Der kleine Wetterengel Rolli

Der kleine Wetterengel Rolli
Ein Fantasiemärchen
von Willi Corsten

Rolli zog die Stirn kraus, schüttelte den Kopf und sagte: „Meister Petrus, welche Wolken gehören ans Firmament, wenn es regnen soll?“
„Du bist ein Schelm“, antwortete Petrus, „die dicken, grauen Wolken natürlich.“
Der kleine Engel seufzte, denn die Lehrzeit war kein Kinderspiel. Mit besorgter Miene dachte er an den folgenden Tag, an dem er alleine das Wetter machen sollte. Petrus wurde doch am ‚Großen Wagen‘ gebraucht, weil die Hinterachse des Sternbildes bedenklich schlingerte und polternd die Ruhe im Weltall störte.

Am nächsten Morgen schaufelte Rolli Federwölkchen aus der Wetterküche und verteilte sie am weiten Himmelsrund. Dabei entdeckte er am Fenster ein Fernrohr. Er richtete es auf die Erde, spähte neugierig hindurch und sah tief unten ein Dorf liegen. Auf der Straße dort schlenderte ein Mädchen dahin. Rollis Atem stockte und sein Herz pochte wild. Kein Zweifel, der kleine Engel hatte sich auf der Stelle verliebt. Gedankenverloren nahm er eine Wolke zur Hand, formte ein Herz daraus und schickte es mit einem zärtlichen Gruß zur Spitze des Kirchturmes.
Das schöne Mädchen traf unterwegs ihren Freund, deutete auf die seltsame Wolke und sagte: „Amor meint es gut mit uns.“ Der junge Mann nahm das Mädel zärtlich in den Arm und küsste ihr samtweiches Haar.
Rolli schimpfte erbost, stampfte zornig nach draußen und ließ Regenschauer auf das Land niederprasseln. Da eilte das Liebespaar erschrocken in den Wald und suchte Schutz unter dem Blätterdach der alten Bäume.
Als es Abend wurde, fürchtete Rolli, die Kleine aus den Augen zu verlieren, denn er kannte ja nicht mal ihr Zuhause. Geschwind holte er den Wintersturm herbei und lenkte den grimmigen Gesellen zur Erde. So geschah es, dass mitten im Sommer Schnee vom Himmel fiel und eine weiße Decke über Wiesen und Felder breitete. Die Spuren im Schnee verrieten nun den Weg, den das Mädchen bei der Heimkehr gegangen war.
Darüber war Petrus in die Wetterküche gekommen. Er schimpfte erzürnt mit dem Engel und ermahnte ihn, den Lauf des Jahres nicht zu stören. Doch als er Rollis Liebeskummer sah, wandte er sich schmunzelnd ab und flüsterte: „Diese üble Krankheit kann nur die Zeit heilen.“ Dann hüllte er die Erde in den feinen Nebel des Vergessens.

Wenn heute das Wetter trüb und grau ist, wissen wir Menschen, dass Klein-Rolli wieder einmal neugierig war und sich in ein hübschen Mädchen verliebt hat. Wir gönnen ihm das Vergnügen, denn morgen lacht gewiss wieder die Sonne vom Himmelszelt.
 
R

Rote Socke

Gast
Eine schöne Art und Weise...

...zu beschreiben wie unser Wetter entsteht und schließlich, wer dafür verantwortlich ist.
Gefällt mir gut.
Gruss
 



 
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