Der kleine Prinz

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Der kleine Rothaarige stand am Fenster und beobachtete den Tanz der weißen Flocken. In ihm wuchs das Verlangen nach ihnen zu greifen, sie festzuhalten und mit ihnen zu spielen. Seine Hand presste sich an die kalte Scheibe, seine Nase lag platt gedrückt auf dem Glas. Der Schnee fiel dicht und ließ sich auf den Fensterbänken und Garagendächern nieder. Eine Katze hinterließ im Garten ihre Spuren. Ruhig kniete er auf der Bank und erfreute sich an dem Naturschauspiel.
Martina betrat die Stube und nahm neben ihm Platz. Sie sah aus dem Fenster, dann auf den Jungen und fragte ihn: "Was guckst du denn so? Ist doch nur Schnee." Der Atem des Kleinen ließ sich auf den Scheiben nieder, ohne seinen Blick vom Schneefall zu wenden antwortete er bestimmt und gelassen: "Nein, das ist nicht nur Schnee." Spöttisch zog die Ältere die Augenbraue hoch und entgegnete: "Ach, ist es nicht? Und was ist es dann?" Jetzt wandte er sich ihr zu und versuchte ihr sein Bild zu veranschaulichen: "Siehst du, jede Flocke ist etwas ganz Besonderes. Jede ist ein kleiner Kristall." Der Rothaarige richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf das fallende Weiß. "Schnee ist Leben." Verständnislos schüttelte sie den Kopf und machte es sich in einem der Sessel mit ihrem Buch und einer Decke gemütlich. So saßen sie da. Die Zeit verging, sie merkten es nicht. Sie, vertieft in ihrer Lektüre, vergaß ihre Umgebung, und er, eingenommen vom Winter nahm sie nicht mehr wahr.
Der Schneefall wurde dichter, legte sich sanft auf der Erde nieder. Er kniete auf der Bank und sah aus dem Fenster. Einfach so. Die Wanduhr tickte leise, unbemerkt. Hörbar strich sie die Buchseiten nach dem Umblättern glatt. Martina räusperte sich und nahm einen Schluck von ihrem Tee. Sein Zeigefinger fuhr auf der Fensterscheibe nach oben und unten. "Sie tanzen", schallten seine Worte durch den Raum. Martina rieb die Füße aneinander um sich zu wärmen. "Sie tanzen", wiederholte der Rothaarige nach einer Weile. "nur für mich." "Du nervst!" fuhr sie den Kleinen an. Er verfolgte das Schneetreiben, ihre Worte schienen ihn nicht zu bekümmern. Wieder hauchte er seinen Atem absichtlich an die Scheibe, er leckte ihn mit gespitzter Zunge ab. Der Kleine drehte seinen Kopf und lies ihn auf der Fensterbank nieder, den Blick in den Himmel gerichtet. Er lächelte. Sie kommen alle zu mir, die Flocken tanzen nur für mich, lächelte er. Ich bin reich, überlegte er, all die Kristalle sind für mich. Ich bin ein Prinz, ich bin reich. Er schloss die Augen und wurde von den Flocken sanft an den Wangen gestreichelt. Sein Brustkorb ging regelmäßig auf und ab. Entzückt schrie er auf. Kurz und schrill. Martina fuhr auf, prustete. "Du kleiner Spinner", kommentierte sie sein Treiben und beschäftigte sich wieder mit ihrem Buch. Fragend sah er sie an. "Ich bin doch kein Spinner. Ich bin ein Prinz!", sagte er leise, flüsterte es fast. Lange ruhte sein Blick auf ihr. Martina blätterte von der einen auf die andere Seite.
Bedacht stand er auf und nährte sich ihr. Er hob die Denke von ihren Knien, kletterte auf ihren Schoß und kuschelte sich an ihre Brust. Sie hatte das Buch weggelegt und streichelte sanft sein Haar. Sie spürte sein kleines Herz klopfen. Ein erfüllendes Wohlgefühl überkam sie. "Du hast Recht", sagte sie und beobachtete den Winter. "Du bist ein Prinz."
 

