Der schwarze Diamant

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Der schwarze Diamant

I
Bernardius half gerne Meister Heinrich, dem zweitbesten Goldschmied der Stadt. Dieser freute sich, ihn zu sehen, gab ihm zur Belohnung zu essen und manchmal sogar ein Geldstück. Heinrich war ein alter Junggeselle ohne Kinder; Bernardius eines von sechs Kindern aus einem armen Haus, in dem ein Kind weniger nicht weiter auffiel und kein Anlass zur Sorge war. Mit vierzehn Jahren ging Bernardius bei Meister Heinrich in die Lehre. Er durfte sich glücklich schätzen – nicht viele wurden als Lehrlinge bei Goldschmieden angenommen, noch weniger bei einem so bekannten wie Heinrich, dessen Ruf als Meister seiner Zunft weit über die Stadt hinaus verbreitet war. Er stand hinter Rudolfo nur zurück, weil dieser mit seiner verspielten Art den Wohlgefallen der Prinzessin gewonnen hatte. Für sie schuf er Broschen in Form von filigranen Schmetterlingen, Haarklammern mit Elfenflügeln aus Jade und Ketten mit Opalen und Diamanten, die einer Feenkönigin würdig gewesen wären.
Bernardius lernte also bei Heinrich das Handwerk. Bald erkannte der Meister das Talent seines jüngsten Lehrlings und förderte ihn besonders. Bernardius durfte beim Ankauf die Edelsteine mit auswählen und als Erster entscheiden, welche davon er bearbeiten wollte. Das brachte ihm den Neid der anderen Lehrlinge ein.
„Sieh ihn dir an, diesen Emporkömmling“, sagte einer zum anderen. „Schmiert dem Meister Honig ums Maul und der fällt drauf rein.“
„Ja, unsere Arbeit lobt Heinrich nie so sehr, dabei sind wir schon länger hier.“
Aus Angst vor dem Meister wagten sie nicht, Bernardius zu ärgern oder seiner Arbeit zu schaden, aber sie mieden ihn. Fortan aß Bernardius allein und dachte selbst dabei an die verschiedenen Reinheitsgrade von Gold; wie Rot-, Gelb- und Weißgold unterschiedlich flossen und glänzten; und träumte von immer neuen Fassungen für edle Steine. All seine Energie strömte in seine Kunst.
Mit siebzehn schloss er seine Ausbildung ab und wenige Jahre darauf bestand er die Meisterprüfung. Da war Heinrich schon alt und ohne Erben.
„Bernardius, wie gefiele es dir, die Schmiede zu übernehmen? Ich werde noch einige Jahre die Geschäfte führen und dich nach und nach als meinen Nachfolger bei den Kunden vorstellen. Irgendwann soll das Geschäft dann ganz dir gehören, damit ich mich in den Ruhestand zurückziehen kann.“
Bernardius brauchte über dieses Angebot nicht nachzusinnen. Er nahm sofort an. Gold formen und mit kostbaren Edelsteinen schöne Geschmeide schaffen war sein Leben. Alles, was er wollte, war, in Ruhe arbeiten zu dürfen, ohne sich von jemandem Vorschriften machen zu lassen. Der geschäftliche Teil wie Bücher führen hatte ihn stets gelangweilt und die Räte der Zunft waren ihm ein Ärgernis. Er hoffte, dass Heinrich noch sehr lange bleiben würde, um diesen Teil zu erledigen. Bernardius mochte das Geschäft nicht allein führen. Eigentlich wollte er es überhaupt nicht führen – er war von ganzem Herzen Handwerker und Künstler, das Denken und Planen überließ er gern anderen.
So kam es, dass er mit Anfang zwanzig, Meister und Teilhaber einer etablierten Goldschmiede, heiratete. Bernardius war eine gute Partie, und auch wenn er sich über Mädchen nie den Kopf zerbrochen hatte, so fanden sie doch an ihm Gefallen. Ihm war nicht klar, dass er stattlich aussah – daraus machte er sich so wenig wie aus Geld, das sich in Zahlenkolonnen in den Büchern häufte. Er interessierte sich nur für Gold und Schmucksteine. Als Heinrich Bernardius zuriet, eine gewisse junge Frau zur Braut zu nehmen, tat er es dem alten Meister zu Liebe.
„Ich habe dir alles zu verdanken. Mir ist gleich, wen ich heirate oder ob ich heirate, wenn es dich glücklich macht.“
„Du bist wie ein Sohn für mich und ich freue mich, endlich eine Familie zu haben.“ Die Augen des Alten strahlten.
„Gut, dann nehme ich das Mädchen zur Frau.“
Bernardius heiratete also Kunigunde, die ihm ein gutes Eheweib wurde. Sie hatte honigblondes Haar und rosige Haut, dazu große, dunkelbraune Augen, die ihrem jugendlichen Gesicht einen tiefen Ernst verliehen. Heinrich hatte sie gewählt, weil sie hübsch und freundlich, aber still war. Zum einen hatte er Mitleid gehabt, weil das schüchterne Kind Bernardius stets stumm anhimmelte, zum anderen glaubte er, dass eine ruhige Person das Richtige für Bernardius wäre. Der Junge war immer in seine Arbeit versunken und dabei am glücklichsten – er brauchte eine Frau, die ihn nicht störte und ihn so bewunderte, wie er war – sonst würde ihr mit ihm schnell langweilig werden.
Heinrich hatte gut gewählt. Kunigunde bewunderte still ihren Bernardius und seine leuchtenden Geschmeide aus Gold und vielfarbigen Edelsteinen, ohne Forderungen zu stellen. Sie hatte stets genug Geld zum Einkaufen, kleidete sich aber bescheiden wie ihr Ehemann, und war zufrieden, in ihrem Haushalt freie Hand zu haben. Manchmal wünschte sich Kunigunde, ihr Gatte würde seinen ehelichen Pflichten im Bett so gut nachkommen wie denen als Versorger, doch sie wagte nicht, dies laut auszusprechen. Zu viele Frauen hörte sie über das genaue Gegenteil klagen, und um für Nachwuchs zu sorgen, reichten Bernardius\' Bemühungen. Einige Monate nach der Hochzeit blieb Kunigundes Blutung aus und bald wölbte sich ihr Leib, sodass sie größere Kleider brauchte.
Bernardius stürzte sich weiterhin auf seine Hämmer, Zangen, Metalle und Steine. Ihm stand nicht der Sinn nach Familienleben, doch als Kunigunde sichtlich schwanger war, erfüllte es ihn zu seiner eigenen Überraschung mit Stolz. Er begann, Schmuck für seine Frau zu machen, mit braunem Topas für ihre dunklen Augen, rosafarbenem Turmalin für ihre rosigen Wangen und einem seltenen gelben Diamanten, der ihn an ihr Haar erinnerte. Das Collier schenkte er ihr zur Geburt ihres ersten Kindes. Kunigunde hätte nicht glücklicher sein können.
Insgesamt bekamen sie vier Kinder. Danach hörte Bernardius auf, seiner Frau beizuwohnen – er fand, mit zwei Söhnen und zwei Töchtern hatte er seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Ähnlich ging es Meister Heinrich. Er zog sich aus dem Geschäft zurück.
„Ich bin alt und will mit meinen Enkeln spielen, so lange ich noch kann. Such dir einen neuen Buchhalter, Junge. Mehr brauchst du nicht. Du hast einen treuen Kundenstamm und machst hervorragende Arbeit. Ich bin überflüssig. Es ist nun an dir, ein Lehrmeister zu sein.“
„Du wirst nie überflüssig sein, und ich will keine Lehrlinge. Sie rauben einem die Zeit mit ihren Fragen, alles muss man ihnen zeigen und erklären...“
„So warst du auch einst. Schau, was aus dir geworden ist. Gib dein Wissen weiter. Du wirst schon noch genug Zeit für deine Kunst haben.“
