Der kleine Maulwurf zieht um

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claudi

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DER KLEINE MAULWURF ZIEHT UM

Plitsch! Ein großer Regentropfen landete direkt auf der Nasenspitze des kleinen Maulwurfs. Erschrocken zog Pit den Kopf ein. Da hatte er nur mal kurz aus seinem Hügel schnuppern wollen und nun regnete es noch immer. Was für ein trostloses Wetter!
Betrübt kroch er in seinen Bau zurück und kuschelte sich in sein Maulwurfsbettchen. Wenn er doch nur ein paar Freunde hätte, mit denen er spielen könnte. Dann wäre es bei diesem Wetter nicht so langweilig. Aber hier draußen am Feldrand lebten nur wenige Tiere. Und die Maulwurfsfamilie von nebenan war bereits im letzten Jahr ausgezogen, als ihre Wohnung für die Kinderschar zu klein wurde. Seitdem fühlte Pit sich oft sehr einsam.
In meinem Bau ist viel zu viel Platz für mich allein, dachte er unglücklich. Vielleicht sollte ich auch umziehen? Je länger er darüber nachdachte, umso besser gefiel ihm die Idee. Ja, entschied er schließlich. Sobald es aufhört zu regnen, suche ich mir ein neues Zuhause!
Voller Vorfreude schlief er ein.

Als der kleine Maulwurf am späten Nachmittag erwachte, spähte er ganz vorsichtig aus seinem Hügel. Doch – hurra – es hatte aufgehört zu regnen! Die warmen Strahlen der untergehenden Sonne kitzelten sein schwarzes Fell, und eifrig begann Pit seine Sachen zusammenzupacken. Dann machte er sich auf den Weg.
Das Feld endete an einer schmalen Straße. Ratlos blinzelte Pit erst in die eine, dann in die andere Richtung. Wohin sollte er gehen? Nach links? Oder besser nach rechts? Er wusste es nicht. Und außerdem war er ja so schrecklich kurzsichtig. Tatsächlich konnte er in der Dämmerung kaum bis zur anderen Straßenseite hinüber sehen.
„Nanu?“, rief es auf einmal von oben und eine freundliche Amsel landete neben Pit im Straßengraben. „Hast du dich verlaufen?“
„Nein“, antwortete Pit schüchtern. „Ich suche nur ein neues Zuhause. Da, wo es schön ist. Und wo ich nicht mehr so alleine bin.“
Die Amsel nickte verständnisvoll. „Da fällt mir als Erstes der Garten von Frau Suhrbier ein. Er ist wunderschön und voller Blumen. Und leckere, süße Erdbeeren wachsen dort auch.“
„Das hört sich prima an“, strahlte der kleine Maulwurf. „Gibt es dort auch Tiere?“
Die Amsel überlegte kurz. „Frau Suhrbier hat einen Dackel“, sagte sie dann zögernd. „Aber ich weiß nicht, ob er der Richtige …“
„Oh, wir werden bestimmt Freunde!“ Voller Begeisterung klatschte Pit in seine Pfötchen. „Zeigst du mir den Weg, bitte?“
„Gern“, erwiderte die Amsel und flog vorneweg.
So schnell er konnte, trippelte Pit hinterher. Kurz bevor es endgültig dunkel wurde, erreichten sie ein schmiedeeisernes Gartentor. Der sanfte Duft von blühenden Hecken strich um Pits Nase und er schnupperte glücklich.
„Hier ist es“, sagte die Amsel und musterte ihn leicht besorgt. „Brauchst du noch etwas?“
„Nein, vielen Dank“, rief Pit. „Jetzt finde ich mich allein zurecht.“
Er kroch unter dem Gartentor durch und spazierte durch den nächtlichen Garten. Die Amsel hatte nicht zu viel versprochen; es war wirklich wunderschön hier. Am besten suche ich mir ein Plätzchen bei den Erdbeeren, dachte Pit. Dann habe ich ein feines Abendessen, genau vor der Haustür.
Eifrig buddelte er im Erdbeerbeet eine Schlafhöhle. Direkt daneben häufte er einen prächtigen Maulwurfshügel an. Auf den setzte er sich anschließend voller Stolz und schmauste ein paar von den süßen Früchten.
„He!“, schimpfte da eine ärgerliche Stimme. „Was willst du denn hier? Das ist unser Platz!“
Vor Schreck ließ Pit fast seine Erdbeere fallen. Als er nach unten sah, erblickte er eine dicke Schnecke, die ihn böse anstarrte.
„Dich können wir hier nicht brauchen“, schimpfte sie. „Wenn Frau Suhrbier entdeckt, wie du ihr Beet verunstaltet hast, wird sie sehr wütend werden. Und dann wird sie uns alle zusammen aus ihrem Garten vertreiben, wart’s nur ab!“
„Aber was soll ich denn tun?“, fragte Pit.
„Verschwinde gefälligst!“, schimpfte die Schnecke und drohte ihm erbost mit der Schneckenfaust. „Geh wieder nach Hause!“
„Das kann ich nicht“, sagte Pit bedrückt. „Ich wohne doch jetzt hier ...“
„Das werden wir ja sehen!“ Immer noch schimpfend kroch die Schnecke davon.
Pit sah ihr traurig nach und überlegte, was er tun sollte. Aber ihm fiel nichts ein. Außerdem war er inzwischen sehr müde. Deshalb zog er sich in seinen Bau zurück und legte sich schlafen.

