensschreie meiner Hühneraugen und ich bin nass bis auf die Knochen. Nicht mal was zum Fressen haben sie mir gegeben und das Glas Leitungswasser, das auf meinem Tisch stand, hätte sogar meine Katze gekillt.

Die Lesung bei der Ortsgruppe „Die Stadtentwickler“ war mal wieder einer meiner tiefsten Griffe ins Klo meiner Lyrikerkarriere. Die Meute war schon so dicht, dass keiner von ihnen morgen überhaupt noch wissen kann, dass da so eine Gestalt auf dem Podium aus seinem Lyrikband vorgelesen hat. Vielleicht ganz gut so, denn den Schrott würde ich mir selbst ja auch nicht anhören.
Gib uns ein Beispiel edler Dichter,
Mit Gold dein Herz wir werden wiegen.
Erfreue all', erfrisch die Geister,
Lass uns zu deinen Füßen liegen!
Von wegen! Zwanzig Exemplare meiner „Urbanlyrik“ hatte ich mitgenommen. Zwanzig Euronen das Stück - gewiss ein angemessener Preis für ein kulturelles Highlight. Zwei haben sie mir geklaut und eins mit Bier eingesaut. Den Rest habe ich in die Mülltonne vor dem Haus geschmissen, da ich diese Schinken nicht wieder heim schleppen wollte.

Nicht mal eine Busfahrkarte kann ich mir noch leisten! Die Kassette auf meinem Tisch war nach der Lesung noch genauso leer wie vorher – bis auf das gebrauchte Tempo, dass einer von den Idioten dort reingewürgt hat.
Herrlich ist’s, in lauen Nächten
Nach dem Wanderstab zu greifen
um vergnügt auf Schusters Rappen
Wald und Wiesen zu durchstreifen!
Ich will nur noch heim, duschen, meine ausgeleierte Jogginghose mit der dünnen, löchrigen Sitzfläche anziehen und mir vor der Glotze die Kanne geben. Lyriker! Wer braucht heutzutage noch Lyriker! Wenn ich mich in jungen Jahren dazu entschlossen hätte, Bierkutscher zu werden, wäre ich heute bestimmt Besitzer eines kleinen Getränkemarktes mit Lieferservice und müsste mich nicht Vereinen, Institutionen und sonstigen Sippschaften der öffentlichen Doppelmoral als Vorleser anbiedern. Wenn nicht Goethe oder Schiller auf der Umschlagspappe steht, kauft eh keiner ein Buch, um es sich zum Angeben in den Schrank zu stellen.
Hufgetrappel, Wagenräder
Fürsten, Knappen, Edelleute.
Der Rösser Lenden schweißgebadet.
Stolze Häupter trotzig heute.
Ich trotze nicht mehr, denn ich bin nass wie ein Schwein und eben hat mich der Volltrottel in seinem Daimler auch noch von oben bis unten eingesaut. Zudem habe ich Hunger und es rumort in meinem Bauch. Das Wasser auf meinem Tisch war bestimmt dort mittags beim Abwaschen übrig geblieben.

Was wird mein Kühlschrank zuhause wohl sagen? Wahrscheinlich gar nichts, denn der freundliche Herr vom Energieversorger hat mir ja schon letzte Woche den Saft abgedreht. Und die Glotze nach der kalten Dusche ist ja dann auch wohl Geschichte. Habe ihm zwar ein Exemplar meiner Lyriksammlung mit persönlicher Widmung angeboten, aber er meinte ganz lapidar: „Nur Bares ist Wahres!" - und dass ich meine Widmung mal etwas mehr einer ehrlichen Arbeit zuwenden sollte“.
Künste lernt‘ ich, hohe Künste,
Künste lernt‘ ich deren zwei.
Lyrisch dichten, Worte malen,
Worte schöpfen, vogelfrei.
Was mache ich mit den restlichen achtzig Exemplaren meiner Urbanyrik? Flohmarkt? Einem Ramschmarkt für fünfzig Cent das Stück anbieten? Wenn ich dafür vierzig Euro bekäme, könnte ich wenigstens den Sperrkassierer wieder ein wenig gnädig stimmen.

