Dichtungslos

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Walther

Mitglied
Dichtungslos


Ich habe mich schon lang bedauert,
Mich mit der Dichtung eingemauert,
Die Welt, den Vers, den Reim betrauert.
Dort bin ich mit der Zeit versauert.

Hier sitz ich nun, neben mir Stein
Und vor mir auch. Ich bin allein.
Ich schwöre kleinlaut Stein und Bein:
So hart wollt ich doch gar nicht sein.

Es weint mit mir die Dichterwelt,
Weil hier ein Lebenstraum zerschellt
Von Ruhm und Preis und wenig Geld;
Dafür wird Sprache nicht entstellt,

Und Leser werden nicht gepeinigt
Ein armer Dichter nicht gesteinigt,
Nicht Dichtungslosigkeit bescheinigt,
Die Kunstwelt wird um ihn bereinigt.

Und ich, der nicht mehr dichten will,
Ich sitz als Mauer, schweige still,
Obwohl ich brodel, grummel, quill.

Die Risse dichtet Moltofill.
 

Karneol

Mitglied
Stein

[blue]Hallo Walther, ganz nett die Reflektion, aber nicht überzeugend ehrlich, eher satirisch angehaucht.
Du legst zu viel Stein in den Text, vielleicht kannst Du in der zweiten Strophe ein Synonym finden?
Vom Aufbau her, erweichst du eher, als dass eine Versteinerung zu spüren ist. Das Kittungsbedürfnis steckt sicher nicht Dir allein in den Knochen. Dabei war es interessant zu lesen. LG. I. K. P. [/blue]
 

Cosi

Mitglied
Mit der Steinmenge in Strophe 2 stimme ich Karneol zu.
Außerdem ist "neben" suboptimal betont:
Hier sitz ich nun, ne[red]ben[/red] mir Stein
Und vor mir auch. Ich bin allein.
Ich schwöre kleinlaut Stein und Bein:
So hart wollt ich doch gar nicht sein.
Man könnte theoretisch die Reimhäufung sogar noch weiter erhöhen:

Nun sitz' ich hier so ganz allein
auf reinem Mineral - oh nein!
Und schwöre kleinlaut Stein und Bein:
So hart wollt ich doch gar nicht sein!


(Nur eines von x möglichen Beispielen - wobei ich Interjektionen in Reimen - sofern sie passen - immer mag)


Gut gefällt mir die Lockerheit - endlich mal was nicht zu Verkopftes von Dir!
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Walther,

"Es weint mit mir die Dichterwelt"
Oh ja! Woher wusstest Du? :)

Mir gefällt Dein Text, so wie er ist.

Schöne Grüße, NDK
 

Walther

Mitglied
Hi Cosi, lb. Carneol,

als Variante wäre besser im Metrum das:
Hier sitz ich nun, daneben Stein
Und vor mir auch. Ich bin allein.
Ich schwöre kleinlaut Stein und Bein:
So hart wollt ich doch gar nicht sein.
Damit wäre der Gag gerettet. Allerdings bleibe ich - danke, NDK - der Ansicht, daß meine, wenn auch "falsche" Betonung eigentlich die "lustigere" Variante ist.

Zum doppelten Stein, der hier ja ein klassisches "Teekesselchen" ist und das Sprachbild "Stein und Bein schwören" aufgreift, in dem Sinne, dieses Bild ebenso wie die ganze Situation ad absurdum zu führen. Das ist eben ein Blödsinnsgedicht, nicht mehr und auch nicht weniger. Die Satire ist also Programm.

Lieben Dank und Gruß

W.
 

Cosi

Mitglied
Nun ja,
was an neben (oder auch dem nicht ganz so schlimmen dafür) "lustig" sein soll, aber geschenkt.
Den meisten Leuten fallen in ihren Reimgedichten Mißbetonungen sowieso nicht auf, wenn sie abschließend nachgezählt haben und die Silbenzahl "stimmt".

@NDK:
Findest Du die falschrumme Betonung von "neben" tatsächlich "lustig", oder fällt sie Dir nur nicht auf?
 

Walther

Mitglied
Hallo Cosi,

das ist Einstellungsfrage. Ich habe die Silben nicht gezählt, welche aber trotzdennoch stimmen (in der Zahl) und den "Schrittfehler" absichtsvoll drin gelassen. Wie gesagt: Die Variante habe ich genannt.