Ein schrilles Kreischen riss ihn am nächsten Morgen aus seinen Träumen. „Das darf doch nicht wahr sein!“
Als er verschlafen nach draußen blinzelte, um nachzusehen, was los war, donnerte ganz knapp neben seinem Kopf eine hölzerne Latte auf den Boden.
„Dich krieg ich!“, schrie Frau Suhrbier und holte erneut zum Schlag aus. Wild bellend tobte der Dackel um ihre Füße und versuchte, nach dem kleinen Maulwurf zu schnappen.
Entsetzt plumpste Pit in seinen Bau zurück. Wo war er hier bloß hingeraten? Zitternd verkroch er sich in den hintersten Winkel seiner Höhle. Eins stand fest: Wenn das Geschrei und Geknurre da draußen ein Ende hatte, würde er sich davonmachen. Auf gar keinen Fall wollte er noch länger bei dieser grässlichen Frau und ihren unfreundlichen Tieren wohnen.
Den ganzen Tag verbrachte er voller Angst und mit knurrendem Magen in seinem Bau. Erst am Abend, als es dunkel wurde, wagte er sich wieder hinaus. Da weit und breit niemand zu sehen war, rannte er auf schnellstem Weg zum Gartentor und flüchtete hinaus auf die Straße.
Dort blieb er heftig schnaufend sitzen. Wohin sollte er nun gehen? Egal, wie lange er sich auch umschaute und wartete, heute kam leider keine Amsel vorbei, um ihm zu helfen.
Langsam trottete Pit die Straße hinunter. All die schönen Gärten, an denen sein Weg entlang führte, kamen für ihn nicht in Frage. Sicher würde es ihm dort ähnlich ergehen wie bei Frau Suhrbier. Nach langem Suchen entdeckte er schließlich eine riesige Rasenfläche, die von mehreren weißen Linien durchzogen war. Seltsam, dachte Pit. Was das wohl bedeuten mochte?
Aber das kurz geschnittene Gras glänzte so einladend im Mondschein, dass er nicht widerstehen konnte. Flink huschte er bis zur Mitte des Rasens und begann, sich eine neue Schlafhöhle zu buddeln. Müde sank er dann in sein Bettchen. Hoffentlich ergeht es mir hier besser, dachte er noch, bevor er erschöpft einschlummerte.