Ich werde mich ganz einfach auf die Straße legen und warten bis mich der nächste Vollidiot im Blechkleid platt macht. Die Inschrift auf meinem Grabstein habe ich ja schon aufgeschrieben und als letzte Verfügung an meine Klotür gepinnt:
Zerfressen sollen dich die Maden
Du Lyriker von Gottes Gnaden.
 

molly

Mitglied
Hallo Ironbiber,

Da fällt mir nur ein: Der arme Poet

Jedes Mal, wenn ich jetzt traurig über meine Lyrik bin, werde ich Deine Geschichte lesen und im Nu wieder vergnügt sein.
Sehr gern gelesen :)

Liebe Grüße

molly
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Flimmernde goldbunte Regenschnüre benetzen meine Haut.
Mein Haar, es glänzt, trotzig lenkt der Wille meinen Schritt.
Vier Kilometer noch bis in das Kaff, in dem mein Wohnklo steht. Warum muss es gerade jetzt anfangen zu pissen? Und vor allem, wie bin ich nur auf die Idee gekommen, Lyriker zu werden? Die Schuhe quietschen zum Takt der Schmerzensschreie meiner Hühneraugen und ich bin nass bis auf die Knochen. Nicht mal was zum Fressen haben sie mir gegeben und das Glas Leitungswasser, das auf meinem Tisch stand, hätte sogar meine Katze gekillt.

Die Lesung bei der Ortsgruppe „Die Stadtentwickler“ war mal wieder einer meiner tiefsten Griffe ins Klo meiner Lyrikerkarriere. Die Meute war schon so dicht, dass keiner von ihnen morgen überhaupt noch wissen kann, dass da so eine Gestalt auf dem Podium aus seinem Lyrikband vorgelesen hat. Vielleicht ganz gut so, denn den Schrott würde ich mir selbst ja auch nicht anhören.
Gib uns ein Beispiel edler Dichter,
Mit Gold dein Herz wir werden wiegen.
Erfreue all', erfrisch die Geister,
Lass uns zu deinen Füßen liegen!
Von wegen! Zwanzig Exemplare meiner „Urbanlyrik“ hatte ich mitgenommen. Zwanzig Euronen das Stück - gewiss ein angemessener Preis für ein kulturelles Highlight. Zwei haben sie mir geklaut und eins mit Bier eingesaut. Den Rest habe ich in die Mülltonne vor dem Haus geschmissen, da ich diese Schinken nicht wieder heim schleppen wollte.

Nicht mal eine Busfahrkarte kann ich mir noch leisten! Die Kassette auf meinem Tisch war nach der Lesung noch genauso leer wie vorher – bis auf das gebrauchte Tempo, dass einer von den Idioten dort reingewürgt hat.
Herrlich ist’s, in lauen Nächten
Nach dem Wanderstab zu greifen
um vergnügt auf Schusters Rappen
Wald und Wiesen zu durchstreifen!
Ich will nur noch heim, duschen, meine ausgeleierte Jogginghose mit der dünnen, löchrigen Sitzfläche anziehen und mir vor der Glotze die Kanne geben. Lyriker! Wer braucht heutzutage noch Lyriker! Wenn ich mich in jungen Jahren dazu entschlossen hätte, Bierkutscher zu werden, wäre ich heute bestimmt Besitzer eines kleinen Getränkemarktes mit Lieferservice und müsste mich nicht Vereinen, Institutionen und sonstigen Sippschaften der öffentlichen Doppelmoral als Vorleser anbiedern. Wenn nicht Goethe oder Schiller auf der Umschlagspappe steht, kauft eh keiner ein Buch, um es sich zum Angeben in den Schrank zu stellen.
Hufgetrappel, Wagenräder
Fürsten, Knappen, Edelleute.
Der Rösser Lenden schweißgebadet.
Stolze Häupter trotzig heute.
Ich trotze nicht mehr, denn ich bin nass wie ein Schwein und eben hat mich der Volltrottel in seinem Daimler auch noch von oben bis unten eingesaut. Zudem habe ich Hunger und es rumort in meinem Bauch. Das Wasser auf meinem Tisch war bestimmt dort mittags beim Abwaschen übrig geblieben.

