Am Anfang lief alles wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich brach auf in ein neues Land und baute mir ein neues Leben auf. Ich habe mir eine Stadt gesucht, die mir gefällt und einen Beruf, der zu mir passt. Ich lebte ein normales Leben, ein Leben, das ich so noch niemals gelebt hatte. Frei und ohne ständige Angst. Wenn mir die Polizei auf der Straße begegnet, fühle ich diese unglaubliche Erleichterung. Nein, sie können mir jetzt nichts mehr anhaben. Ich bin kein Staatsfeind mehr.
Aber vor ein paar Tagen änderte sich plötzlich alles. Nach einem angenehmen Cocktailabend fuhr ich mit dem Taxi nach Hause. Ich saß hinten und sah nach draußen. Meine Stadt lag ruhig da und schien aus einem einzigen Lichtermeer zu bestehen. Als ich plötzlich in den Rückspiegel sah, zuckte ich zusammen und hielt vor Schreck den Atem an. Der Taxifahrer, war das nicht Dimitri? „Haben Sie etwas?“, fragte mich der Fahrer und drehte sich um. Ich schluckte und atmete weiter. Nein, er war es doch nicht. In dem kleinen Ausschnitt des Rückspiegels und mit der spärlichen Beleuchtung hatte er nur so ausgesehen. „Nein, es ist alles gut“, sagte ich. Doch immer wieder hatte ich den Eindruck, dass mich der Taxifahrer hinterhältig angrinste, als habe er etwas Böses mit mir vor. Schließlich forderte ich ihn auf, mich rauszulassen. „Aber wir sind noch gar nicht da!“, sagte er. „Lassen Sie mich gefälligst aussteigen!“, sagte ich gereizt.
Ich lief den Rest nach Hause und dachte über Dimitri nach. Eigentlich konnte es gar nicht sein. Man würde ihn niemals laufen lassen. Nicht diese Leute und nicht Dimitri. Der Taxifahrer musste recht gehabt haben, ich hatte ihn nur verwechselt.
Noch vor zwei Jahren saßen Dimitri und ich zusammen in unserem Büro und schimpften über unsere Regierung, die das Land nach und nach kaputt machte. Korruption und Ungerechtigkeit, nur weil so ein paar Idioten unser Land wieder vierzig Jahre in die Vergangenheit versetzen wollen.
Während die meisten nichts unternahmen, wollten wir nicht einfach nur zusehen. Wir schrieben Artikel in Zeitungen, wir gingen auf die Straße und wir versuchten, den Leuten klar zu machen, was in ihrem Land passierte. Aber damit wurden wir Staatsfeinde und unser Leben gefährlich. Trotzdem, wir wollten es so, weil jemand etwas unternehmen muss, wenn das Land den Bach runter geht und Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit verteidigt werden müssen. Der Glaube daran, dass unser Land wieder besser werden wird war größer als die Angst vor ihren Polizisten.
Als ich dann zu Hause ankam, sah ich Dimitri schon in meinem Wohnzimmer sitzen. Er guckte mich mit einem Grinsen an. „Hast du einen schönen Abend gehabt?“ fragte er höhnisch. „So ein Leben mit all diesen tollen Möglichkeiten ist bestimmt sehr erfüllend, oder?“ Ich konnte seine Ironie richtig spüren. „Es ist jedenfalls besser als die ganze Zeit auf der Hut sein zu müssen, dass man etwas Falsches sagt und geschnappt wird!“, gab ich trotzig zurück. „Ja ist es das? Das hast du früher anders gesehen!“, stichelte er weiter. „Dimitri, verschwinde aus meinem Leben!“, rief ich verzweifelt, aber er reagierte nicht.
