Der schwarze Schwan

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Claus Thor

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Der schwarze Schwan
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Claus Thor

Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es nun einen anderen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit, mit der ich bisher durch das Leben geschritten war, wich. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis des Zweifelns treten können?

Er hielt ihre zarte weiße Hand, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den filigranen Flügel eines kleinen Vogels.
Was hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred war anders. Animalisch. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hätte all das nicht gekonnt. Sie wollte es verrucht und verwegen. Fred würde sie beschützen, darin war sie sich sicher.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.

Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Er und sie. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Mann und Frau. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Der weiße und der schwarze Schwan. Irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, wo er ihr seinen Liebestanz darbot. Sie mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte. Ihr langer weißer Hals sich streckte vor Lust.
„Danke“, sagte ich. Belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Dazwischen sagte sie: „Töte ihn!“

Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf und ein Betrunkener rempelte mich an. Ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, hielt ich den Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es getan“, sagte sie in den dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen auf. Dann die Stimme, die antwortete: „Ja.“

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und ich ging die Straße abwärts. In Gedanken verloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah, dass das Fenster in der dritten Etage dunkel war.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred, den linken Arm hinter dem Kopf, rauchte. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann mittleren Alters, in einem Kamelhaarmantel, trat ins Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür. Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“ Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“

Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ich habe hin und her überlegt, aber leider kann ich nicht viel Konstruktives bieten. Meinen Eindruck will ich wenigstens - zumindest versuchsweise – schildern:

Der Text wirkt, als sei ein Kunstprojekt nicht ganz gelungen.

Sprachlich ist es hoch angebunden und das ist auch ok. Bis auf die meiner Meinung sehr unpassende Assoziation „Schwan" mit dem animalischen Liebhaber; das „schwarz“ zeichnet zwar das Böse nach, aber dem Typ fehlt doch wohl jede „schwanengleiche“ Eleganz. Andererseits passt das „weiß“ zwar zu Sybilles Körper aber kaum zu ihrem Charakter. Bei "wo er ihr seinen Liebestanz darbot" musste ich übrigens grinsen, das ist fand ich dann doch zu blumig. Ähnlich auch die „schlangengleiche Zunge", aber vielleicht findet das ja doch jemand erotisch und nicht alienhaft.

Am heikelsten ist jedoch die Struktur. Sie ist nicht ohne Weiteres zu durchschauen. Es hülfe eventuell, wenn es die ausgesprochenen Ich-Passagen und echte Sybille-Passagen geben würde (der letzte Absatz kann dabei „von außen gesehen“ bleiben), letztere changieren aber (bis auf eine Stelle) eher im Bereich „neutraler Beobachter“. Letzteres führt rasch dazu, dass man annimmt, diese Passagen seien das, was der Detektiv sieht / hört und was er dann LyrIch mitteilt. Dazu passt aber die "fragte sich Sybille"-Sache nicht und es geht auch gegen Ende immer weniger auf.

Für echten Lesegenuss zu lange brauchte ich auch bei der Erkenntnis, dass die einzelnen Absätze nicht nur den Point-of-View trennen sondern auch mit größeren zeitlichen Sprüngen verbunden sind. Zusätzlich irritierend dabei: Der erste LyrIch-Absatz scheint nach dem Detektiv-Absatz angesiedelt zu sein, das dazwischen sind also Rückblenden; in der Kette klingt es (bis auf den ersten Absatz) aber wie ein zeitlich unverschnörkeltes Vorwärtsgehen.



Details:

wie den filigranen Flügel eines kleinen Vogels.
Bildfehler: Bei wem du mit „Schwan“ hantierst, bei dem haben „filigrane Flügel kleiner Vögel" nicht verloren.

Was hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich.
Was hatte sie an ihrem Mann gemocht, fragte Sibylle sich.

Sie wollte es verrucht und verwegen. Fred würde sie beschützen, darin war sie sich sicher.
Beschützen wovor?
Seit wann ist „verrucht und verwegen“ auch nur halbwegs ein Zeichen für Beschützerinstinkte?


Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.
Hier musst ich lange überlegen, was du meinst. Zum einen, weil ich den Rückblick-Charakter nichts sofort verstand, zum anderen, weil ich ewig nicht begriff, warum „Irrtum!" zu "Ich konnte die Zweifel nicht zerstreuen" führt. Das tut es nämlich auch nicht, da fehlt ein „doch" dazwischen.

„Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.
Ausführungszeichen fehlen

Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Er und sie. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Mann und Frau. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Der weiße und der schwarze Schwan.
Das Unterstrichene soll wohl eine Art Logik-Kette sein. Dann wäre aber er der weiße Schwan und sie der schwarze, was assoziativ noch bizarrer ist als das oben schon beschriebene Problem.
Das Unterstrichene bildet eine sehr spröde und hochabstrahierende Logik-Kette. Schwer zu verdauen das.
Das Unterstrichene fließt inhaltlich und klanglich nicht wirklich aus den Bildern heraus, die LyrIch sieht, dadurch wirkt es verkünstelt, sperrig und spöde.


„Danke“, sagte ich. Belohnte
Besser: „Danke“, sagte ich, belohnte

Ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, hielt ich den Revolver fest umklammert.
Man liest den zweiten Teilsatz als Ergänzung des ersten und merkt erst nach dem dritten, dass er eigentlich eine Ergänzung des dritten ist. Man muss den Satz neu lesen, ihn sozusagen um-lesen.

„Hast du es getan“, sagte
So sehr ich mich auch mühe, ich kann es nicht als Feststellung (sagte) lesen. Es ist und bleibt eine Frage („Hast du es getan?“, fragte)

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und ich ging die Straße abwärts.
Dopplung "gehen".
Die Tatsache, vor dem Jaguar zu stehen, heißt nicht unbedingt, dass man auch fahren wird. Das "aber" ist deshalb ein wenig fehlklingend.
Ich verstehe den Hinweis auf die Kühle und das abwärts nicht. Ok, es ist so, aber was bedeutet es? (Der Text ist so „kunstvoll“, dass alles irgendwie bedeutungsvoll scheint.)


In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür. [blue]Absatz[/blue] Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“ [blue]Absatz[/blue] Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“




… das ist zwar nur punktuell konstruktiv, DIE Idee für die „Rettung des Kunstwerkes“ ist wahrscheinlich nicht dabei, aber vielleicht hilft es dir trotzdem ein wenig.
 

Claus Thor

Mitglied
Grins…
Kunstprojekt ist eine gute Umschreibung für die kurze Geschichte. Tatsächlich war sie ein Experiment: Jemand behauptete, dass man eine sehr kurzen Story nicht mit zwei Erzählsträngen schreiben könne; dass musste ich einfach mal ausprobieren.
Die Assoziation mit dem Schwan geht auf den russischen Tänzer Vaslav Nijinsky zurück; er hatte z. B. mit dem Sterbenden Schwan Philosophie getanzt und seine vulgären Bewegungen waren von animalischer Erotik…
Bei meiner Geschichte über den Liebesverrat, versuchte ich die beiden Perspektiven in ihrer Differenz zu vermitteln. Ich entschloss mich die Demütigung zu schildern, die der Protagonist einstecken musste und wie die erzählerisch zwingende Logik in die Katastrophe führt, wo er sozusagen Amok läuft. Mit Hilfe des Stilmittels der sogenannten `suspense´, versuchte ich eine schwebende Ungewissheit zu erzeugen. Der Leser weiß zunächst nicht, worum es geht. Andeutungen lassen auf nichts Bestimmtes schließen. Dies irritiert und damit hoffte ich Spannung zu erzeugen. Denn erst allmählich wird ersichtlich, worauf das Ganze hinausläuft…
Du hast natürlich völlig Recht dass der Flügel eines kleinen Vogels schlecht ins Bild passt.
Bei gegebener Zeit werde ich deine Vorschläge in den Text einarbeiten. Vielen Dank für die Textarbeit.
Im Übrigen, ich hab dein Warèn gelesen, einfach klasse! So was möchte ich auch mal können :)
Erinnerte mich ein wenig an die Perry Rhodan und Atlan Silberbände. Ein ähnlicher Stil. Wirklich schön.
Wenn du Lust hast, würde ich dich bitten, mal einen Blick auf meine Roadtrip-Story Crystal Lake zu werfen. Eil natürlich nicht…
 

Claus Thor

Mitglied
Der schwarze Schwan
Von
Claus Thor

Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es nun einen anderen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit, mit der ich bisher durch das Leben geschritten war, wich. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis des Zweifelns treten können?