Bernardius stellte Pecunias als Rechnungshalter ein. Er führte die Bücher gewissenhaft und war ein treuer und aufrichtiger Mann, der sich bei dem arbeitswütigen Bernardius wohlfühlte, weil dieser ihm vertraute. Für Bernardius war das selbstverständlich, er ließ Pecunias machen, was seine Aufgabe war, ohne ihn zu kontrollieren, sonst hätte er sich mit der Buchhaltung ja gleich selbst herumschlagen können. Und er stellte zwei Lehrlinge ein, die ihm brave Schüler wurden.
Nachdem all diese Angelegenheiten geregelt waren, hatte Bernardius die Zeit und Mittel, einer ganz besonderen Leidenschaft nachzugehen. Er konzentrierte sich auf die Jagd nach einem schwarzen Diamanten. Solche Steine waren höchst selten. Mit über dreißig Sommern arbeitete Bernardius bald zwanzig Jahre als Goldschmied. Er hatte fast alle bekannten Steine gesehen und in Händen gehalten – violette Amethyste, blutige Rubine, gelbe, orangene, grüne und blaue Saphire; grüne Smaragde, Aquamarine in allen denkbaren Himmelstönen; milchige Jade, klare Topase und Turmaline in rosa und braun; Opale, die wie die unergründlichen Tiefen des Meeres schimmerten oder in orangenem Feuer brannten. Diamanten waren ihm in rosa, gelb, blau und klar untergekommen, doch von einem schwarzen hatte er bisher nur gehört. Bernardius wollte unbedingt einen solchen Stein. Er sollte das Herzstück seines Meisterwerkes sein.
„Einen schwarzen Diamanten? Meister Bernardius, solche Steine sind sehr selten und nicht besonders schön. Sie sind wertvoll, ja, aufgrund ihres geringen Vorkommens, aber sie sind...nun...schwarz eben. Sie leuchten nicht, schlucken alles Licht, haben keine Farbe“, sagte der Händler aus dem Orient.
„Ich hatte noch nie einen schwarzen Diamanten.“
„Seid froh. Diese Steine bringen Unglück. Sie sind wie die schwarzen Gruben, in denen sie gefunden werden: Was hineinfällt, ist verloren. Verfallt nicht einem schwarzen Diamanten, Meister Bernardius.“
„Das heißt wohl, das Ihr mir nicht helfen werdet, einen zu erwerben.“
„Ich kann Euch mit gewissen Leuten bekannt machen und die Nachricht weitergeben. Ich selbst will nichts damit zu tun haben.“
„So sei es.“ Bernardius schüttelte den Kopf ob solch abergläubischen Unsinns. Er ehrte nicht einmal den Sonntag als Ruhetag, trotzdem war ihm nie der Himmel auf den Kopf gefallen, wie von seiner Familie prophezeit. Heinrich und Kunigunde gingen mit den Kindern in die Kirche und lehrten sie, zu Gott zu beten. Bernardius hatte keinen Sinn dafür: Er konnte Gott nicht sehen oder anfassen wie seine Werkzeuge und Metalle, wie konnte er da sicher sein, dass eine höhere Macht existierte? Er hatte gelernt, Edelsteine zu schleifen. Alles, was er brauchte, war der Rohdiamant, und wenn kein anderer sich traute, den Stein zu bearbeiten, dann machte er auch das.
Es dauerte ein Jahr, dann endlich hielt Bernardius das Ersehnte in Händen: Einen schwarzen Diamanten, der zugleich der größte Diamant war, den er je gesehen hatte. Er kostete ein Vermögen. Nur weil Bernardius und seine Familie stets sparsam gewesen waren und sich keine Exzesse geleistet hatten, konnte er ihn bezahlen.
„Junge, deine ganze Barschaft für einen Stein?“ fragte Heinrich.
„Warum nicht? Das Geschäft läuft weiter, wir haben Einnahmen, und ich muss nicht einmal das Haus beleihen.“
„Solange wir ein Dach über dem Kopf und genug zu essen haben, soll es mir gleich sein“, meinte Kunigunde.
„Außerdem ist es nicht so, als sei das Geld damit verloren. Wenn der Stein erst bearbeitet und eingefasst ist, kann ich mein Meisterstück mit einem hübschen Gewinn verkaufen.“
„Dafür musst du erst einen Käufer finden. Ich bezweifle, dass außer der Königin jemand reich genug ist, und wenn er ihr nun nicht gefällt?“
Zum Königshaus hatten sie keine guten Verbindungen, seit ihrer Kindheit ließ sich die jetzige Königin ihren Schmuck von Meister Rudolfo anfertigen.
„Wir werden sehen.“
Die Form, die der Stein selbst vorschlug, weil so beim Schleifen am wenigsten verloren ging, war die einer Träne, von Fachmännern Pendeloque genannt. Bernardius sah den Rohdiamanten lange und prüfend an, ehe er zum ersten Schliff ansetzte. Er musste vorsichtig sein, damit er die richtige Stelle fand und die Preziose nicht beschädigte.
Wochen verbrachte er mit seinem Projekt, das er vor aller Augen geheim hielt und abends in eine Truhe schloss. Den Großteil des Tagesgeschäftes überließ er seinen Lehrlingen, die nach Entwürfen des Meisters arbeiteten. Sie waren zuverlässig, genau und gewissenhaft. Nun war Bernardius froh, sie in seine Dienste genommen zu haben.
Dann war es endlich vollbracht. Zuerst präsentierte Bernardius das Prachtstück seiner Familie. Nicht nur die Augen der Kinder wurden groß. Kunigunde machte „Oh!“ und Heinrich stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
Bernardius hatte die opaque Träne in Weißgold gefasst, mit kleinen, klaren Diamanten gerahmt und zum Mittelpunkt eines Diadems gemacht, von dem die Träne verkehrt herum, mit der Spitze nach unten, hing. Das Diadem war aus verästeltem Weißgold und auch an den Seiten mit klaren Diamanten verziert, die herrlich das Licht brachen und reflektierten. Der Kopfschmuck funkelte und strahlte, nur der schwarze Pendeloquestein in der Mitte schien das genaue Gegenteil zu tun.
„Warum ist der Stein so dunkel, Vater?“
„Er ist nicht schön, er hat überhaupt keine Regenbogenfarben wie die anderen Diamanten!“
„Es ist der Kontrast von Hell und Dunkel, der dieses Stück so schön macht. Wahrlich, ein Meisterwerk!“ lobte Heinrich.
„Ich werde bekannt machen, dass ein ganz besonderes Schmuckstück in zwei Wochen in meiner Werkstatt zu sehen sein wird, nur für ausgewähltes Publikum.“
Reiche Kaufleute, Adlige, andere Schmiede und Schmuckhändler kamen zu der Ausstellung, sogar Meister Rudolfo. Er war schon sehr alt.
„Keiner meiner Söhne wollte das Geschäft und die Königin ist weiterhin meine beste Kundin, was soll ich machen? Ich möchte mich gern zur Ruhe setzen – dieses Diadem ist atemberaubend, einer Königin würdig. Ich werde ihr davon erzählen.“
Das tat er tatsächlich. Wenige Tage später erhielt Bernardius in seiner Werkstatt unangekündigt hohen Besuch.
„Majestät.“ Der Meister kniete nieder.
„Erhebt Euch, Meister Bernardius. Wo ist das Diadem?“
„Hier, Majestät.“ Er holte es aus der Truhe.
Die Königin setzte es auf ihr rabenschwarzes Haupt. Ihre Haut war weiß, fast durchscheinend.
„Es steht mir sehr gut, findet Ihr nicht? Als wäre es aus meiner Haut und meinem Haar gemacht.“
„Es ist für Euch geschaffen, Majestät.“ Das stimmte nicht, Bernardius hatte bis dahin nicht einmal gewusst, wie die Königin aussah, doch nun, da sie vor ihm stand, mit dem schwarzen Diamanten auf dem Haupt, schien es wahr zu sein.
„Das freut mich. Was bin ich Euch schuldig?“
Bernardius nannte seinen Preis. Die Königin nickte und gab ihrem Diener ein Zeichen. Kurz darauf kam er mit drei weiteren Dienern zurück. Je zu zweit trugen sie große Truhen.
„Darin ist mehr, als Ihr verlangt habt. Seht es als Anzahlung. Ab heute löst Ihr Meister Rudolfo ab.“
Die Königin drehte sich um und ging, das Diadem auf dem Haupte. Es war das letzte Mal, dass Bernardius seinen schwarzen Diamanten sah.

