Der gute Rat / Anekdote

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MarenS

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Der gute Rat

In einem kleinen Örtchen am Rande des Odenwaldes lebt ein Mann, dessen Schalk im ganzen Ort bekannt ist. Wohl ist er treusorgender Familienvater und Ehemann, doch seine Lausbubenmentalität ist ihm immer zu eigen geblieben.
An einem völlig verregneten, trüben Herbsttag war er mit seinen Hunden im Wald unterwegs und sein Weg führte ihn am "Strahlenfeld" vorbei. Nun muss man wissen, dass in dieser Gegend, nahe bei der Ortschaft zu früheren Zeiten Erz abgebaut wurde und nun findige Menschen auf die fixe Idee kamen, in jenem Waldstück nahe bei der Erzabbaustelle gäbe es Strahlungen aus der Erde, die eine Lichtung mit heilsamer Energie ausfülle. Dies führte dazu, dass eine Zeitlang gutgläubige Menschen zu dieser Lichtung pilgerten, in der Hoffnung, sich dort durch diese Strahlung Gutes zu tun. Der wunderschöne Weg durch den Wald mag ja durchaus positiv auf die Gesundheit dieser Menschen eingewirkt haben, die Strahlungen aber wurden von Experten als völlig unzureichend bezeichnet, um irgendeine Wirkung zu zeigen. Aber wie es so ist, manche Leute wollten dies nicht wahr haben und so ging das Treiben an jener Stelle noch eine ganze Weile weiter.

Eben diese Lichtung querte also unser Freund bei jenem scheußlichen Wetter und traf dort zu seiner Überraschung auf zwei Menschen, die dort standen. Sie hielten die Augen geschlossen und trugen zum Schutz gegen die Unbilden des Wetters einen aufgespannten Regenschirm in der einen Hand, während sie die andere - wohl um die Strahlen besser aufnehmen zu können - mit gepreizten Fingern schräg Richtung Erdboden von sich hielten.
Dieses Bild fesselte unseren wackeren Wanderer und er verweilte ein wenig, um diese beiden zu beobachten. Doch noch während er die Szene in sich aufnahm stiegen Zweifel in ihm empor, ob die beiden denn die Strahlung auch auf die wirksamste Weise auffingen und, hilfsbereit wie er war, begann er darüber nachzusinnen was besser zu machen sei.
Es dauerte auch nicht lange, bis er eine zündende Idee hatte. So sprach er die zwei vorsichtig an, um sie nicht zu erschrecken und teilte ihnen sanft mit, dass seiner Meinung nach durch die aufgespannten Regenschirme die Energie einfach abgeleitet werde. Die beiden schauten gleichermaßen verblüfft wie ratlos. Nun war die Stunde unseres findigen Freundes gekommen. Mit gewichtigen Worten erklärte er den beiden die Funktion einer Satellitenschüssel und hob hervor, sie sei wie eine große Schüssel den Strahlen entgegen gerichtet, um möglichst viel auffangen zu können. Daraus ließe sich logischerweise schließen, dass sich Strahlung am ehesten mit umgedrehtem Regenschirm auffangen ließe. Die Spitze des Regenschirmes müsse dann die gebündelte Energie in die Hand hinein leiten.
Diese Ausführungen überzeugten die Besucher offensichtlich, denn sie drehten auf der Stelle ihre Regenschirme um, hielten sie an der Spitze fest, stellten sich wieder in Positur und harrten der Strahlung, die ja nun vermeintlich optimal ausgenutzt wurde.

Unser hilfsbereiter Freund aber ging seines Weges und während er im Vorübergehen den Regentropfen zuschaute, wie sie unablässig zu Boden tropften und kleine Rinnsale neben seinem Wege bildeten, lächelte er zufrieden. Hatte er doch sein Wissen bereitwillig und großzügig anderen mitgeteilt, das war sicher als gute Tat zu werten!
So schritt er munter dem Tal entgegen, den besser konnte ein Sonntag wohl nicht anfangen.

01.05.05
MarenS
 

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...Begründungen für Bewertungen werden immer dankend entgegen genommen...lächel

Grüße von Maren
 



 
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