Er hielt ihre zarte weiße Hand, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den Flügel eines stolzen Schwans.
Was nur hatte sie an ihrem Mann gemocht, fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred dagegen war anders. Animalisch. Sie hatte ihn nach einer Ballettaufführung kennen gelernt. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hätte all das nicht gekonnt.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich an-stellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Doch ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.“


Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Er spielte mir die Aufnahmen eines Tonbandmitschnitts vor. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Ich weiß nicht, wie ich auf die Metapher kam, aber ich sah sie als weißen und ihn als schwarzen Schwan. Fred war wohl ein viel gelobter Tänzer und irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, bot er ihr seinen Liebestanz dar. Mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte er sie. Ihr langer weißer Hals streckte sich vor Lust. Ich hatte genug gesehen.
„Danke“, sagte ich, belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Dazwischen sagte sie: „Töte ihn!“

Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf und ein Betrunkener rempelte mich an und ich kämpfte um mein Gleichgewicht, wobei meine rechte Hand in der Manteltasche, einen Revolver fest umklammert hielt. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es getan?“, fragte sie in den dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen auf. Dann die Stimme, die antwortete: „Ja.“

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und die Straße führte abwärts. Ich war Gedanken verloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah, dass das Fenster in der dritten Etage dunkel war.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred, den linken Arm hinter dem Kopf, rauchte. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann mittleren Alters, in einem Kamelhaarmantel, trat ins Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür.
Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“
Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“

Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 

Claus Thor

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Der schwarze Schwan
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Claus Thor

Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es möglicherweise einen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit, mit der ich bisher durch das Leben geschritten war, wich. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis meines Zweifelns treten können?

Er hielt ihre zarte weiße Hand, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den Flügel eines stolzen Schwans.
Was nur hatte sie an ihrem Mann gemocht, fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred dagegen war anders. Animalisch. Sie hatte ihn nach einer Ballettaufführung kennen gelernt. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hätte all das nicht gekonnt.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich an-stellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Doch ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.“


Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Er spielte mir die Aufnahmen eines Tonbandmitschnitts vor. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Ich weiß nicht, wie ich auf die Metapher kam, aber ich sah sie als weißen und ihn als schwarzen Schwan. Fred war wohl ein viel gelobter Tänzer und irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, bot er ihr seinen Liebestanz dar. Mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte er sie. Ihr langer weißer Hals streckte sich vor Lust. Ich hatte genug gesehen.
„Danke“, sagte ich, belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Dazwischen sagte sie: „Töte ihn!“

Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf und ein Betrunkener rempelte mich an und ich kämpfte um mein Gleichgewicht, wobei meine rechte Hand in der Manteltasche, einen Revolver fest umklammert hielt. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es getan?“, fragte sie in den dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen auf. Dann die Stimme, die antwortete: „Ja.“

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und die Straße führte abwärts. Ich war Gedanken verloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah, dass das Fenster in der dritten Etage dunkel war.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred, den linken Arm hinter dem Kopf, rauchte. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann mittleren Alters, in einem Kamelhaarmantel, trat ins Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür.
Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“
Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“

Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 

Claus Thor

Mitglied
Der schwarze Schwan
Von
Claus Thor
Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es möglicherweise einen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit wich, mit der ich bisher durch das Leben geschritten bin. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis meines Zweifelns treten können?

