Der kleine Angler

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Der kleine Angler

Für Kinder gibt es kaum etwas schöneres, als auf dem Lande aufwachsen zu können. Gern erinnere ich mich an einige Jahre meiner Kindheit zurück, die wir im Sauerland wohnen durften.
Die freie Zeit nach den Hausaufgaben verbrachten meine Geschwister und ich leidenschaftlich gerne im Wald. Dort konnte man tolle Verstecke bauen und die Hochsitze erklimmen. Auch das Fangen von Molchen und Kaulquappen war für uns Stadtkinder höchst interessant.

Eines schönen Tages kam mein Bruder Klaus-Dieter auf die glorreiche Idee, Forellen aus dem ganz in der Nähe vorbei fließenden Bach zu fischen. Unsere Mutter würde sich bestimmt darüber freuen und sie zum Abendessen zu bereiten.
„Darf man das denn so einfach?“, fragte ich Klaus-Dieter zweifelnd.
„Egal, ist ja keiner da, der es sieht“, meinte er in seiner unbekümmerten Art.
Wir schnappten uns einen Plastikeimer und zogen los. Am Ufer des Gewässers angekommen zog der Bengel Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosenbeine hoch und watete ins kühle Nass. Als ich zu bedenken gab, dass dies ohne Angel aber ein schwieriges Unterfangen sei, sagte Klaus-Dieter wichtig: „Och, es geht auch ohne. Man muss die Fische mit beiden Händen unter den Bauch kitzeln, blitzschnell zugreifen und sie an Land werfen.“ Woher er das nur wusste?

Mir oblag die wichtige Aufgabe, die Beute in den mit Wasser gefüllten Eimer zu befördern. Wir wollten sie lebend transportieren, da niemand von uns die Tiere totschlagen konnte. Mutter wüsste sicher Rat. Zu meinem großen Erstaunen hatte mein Bruder ruck zuck die erste Forelle gefangen und kurz darauf die nächste. Es war für mich ziemlich schwierig, den glitschigen Fang in den Eimer zu befördern. Die Fische zappelten wie verrückt und flutschten mir immer wieder aus den Händen. Ich führte an Land den reinsten Veitstanz aus. Endlich hatte ich es geschafft. „Komm jetzt, Klaus Dieter, spring in deine Sachen und lass uns zurückgehen“, rief ich ihm zu, denn es wurde mir langweilig.
„Warte, nur noch einen“, brüllte er mit hochrotem Kopf zurück, das Jagdfieber hatte wohl von ihm Besitz ergriffen. Es war immer dasselbe mit dem Lausbub. Dass er mir als ältere Schwester aber auch nie gehorchen konnte. Doch er war damals schon recht halsstarrig.

Mit drei Forellen für sieben Leute im Eimer trudelten wir stolz zu Hause ein. Klaus-Dieter ging in die Küche, stellte das Behältnis auf einer Herdplatte ab und kam versehentlich an den Schalter. Als es wenig später bestialisch im ganzen Haus stank, war alles zu spät. Die Herdplatte glühte, der Eimer war im Begriff sich aufzulösen, das heraustretende Wasser zischte und die Fische waren hin.
Klammheimlich verpieselte sich Klaus-Dieter, weil er mit einem Donnerwetter rechnete, und ich begleitete ihn gerne. Unsere arme Mutter schrubbte noch am Herd herum, als wir am Abend zurückkamen. Den Ärger hatte sie wohl zum Glück mit weggescheuert und statt einem Fischmahl servierte sie uns Milchsuppe.
 

