Die Alte (gelöscht)

Retep

Mitglied
Hallo Marcus,

Geschichten "Horror und Psycho" verursachen normalerweise in mir keinerlei Emotionen, vielleicht habe ich schon mit zu viel Horror real zu tun gehabt.
Bei deiner Geschichte ist das anders, sie hat mich in eine für mich merkwürdige Stimmung versetzt.

Gekonnt lässt du beim Leser Bilder entstehen, zeigst, anstatt nur zu erzählen.

Ich habe die Geschichte mehrmals gelesen, verstehe Manches nicht, versuche zu deuten. Ich vermute, dass du das beabsichtigst.

Ich glaube, ich muss den Text noch länger auf mich wirken lassen.


Kleine Anmerkungen und Korrekturen:

a. Was ich rot markiere, würde ich anders formulieren.
(Ob es dann besser wäre, ist allerdings fraglich))


b. Was ich blau marliere, sind Korrekturen, da bin ich mir
sicherer.

- Einmal hatte sie Kötern wie diesem [blue],[/blue] ohne mit der Wimper zu zucken [blue],[/blue] den Hals umgedreht.

- Sie stand auf und badete [red]sich[/red],

- Als sie auftauchte [blue],[/blue] war es kaum mehr als ein einziger weißer Punkt

- [red]der sich noch über den Horizont zu recken schien[/red]
(Ein Punkt soll sich recken ?)

- Ein paar[red],[/red] von einer Laterne in ihrem Tageszyklus gestörte Singvögel tschirpten müde

- und den [red]schönen Morgentau [/red]auf ihren Lippen sah.

- wie ein[blue]en[/blue] Katzenbalg erstickt

- Als sie die Wohnung verlie[blue]ß[/blue],

- eine [red]vogelgescheuchte[/red] Dame

- Es hatte den To[blue]d[/blue] auf Gesicht

- Ihr Blick glich [red]einer Frucht, die es zu pflücken galt
[/red].

- in einem sinnlosen [blue]Hinundher[/blue]

- Er griff sich ins Haar, das schütter war [blue],[/blue]
und

- Erst in den [blue]L[/blue]inken und dann in den Rechten!

Gruß

Retep
 
Hallo Retep,

danke erstmal für die Korrektur. Habe vieles übernommen und auch über den sich reckenden Punkt nachgedacht. Wenn ich nun schreibe, dass der Punkt sich am Horizont festzuklammern scheint, dann ist das natürlich auch nicht sauber, und ich glaube, ein Punkt kann so eigentlich gar nichts, außer ein Punkt sein. Aber gut, mein Punkt kann!

Was die Aussagekraft von Horrorgeschichten angeht, kann ich dir ruhigen Gewissens sagen, dass man die Perlen dieses Genres mit der Lupe suchen kann. Was aber nicht weiter verwunderlich ist, da es ja gerade eine der herausstechensten Eigenschaften der Horrorliteratur ist, dass sie eben in erster Linie unterhalten SOLL! Das gefällt mir manchmal auch nicht, weil ich eben auch nicht immer unterhalten WILL! Aber man darf froher Hoffnung sein, weil es noch immer gute und sehr gute Autoren gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen oder daran anlehnen.
Ich weiß zum Beispiel, dass Gert Loschütz einen sehr guten Erzählband herausgegeben hat(das erleuchtete Fenster). Gert Loschütz ist bestimmt kein Horrorautor(um Gottes Willen!), aber als ich ihn gelesen habe, war ich von der Bedrohlichkeit seiner Texte überwältigt. DAS war Horrorliteratur OHNE Horror.
Und ich glaube, das ist es, was du meinst.
Ließe man alle Klischees bei einer Horrorgeschichte fort, müßte man sich ja vielleicht mit dem Leben auseinandersetzen, oder???

Nurnoch so viel, denke nur nicht zuviel über den Text nach, am Ende ist es immer wie mit der Zwiebel. Oder wie mit einem Zaubertrick - wenn man weiß, wie er funktioniert, ist er langweilig.

freundl. Grüsse,
Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Hallo Marcus

Unterschwelliger, verstörender Horror, in einer eleganten Sprache geschildert. Muss man mehr als einmal lesen, damit man es fassen und verdauen kann. Aus diesem Satz: ‚Ein paar von einer Laterne in ihrem Tageszyklus gestörte Singvögel tschirpten müde’ könnte man vielleicht zwei draus machen, damit es sich etwas flüssiger liest. Ich würde den Satz nicht gerade als Schachtelsatz bezeichnen, aber er ist vielleicht eine Vorstufe davon. Es ist immer ein bisschen schade, wenn das Kopfkino so schön abläuft und dann das Gehirn über so was stolpert und das Bild vor dem geistigen Auge zu schwanken beginnt. Das hier ist grauslich gut: '(…) im Zimmer nebenan riss sich die Frau die Haare aus. In blutigen Büscheln fielen die bewachsenen Inseln zu Boden’. *schauder*.
Auch dieser Satz hier unterstreicht wieder den bisweilen sehr subtilen Horror: '(…) und er glaubte in diesem Augenblick etwas im Schatten ihrer Iris zu erkennen, dass ihn vor Angst um den Verstand brachte’.
Alles in allem eine sehr gelungene, gut erzählte Horror-Geschichte, die Fragen offen lässt – und das ist gut so.

Herzliche Grüsse,
Markus
 
Hallo Markus,

die Singvögel sollten eigentlich schon längst der Schere zum Opfer fallen. Hab mich aber bis jetzt noch nicht dazu durchringen können. Schließlich finde ich die Sache doch ziemlich poetisch, wenn eine "alte Dame" - "tote Tiere" - "in den Rinnsteig fegt". Werde also sehen, ob sich aus einem Satz auch zwei machen lassen.