Was wird mein Kühlschrank zuhause wohl sagen? Wahrscheinlich gar nichts, denn der freundliche Herr vom Energieversorger hat mir ja schon letzte Woche den Saft abgedreht. Und die Glotze nach der kalten Dusche ist ja dann auch wohl Geschichte. Habe ihm zwar ein Exemplar meiner Lyriksammlung mit persönlicher Widmung angeboten, aber er meinte ganz lapidar: „Nur Bares ist Wahres!" - und dass ich meine Widmung mal etwas mehr einer ehrlichen Arbeit zuwenden sollte“.
Künste lernt‘ ich, hohe Künste,
Künste lernt‘ ich deren zwei.
Lyrisch dichten, Worte malen,
Worte schöpfen, vogelfrei.
Was mache ich mit den restlichen achtzig Exemplaren meiner Urbanlyrik? Flohmarkt? Einem Ramschmarkt für fünfzig Cent das Stück anbieten? Wenn ich dafür vierzig Euro bekäme, könnte ich wenigstens den Sperrkassierer wieder ein wenig gnädig stimmen.

Ich werde mich ganz einfach auf die Straße legen und warten bis mich der nächste Vollidiot im Blechkleid platt macht. Die Inschrift auf meinem Grabstein habe ich ja schon aufgeschrieben und als letzte Verfügung an meine Klotür gepinnt:
Zerfressen sollen dich die Maden
Du Lyriker von Gottes Gnaden.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Flimmernde goldbunte Regenschnüre benetzen meine Haut.
Mein Haar, es glänzt, trotzig lenkt der Wille meinen Schritt.
Vier Kilometer noch bis in das Kaff, in dem mein Wohnklo steht. Warum muss es gerade jetzt anfangen zu pissen? Und vor allem, wie bin ich nur auf die Idee gekommen, Lyriker zu werden? Die Schuhe quietschen zum Takt der Schmerzensschreie meiner Hühneraugen und ich bin nass bis auf die Knochen. Nicht mal was zum Fressen haben sie mir gegeben und das Glas Leitungswasser, das auf meinem Tisch stand, hätte sogar meine Katze gekillt.

Die Lesung bei der Ortsgruppe „Die Stadtentwickler“ war mal wieder einer der tiefsten Griffe ins Klo meiner Lyrikerkarriere. Die Meute war schon so dicht, dass morgen keiner von denen überhaupt noch wissen kann, dass da so eine Gestalt auf dem Podium aus seinem Lyrikband vorgelesen hat. Vielleicht ganz gut so, denn den Schrott würde ich mir selbst ja auch nicht anhören.
Gib uns ein Beispiel edler Dichter,
Mit Gold dein Herz wir werden wiegen.
Erfreue all', erfrisch die Geister,
Lass uns zu deinen Füßen liegen!
Von wegen! Zwanzig Exemplare meiner „Urbanlyrik“ hatte ich mitgenommen. Zwanzig Euronen das Stück - gewiss ein angemessener Preis für ein kulturelles Highlight. Zwei haben sie mir geklaut und eins mit Bier eingesaut. Den Rest habe ich in die Mülltonne vor dem Haus geschmissen, da ich diese Schinken nicht wieder heim schleppen wollte.

Nicht mal eine Busfahrkarte kann ich mir noch leisten! Die Kassette auf meinem Tisch war nach der Lesung noch genauso leer wie vorher – bis auf das gebrauchte Tempo, dass einer von den Idioten dort reingewürgt hat.
Herrlich ist’s, in lauen Nächten
Nach dem Wanderstab zu greifen
um vergnügt auf Schusters Rappen
Wald und Wiesen zu durchstreifen!
Ich will nur noch heim, duschen, meine ausgeleierte Jogginghose mit der dünnen, löchrigen Sitzfläche anziehen und mir vor der Glotze die Kanne geben. Lyriker! Wer braucht heutzutage noch Lyriker! Wenn ich mich in jungen Jahren dazu entschlossen hätte, Bierkutscher zu werden, wäre ich heute bestimmt Besitzer eines kleinen Getränkemarktes mit Lieferservice und müsste mich nicht Vereinen, Institutionen und sonstigen Sippschaften der öffentlichen Doppelmoral als Vorleser anbiedern. Wenn nicht Goethe oder Schiller auf der Umschlagspappe steht, kauft eh keiner ein Buch, um es sich zum Angeben in den Schrank zu stellen.
Hufgetrappel, Wagenräder
Fürsten, Knappen, Edelleute.
Der Rösser Lenden schweißgebadet.
Stolze Häupter trotzig heute.
Ich trotze nicht mehr, denn ich bin nass wie ein Schwein und eben hat mich der Volltrottel in seinem Daimler auch noch von oben bis unten eingesaut. Zudem habe ich Hunger und es rumort in meinem Bauch. Das Wasser auf meinem Tisch war bestimmt dort mittags beim Abwaschen übrig geblieben.