Doch am nächsten Morgen riss ihn wüstes Trampeln aus dem Schlaf. Die Wände wackelten und die Höhlendecke erbebte unter den Tritten so sehr, dass Erdbröckchen auf den kleinen Maulwurf hinunterrieselten. Wie erstarrt saß Pit in seinem Bett und hielt sich vor Schreck die Ohren zu. Was war dort oben los? In welchen Schlamassel war er jetzt geraten?
Von draußen ertönte wildes Gebrüll: „Tooooooooor!“ Händeklatschen, Johlen und ein lautes Pfeifkonzert folgten.
Nein, dachte der kleine Maulwurf entsetzt. So ein Getöse, das halte ich keine Sekunde länger aus. Und am Ende stürzt meine Höhle noch ein. Nur weg hier!
Mit einem schnellen Satz sprang er aus seinem Maulwurfshügel. Doch bevor er sich umsehen konnte, flog auch schon ein rundes Etwas geradewegs auf ihn zu und riss ihn mit.
„Hilfe!“, schrie Pit in höchster Not. „Hilfe!“
Mit beiden Pfötchen klammerte er sich an den weißen Lederball, bis dieser am Rand der Wiese aufschlug. Da konnte der kleine Maulwurf sich nicht mehr halten. Heftig strampelnd kullerte er über das Gras, überschlug sich ein paar Mal und blieb völlig benommen liegen.
„Ach, du Armer“, sagte eine mitleidige Stimme. Zwei warme Kinderhände nahmen ihn vorsichtig hoch. „Hast du dir wehgetan?“
Ängstlich hob Pit den Kopf und blickte direkt in die liebevollen braunen Augen eines kleinen Mädchens mit langen blonden Zöpfen. Zärtlich streichelte es Pits schwarzes Fell.
„Da hast du dir aber einen schlechten Platz zum Bauen ausgesucht“, sagte es und lachte leise. „Auf dem Fußballplatz kannst du doch nicht wohnen!“
Ja, das hatte Pit mittlerweile auch begriffen. Aber wo sollte er hin? Gab es denn nirgends auf der Welt ein schönes Fleckchen, wo ein kleiner Maulwurf wie er willkommen war? Verzweifelt grub er sein Schnäuzchen in die Hand des Mädchens, während ein paar Tränen aus seinen Knopfaugen purzelten.
„Oh, wein doch nicht“, sagte das Mädchen erschrocken. „Ich bin sicher, wir finden einen Platz für dich. Ganz bestimmt! Ich hab sogar schon eine Idee …“
Behutsam bettete sie den kleinen Maulwurf in ihre Jackentasche. Dort war es angenehm dunkel, kuschelig warm und sehr gemütlich. Auch der Lärm vom Fußballplatz war kaum noch zu hören. Aufseufzend rollte Pit sich zusammen und hoffte, dass das Mädchen ihm wirklich helfen konnte.
Sanne, so hieß das Märchen, lief währenddessen mit fliegenden Zöpfen zum Kindergarten am Ende der Straße.
„Frau Mencke“, rief sie schon von weitem. „Frau Mencke!“
„Hallo, Sanne.“ Die Erzieherin winkte lachend über den Zaun. „Was gibt es denn so Wichtiges?“
Sanne hopste durch das Tor und öffnete ihre Tasche. Ängstlich lugte Pits schwarzes Maulwurfsköpfchen daraus hervor.
„Na, so was!“, wunderte sich Frau Mencke. „Ein kleiner Maulwurf! Wo hast du den denn gefunden?“
„Auf dem Fußballplatz“, antwortete Sanne. „Aber dort kann er ja nicht bleiben. Er braucht dringend ein neues Zuhause.“
Frau Mencke runzelte die Stirn. „Aber nicht hier im Kindergarten …“
„Warum denn nicht?“, fragte Sanne enttäuscht. „Hier ist doch Platz genug. Er kann sich dort bei den Fliederbüschen eine Höhle bauen und wird niemanden stören. Bitte, Frau Mencke!“
„Hm“, sagte Frau Mencke. „Na gut, wir können es ja mal versuchen. Aber wenn er überall Maulwurfshügel gräbt, muss er wieder weg.“
„Das wird er bestimmt nicht tun“, versicherte Sanne. Erleichtert umarmte sie die Erzieherin. „Vielen, vielen Dank, Frau Mencke!“
Vorsichtig trug Sanne den kleinen Maulwurf hinüber zu den Fliederbüschen und setzte ihn auf die feuchte Erde. Neugierig betrachtete Pit seine neue Umgebung. Schön war es hier.
„Gefällt es dir?“, fragte Sanne. „Hier wird dir niemand etwas tun. Ich komme jeden Tag und besuche dich. Und wenn du willst, kannst du mir helfen, Sandburgen zu bauen.“
Mit glänzenden Augen sah Pit ihr nach, wie sie zum Sandkasten hinüberging, um mit den anderen Kindern zu spielen. Dann machte er sich mit Feuereifer daran, eine neue Höhle zu graben.
„Hallo“, fiepte es plötzlich hinter ihm. „Ziehst du etwa hier ein? Das ist aber schön!“
Überrascht unterbrach Pit seine Buddelei und wandte den Kopf. Das vergnügte Gesicht einer kleinen Wühlmaus schaute ihm entgegen.
„Ja“, antwortete er. „Ich würde gern hier einziehen. Falls du nichts dagegen hast?“
„Ich? Nie im Leben!“, lachte die Maus. “Ich freue mich, wenn ich so einen netten Nachbarn kriege! Komm doch auf einen Begrüßungskuchen vorbei, wenn du fertig bist.“
„Oh, sehr gern“, freute sich der kleine Maulwurf.
„Dann decke ich schon mal den Tisch“, rief die Maus und – schwupps – war sie wieder in ihrem Erdloch verschwunden.
Überglücklich sah Pit ihr nach. Jetzt wusste er es ganz sicher: Hier hatte er endlich das Zuhause gefunden, das er sich schon immer gewünscht hatte.
 

