Der leere Stuhl

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Nina Walker

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Hektisch bin ich, wie so oft in deiner Gegenwart. Klappere mit Tellern, die sauber sind. Alles scheint ruhig, nur nicht ich. Die Sonne lacht durch die Fenster und wärmt den Raum des Geschehens. Wieso bist du derjenige, der gelassen ist und nicht ich? Ich fühle mich stets bezwungen in dieser Lässigkeit. Sie scheint nicht wahr zu sein. Es scheint mir auch nicht die Zeit gelassen zu sein. Ob du ein Glas Wasser möchtest, frage ich dich. Ein ruhiges Lächeln von dir als Antwort, das mich wiederum beschämt. Warum nicht gelassen sein? Wer bin ich schon? Was sind denn wir? Liebende, die besser daran täten sich nicht zu lieben. Ein Paar aus Boshaftigkeit und ehrlicher Liebe in gestohlener Zeit. Nichts besonderes also, denn solche gibt es viele.

Ich liebe diesen Stuhl auf dem du sitzt, zurückgelehnt, mich ruhig ansehend. In deiner Ruhe ist soviel Spott. Warum trägst du ihn wie eine Brille? Verunsicherst mich wohl absichtlich. Ich setze mich dir gegenüber an den Tisch.

„Du, warum kommst du nicht zu mir?“ flüsterst du. Dein Gesicht ist nah und vertraut. Ich sehe dich an und das eben Gedachte fliegt davon. Ich möchte dein Gesicht in die Hände nehmen, jede deiner dunklen Sommersprossen darauf küssen, deine langen dunklen Wimpern mit den Lippen streichen. Aber ich tue nichts von dem. Meine finsteren Gedanken sind zurückgekehrt. Ob du ihr Kommen und Gehen wohl in meiner Mimik erkennst?

Ich hole tief Luft, gebe mir einen Ruck, hebe den Kopf und lächele. Es ist nicht schwer. „Ich trinke dich, esse dich und trage dich in mir“, sage ich leise. Du lächelst frech und fragst in gleicher leiser Stimme: „Ja? Auch jetzt?“ Ich will fortfahren, dir erklären warum ich dir nicht vertrauen, dir nicht glauben kann. Du nimmst meine kalten Hände in deine. Mein Blick verschwimmt, ich schaue weg. Du streichelst meine Finger, dann meine Handgelenke und meine Arme. Es sieht andächtig aus. Es fühlt sich so wahrhaftig an und es ist willkommen. Ich schätze, das ist der Grund meiner Wut. Die Worte, die ich mir zurecht gedacht habe, bleiben mir im Hals stecken, formen sich zu einem dicken Kloß und zeigen sich in Tränen. Diese Tränen sind dir bekannt, die verschluckten Worte auch.

Du stehst auf, hältst meine Hände dabei sehr fest in deinen. Dein Blick verfinstert sich. Aus dem Spott eines frechen Jungen wird Eiseskälte eines verletzten Mannes. „Begreifst du denn nicht? Wir sind klein und unbedeutend, Yvette, ein Teil des großen Ganzen. Nichts ist für ewig, es ändert sich ständig und doch bleibt alles gleich.“ Heiser beherrscht sagt er dies und seine Wut blitzt von seinen in meine Augen. „Du bleibst nie und ich gehe jetzt. Ich kastriere mich nicht damit du endlich verstehst.“ Er kniet sich vor mir auf den Boden und flüstert nun ruhig: „Und weil ich gehe, werde ich nun endlich in dir bleiben, in Liebe und Verachtung. Nur der Stuhl bleibt leer, die linke Seite deines Bettes und deine Hände.“ Damit lässt er sie aus den seinen gleiten, öffnet die Tür und macht sich nicht einmal die Mühe, sie hinter sich zu schließen. Ich sehe auf den Stuhl, auf dem er eben noch saß, mit nun trockenen Augen. Was mache ich nun mit diesem Stuhl?
 

Nina Walker

Mitglied
Danke, Ming. Der Text ist etwas älter und ich hab ihn mir eben nochmal durchgelesen. Etwas umständlich formuliert, aber wenn man sich durchringt ihn zu lesen, ist alltägliche Wahrheit zu finden.
Grüße, nina
 



 
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