Was wird mein Kühlschrank zuhause wohl sagen? Wahrscheinlich gar nichts, denn der freundliche Herr vom Energieversorger hat mir ja schon letzte Woche den Saft abgedreht. Und die Glotze nach der kalten Dusche ist ja dann auch wohl Geschichte. Habe ihm zwar ein Exemplar meiner Lyriksammlung mit persönlicher Widmung angeboten, aber er meinte ganz lapidar: „Nur Bares ist Wahres!" - und dass ich meine Widmung mal etwas mehr einer ehrlichen Arbeit zuwenden sollte“.
Künste lernt‘ ich, hohe Künste,
Künste lernt‘ ich deren zwei.
Lyrisch dichten, Worte malen,
Worte schöpfen, vogelfrei.
Was mache ich mit den restlichen achtzig Exemplaren meiner Urbanlyrik? Flohmarkt? Einem Ramschmarkt für fünfzig Cent das Stück anbieten? Wenn ich dafür vierzig Euro bekäme, könnte ich wenigstens den Sperrkassierer wieder ein wenig gnädig stimmen.

Ich werde mich ganz einfach auf die Straße legen und warten bis mich der nächste Vollidiot im Blechkleid platt macht. Die Inschrift auf meinem Grabstein habe ich ja schon aufgeschrieben und als letzte Verfügung an meine Klotür gepinnt:
Zerfressen sollen dich die Maden
Du Lyriker von Gottes Gnaden.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sehr schön, sehr "schön".
Hätte er mal auf seinen Papa gehört und etwas Vernünftiges gelernt. Hätte er mal die richtigen Leute gekannt. Hätte ihn doch jemand entdeckt. Hätte er bloß kein Leben im Konjunktiv gelebt.

Tja, jetzt bleibt ihm nur noch eines übrig: Seine Werke auf der LL zu veröffentlichen.
:(

LG Doc
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Besten Dank erst mal an Kommentatoren und Punktrichter. Das war mal so ein kleiner Seitenhieb von mir auf die Lyrik im Allgemein und die LLL (Leselupenlyrik) im Besonderen, den ich mir einfach nicht verkneifen konnte.

Da man ja für Lyrik nicht zu alt oder zu jung sein kann, liegt mein verhaltenes Kopfschütteln über die gedanklichen Ergüsse so mancher Denker und Dichter wohl daran, dass ich für diese Art der Gehirnakrobatik einfach zu doof bin. Das nehme ich zur Kenntnis und versichere, dass ich an mir arbeiten werde.

Übrigens: Nichts gegen Goethe und Schiller. Goethe hat immerhin ein Institut gegründet und Schiller besticht noch heute durch seine Locken, die sogar Einzug in die Kühlregale der Supermärkte gefunden haben.

Es dankt und grüßt der Ironbiber, nach dem sicherlich nie was benannt werden wird.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Oh, Du hast tatsächlich die Leselupenlyrik im Blick gehabt. Das ist jetzt aber ein bisschen gemein. :)
Vielleicht vergreift sich ein Lyriker mal an den Prosaikern.

Übrigens, der Biber findet sich immerhin in jedem Biobuch.

LG Doc, auch zu doof für Lyrik ...
 

APO

Mitglied
Hallo Ironbiber,

dein Lyriker ist auch Prosaist, nicht? Außerdem scheint er ein ziemlicher Proll zu sein. Guckt wahrscheinlich Super RTL ... Wo sind die schönen Zitate her? aus dem Fundus der LL?;-)
Gern gegrient
APO
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo APO,

Das war Ironlyrik, frisch aus einem Regal meiner Gehirnwindungen geholt und auf den grünen Tisch der Leselupe gezaubert – also Schrott vom Feinsten.

Da muss ich an dieser Stelle gleich mal etwas entgegensteuern, um die Ehre der dichtenden und verdichtenden Profis der Leselupe zu retten:

Ich habe hier sehr viele Autoren lesen dürfen, die mit wenigen Worten bezaubernde Bilder gemalt haben und sich hinter den ganz Großen ihrer Zunft nicht verstecken müssen.