Letztlich ist das Gedicht absoluter Schwachsinn und sollte als solcher gesehen werden. Es war fürs Lächeln geschrieben (nicht für die Ewigkeit). Schade finde ich die Bewertung mit "3".

Aber gut. Wer schreibt und das ins Web stellt, muß das Ergebnis tragen.

Gruß W.
 

Cosi

Mitglied
Ich werte nicht anonym (sondern gar nicht).

Ich finde das Gedicht auch zeitlos erheiternd, deshalb stören mich die 1,5 Unrund-Stellen umso mehr.
Wäre in meinen Augen aber auch damit minigens 7!
 

NewDawnK

Mitglied
@NDK:
Findest Du die falschrumme Betonung von "neben" tatsächlich "lustig", oder fällt sie Dir nur nicht auf?
@ Cosi

Es kommt immer auch auf die Art des Vortrags an.
Wenn man diesen Text lieblos herunterleiert, dann mag man durchaus ins Stolpern geraten, aber dann hat man’s auch nicht anders verdient, würde ich meinen.

Warum sollte ich Walther, von dem ich weiß, dass er das lyrische Handwerk recht gut beherrscht, mit dem pädagogischen Zeigefinger unter der Nase herumfuchteln? Ich gehe davon aus, dass er auch in diesem Fall ziemlich genau weiß, was er tut. Bei manchen seiner Kritiker bin ich mir nicht so sicher.

Zum Thema Metrum
Schau Dir einmal dieses Gedicht von Adelbert v. Chamisso an, und beurteile es mit dem Maßstab, den Du an Walthers Gedicht angelegt hast:

Der Soldat

Es geht bei gedämpfter Trommeln Klang;
Wie weit noch die Stätte ! der Weg wie lang!
O wär’ er zur ruh’ und alles vorbei!
Ich glaub’, es bricht mir das Herz entzwei!

Ich hab’ in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu, dazu bin auch ich kommandiert.

Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu –
Dir schenke Gott die ewige Ruh’!

Es haben dann neun wohl angelegt ;
Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz –
Ich aber, ich traf ihn mitten ins Herz.

Schöne Grüße, NDK
 

Cosi

Mitglied
Es kommt immer auch auf die Art des Vortrags an.
Wenn man diesen Text lieblos herunterleiert, dann mag man durchaus ins Stolpern geraten, aber dann hat man’s auch nicht anders verdient, würde ich meinen.
Von lieblos kann von meiner Seite ja nicht die Rede sein.
Nur schaffe ich es z.B. nicht, das "neben" irgendwie sinnvoll zu betonen und zugleich das Gedicht rhythmisch vorzutragen.

Warum sollte ich Walther, von dem ich weiß, dass er das lyrische Handwerk recht gut beherrscht, mit dem pädagogischen Zeigefinger unter der Nase herumfuchteln?
Sind wir hier denn ein Standesforum?
Muß ich, wenn ich einen Text beurteile, berücksichtigen, welchem Stand der Autor (nach Deiner oder allgemeiner Überzeugung) angehört?

Pädagogischer Zeigefinger?
Was hat denn fundierte Textkritik in einem Forum, in das man genau wegen dieser seine texte einstellt, mit pädagogischem Zeigefinger zu tun?
Auch hierzu hätte ich gerne eine Erläuterung!

Ist es so, daß man bei manchen Autoren nur Eindrücke bzw. Lob einstellen darf, bei anderen hingegen Textkritik und Hilfestellungen?


Ich gehe davon aus, dass er auch in diesem Fall ziemlich genau weiß, was er tut. Bei manchen seiner Kritiker bin ich mir nicht so sicher.
Warum so allgemein erzählt?
Wenn Du mit "manchen seiner Kritiker" mich meinst, kannst Du das doch sagen!

Zum Thema Metrum
Schau Dir einmal dieses Gedicht von Adelbert v. Chamisso an, und beurteile es mit dem Maßstab, den Du an Walthers Gedicht angelegt hast:

Der Soldat

Es geht bei gedämpfter Trommeln Klang;
Wie weit noch die Stätte ! der Weg wie lang!
O wär’ er zur ruh’ und alles vorbei!
Ich glaub’, es bricht mir das Herz entzwei!

Ich hab’ in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu, dazu bin auch ich kommandiert.

Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu
Dir schenke Gott die ewige Ruh’!