Also versuchte ich, ihn nicht zu bekämpfen, sondern vernünftig mit ihm zu reden. „Dimitri, es tut mir leid. Ich habe es ja auch nicht gewollt. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man tagelang in so einer verdammten Zelle sitzt. Es ist dunkel, es ist kalt, du hast nichts zu essen und immer wieder schleifen sie dich ins Verhör und stellen Fragen. Ich hatte solche Angst.“ „Ach, das tut mir aber leid. Da haben die dich wirklich gefoltert. Ich dachte, die machen nur Spaß!“, lachte er mich aus. „Nein, du verstehst es nicht, du hast ja nie in so einem Ding drin gesessen.“ „Hast du wirklich geglaubt, wir würden diese ganze Sache mit ein paar Flugblättern schaffen? Nein, dazu gehört mehr, viel mehr. Viele von uns haben die geschnappt und niemand hat geflüstert. Aber dich haben sie herum bekommen, weil du zu schwach warst, hörst du, du warst zu schwach!“ Er war aufgestanden und schrie mich an. „Nein, so war es nicht, hör doch auf damit!“, schrie ich zurück. „Zu schwach!“, rief er noch immer und sein Blick bohrte sich in meine Augen. Ich wusste mir nicht mehr zu helfen und warf mit einer Flasche nach ihm, die klirrend an der Wand zersprang. Dann war es ganz still in der Wohnung. Es klingelte. Ich öffnete. Der Nachbar. „Was ist das denn für ein Lärm?“, fragte er ernst. „Ich habe Besuch.“ Er sah über meine Schulter hinein ins Wohnzimmer. „Ach wirklich? Ich sehe aber niemanden bei ihnen! Also sehen Sie mal zu, dass Sie ein bisschen ruhiger werden. Ich habe keine Lust, die Polizei wegen eines lärmenden Betrunkenen rufen zu müssen!“ Dann ging er. Ich schloss die Tür. „Dimitri?“, fragte ich flüsternd. Keine Antwort. An diesem Abend tauchte er nicht mehr auf.
Am nächsten Morgen stieg ich in die Straßenbahn ein. Dort stand er wieder. „Hallo“, sagte er. „Hallo“, sagte ich und bemerkte, wie die Leute mich ansahen, weil ich mit niemandem zu reden schien. „War ganz schön heftig gestern, was?“ „Kann man wohl sagen!“ Ich versuchte, möglichst wenig zu sagen. „Ich würde auch lieber hier leben als dort, wo wir gewohnt haben. Du hast dich ganz nett hier eingerichtet.“ Ich versuchte, ihn zu ignorieren. „Aber ich würde für ein Visum und ein bisschen Geld nicht meine Freunde verraten.“ „Hau doch ab!“, schrie ich durch die Bahn. „Ich gehe. Aber ich werde wieder kommen. Wir sind doch Freunde. Und Freunde lässt man nicht alleine.“ Ich bemerkte, wie die Leute mich ansahen. Ich stieg lieber aus und nahm die nächste Straßenbahn. Dimitri fuhr weiter.
Seitdem verfolgt er mich und manchmal auch die anderen aus unserem Büro. Immer wenn ich sie wieder zu sehen glaube, versuche ich, nicht auf sie zu reagieren. Ich habe mit Psychologen gesprochen. Sie sagen, ich hätte eine anstrengende Zeit hinter mir und diese Erscheinungen seien noch Nachwirkungen davon. Sie seien ein Spiegelbild meines Schuldbewusstseins und würden erst verschwinden, wenn ich mir mein Verhalten vergeben habe. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.
