Herbstblatt
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Der frühe Morgen
Wieder schrak sie hoch, im Ohr noch das Wimmern. Wo kam es her? Ihr Herz klopfte hoch oben im Hals, ihr T-Shirt war nassgeschwitzt. „3.26 Uhr – ich hab noch Zeit.“
Sie legte sich zurück, die Hände auf der Brust, als wolle sie ihr galoppierendes Herz festhalten. Es schlug noch immer zu schnell. Ansonsten war alles still, kein jammern oder wimmern.
„Morgen ist es vorbei, morgen habe ich es geschafft.“, murmelte sie. Doch der Schlaf wollte nicht wieder kommen. Sie seufzte, 3.40 Uhr. Müde und zerschlagen fühlte sie sich, andererseits hellwach.
„Komm schon, was gibt es da zu überlegen? Du machst deine Ausbildung fertig, dann können wir immer noch darüber nachdenken!“ Stephan hatte sie auf seine typische Art angelächelt, charmant und seiner Überzeugungskraft sicher.
„Ich liebe dich!“, flüsterte er ihr ins Haar, als er sie fest umarmte.
„Du musst an dich denken, an deine Zukunft.“, sagten ihre Eltern.
„Was soll aus deinen Plänen werden?“ ihr Bruder.
„Mein Gott, Sarah, das ist ja nun heutzutage wirklich kein Problem mehr!“, Lena.
Sie drehte sich um. 3.55 Uhr. Die Stimmen hallten in ihrem Kopf wider, all die Tipps und Ratschläge, die sie in den letzten Tagen erhalten hatte.
„Ob ich Oma anrufe?“, sie schaute wieder zur Uhr. Nein, keine Chance. Auch wenn alte Leute nicht mehr so viel schlafen, das war wohl keine Option.
Sie gab auf. „4.10 Uhr, da kann ich genauso gut aufstehen.“ Sie erschrak über ihre eigene Stimme, die seltsam dünn und belegt klang. Sie tappte ins Bad, die Straßenlampen trugen ihren Schatten voraus. Sie setzte sich auf den Wannenrand und horchte in sich hinein. Nein, heute war ihr seltsamerweise nicht schlecht.
Der Wasserhahn quietschte leise, als sie ihn aufdrehte. Schaumbad, zwei Kerzen auf den Rand. Aufseufzend ließ sie sich in das angenehm warme Wasser gleiten. Es umschloss sie sanft, wie eine zärtliche Berührung. Unbewusst wanderten ihre Hände zu ihrem Bauch, legten sich schützend darüber. „Fühlst du dich so?“, dachte sie. Sie schloss die Augen und gab sich ihren Empfindungen hin. Leise summte sie, die Kerze flackerte in der feuchten, duftenden Luft.
Plötzlich fuhr sie auf – da war es wieder, diesen Wimmern. War sie das am Ende selbst? Sie schlug mit den Händen auf das Wasser, dass es spritzte. Zorn und Ohnmacht wallten in ihr auf – „warum ich?“, sie schrie es beinahe.
Wütend kletterte sie aus der Wanne, mit einer heftigen Handbewegung strich sie sich über das Gesicht.
„Ich weine n i c h t !“, entschied sie laut. „Morgen lache ich darüber!“ Ihr Spiegelbild war trotzig und tränenverschmiert. „Meine Entscheidung steht fest, ich werde heute 7.30 Uhr im Krankenhaus sein! Morgen Abend bin ich wieder daheim! Und dann geht mein Leben weiter wie bisher. Ich werde meine Ausbildung beenden! Ich werde im Sommer mit Stephan zusammen ziehen! Und nächstes Jahr beginne ich das Studium, das man mir angeboten hat! So wie ich es geplant habe. So und nicht anders!“ Sie wischte über den Spiegel, zerrieb ihr Spiegelbild in feuchte Schlieren.