Es haben dann neun wohl angelegt ;
Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz
Ich aber, ich traf ihn mitten ins Herz.
Hab ich rhythmisch nichts dran auszusetzen!
Das Variieren der Einzelfüße paßt je gut zur Dramaturgie des Inhaltes!
(Selbstredend könnte man ein paar Zeilen auch noch einmal anders - aber ebenfalls mit vier Betonten - lesen!)


Jetzt mal meine Bitte:
Könntest Du mir in analoger Weise sagen, wie Du die Zeile mit "neben" betonen würdest (Betontes je eingefettet)?
 

Walther

Mitglied
Hi Ihr Zwei!

Das Gedicht ist gereimter Schwach- mit Hintersinn. Da darf es auch mal "holpern", weil schließlich die Effekthascherei ja Selbstzweck ist. Meine Variante
Hier sitz ich nun, daneben Stein
Und vor mir auch. Ich bin allein.
Ich schwöre kleinlaut Stein und Bein:
So hart wollt ich doch gar nicht sein.
wäre im Metrum. Damit wäre das Problem geheilt.

Ich könnte mit dieser Variante leben.

Lieber Gruß W.
 

NewDawnK

Mitglied
Mir liegt die Lyrik am Herzen und nicht das Klugschwätzen über Lyrik.
Für mich stimmt dieser Text, gerade weil er nicht bis ins letzte Detail stromlinienförmig ist.

Wenn jemand dagegen auf sein handwerkliches Können völlig pfeift und sich einbildet, ein Inhalt lässt sich auch ohne jede Rücksicht auf die Form transportieren, dann täuscht er sich in aller Regel. Das würde ich ihm, sofern mich der Inhalt anspricht, auch rückmelden – ansonsten habe ich hier wirklich keine große Lust den Hobby-Pädagogen zu spielen.

Das Beispiel von Chamisso sollte zeigen, dass selbst die Silbenzählerei manchmal völlig am Ziel vorbeiführt.

Einen schönen Tag Euch beiden.

NDK
 

Cosi

Mitglied
@NDK

Mir liegt die Lyrik am Herzen und nicht das Klugschwätzen über Lyrik.
ansonsten habe ich hier wirklich keine große Lust den Hobby-Pädagogen zu spielen.
Dafür drückst Du Dich aber ziemlich altklug aus, ohne konkret zu werden.
Und konkrete Nachfragen beantwortest Du nicht - weder zu Deinen Seitenhieben, die, wie ich dank Deiner fehlenden Antwort nun sicher weiß, besagen sollen, daß Vertreter des Dünnbrettbohrertums ohne jede Ahnung von Lyrik wie ich sich gefälligst nicht anmaßen sollen, Texte Deines Lyrikgottes partiell zu kritisieren,
noch zur Betonung einer konkreten Stelle.

Das Beispiel von Chamisso sollte zeigen, dass selbst die Zilbenzählerei manchmal völlig am Ziel vorbeiführt.
Das liest sich aber dann doch ziemlich hobbypädagogisch - vor allem, wo es offenbar ein Ersatz für eine viel kürzer zu fassende, konkrete Antwort wäre!
Und außerdem völlig am Thema vorbei, da von Silbenzählen hier nicht die Rede war.
 

Walther

Mitglied
Hallo Ihr Zwei,

(a) Ich bin kein Dichtergott, sondern bewußter Amateur in der Dichtungsbranche. Und NDKs Dichtergott schon gar nicht, lb. Cosi. Dagegen wird sie sich sehr deutlich verwahren, sage ich voraus. ;)
(b) Silbenzählen kann am Anfang helfen und ist daher immer wieder ratsam. Besonders für einen selbst. Wobei das Silbenzählen selbst ohne das Verwenden der Betont/Unbetont Systematik vom Metrum her nichts bringt. Es kann ebenfalls nicht schaden, sich der Formen- und Verslehre ein wenig zu verschreiben. Etwas solides Handwerk hilft wenigstens vor dem Totalabsturz (meistens bzw. immer öfter).
(c) Moderne Lyrik hat sich von den starren Formen gelöst. Ich bin und bleibe da allerdings immer sehr vorsichtig, weil die Argumentation mit der Formenfreiheit und -vielfalt gerne (und oft!) vom eigenen Unvermögen dessen ablenken soll, der diese Punkte für sich ins Feld führt.
(d) Verhakt Euch nicht zu sehr. Die Qualität dieses Beitrags (und auch der Autor) sind den Streit am Ende gar nicht wert.

Lieber Gruß

der W.
 



 
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