Der gestiefelte Kater

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joecec

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Der gestiefelte Kater


Er stapfte durch den Schnee, getrieben von dem Duft, der sie so unwiderstehlich machte. Ihm leuchteten die Vorzüge der Stiefel ein, die seine Leibeigene ihm übergezogen hatte, nicht aber deren Notwendigkeit. Um die Ecke biegend erkannte er den Hausherren zuerst am ungelenken Gang, dann auch am Fell. Der neumannsche Kater plusterte sich auf eigenem Terrain auf, so gut er das in seinem Alter noch konnte. Die Angebetete saß scheinbar teilnahmslos, aber nicht minder verlockend, auf der Mauer, als sei es noch nötig, die Anwesenden von ihren Vorzügen zu überzeugen. Die wenigen Augenpaare, die aus den Büschen leuchteten, gehörten den Überwachern der Riten und Regeln. Ein Abweichen von denselben wäre kollektiv geahndet worden.

Der Siedlungs-Eunuch trat zwischen die Kontrahenten, besah sich die verpackten Pfoten des Herausforderers und schüttelte das durch keinerlei Erregung zerstreute Haupt.
„So besohlt könnt ihr die Arena nicht betreten. Selbst für einen Recken eures Kalibers ziemt es sich nicht, mit solcher Art Fußkleid einen Disput auszufechten. Ihr seid hiermit des Platzes verwiesen.“ Für artfremde Ohrenzeugen mochte dieser Satz weit holpriger klingen, weil die Eloquenz seines Autors nur mit verhandlungssicherem linguistischen Hintergrundwissen begreifbar war.

Hätte es ein Zertifikat für besonders ausschweifendes Augenrollen gegeben, sie wäre die Namensgeberin dafür gewesen, gleichwohl sie keinen Namen hatte, weil sie keinen brauchte. Niemand hier hätte ihn aussprechen können, wozu also hätte sie ihn tragen sollen? Die Stiefel, die sie letzte Nacht im gemeinsamen Versteck noch so scharf gemacht hatten, sorgten nun dafür, dass sie eine weitere Saison mit diesem alten Sack verbringen musste, der nur einen hochbekam, wenn sie sich vor ihn hockte und ihm den pheromongetränkten Schoß buchstäblich unter die Nase rieb. Dieser Blödmann! Kam hier mit unzulässigem Schuhwerk an und vermasselte die Gebietsübernahme durch Regelbruch!

Den machte der genital Entkernte wortlos, aber nicht zahnlos und schon gar nicht lautlos unmissverständlich präsent, bis der Gestiefelte gesenkten Kopfes das Weite suchte. Der verstohlene Blick auf die Erhabene weckte Erinnerungen an manche heimliche Nacht. Sein Gemächt pflügte durch den Schnee, was abregend aber keinesfalls besänftigend wirkte. Er würde der Futterquelle mit den Reflexen einer trägen Hanfkordel die Arme zerkratzen, wenn sie beim nächsten Schnee auch nur in die Nähe der Schublade mit den unangemessenen Katzen-Accessoires gehen würde.

Er durchstreifte die zu seinem Revier zählenden Gärten auf der Suche nach den Wenigen, die mittels Klappe oder Bediensteten den Weg ins Freie gefunden hatten. Sie waren kein Ersatz, aber eine adäquate Ablenkung und er war nicht zimperlich mit ihnen. Mochte die Ersehnte doch hören, was sie verpasste, wenn sie nicht ohnehin daran dachte, während der Fettsack sich abmühte, ohne einen nennenswerten Eindruck zu hinterlassen. Kälte und Hunger trieben ihn trotz anhaltender Unruhe in die heimische Burg.

Er träumte von ihr, während er sich den vollgestopften Bauch kraulen ließ und die Wärme der Couch genoss, die leider nicht nach ihr roch. Die Kordel-bewährten Stützen seines Nachtlagers sahen dem Neumannschen verblüffend ähnlich, während sich seine Krallen hineinbohrten und faserig auf dem Boden verteilten, was er dem Angeber gerne aus der Visage gemeißelt hätte. Er schlief unruhig und träumte von gewaltigen Hieben und mächtige Stößen, bis ihn die imaginierten Kampfesschreie und die ausgemalten Stelldicheins nicht mehr davon abzulenken vermochten, dass es wieder an der Zeit war, den eigenen Kalorienmangel derjenigen mitzuteilen, die über Wissen und Werkzeug verfügte, die wundersam nachhaltigen Nahrungsvorräte in verzehrgerechter Weise zu arrangieren.

