Der skizzenhafte Aufbau der Ruinen, eine Polemik (gelöscht)

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JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Grossartig. Teils etwas zu holperig aber herrlich komponiert!
Endlich mal jemand, der mit beiden Beinen und seiner lyrischen Sprache ganz und gar im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Gruss

Jürgen
 

ENachtigall

Mitglied
HalloThomas,

meine uneingeschränkte Bewunderung für dieses Gedicht! JoteS hat es auf den Punkt gebracht mit seiner Formulierung.
Viele Grüße

Elke
 

Walther

Mitglied
Moin Thomas,

ein Sonettrondell zu schreiben, das ist hohe Kunst, da darf's auch holpern. Die Kombination von heutiger Sprache und alter Form, einfach klasse, da sage ich als einer der Sonetter in der LL.

Ich danke Dir für diesen Beitrag. Er bringt, hoffe ich, auch andere auf den Gedanken, sich einmal, durchaus ironisch, mit den Formen auseinanderzusetzen, die die Lyrik so reich zu bieten hätte, würde man sich bemächtigen. Schaden würde es nicht. Und mancher Dichtversuch wäre einer, der die Chance zum Überleben hätte, denn Form und Ordnung disziplinieren durchaus segensreich das Denken.

In diesem Sinne freue ich mich auf weitere Einträge dieser Art, ziehe tief mein Hut und trete bescheiden ab. Bis mir etwas Ähnliches gelingt, jedenfalls. :)

Gruß, erfreut und besonnt,

W.

PS.: Wenn ich's solang aushalte, nix zu posten ... ;)
 
H

HFleiss

Gast
Der skizzenhafte Aufbau der Ruinen

Ja, das Sonett ist dir gut gelungen. Aber eine kleine Anmerkung habe ich doch: Mir versinken die Gedanken zu sehr in der Flut der Worte. Du hast versucht, allumfassend deinen Ekel, dein Erstaunen, deine Abneigungen, dein eigenes Versagen in Worte zu fassen. Ich glaube, die Konzentration auf weniger Fakten hätte mehr Wirkung, aber so zerstreut sich alles wie Spreu im Wind, und im Grunde bleibt beim Leser nur: Ekel vor der Zeit.

Gruß
Hanna
 
Mein Kommentar ist etwas lang, das Gedicht (auf das mich ENachtigall aufmerksam gemacht hat) als typisches 14+1-zyklisches Sonett in 210 Zeilen – aber auch. Die Beurteilung dazu habe ich mir sozusagen als Buße auferlegt, da ich es gewagt habe, ein 128zeiliges Gedicht als Einstand einzustellen und dem nichts Böses ahnenden und erwartungsvollen, dann brüskierten und schließlich todesmutigen Leser damit viel abverlangt. Nun bin ich der Leser.


Zuerst einmal: Respekt! Ich würde es mir nicht zutrauen, meine Poesie in ein Korsett so exakter, lyrischer Vorgaben zu zwängen, noch dazu vom Umfang eines Sonetts. Ich liebe eher die Freiheit der Form.

Allerdings sind mir bei der Form einige Freiheiten aufgefallen:
Anstatt des üblichen Schemas

abba abba bei den Quartetten

sieht es (ein paar Beispiele) in den ersten vier Zyklen so aus:

abba cddc eef gfg
abba cddc efg feg
abba cddc efg efg
abba cddc efe gfh

Gelegentliche Freiheiten sind aber nicht gleich Fehler.
Und nicht immer sind es Elfsilber.

Beispiele:
4. Zyklus, 1. Terzett:
„Mit aufgesetztem Hochgefühl”
6. Zyklus, 1. Terzett:
„das rächt sich sicher irgendwann.”

abgeschwächte jambische Betonung:
„Doch letztlich geht’s auf Friedhöfen noch weiter”
„erinnert nichts an einfachere Zeiten,”

Zur Rechtschreibung nur soviel: Stichwort Zeichensetzung.
Gelegentlich fehlen Kommata, frz. Accents und Apostrophe (Geschmacksache?):
„weitrer Knochenbruch”
„Die Angst vorm Gestern”
„die andern”
„die Meisten” – wird „meisten” hier nicht klein geschrieben?

Aber solche Schönheitsfehler sind angesichts des gewaltigen Sprachschöpfungsakts mehr als verschmerzlich. Bei einem Vortrag würden sie nicht auffallen.

Zum Stil:
Die Präsentation von DEnglisch-Begriffen und neudeutschen Vokabeln des 21. Jahrhunderts im Gewand einer so altehrwürdigen, anspruchsvollen Gedichtform überrascht und zerstreut augenblicklich die Befürchtung, es könnte ein zäher Leseprozess werden.

Zur Aussage:
Das Sonett ist eine Widerspiegelung der Zustände in unserer Welt. Allerdings wird durch Metaphern nicht auf Anhieb im Detail klar, was gemeint ist. Aber da das bei sehr vielen Gedichten nicht anders ist und dem Verfasser stets eine gewisse künstlerische Freiheit zugestanden werden muss, kann man das getrost so stehen lassen.

Allgemein kann man dem Gedicht eine Sichtweise attestieren, die weder beschönigt noch nüchtern ist. Vielmehr macht sie einen düsteren Eindruck. Und vielleicht muss es auch so sein. Wie sonst könnte man die Mächtigen der Welt dazu bewegen, die Zustände zu ändern? Weder Schönrednerei noch Realismus sind dazu ein probates Mittel, aber vielleicht ein gesunder Pessimismus.

Ansonsten:
Deine Wortgewalt und Sprachversiertheit macht einen schwindlig, und ein Begriff kommt mir beim Durchlesen immer wieder in den Sinn: „Genie”.

Du hast meinen größten Respekt für diese Mammut-Schöpfung!

Liebe Grüße!

Crimson Conjuror
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Thomas Rackwitz,

das ist ein SEHR guter Text!

Bewundernde Grüße von Zeder
 

Rhea_Gift

Mitglied
Begeistert, bedrückt, aber zustimmend gelesen!

Hut ab! Zitiere die Wertung mal grob: dies gehört zu dem Besten, was ich bisher gelesen habe!!!

LG, Rhea
 

HerbertH

Mitglied
Ein starkes Stück Lyrik, Chapeau!

Ich bin darauf durch Walthers Hinweis in zugetextet.com gestossen.

Heutzutage wäre es in Feste Formen vielleicht besser aufgehoben.

Sonettenkränze gibt es inzwischen zwar einige in der LL, aber es könnten auch mehr sein.
 

Walther

Mitglied
Hi Herbert,

das ist in der tat lyrik vom feinsten. dieser text beweist, daß es - übrigens nicht nur in der leselupe, da aber doch häufige als andernorts - unglaublich gute poesie und prosa gibt. nur scheinen das die verlage noch nicht wirklich verstanden zu haben.

schön, daß du auf mein neues projekt hingewiesen hast, das inzwischen schon eine weile online ist. mein fundus an rezensionen ist noch nicht erschöpft, gerade bin ich bei 2011 angekommen. :)

zugetextet.com arbeitet gezielt mit literaturforen in form von wettbewerben zusammen. die beiden ersten kooperationspartner habe ich gerade in interviews und features vorgestellt. ich freue mich schon darauf, die wettbewerber vorstellen zu dürfen.

die leselupe steht auf meiner wunschliste. lassen wir uns überraschen, ob das gelingen kann.

lieber gruß Walther
 
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