Jarolep

Mitglied
Mach was daraus

Hallo Tochter des Ozeans,

Deine Geschichte hat mich fasziniert.Sehr einfühlsam und schön sind deine Bilder.
Ein paar Anmerkungen hätte ich, bitte sehe das nicht als Kritik, sondern als meine Subjektive Meinung.
1. Die Dialoge kommen besser an, wenn man für jede Replik eine neue Zeile macht. Sieht einfach schöner aus und liest sich besser.
2.Ich bin beim Lesen über "Tasse Tee" gestolpert.Du schreibst vorhin, sie säßen schon eine ganze Weile da, und die Zeit verging. Dann kommt der Tee, und ich fragte mich spontan, ob der Tee nicht schon kalt wäre. Aber das ist die Kleinigkeit.
3. "Der Schneefall wurde dichter, legte sich sanft auf die Erde" - ich weiß nicht (ehrlich!), ob der Schneefall sich legen kann. Besser wäre vielleicht - der Schnee legte sich auf die Erde, oder die Schneeflocken oder so etwas in der Art.
4. "Martina blätterte von der einen Seite auf die andere". Nun, meine sehr subjektive Meinung: ich hätte "Martina blätterte die Seite um" geschrieben. Aber deine Wahl hat auch etwas in sich. Dieser Satz verlangsamt die Handlung.

Aber alles in allem - ein sehr schöner Text. Es könnte vielleicht noch ein Tick besser werden.
 

kleinerprinz

Mitglied
Re: Mach was daraus

Hey, wunderbare Geschichte, hat mir viel Spaß gemacht, sie zu lesen ... vielen dank ...
nur eine sache ... ich fänds schöner, wenn martina keinen name hätte ... lass sie doch die große blonde oder so sein ...
 
F

filechecker

Gast
Hallo,

ich glaube die Sprache des Kleinen passt so gar nicht zu ihm, wenn er sagt: "Schnee ist Leben." Da philosophiert er. Ein kleiner Junge?

Und noch was:
Plötzlich fallen Schneeflocken auf das Gesicht des Kleinen. Bei geschlossenem Fenster? Oder habe ich das Öffnen des Fensters überlesen?

Der kleine Junge wirkt allgemein sehr nachdenklich. Diese Nachdenklichkeit passte eigentlich doch besser zur Lesenden, finde ich.

Gruß
 
Hallo!
Die Dialoge werde ich in Zukunft anders schreiben, stimmt schon, mit den neuen Zeilen.
Der Tee, stimmt. *grins* Der Schneefall legt sich sicher nicht auf die Erde, der Schnee oder die Flocken. Das war, weil ich das noch mal geändert hatte, weil ich dauernd "Schnee" hatte und es dann übersehen haben muss - sorry.
Ich hab mir auch überlegt, ob ich Martina unbenamt lasse, aber ich dachte, dadurch würde ER mehr zur Geltung kommen. Ich weiß nicht.


filechecker: Ich habe das Gefühl, du hast meine Geschichte nicht verstanden. Sorry. Kennst du den kleinen Prinzen von "Saint-Exupère"
 
F

filechecker

Gast
Ja, den kenn ich, Tochter des Ozeans. Deine Geschichte ist für meine Geschichte trotzdem zu wenig durchstrukturiert. In deiner Geschichte stimmt einfach die Stimmung nicht, egal an welchen Dichter du Anlehnung, bzw. Beziehung suchst.

Gruß
 
M

Minouche

Gast
Hallo.

Hallo, Tochter des Ozeans!

Ich finde deine Geschichte sehr schön. Die Stimmung erreicht mich durchaus. Nun wieder eine ganz andere Meinung, die letztendlich immer subjektiv ist.

@filechecker: Mit dem Fenster gebe ich dir recht, ein kleiner Fehler ist da passiert, den man beheben kann.
Zur Philosophie. "Schnee ist Leben" In der Tat eine tiefe Aussage für einen kleinen Jungen, man könnte es etwas anders formulieren.
Aber ansonsten: Ich habe selbst einen 5-jährigen Jungen, und ich staune manchmal, wie philosophisch er sein kann, welche logischen Rückschlüsse er zieht. Aussagen, wie die des kleinen Prinzen, habe ich in dieser Form von meinem Kind schon gehört. Er macht sich Gedanken um das Leben, Kriege, den Tod, das Sterben. Ein Beispiel: Dann fallen Sätze wie: "Wenn Menschen beerdigt werden, gräbt man dann ihre Seele auch mit ein, oder fliegt sie davon? Lebt sie weiter? Wo lebt sie weiter, Mama?" Dann komme ich ins Rudern und Schwimmen, denn das ist sehr viel Philosophie für ein Kind, finde ich. Vorgestern fragte er das. Und aus diesem Grund denke ich anders über die Geschichte. Ich finde sie durchaus durchstrukturiert, eine Stimmung wird sehr schön beschrieben, es passt alles zueinander. Meine Meinung.

Gruß
Minouche
 

Lord-Barde

Mitglied
Seit gegrüsst...

Lady... Tochter des Ozeans,
mir gefällt die Geschichte ausgesprochen gut.
Kleine Schönheitsfehler sind schon genannt worden.
Dem hab ich nichts hinzuzufügen.
Gelungen find ich die wiedergegebene Winterstimmung.
Über diese Geschichte erfreut
der Lord-Barde
 



 
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