Er sprang übermütig vom Zwischengeschoss auf den Landeläufer, stolzierte zum üblichen Ort des Fressens und Entsorgens und verkündete lautstark seinen unaufschiebbaren Bedarf. Er war fest entschlossen, die Begehrte auch heute wieder weg von den wachsamen Blicken der Nachbarn in sein Revier zu locken, ob es sich ziemte oder nicht.
 

Marker

Mitglied
Hallo joecec

Gewitzt! Folgender Satz finde ich ein wenig umständlich, ich würde eventuell den Teil nach dem Komma ändern:

‘Die wenigen Augenpaare, die aus den Büschen leuchteten, gehörten den Überwachern der Riten und Regeln.’

Mein Vorschlag:
Die wenigen Augenpaare, die aus den Büschen leuchteten, gehörten den Sittenwächtern (oder strengen Sittenwächtern). Dann hast du die Bedeutung von Überwacher, Riten und Regeln zusammengefasst, denn «Sittenwächter» impliziert ja all dies.

Ein bisschen erinnert mich dein Text an meine eigenen göttergleichen Feliden, deren Bediensteter – oder auch zweibeiniger Dosenfutteröffner - ich im Grunde nur bin ;-)

LG, Marker
 

joecec

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Hi Marker,

danke für deine Antwort und den Hinweis. Ich weiß nicht, ob "Sittenwächter" es trifft. mir ging es konkret um die Überwacher des Einhaltens der Regeln für solche Auseinandersetzungen. ;-)
Ich denke noch mal darauf herum, etwas mühsam liest sich das schon, stimmt.

Vielleicht:
"Die wenigen Augenpaare, die aus den Büschen leuchteten, gehörten denjenigen, die penibel auf die Einhaltung der Regeln für derlei Auseinandersetzungen achteten."

Danke und lieben Gruß
Joyce
 

ariel

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Hallo joecec,

diese, Deine Adaption des Grimm´schen Märchens "Der gestiefelte Kater" fand ich interessant zu lesen, hat mir gefallen.

Liebe Grüße
Ariel
 

Marker

Mitglied
Ja, Joyce, verstehe. Aber auch dieser Satz klingt für mich noch ein bisschen umständlich.
Ein Vorschlag, nur ein Vorschlag:

Die Augen der Wenigen, die penibel auf die Einhaltung der Regeln für solches Gezänk (oder derlei Auseinandersetzungen) achteten, leuchteten aus den Büschen.

LG, Marker
 

joecec

Mitglied
Der ist gut, in der Form gefällt er mir:
"Die Augen der Wenigen, die penibel auf die Einhaltung der Regeln für solche Auseinandersetzungen achteten, leuchteten aus den Büschen."
Lasse ich mal so stehen und wenn er mir nachher noch gefällt, ist er gekauft. ;-)

Danke und LG
Joyce
 

Marker

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liebe joyce
geschenkt! ich gebe dir 7 katzenpfoetchen fuer diese kesse story.
herzlich,
marker
 

joecec

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Der gestiefelte Kater


Er stapfte durch den Schnee, getrieben von dem Duft, der sie so unwiderstehlich machte. Ihm leuchteten die Vorzüge der Stiefel ein, die seine Leibeigene ihm übergezogen hatte, nicht aber deren Notwendigkeit. Um die Ecke biegend erkannte er den Hausherren zuerst am ungelenken Gang, dann auch am Fell. Der neumannsche Kater plusterte sich auf eigenem Terrain auf, so gut er das in seinem Alter noch konnte. Die Angebetete saß scheinbar teilnahmslos, aber nicht minder verlockend, auf der Mauer, als sei es noch nötig, die Anwesenden von ihren Vorzügen zu überzeugen. Die Augen der Wenigen, die penibel auf die Einhaltung der Regeln für solche Auseinandersetzungen achteten, leuchteten aus den Büschen. Ein Abweichen von denselben wäre kollektiv geahndet worden.