Er hielt ihre zarte weiße Hand als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den Flügel eines stolzen Schwans.
Was nur hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred dagegen war anders. Animalisch. Sie hatte ihn nach einer Ballettaufführung kennen gelernt. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hatte das nicht gekonnt.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Es kann nicht sein, was nicht seinen darf. Doch ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände berühren mich als sei ich aus Glas. So wie er die Retorten, Kolben und Schalen behandelt: Mit kaltem Interesse. Doch mein Inneres ist keine Chemikalie. Es ist mein Seele!“


Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Er spielte mir die Aufnahmen eines Tonbandmitschnitts vor. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Ich weiß nicht, wie ich auf die Metapher kam, aber ich sah sie als weißen und ihn als schwarzen Schwan. Fred war wohl ein viel gelobter Tänzer und irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, bot er ihr seinen Liebestanz dar. Mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte er sie. Ihr langer weißer Hals streckte sich vor Lust. Ich hatte genug gesehen.
„Danke“, sagte ich, belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Ja, mit ihm wollte sie das Leben feiern. Er ließ ihre Seele tanzen. Nie wieder Joe. Nie wieder!
Und nachdem Akt, der immer noch ihre Sinne rauschen ließ, als würde ihr Körper von einer himmlischen Strömung mitgerissen, sagte sie: Wir müssen ihn töten. Töte ihn! Ich flehe dich an, Fred! Er muss weg!“

Die Huren sahen mich an als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf, ein Betrunkener rempelte mich an. Und ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, einen Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es getan?“, fragte sie in dem dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen neben ihr auf. Noch zitterten die schweißbedeckten Leiber voller Lust. Sie musste lange auf die Antwort warten. Aber sie sagte nichts weiter, sondern hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt, wo sie das Bum-Ba-Bum seines Herzschlags lauschte. Seine Finger glitten durch ihr Haar. Ihre Lippen begannen den Hof seiner Warzen zu umspielen. Sie griff sein halbschlaffes Geschlecht und begann es zu kneten. Nochmal wollte sie ihn in sich spüren. Nochmal auf der lustvollen Woge reiten. Sag es, dachte sie, sag es. Und sie fühlte seine kommende Härte. Er drückte den Rest der Zigarette im Ascher neben sich aus. Umschlang sie mit seinen starken Armen. Bevor sich ihre Lippen berührten hauchte er die Antwort die sie erwartet hatte. Ja. Ja, er hatte es getan.


Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und die Straße führte abwärts. Ich war Gedankenverloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah das Fenster in der dritten Etage. Es dunkel war. Vielleicht waren sie ja nicht mehr da? Oder gerade jetzt bogen sich ihre Leiber in schändlicher Wollust? Die Faust gepresst an meinem Mund stand ich da. Ich biss hinein bis es blutete.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred hatte sie an den Schultern gefasst und küsste ihren schwanenhaften Hals. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann in einem Kamelhaarmantel gehüllt betrat das Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Sie wendete den Kopf und ich hörte sie leise fragen: „Joe?“
Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür.
Fred hastete vom Bett empor und meinte völlig perplex: „Das gibt’s doch nicht.“
Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und antwortete in meiner überlegenden Art: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Du bist zu weit gegangen, mein Schatz.“
Oh wie schön sie war als sterbender Schwan.

Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 

Claus Thor

Mitglied
Überarbeitet Juni 2018

Der schwarze Schwan
Von
Claus Thor
Ich dachte an meine betörende Frau. Es nährte sich der Gedanke, dass es einen Mann gab, da draußen, der mein Leben in den Abgrund zu reißen suchte. Die Sicherheit wich, mit der ich bisher lebte. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis meines Zweifelns treten?

Er hielt ihn innig umschlungen, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner Arme raubte ihr den Atem.
Was nur hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, der Studentenzeit, wo sie sich zum ersten Mal trafen. Er hörte ihr zu, was sie bei den Kommilitonen, die vor ihr herumbalzten, vermisste. Sie hatte sich alles von der Seele geredet. Damals. Und heute? Fred war anders: charmant und animalisch. Sie hatte ihn nach einer Ballettaufführung kennen gelernt. Er hatte in ihr eine Leidenschaft geweckt. Joe war ein ... problemloser Mann, aber das hatte er nicht vermocht.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich weigerte mich, die Realität wahrzunehmen, und vermochte die Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich ertrag Joe nicht mehr. Sein Wesen: Weiß gekachelt wie die Wände des Labors in dem er die Zeit vielmehr verbringt als mit mir. Seine Hände berühren mich als sei ich aus Glas. So wie er die Retorten, Kolben und Schalen behandelt: mit kaltem Interesse. Doch mein Inneres ist keine Chemikalie. Es ist meine Seele!“

Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Er spielte mir die Aufnahmen eines Tonbandmitschnitts vor. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Eng umschlungen in einer Straße in der Nähe. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Ich weiß nicht, wie ich auf die Metapher kam, aber ich sah sie als weißen und ihn als schwarzen Schwan. Fred war offenbar ein gelobter Tänzer und im Zimmer eines Hotels dieser Stadt, bot er ihr seinen Liebestanz dar. Umhüllte sie, mit kräftigen Schwingen. Ihr langer weißer Hals streckte sich vor Lust. Ich hatte genug gesehen. „Danke“, sagte ich, belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Ja, mit ihm feierte sie das Leben. Er ließ ihre Seele tanzen. Joe. Nie wieder!
Und nachdem Akt, der ihre Sinne rauschen ließ, als würde ihr Körper von einer himmlischen Strömung mitgerissen, sagte sie: „Töte ihn! Ich flehe dich an, Fred! Mach ihn weg!“

Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür der Bar flog auf, als ich aus der Kaschemme trat, ein Betrunkener rempelte mich an. Und ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, einen Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es erledigt?“, fragte sie in dem dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen neben ihr auf. Ihre schweißbedeckten Leiber zitterten voller Lust. Die Antwort ließ auf sich warten. Aber sie sagte nichts weiter, sondern hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt, wo sie das „boom bang bang“ des Herzschlags lauschte. Finger glitten durch ihr Haar. Ihre Lippen umspielen den Hof seiner Warzen. Sie griff sein halbschlaffes Geschlecht und knetete es. Wieder wünschte sie, ihn in sich zu spüren. Nochmal auf der lustvollen Woge reiten. Sag es, dachte sie, sag es. Und sie fühlte die kommende Härte in ihrer Hand. Er drückte den Rest der Zigarette im Ascher neben sich aus. Bevor er in sie drang, und sich ihre Lippen berührten, hauchte er die Antwort, die sie erwartet hatte. „Ja. Ja. Es wird wie ein Unfall aussehen.“

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu einem Spaziergang. Die Luft war kühl und die Straße führte abwärts. Ich war gedankenverloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah das Fenster in der dritten Etage. Es war dunkel. Waren sie da? Und bogen sich ihre Leiber, dort oben, in schändlicher Wollust? Die Faust gepresst an meinem Mund stand ich dort. Ich biss hinein bis es blutete.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred hatte sie an den Schultern gefasst und küsste ihren schwanenhaften Hals. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann in einem Kamelhaarmantel gehüllt betrat das Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Sie wendete den Kopf und ich hörte sie leise fragen: „Joe?“
Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür.
Fred hastete vom Bett empor und meinte völlig perplex: „Das gibt’s doch nicht.“
Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und antwortete in meiner überlegenden Art: „Die Bremsflüssigkeit des Jaguars bestehen aus Glykolesther und hat daher einen leicht süßlichen Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Du bist zu weit gegangen, mein Schatz.“
Oh wie talentiert sie war, als sterbender Schwan.

Man hörte es um 3.30 Uhr zweimal knallen. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 

Claus Thor

Mitglied
Überarbeitet Juni 2018

Der schwarze Schwan
Von
Claus Thor
Ich dachte an meine betörende Frau. Es nährte sich der Gedanke, dass es einen Mann gab, da draußen, der mein Leben in den Abgrund zu reißen suchte. Die Sicherheit wich, mit der ich bisher lebte. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis meines Zweifelns treten?