Bitte betrachtet diese kleine Gemeinheit also bitte so, wie sie gedacht war: Als Spaß unter Freunden und einem kleinen taktischen Foul an besonders guten Freunden.

Aber wie gesagt: Ich arbeite voller Inbrunst an mir und bin sicher, dass ich eines schönen Tages erleuchtet, mein verhaltenes Kopfschütteln bei manchen Beiträgen durch begeistertes Kopfnicken ablösen kann.

Grüße vom Ironbiber
 
Herrlich, großartig, magnifique!
Doch die feinsinnige, subtile Lyrik, die unser Genie hier seiner Feder entlockt, passt so irgendwie gar nicht richtig (der kundige Leser merkt: ich winde mich unsäglich) zur eher derben Prosa, die der Protagonist von sich gibt, geradezu ausstößt, ja erbricht. Kein Wunder, denn in seinem einsamen Innersten verzehren sich seine Organe Stück für Stück an berauschender Lyrik, ertrinken in der Glut meisterhaft aneinander gereihter Wörter, Wortfetzen .... (mehr dazu in meiner morgigen FAZ-Rezension)

K.B.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo Klaus,

dank erst mal für deinen Kommentar.

Ich habe in diesem Stück, dass mir wieder mal morgens beim Zähneputzen eingefallen ist (da habe ich immer die besten Ideen), bewusst schwülstige Lyrik mit Gossensprache verbunden um die Diskrepanz zwischen der Realität und der Gefühlswelt des Protagonisten zum Einen und uns Allen zum Anderen aufzuzeigen.

Wenn es mir gelungen ist, dies einigermaßen authentisch rüberzubringen, so macht mich das froh.

Grüße vom Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Hallo mein Eisenbiber,

Ja, ja so kann es kommen, ich kenne das!

Lyriker sind immer einsam, bis auf den ersten Zug nach Schluss der Frankfurter Buchmesse. In diesem nämlich treten die Lyriker massiert auf. Alle sind schwarz gewandet, schreiten und blicken ernst und leidend einher und die Frauen tragen keinen BH.

Nun ja, um noch einen draufzusetzen:
Der Chef vom Altersheim, in dem ich die Bilder meines Vaters ausgestellt habe, hat mit mir eine Lesung vereinbart. (Kleine Geschichten aus Darenwede)
Ich Depp kaufe mir extra dafür eine Nebelmaschine, und aktiviere ein paar Nachbarn. Glücklicherweise hatten die keine Zeit oder was auch immer, genau wie die Typen vom Bremer Literaturkreis.
Naja, also ich denn dahin, aber da hing noch nicht mal ein pissiger Zettel und der Chef war auch nicht da.
Er hatte es nämlich vergessen!
Das war ja sowas von peinlich für mich, kommste da hin, von wegen ich möchte gerne hier lesen und was gibt’s zu hören?
„Da müssen Sie mal…!“ und „höhöhö, Lesung? Wissen wir nicht! Wir sind nur angestellt…“ usw.
Ist mir noch nie passiert, sowas!

Ach, egal, das Leben geht weiter.
Vielleicht sollte ich Minigolf spielen, das ist sogar beim Zugucken langweilig. Oder Angeln, da braucht man sich wenigstens nicht zu bewegen, wenn man im Regen steht.

In diesem Sinne!

Viele Grüße
Yours Hagen
____________________________
Beginne den Tag mit einem Lächeln,
dann hast Du das wenigstens hinter Dir!
 
O

orlando

Gast
Köstlich!
Mein Favorit:

Hufgetrappel, Wagenräder
Fürsten, Knappen, Edelleute.
Der Rösser Lenden schweißgebadet.
Stolze Häupter trotzig heute.
Das ist so was von ... :D:)

Lachende Grüße
orlando
 

revilo

Mitglied
Was für ein geiler Text...
klasse.. witzig... spritzig.. so herrlich vor Selbstmitleid triefend...
LG revilo
 

Happy End

Mitglied
Hallo Ironbiber.
Schmunzel...
Dein Lyriker hat es wahrlich nicht besser verdient, möchte man meinen.
Aber auch der Prosaiker sollte sich vor Formulierungen wie "Wohnklo" für Wohnung, "Euronen" für Euros und "Blechkleid" für Auto hüten, da sie doch ein wenig abgegriffen sind.
Schöne Grüße!
 