Der Siedlungs-Eunuch trat zwischen die Kontrahenten, besah sich die verpackten Pfoten des Herausforderers und schüttelte das durch keinerlei Erregung zerstreute Haupt.
„So besohlt könnt ihr die Arena nicht betreten. Selbst für einen Recken eures Kalibers ziemt es sich nicht, mit solcher Art Fußkleid einen Disput auszufechten. Ihr seid hiermit des Platzes verwiesen.“ Für artfremde Ohrenzeugen mochte dieser Satz weit holpriger klingen, weil die Eloquenz seines Autors nur mit verhandlungssicherem linguistischen Hintergrundwissen begreifbar war.

Hätte es ein Zertifikat für besonders ausschweifendes Augenrollen gegeben, sie wäre die Namensgeberin dafür gewesen, gleichwohl sie keinen Namen hatte, weil sie keinen brauchte. Niemand hier hätte ihn aussprechen können, wozu also hätte sie ihn tragen sollen? Die Stiefel, die sie letzte Nacht im gemeinsamen Versteck noch so scharf gemacht hatten, sorgten nun dafür, dass sie eine weitere Saison mit diesem alten Sack verbringen musste, der nur einen hochbekam, wenn sie sich vor ihn hockte und ihm den pheromongetränkten Schoß buchstäblich unter die Nase rieb. Dieser Blödmann! Kam hier mit unzulässigem Schuhwerk an und vermasselte die Gebietsübernahme durch Regelbruch!

Den machte der genital Entkernte wortlos, aber nicht zahnlos und schon gar nicht lautlos unmissverständlich präsent, bis der Gestiefelte gesenkten Kopfes das Weite suchte. Der verstohlene Blick auf die Erhabene weckte Erinnerungen an manche heimliche Nacht. Sein Gemächt pflügte durch den Schnee, was abregend aber keinesfalls besänftigend wirkte. Er würde der Futterquelle mit den Reflexen einer trägen Hanfkordel die Arme zerkratzen, wenn sie beim nächsten Schnee auch nur in die Nähe der Schublade mit den unangemessenen Katzen-Accessoires gehen würde.

Er durchstreifte die zu seinem Revier zählenden Gärten auf der Suche nach den Wenigen, die mittels Klappe oder Bediensteten den Weg ins Freie gefunden hatten. Sie waren kein Ersatz, aber eine adäquate Ablenkung und er war nicht zimperlich mit ihnen. Mochte die Ersehnte doch hören, was sie verpasste, wenn sie nicht ohnehin daran dachte, während der Fettsack sich abmühte, ohne einen nennenswerten Eindruck zu hinterlassen. Kälte und Hunger trieben ihn trotz anhaltender Unruhe in die heimische Burg.

Er träumte von ihr, während er sich den vollgestopften Bauch kraulen ließ und die Wärme der Couch genoss, die leider nicht nach ihr roch. Die Kordel-bewährten Stützen seines Nachtlagers sahen dem Neumannschen verblüffend ähnlich, während sich seine Krallen hineinbohrten und faserig auf dem Boden verteilten, was er dem Angeber gerne aus der Visage gemeißelt hätte. Er schlief unruhig und träumte von gewaltigen Hieben und mächtige Stößen, bis ihn die imaginierten Kampfesschreie und die ausgemalten Stelldicheins nicht mehr davon abzulenken vermochten, dass es wieder an der Zeit war, den eigenen Kalorienmangel derjenigen mitzuteilen, die über Wissen und Werkzeug verfügte, die wundersam nachhaltigen Nahrungsvorräte in verzehrgerechter Weise zu arrangieren.

Er sprang übermütig vom Zwischengeschoss auf den Landeläufer, stolzierte zum üblichen Ort des Fressens und Entsorgens und verkündete lautstark seinen unaufschiebbaren Bedarf. Er war fest entschlossen, die Begehrte auch heute wieder weg von den wachsamen Blicken der Nachbarn in sein Revier zu locken, ob es sich ziemte oder nicht.
 



 
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