Dann zog sie sich an, packte ihre Tasche fertig und kochte sich einen Cappuccino. Ihr Magen rebellierte, doch sie trank die Tasse entschlossen aus. Als sie gerade über dem Toilettenbecken hing, klingelte das Telefon.
„Hallo Sarah, mein Kind, bist du schon wach?“ fragte ihre Oma am anderen Ende. „Ich kann mal wieder nicht schlafen, weißt du, und dann muss ich so viel nachdenken. Aber was soll ich dich damit belasten. Vielleicht hast du ja Lust, mir ein bisschen von dir zu erzählen? Geht’s dir gut, Sarah? Hallo? Sarah, weinst du?“
Die Stimme klang voller Sorge, und das war es, was Sarah dazu brachte, alles zu erzählen. Von den letzten beiden Wochen, in denen ihr alles aus den Händen glitt. Von den schlaflosen Nächten und den Ratschlägen ihrer Freunde. Und von ihrer Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.
„Hast du dich denn entschieden?“, fragte Oma.
„Nein“, sie zögerte, „Nein, bis jetzt hatte ich mich wohl noch nicht entschieden. Ich glaube, ich habe einfach gemacht, was mir alle geraten haben.“ Staunend nahm sie diese klare Erkenntnis war.
„Und jetzt?“
Sie lächelte, als sie antwortete: „Jetzt habe ich mich wirklich entschieden! Ich werde mein Kind bekommen. Ich kann sicher auch mit Kind studieren, ja, warum soll das eigentlich nicht gehen?!“
„Ach Sarah, was wird dein Stephan dazu sagen?“
„Ich weiß es nicht, Oma. Ich hoffe, er hält zu mir. Und wenn nicht – dann werde ich es trotzdem schaffen. Irgendwie.“
Die Ruhe war nicht mehr beängstigend, als sie auflegte. Sie trat ans Fenster, die Sonne ging auf und es wurde hell. Weit öffnete sie beide Fensterflügel, ließ Licht und Vogelgezwitscher herein. Sie ging zum Telefon und wählte die Nummer der Klinik.
Wieder schrak sie hoch, im Ohr noch das Wimmern. Wo kam es her? Ihr Herz klopfte hoch oben im Hals, ihr T-Shirt war nassgeschwitzt. „3.26 Uhr – ich hab noch Zeit.“
Sie legte sich zurück, die Hände auf der Brust, als wolle sie ihr galoppierendes Herz festhalten. Es schlug noch immer zu schnell. Ansonsten war alles still, kein jammern oder wimmern.
„Morgen ist es vorbei, morgen habe ich es geschafft.“, murmelte sie. Doch der Schlaf wollte nicht wieder kommen. Sie seufzte, 3.40 Uhr. Müde und zerschlagen fühlte sie sich, andererseits hellwach.
„Komm schon, was gibt es da zu überlegen? Du machst deine Ausbildung fertig, dann können wir immer noch darüber nachdenken!“ Stephan hatte sie auf seine typische Art angelächelt, charmant und seiner Überzeugungskraft sicher.
„Ich liebe dich!“, flüsterte er ihr ins Haar, als er sie fest umarmte.
„Du musst an dich denken, an deine Zukunft.“, sagten ihre Eltern.
„Was soll aus deinen Plänen werden?“ ihr Bruder.
„Mein Gott, Sarah, das ist ja nun heutzutage wirklich kein Problem mehr!“, Lena.
Sie drehte sich um. 3.55 Uhr. Die Stimmen hallten in ihrem Kopf wider, all die Tipps und Ratschläge, die sie in den letzten Tagen erhalten hatte.
„Ob ich Oma anrufe?“, sie schaute wieder zur Uhr. Nein, keine Chance. Auch wenn alte Leute nicht mehr so viel schlafen, das war wohl keine Option.
Sie gab auf. „4.10 Uhr, da kann ich genauso gut aufstehen.“ Sie erschrak über ihre eigene Stimme, die seltsam dünn und belegt klang. Sie tappte ins Bad, die Straßenlampen trugen ihren Schatten voraus. Sie setzte sich auf den Wannenrand und horchte in sich hinein. Nein, heute war ihr seltsamerweise nicht schlecht.