II
Seit fünfhundert Jahren befand sich das Diadem mit dem schwarzen Diamanten im Besitz ihrer Familie. Ihre Vorfahrin, eine der letzten, die noch mit Elfen und Feen dinierte, hatte es damals von einem Goldschmiedemeister erworben. Seither war es die königliche Krone und das Wahrzeichen ihres Hauses.
Die Reiche der Feen und Elfen waren untergegangen, ihre Völker vom Erdboden verschwunden. Nun waren die letzten Könige die der Menschen, und die Menschen verabschiedeten sich mehr und mehr von Königshäusern. Sie wollten sie nicht länger. Wenige waren übrig, und sie würde die letzte Königin des schwarzen Diamanten sein, denn sie hatte keine Kinder und würde nie welche haben.
Morgen war der Tag ihrer offiziellen Krönungszeremonie. Sie hielt das Diadem in der Hand und fuhr mit den Fingern über die vielen kleinen Diamanten, die Lichtfunken sprühten, und den einen großen, der alles schluckte. Die schwarze Krone. Einst hatte es geheißen, der Stein sei in Höllenfeuern entstanden und aus dem dunkelsten Loch der Erde gekommen; er bringe Unglück, er sei vom Teufel geschmiedet. Die erste Königin des schwarzen Diamanten hatte solche Geschichten der Menschen als unsinnigen Aberglauben abgetan und auch die Warnungen der Feen und Elfen, der Stein kündige den Untergang der Welt an, in den Wind geschlagen.
Die letzte Königin war sich nicht so sicher. Feen und Elfen gab es nicht länger, für sie war die Welt untergegangen. Hatten sie das damit gemeint? Dass ihre Reiche zerfallen und ihre Völker verschwinden würden? Würde die Menschen das gleiche Schicksal ereilen? Oder sogar die Welt als solche untergehen?
Das weiße Gold war kühl in ihren Händen und sie hatte plötzlich das Gefühl, als sauge der schwarze Diamant ihre Wärme auf und versuchte, sie gleich ganz zu schlucken.
Unwillig schüttelte sie den Kopf. Unsinn. Die Krone war wunderschön und nun ihre. Sie würde sie mit Stolz tragen.