Josef Knecht

Mitglied
Hallo Märchentante,
deine Erzählung finde ich ganz nett, es ist wohl ein Erlebnis aus deiner Jugendzeit. Was mir ein bisschen gefehlt hat ist die Spannung, aber vielleicht muss es ja nicht immer sein, dass etwas spektakuläres passiert. Obwohl, ich glaube der verbrannte Eimer und die Fische waren für die Mutter spektakulär genug.
"Unglücklicherweise kam er, ohne dass er es merkte, aus Versehen an den Schalter", nach meinem Sprachgefühl hast du hier dreimal dasselbe geschrieben, denn "unglücklicherweise" drückt eigentlich schon aus, dass er "ohne dass er es merkte" und "aus Versehen" an den Schalter gekommen ist.
Liebe Grüße
Josef
 
Lieber Josef,

dankeschön für Deine nette Bewertung. Ja, Du hast Recht, die Geschichte ist ein Erlebnis aus meiner Kindheit und hat sich tatsächlich so zugetragen.Ich finde auch, dass man nicht immer in jeden Text Spannung einbauen muss. Manchmal ist es auch schön, einfach nur mal eine leicht geschriebene, amüsante Geschichte zu lesen.
Nun zu dem "Unglücklicherweise". Da könntest Du Recht haben. Vielleicht sollte ich schreiben: Klaus-Dieter ging in die Küche, stellte das Behältnis auf einer Herdplatte ab und kam unglücklicherweise dabei an den Schalter. Was meinst Du?
Dies ist übrigens meine erste Kurzgeschichte.

Einen lieben Frühlingsgruß schickt Dir
Märchentante
 

Kelly

Mitglied
Hallo, liebe Märchentante!

Ich habe deine Antwort an Josef bereits gelesen, weiß also, das dies hier deine erste Kurzgeschichte ist (nun frag ich mich direkt, was die ganzen anderen Beiträge wohl sein mögen, aber ich kann ja mal nachschauen gehen ... ;) )

Geschichten, die aus der Ich-Perspektive heraus erzählen lese ich für gewöhnlich besonders gern, meistens weiß ich aber, dass es eben eine Geschichte ist - bei dir habe ich zu keiner Zeit daran gezweifelt, dass es sich um eine reale Begebenheit handelt und ich überlege gerade selbst, woran das wohl liegen könnte.

Vielleicht habe ich es so empfunden, weil deine Geschichte exakt so bei mir ankam, wie du es selbst gesagt hast: leicht und amüsant. Vielleicht keine Kurzgeschichte im eigentlichen Sinne, aber das war ja scheinbar auch nicht deine Absicht.

Und was deinen Satz hier angeht: "Unglücklicherweise kam er, ohne dass er es merkte, aus Versehen an den Schalter", ...
wäre meiner Meinung nach die einfachste und schnellste Lösung: Versehentlich kam er an den Schalter. Was meinst du? Ist nur so ein Gedanke ...

Wie auch immer, ich bin dir gerne für einen kurzen Ausflug an den Bach gefolgt und kann voll und ganz verstehen, dass ihr die Forellen lieber nachhause tragen und nicht selbst erschlagen wolltet! ;)

Liebe Grüße,
Kelly
 
Liebe Kelly,

es freut mich sehr, dass die Geschichte so gut bei Dir angekommen ist. Du hast, genau wie Josef, mit dem umständlichen Satz Recht. Habe ihn auch schon geändert, vielen Dank für den Tipp. Ich habe den Text so oft gelesen, und dennoch ist es mir nicht aufgefallen.

Diese Geschichte ist tatsächlich nicht frei erfunden, sondern ein Erlebnis aus meiner Kindheit.
Ansonsten schreibe ich Märchen und Fabeln für Kinder, habe aber jetzt auch mit Gedichten angefangen, was mir großen Spaß macht. Warum nicht mal etwas Neues ausprobieren.

Übrigens bin ich auch im Märchenbasar vertreten, eine sehr schöne Internetseite, die Du Dir mal ansehen solltest, wenn Märchen magst. Wir schreiben dort gerade mit mehreren Autoren an einem Buch.

Einen schönen Abend noch.
Liebe Frühlingsgrüße sendet Dir
Märchentante
 



 
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