Dass der Text offen bleibt, finde ich auch nicht verkehrt, schließlich gibt es kein Motiv, nur ein so sein der Geschehnisse. Ich persönlich erahne in der Alten eine Art Gewissen der Natur, einen alten Geist, der in seiner Moral schwer zu verstehen ist. Ähnlich also wie die Natur, der sich nur schwer ein Motiv und eine Moral unterjubeln lassen, verhält es sich mit der Alten. Sie ist da, nicht mehr und nicht weniger.

Mit dieser Einschätzung möchte ich bei dem Text auch verbleiben. Ich finde das Thema Besprechung sowieso ziemlich dankbar. Auch ohne dass man viel hinein interpretiert. Schließlich stecken Mystik und die Angst vor den Mächten der Alten von sich aus in dem Thema.

Wer weiß, vielleicht geht er da irgendwann mal ins Detail.

Mit freundl. Grüssen,
Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Marcus,
Diese Alte, dieses Ur-Weib als Metapher für die Natur oder den Geist der Natur ist sehr interessant. Fasziniert hat mich der Gegensatz zwischen dem (vermutlich) ewig jungen Gesicht und dem uralten, welken Körper der Prot. Der schöne Schein des Seins, die hübsche, blendende Kulisse, die alle Hässlichkeit wie in einem Müllsack (!) unter den Kleidern versteckt und kaschiert. Da wird man in der Tat an die Natur erinnert, die, wie du sagst, jenseits jeder Moral agiert, die ja auch von uns Menschen ihren Tribut fordert, ohne zu fragen, WAS zu geben wir ihr bereit sind. -
Ich glaube, es gibt letzten Endes mehr als eine Lesart deiner Geschichte und das macht sie komplex und gut.
LG, Markus
 

FrankK

Mitglied
Hallo Marcus

Ein paar kleine Stolpersteinchen, die Retep schon bemerkt hatte, solltest Du doch noch einmal nachbessern.
Die Singvögel darfst Du auf keinen Fall entfernen. Sie geben ein plastisches Bild für die Wahrnehmungsfähigkeit der "Alten" und zeigen mehr als deutlich, jeder kleinste Eingriff des Menschen in die Natur hat Folgen.
Allerdings:
Ein paar von einer Laterne in ihrem Tageszyklus gestörte Singvögel tschirpten müde.
Der Satzaufbau ist verbogen, besser wäre es, den Satz umzustellen:
"Ein paar Singvögel, von einer Laterne in ihrem Tageszyklus gestört, tschirpten müde."

Die Geschichte ist nicht der übliche Horror, macht aber doch Nachdenklich und hinterlässt seine Spuren.

Hallo Markus
Diese Alte, dieses Ur-Weib als Metapher für die Natur oder den Geist der Natur ist sehr interessant.
...
Der schöne Schein des Seins, die hübsche, blendende Kulisse, die alle Hässlichkeit ...
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. In der Natur sehen wir die "Schönheit" nur an der Oberfläche, dort möchte ich aber nicht von einer Kulisse sprechen. Die Natur hat es nicht nötig, "Hässlichkeit" zu verstecken. Wieviel Schönheit findet sich in Höhlen oder tief unter der See?

Danke für die Kurzweilige Ablenkung aus dem Alltag.

Viele Grüße
Frank
 
uijuijui,

jetzt wirds kompliziert. Aber erstmal danke, FrankK, für den guten Satzumbau und dass du Mut machst, Athmosphäre zu schaffen.

Aber was die Natur angeht, kommen wir natürlich nun an einen Punkt, an dem sich Begrifflichkeit und Realität(wenn man das überhaupt sagen kann, also mit Begriffen) doch arg in die Quere kommen. Meine Überzeugung ist die, das die Begriffe, die wir benutzen, also z.B. "schön", nicht dazu dienen, einen Gegenstand zu beschreiben, also "ihm" eine Eigenschaft zuzuordnen, sondern vielmehr uns selbst. Nicht der Baum ist schön, sondern unser Empfinden beim Betrachten desselben, ist ein solches. Wir sagen zwar, "die Blume ist schön", meinen aber nur, dass wir sie persönlich schön finden. Ähnlich ist es mit der Wahrheit, der Gerechtigkeit und vielleicht mit allem, mit dem wir sprachlich umgehen. Also kann man entweder sagen, nichts ist, oder alles ist - schön z.B. oder hässlich oder Natur.

Freuen wir uns lieber darüber, dass es eine Sprache als solches überhaupt gibt, und dass wir einander verstehen, auch wenn wir manchmal nicht "dieselbe Sprache" sprechen.
Das ist doch auch irgendwie das Schöne daran, dass wir gar nicht wissen, ob unsere Sprache hinlänglich genug ist, die Welt zu beschreiben -
aber wir wissen ziemlich gut, dass sie es für uns ist.

Danke auch dir für den kurzweiligen Gedankengang.

Freundl. Grüsse,
Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Hallo Marcus

Ich würde auch dafür plädieren, die Vögel zu belassen. Ist gut für die Atmosphäre der Geschichte.

Hallo Frank

Da Du die Höhle erwähnst ... Bin wohl einer von Platons letzten überlebenden Höhlenbewohnern. (Wir sehen die Dinge nicht wie sie sind, sondern wie wir sind. Da ich mir manchmal selbst das grösste Rätsel bin, wie sollte mir da die Natur mit ihren JA: Kulissen! keines sein? Die Welt ist doch die Bühne, auf der wir unser zumeist trauriges Schauspiel abziehen und jede Bühne besitzt gemeinhin eine Kulisse).

Gruss, Markus
 



 
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