Er hielt sie innig umschlungen, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner Arme raubte ihr den Atem.
Was nur hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, der Studentenzeit, wo sie sich zum ersten Mal trafen. Er hörte ihr zu, was sie bei den Kommilitonen, die vor ihr herumbalzten, vermisste. Sie hatte sich alles von der Seele geredet. Damals. Und heute? Fred war anders: charmant und animalisch. Sie hatte ihn nach einer Ballettaufführung kennen gelernt. Er hatte in ihr eine Leidenschaft geweckt. Joe war ein ... problemloser Mann, aber das hatte er nicht vermocht.

Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich weigerte mich, die Realität wahrzunehmen, und vermochte die Zweifel nicht zerstreuen.

„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich ertrag Joe nicht mehr. Sein Wesen: Weiß gekachelt wie die Wände des Labors in dem er die Zeit vielmehr verbringt als mit mir. Seine Hände berühren mich als sei ich aus Glas. So wie er die Retorten, Kolben und Schalen behandelt: mit kaltem Interesse. Doch mein Inneres ist keine Chemikalie. Es ist meine Seele!“

Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Er spielte mir die Aufnahmen eines Tonbandmitschnitts vor. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Eng umschlungen in einer Straße in der Nähe. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Ich weiß nicht, wie ich auf die Metapher kam, aber ich sah sie als weißen und ihn als schwarzen Schwan. Fred war offenbar ein gelobter Tänzer und im Zimmer eines Hotels dieser Stadt, bot er ihr seinen Liebestanz dar. Umhüllte sie, mit kräftigen Schwingen. Ihr langer weißer Hals streckte sich vor Lust. Ich hatte genug gesehen. „Danke“, sagte ich, belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.

Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Ja, mit ihm feierte sie das Leben. Er ließ ihre Seele tanzen. Joe. Nie wieder!
Und nachdem Akt, der ihre Sinne rauschen ließ, als würde ihr Körper von einer himmlischen Strömung mitgerissen, sagte sie: „Töte ihn! Ich flehe dich an, Fred! Mach ihn weg!“

Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür der Bar flog auf, als ich aus der Kaschemme trat, ein Betrunkener rempelte mich an. Und ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, einen Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.

„Hast du es erledigt?“, fragte sie in dem dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen neben ihr auf. Ihre schweißbedeckten Leiber zitterten voller Lust. Die Antwort ließ auf sich warten. Aber sie sagte nichts weiter, sondern hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt, wo sie das „boom bang bang“ des Herzschlags lauschte. Finger glitten durch ihr Haar. Ihre Lippen umspielen den Hof seiner Warzen. Sie griff sein halbschlaffes Geschlecht und knetete es. Wieder wünschte sie, ihn in sich zu spüren. Nochmal auf der lustvollen Woge reiten. Sag es, dachte sie, sag es. Und sie fühlte die kommende Härte in ihrer Hand. Er drückte den Rest der Zigarette im Ascher neben sich aus. Bevor er in sie drang, und sich ihre Lippen berührten, hauchte er die Antwort, die sie erwartet hatte. „Ja. Ja. Es wird wie ein Unfall aussehen.“

Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu einem Spaziergang. Die Luft war kühl und die Straße führte abwärts. Ich war gedankenverloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah das Fenster in der dritten Etage. Es war dunkel. Waren sie da? Und bogen sich ihre Leiber, dort oben, in schändlicher Wollust? Die Faust gepresst an meinem Mund stand ich dort. Ich biss hinein bis es blutete.

Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred hatte sie an den Schultern gefasst und küsste ihren schwanenhaften Hals. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann in einem Kamelhaarmantel gehüllt betrat das Zimmer.

In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Sie wendete den Kopf und ich hörte sie leise fragen: „Joe?“
Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür.
Fred hastete vom Bett empor und meinte völlig perplex: „Das gibt’s doch nicht.“
Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und antwortete in meiner überlegenden Art: „Die Bremsflüssigkeit des Jaguars bestehen aus Glykolesther und hat daher einen leicht süßlichen Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Du bist zu weit gegangen, mein Schatz.“
Oh wie talentiert sie war, als sterbender Schwan.

Man hörte es um 3.30 Uhr zweimal knallen. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
 



 
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