James Blond

Mitglied
Lieber ironbiber,

wenn ich an satirische Lyrik denke, komme ich nie an Loriots "Melusine" vorbei, die hier wohl Maßstäbe setzte, allerdings oft auch von ernstgemeinten Plagiaten noch übertroffen wird.

Wenn ich an Satire über Lyrik(er) denke, so denke ich: es wird wohl schwer - denn nichts scheint zunächst leichter, als hochtrabende Verse mit einer platt-banalen Wirklichkeit zu konfrontieren, den Dichter also mit himmelwärts gerichtetem Blick in die nächste Grube fallen zu lassen.

Und dieses Einfache macht es wiederum so schwer: Ausgezeichnete Dichterkarikaturen und Lyriksatiren gibt es von Busch bis Gernhardt bereits zuhauf. Auch ist die Bereitschaft zur Selbstironie, von einigen unrühmlichen Beispielen in der LL einmal abgesehen, unter Lyrikern zumeist sehr hoch und viele nehmen sich gern auch selbst auf die Schippe. Das macht es auf diesem Felde aber nicht einfacher, mit Satiren zu punkten.

Was mir an Deiner Satire über den einsamen Lyriker gefällt, ist die Idee, einer im Rückblick geschilderten desaströsen Lyriklesung ausgesuchte Musterbeispiele erhabenster Dichtkunst gegenüberzustellen. Damit karikiert das Geschehen die Poesie, deren sprachliche Verherrlichungen nun ironisch umgedeutet wird.

Was mir weniger gut gefällt, sind die Abschnitte zwischen den Vers-Zitaten. Natürlich kann man hier der feinen poetischen Sprache die prosaische Realität in deftigen Worten folgen lassen, allerdings nutzt sich der Effekt schnell ab, und der Gebrauch immer stärkerer Kraftwörter ermüdet den Leser, ohne dass ein satirischer Effekt spürbar würde:

Pissen, schmerzenschreiende Hühneraugen, Fressen, gekillte Katze, Griff ins Klo,Schrott, eingesaut, Abwaschwasser, Saft abdrehen, Glotze, Vollidiot, Blechkleid, platt machen, Klotür, ...

Vieles von dem, was hier so betont wurstig vertextet wird, hat im Grunde nichts mit Lyrikern zu tun, auch wenn es auf die prekäre Lebensituation eines Dichters zielt.

Daneben werden Chancen zur Ironie verspielt: Anstelle von "Urbanlyrik" ließe sich sicher ein weitaus abgehobener Titel finden, wie z.B. "Asphaltspuren" oder "Gedankenlieder". Vor allem wird die satirische Wirkung empfindlich gestört durch die Tatsache, dass der Dichter seinen eigenen Schöpfungen und seinem Handeln auch selbst recht ambivalent gegenübersteht: "Wer braucht heutzutage noch Lyriker?"
Satire geht aber anders.
Durch solche Selbstzweifel verschenkst Du komisches Potenzial, das durch die Übersteigerung von Eigendünkel und Selbstverkennung zur Geltung gebracht werden könnte. Spotten lässt sich viel trefflicher über jemanden, dem die Fähigkeit zur Selbstironie, d.h. zur kritischen Selbstbetrachtung, weitgehend abhanden gekommen ist, wie es sich an den unfreiwilligen Beispielen in der LL ja auch zeigt.

Liebe Grüße

JB
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo James Blond,

Ich dank dir für deine ehrliche Meinung und Kritik an dieser kleinen Gemeinheit meinerseits gegenüber der Fraktion der Lyrikschaffenden, die, wie wir Prosaiker, "ja auch nur spielen wollen". :)

Wenn es mir gelungen ist, ein paar Leutchen zu unterhalten, sie zum Schmunzeln zu bringen und einen leisen Hauch der Selbsterkenntnis auf das Gesicht des Einen oder Anderen zu zaubern, sehe ich meine Absicht als gelungen an.

Und gegenüber Kritikern, die so konstruktiv wie du ihre Sicht der Dinge schildern, habe ich immer ein offenens Ohr.

Gruß vom Ironbiber
 



 
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