Axel B

Mitglied
Sehr schöne Geschichte. Werde sie im Urlaub meiner Nichte vorlesen.

Flüssig zu lesen und stimmig vom Plot her. Hat mir sehr gut gefallen.

Axel
 

Wasserlinse

Mitglied
Diese Geschichte vom kleinen Maulwurf ist sehr gut erzählt (Stil und Wortwahl).
Besonders gut gefällt mir die Idee mit dem Fußballfeld.
Leider kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er sich gerade an dem Ball festklammert, der ihn gerade eben noch umgerissen hat.

Schade finde ich, dass hier inhaltlich viele Fehler gemacht wurden.
Es stört mich nicht, wenn Tiere einen Tisch decken, denn das erkennen Kinder sofort als Fantasie.
Doch zu dieser Maulwurfgeschichte musste ich vieles Richtigstellen:
1. Der Maulwurf zieht nicht um, weil er sich einsam fühlt, denn Maulwürfe sind Einzelgänger. (besser: er zieht um, weil die nahe Straße zu laut ist...)
2. Was packt er ein beim Umzug?
3. Ein Maulwurf frisst keine Erdbeeren, eher die Schnecke (statt der Schnecke könnte ihn eine Ratte anfauchen)
4. Natürlich gräbt ein Maulwurf überall und wirft dabei Hügel auf, was sonst? („das wird er bestimmt nicht tun“, versicherte Sanne.)
5. Tiere weinen keine Tränen, das vermenschlicht die Tiere zu sehr! Tiere dürfen aber traurig sein und können dies auch zeigen.
So kann ich diese Geschichte nicht weiterempfehlen. Das ist schade, denn auch das wahre Leben der Tiere ist spannend, Fantasie ist oft lustig, darf aber nicht dazu führen, dass man Kindern Unsinn erzählt.

Gruß Wasserlinse
 

claudi

Mitglied
Hallo Axel,

vielen Dank für dein positives Urteil - ich hoffe, deiner Nichte gefällt die Geschichte dann auch.

Liebe Grüße,
Claudi


Hallo Wasserlinse,

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
Leider kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er sich gerade an dem Ball festklammert, der ihn gerade eben noch umgerissen hat.
Der Ball hat ihn nicht umgerissen, er hat ihn mitgerissen. (Und natürlich ist das keine "realistische" Szene)

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
1. Der Maulwurf zieht nicht um, weil er sich einsam fühlt, denn Maulwürfe sind Einzelgänger. (besser: er zieht um, weil die nahe Straße zu laut ist...)
Vielleicht ist das die "maulwurfsgerechtere" Erklärung, aber loszuziehen, weil man sich allein fühlt und Freunde finden will, fand ich die "kindgerechtere" Erklärung.

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
2. Was packt er ein beim Umzug?
Habe ich rausgekürzt, weil die Geschichte sonst zu lang wurde und die Sachen nicht wirklich wichtig für den Inhalt waren (es war eine Taschenlampe, ein warmer Schal und eine Mütze, und ein kleines Medaillon)

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
3. Ein Maulwurf frisst keine Erdbeeren, eher die Schnecke (statt der Schnecke könnte ihn eine Ratte anfauchen)
Genau deswegen ist die Schnecke ja so wütend, weil er sich an ihrem Futterplatz niederläßt.

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
4. Natürlich gräbt ein Maulwurf überall und wirft dabei Hügel auf, was sonst? („das wird er bestimmt nicht tun“, versicherte Sanne.)
Natürlich tut ein echter Maulwurf das.

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
5. Tiere weinen keine Tränen, das vermenschlicht die Tiere zu sehr! Tiere dürfen aber traurig sein und können dies auch zeigen.
Darauf hat mich schon jemand anders hingewiesen, das werde ich zukünftig wohl berücksichtigen.

Ursprünglich veröffentlicht von Wasserlinse
So kann ich diese Geschichte nicht weiterempfehlen.
Das ist schade, aber natürlich dein gutes Recht. Ich bin trotzdem der Ansicht, dass eine Geschichte, in der Tiere sprechen, für Kinder bereits klar als "Fantasie" erkennbar ist. Und bei einer Vorlesegeschichte sollte meiner Meinung nach nicht nur das Lernen (also durch Berücksichtigung tatsächlicher Sachverhalte) im Vordergrund stehen, sondern auch der "Unterhaltungswert" und das "Nachvollziehenkönnen".

Liebe Grüße,
Claudi
 



 
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