III
Der schwarze Diamant brach aus seiner Fassung. Eintausend Jahre hatte er seit seiner Entdeckung gewartet, die erste Hälfte davon in einer Krone der mächtigsten Königinnen gesessen und alles gesehen, die zweite Hälfte im Stillen und Dunkeln gewartet, in einer Krone, die nicht länger getragen wurde.
Vor seiner Entdeckung hatte er ebenfalls im Dunkeln gewartet, doch ungleich länger. Seit Anbeginn der Welt hatte er in den Tiefen der Erde geschlummert, zusammen mit den anderen, war von Erdbewegungen hinauf- und hinuntergedrückt worden, härter und größer geworden, bis er endlich ans Licht kam. Dann hatte es noch eine kleine Weile gedauert, bis er zum richtigen Mann kam. Er wählte Bernardius, weil dieser wie kein Zweiter sein Talent entwickelt hatte und mit aller Hingabe an ihm arbeitete. Bernardius gab ihm so viel Energie und brachte ihn auf den richtigen Weg – zu einem Haus von Königinnen, die Macht und Leidenschaft im Überfluss besaßen.
Dann wartete der schwarze Diamant, bis alle bereit waren, bis die Welt reif für den Untergang war. Er brach aus seiner Fassung und verwandelte sich, löste seine festen Verbindungen und wuchs, wuchs zu einem schwarzen Strudel, der alles um sich herum verschlang, wuchs weiter, die Welt verschlingend, bis es nichts mehr gab und er mit den anderen aneinander stieß, die den Rest verschlungen hatten. Sie flossen zusammen, vereinten sich und implodierten. Zurück blieb nur ein schwarzes Loch im Universum, dort, wo einst die Erde gewesen war.
 

