Der schwarze Hund

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MDSpinoza

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Der schwarze Hund

Du bist da draußen, Trucker, aber ich sehe dich. Du bist stolz, ein Ritter der Highways, der Kapitän der Landstraße und der Traum manch jungen Mädels. Die Kraft von 500 Pferden trägt dich durch die Nacht, das Gebrüll des Diesels unter deinem Hintern ist die schönste Musik für dich. Vielleicht hast du sogar schon von mir gehört. Nein? Dann achte auf mich. Nachts, wenn deine Augen rot und die Kehle trocken sind. Wenn die Autobahn endlos vor dir liegt, du aber nichts mehr erkennst im weichen Nebel, dann warte ich auf dich. Ein schwarzer Schatten im Nebel kann ich sein, das hast du bestimmt schon gesehen in den endlosen Nächten auf dem Bock, wenn der Kaffee kalt in der Thermosflasche schwappt und nicht besser schmeckt als die Pisse, die dich in der Blase drückt. Paß auf, wenn der Nebel fällt. Wenn die Nacht sich immer enger um deine Pupillen schlingt, wenn du im Radio nicht mehr zwischen Charley Pride und Roy Black unterscheiden kannst, dann warte ich auf dich.
Ich bin ein Geschöpf der Finsternis, auch wenn ich ab und zu am Tage die Ernte der Nacht einfahre.
Wenige von denen, die mich gesehen und erkannt haben, können noch davon erzählen. Der Chef macht dir die Hölle heiß, wenn du nicht pünktlich ankommst. 40 Tonnen Stahl, Aluminium, Diesel, und ein Container mit Flüssiggas hinten drauf. Vielleicht auch nur Sand oder Möbel? Egal. Mir jedenfalls. Was ich will bist du. Dein Gesichtsausdruck, wenn du mich erkennst. Wenn ich mir nehme, was du glaubst daß es dir gehört. Dein Leben, deine Seele, deine Liebsten.
Du hörst im Radio daß es wieder einen erwischt hat. Mit dem Zug in einen Stau reingerauscht. Von der Fahrbahn abgekommen mit dem Bus. Die offene Zugbrücke bei Antwerpen.
Ich kriege dich. Ich warte vielleicht schon hinter der nächsten Biegung auf dich. Ein schwarzer Hund mit großen, glutroten Augen, so schildern mich die wenigen, die die Begegnung mit mir überlebt haben. Ich warte schon seit ewigen Zeiten auf dich. Zuerst habe ich mich mit Reitern begnügen müssen, die nicht da waren wo sie hätten sein sollen. Wenige haben damals berichten können, was ihnen widerfahren ist. Meist wurden die Wölfe beschuldigt, sich einen Reiter gerissen zu haben. Diejenigen, die es besser wissen müssen, können es nicht mehr berichten. Das war eine geruhsame Zeit im Vergleich zu jetzt. Heute lebe ich zu meiner wahren Bestimmung auf. Ich reise mit euch, auf jeder Fahrt bin ich dabei. Du kannst mich sehen, wenn du weißt, worauf du achten solltest: eine unscheinbare Bewegung am Rande deines Blickfeldes, die dir mit Sicherheit entgeht, dann vielleicht ein Schatten im Nebel, dann solltest du dich umsehen, dann bin ich hinter dir her. Siehst du mich erst auf dich zuspringen ist es zu spät. Meine Augen sehen die wenigsten. Wenn ich meinen Hunger an dir gestillt habe, bist du nicht mehr das, was du noch ein paar Sekunden vorher warst. Dein Haus? Hab ich gefressen. Deine Familie? Hab ich gefressen. Deine Habe? Mein Nachtisch. Die Menschen, die du tötest, während du mit mir kämpfst? Hab ich gefressen. 80 bei dem Nebel? Morgenstund hat Tod im Mund. 04:45 Uhr morgens und du fährst seit sechzehn Stunden? Wart ein wenig, hinter dem nächsten Hügel, da wo die Autobahn eine Biegung macht habe ich etwas Eis auf die Straße gesprüht, eigentlich nur Reif, aber deine Reifen sind blank und du bist hundemüde.
Ich sitze schon auf der Leitplanke und blecke die Zähne. Meine roten Augen leuchten durch den Nebel, weil ich über die Straße renne denkst du, es seien Rücklichter die sich entfernen. Ich setze zum Sprung an und mit einem eleganten Satz bin ich auf deinem Lenkrad. Du trittst auf die Bremse dein Hänger überholt dich du krachst in den Camper vor dir dein Hänger kippt der Tank auf dem Sattelzug birst und das Benzin ergießt sich auf die Straße – Dann siehst du meine Augen leuchten, meine Zunge über meine weißen Zähne lecken bevor sie sich in dein Hirn bohren in dem Augenblick da ich dich fresse. Vielleicht siehst du noch den Feuerball, in dem du vergehst, vielleicht auch nicht. Du wirst es niemandem erzählen...

Köln (dpa) In den frühen Morgenstunden kam auf der BAB 1 kurz vor Euskirchen ein mit 22 Tonnen Leichtbenzin beladener Lastzug von der Fahrbahn ab und durchbrach die Leitplanke. Er geriet in den Gegenverkehr und raste in ein entgegenkommendes Wohnmobil...

Den großen schwarzen Hund der sich, die Lefzen leckend, von der Unfallstelle entfernte hat niemand gesehen...
 

Rainer

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Hallo MDSpinoza,

dein Text hat mir gefallen, auch wenn ich das Ende schon sehr zeitig geahnt habe - aber das macht ja nichts.
Schön fand ich vor allem einige bisher noch nicht gelesen Formulierungen und Bilder; leider verfällst du an manchen Stellen dagegen in sehr ausgekatschte Phrasen; versuche doch einfach (kleiner Scherz) so zu schreiben, wie noch niemand vor dir.

Mir ganz persönlich sind die letzten beiden Absätze zu viel des Guten; ich würde den Text nach den drei Pünktchen enden lassen...


Viele Grüße

Rainer
 
Hallo MDSpinoza,

ich sehe es ähnlich. Entweder die Nachrichtenmeldung oder den Dämon, verkörpert durch den schwarzen Hund, im letzteren Falle würde ich dem aber mehr Raum einräumen. Beides zusammen beißt sich meiner Meinung nach ein wenig.

Bis bald,
Michael
 

herb

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Hallo MDSpinoza,

mir gefällt die Idee der Story aus dem Truckerleben und -sterben gut.
Aber sie ist nach meiner Ansicht nicht gelungen an den Stellen, in denen sich der Hund selbst beschreibt. Vielleicht könntest du einfach die Perspektive wechseln in verschieden Abschnitten, eventuell ein Dialog in einer Raststätte über diesen geheimnisvollen Hund, wie er aussieht, was er anstellt.
und dann eben der Monolog der Bestie.

Gruß

herb
 



 
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