Der Wasserhahn quietschte leise, als sie ihn aufdrehte. Schaumbad, zwei Kerzen auf den Rand. Aufseufzend ließ sie sich in das angenehm warme Wasser gleiten. Es umschloss sie sanft, wie eine zärtliche Berührung. Unbewusst wanderten ihre Hände zu ihrem Bauch, legten sich schützend darüber. „Fühlst du dich so?“, dachte sie. Sie schloss die Augen und gab sich ihren Empfindungen hin. Leise summte sie, die Kerze flackerte in der feuchten, duftenden Luft.
Plötzlich fuhr sie auf – da war es wieder, diesen Wimmern. War sie das am Ende selbst? Sie schlug mit den Händen auf das Wasser, dass es spritzte. Zorn und Ohnmacht wallten in ihr auf – „warum ich?“, sie schrie es beinahe.
Wütend kletterte sie aus der Wanne, mit einer heftigen Handbewegung strich sie sich über das Gesicht.
„Ich weine n i c h t !“, entschied sie laut. „Morgen lache ich darüber!“ Ihr Spiegelbild war trotzig und tränenverschmiert. „Meine Entscheidung steht fest, ich werde heute 7.30 Uhr im Krankenhaus sein! Morgen Abend bin ich wieder daheim! Und dann geht mein Leben weiter wie bisher. Ich werde meine Ausbildung beenden! Ich werde im Sommer mit Stephan zusammen ziehen! Und nächstes Jahr beginne ich das Studium, das man mir angeboten hat! So wie ich es geplant habe. So und nicht anders!“ Sie wischte über den Spiegel, zerrieb ihr Spiegelbild in feuchte Schlieren.
Dann zog sie sich an, packte ihre Tasche fertig und kochte sich einen Cappuccino. Ihr Magen rebellierte, doch sie trank die Tasse entschlossen aus. Als sie gerade über dem Toilettenbecken hing, klingelte das Telefon.
„Hallo Sarah, mein Kind, bist du schon wach?“ fragte ihre Oma am anderen Ende. „Ich kann mal wieder nicht schlafen, weißt du, und dann muss ich so viel nachdenken. Aber was soll ich dich damit belasten. Vielleicht hast du ja Lust, mir ein bisschen von dir zu erzählen? Geht’s dir gut, Sarah? Hallo? Sarah, weinst du?“
Die Stimme klang voller Sorge, und das war es, was Sarah dazu brachte, alles zu erzählen. Von den letzten beiden Wochen, in denen ihr alles aus den Händen glitt. Von den schlaflosen Nächten und den Ratschlägen ihrer Freunde. Und von ihrer Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.
„Hast du dich denn entschieden?“, fragte Oma.
„Nein“, sie zögerte, „Nein, bis jetzt hatte ich mich wohl noch nicht entschieden. Ich glaube, ich habe einfach gemacht, was mir alle geraten haben.“ Staunend nahm sie diese klare Erkenntnis war.
„Und jetzt?“
Sie lächelte, als sie antwortete: „Jetzt habe ich mich wirklich entschieden! Ich werde mein Kind bekommen. Ich kann sicher auch mit Kind studieren, ja, warum soll das eigentlich nicht gehen?!“
„Ach Sarah, was wird dein Stephan dazu sagen?“
„Ich weiß es nicht, Oma. Ich hoffe, er hält zu mir. Und wenn nicht – dann werde ich es trotzdem schaffen. Irgendwie.“
Die Ruhe war nicht mehr beängstigend, als sie auflegte. Sie trat ans Fenster, die Sonne ging auf und es wurde hell. Weit öffnete sie beide Fensterflügel, ließ Licht und Vogelgezwitscher herein. Sie ging zum Telefon und wählte die Nummer der Klinik.