Agamemnon

Mitglied
Hallo Skylar!

Vorweg: ich bin noch recht neu hier in der Leselupe und habe selbst erst meinen ersten Text vor ein paar Tagen gepostet, aber ich würde Dir trotzdem gerne ein kurzes Feedback zu Deinem Text geben:

Insgesamt hat mir der Text sehr gut gefallen, Deine Art zu erzählen und Deinen Stil finde ich sehr ansprechend, auch die Wahl Dir richtigen Worte gelingt Dir immer vorzüglich. Den ersten Teil finde ich wirklich super!
Allerdings finde ich persönlich, dass Du Dir durch die Teile zwei und drei – aber vor allem durch den Teil zwei – sehr viel von dem, was Du in Teil eins aufgebaut hast, zerstörst. In kürzester Zeit wird hier ein Teil zwei eingeschoben, der nach einem sehr flüssig erzählten ersten Teil wirklich sehr schwierig in den Gesamtkontext einzuordnen ist. Ich habe mich gefragt, ob dieser Teil überhaupt nötig ist? Wenn ja, dann musst Du aus meiner Sicht diesen Teil auch noch viel mehr ausbauen, damit er im Einklang mit dem ersten Teil steht. Der dritte Teil ist meines Erachtens nicht so unpassend und macht Sinn, weil er die Geschichte abrundet (mit dem für meinen Geschmack recht interessanten und gut gewählten Ende), aber auch da wäre mir persönlich ein besserer Anschluss an den ersten Teil lieber.
Also zusammenfassend: ich war beim Lesen des Textes sehr angetan, aber dann am Schluss ein bisschen „enttäuscht“, weil Du wie ich finde viel mehr noch herausholen hättest können, wenn die Teile zwei und auch drei einen besseren und qualitative ebenbürtigen Anschluss an Teil eins hätten.

Jedenfalls hast Du einen tollen und ansprechenden Stil und es hat Spaß gemacht, diesen Text zu lesen!

Ich hoffe, Dir mit meinen Gedanken zu Deinem Text ein bisschen weitergeholfen zu haben,

LG Agamemnon
 



 
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