Aber vor ein paar Tagen änderte sich plötzlich alles. Nach einem angenehmen Cocktailabend fuhr ich mit dem Taxi nach Hause. Ich saß hinten und sah nach draußen. Meine Stadt lag ruhig da und schien aus einem einzigen Lichtermeer zu bestehen. Als ich plötzlich in den Rückspiegel sah, zuckte ich zusammen und hielt vor Schreck den Atem an. Der Taxifahrer, war das nicht Dimitri? „Haben Sie etwas?“, fragte mich der Fahrer und drehte sich um. Ich schluckte und atmete weiter. Nein, er war es doch nicht. In dem kleinen Ausschnitt des Rückspiegels und mit der spärlichen Beleuchtung hatte er nur so ausgesehen. „Nein, es ist alles gut“, sagte ich. Doch immer wieder hatte ich den Eindruck, dass mich der Taxifahrer hinterhältig angrinste, als habe er etwas Böses mit mir vor. Schließlich forderte ich ihn auf, mich rauszulassen. „Aber wir sind noch gar nicht da!“, sagte er. „Lassen Sie mich gefälligst aussteigen!“, sagte ich gereizt.
Ich lief den Rest nach Hause und dachte über Dimitri nach. Eigentlich konnte es gar nicht sein. Man würde ihn niemals laufen lassen. Nicht diese Leute und nicht Dimitri. Der Taxifahrer musste recht gehabt haben, ich hatte ihn nur verwechselt.
Noch vor zwei Jahren saßen Dimitri und ich zusammen in unserem Büro und schimpften über unsere Regierung, die das Land nach und nach kaputt machte. Korruption und Ungerechtigkeit, nur weil so ein paar Idioten unser Land wieder vierzig Jahre in die Vergangenheit versetzen wollen.
Während die meisten nichts unternahmen, wollten wir nicht einfach nur zusehen. Wir schrieben Artikel in Zeitungen, wir gingen auf die Straße und wir versuchten, den Leuten klar zu machen, was in ihrem Land passierte. Aber damit wurden wir Staatsfeinde und unser Leben gefährlich. Trotzdem, wir wollten es so, weil jemand etwas unternehmen muss, wenn das Land den Bach runter geht und Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit verteidigt werden müssen. Der Glaube daran, dass unser Land wieder besser werden wird war größer als die Angst vor ihren Polizisten.
Als ich dann zu Hause ankam, sah ich Dimitri schon in meinem Wohnzimmer sitzen. Er guckte mich mit einem Grinsen an. „Hast du einen schönen Abend gehabt?“ fragte er höhnisch. „So ein Leben mit all diesen tollen Möglichkeiten ist bestimmt sehr erfüllend, oder?“ Ich konnte seine Ironie richtig spüren. „Es ist jedenfalls besser als die ganze Zeit auf der Hut sein zu müssen, dass man etwas Falsches sagt und geschnappt wird!“, gab ich trotzig zurück. „Ja ist es das? Das hast du früher anders gesehen!“, stichelte er weiter. „Dimitri, verschwinde aus meinem Leben!“, rief ich verzweifelt, aber er reagierte nicht.
Also versuchte ich, ihn nicht zu bekämpfen, sondern vernünftig mit ihm zu reden. „Dimitri, es tut mir leid. Ich habe es ja auch nicht gewollt. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man tagelang in so einer verdammten Zelle sitzt. Es ist dunkel, es ist kalt, du hast nichts zu essen und immer wieder schleifen sie dich ins Verhör und stellen Fragen. Ich hatte solche Angst.“ „Ach, das tut mir aber leid. Da haben die dich wirklich gefoltert. Ich dachte, die machen nur Spaß!“, lachte er mich aus. „Nein, du verstehst es nicht, du hast ja nie in so einem Ding drin gesessen.“ „Hast du wirklich geglaubt, wir würden diese ganze Sache mit ein paar Flugblättern schaffen? Nein, dazu gehört mehr, viel mehr. Viele von uns haben die geschnappt und niemand hat geflüstert. Aber dich haben sie herum bekommen, weil du zu schwach warst, hörst du, du warst zu schwach!“ Er war aufgestanden und schrie mich an. „Nein, so war es nicht, hör doch auf damit!“, schrie ich zurück. „Zu schwach!“, rief er noch immer und sein Blick bohrte sich in meine Augen. Ich wusste mir nicht mehr zu helfen und warf mit einer Flasche nach ihm, die klirrend an der Wand zersprang. Dann war es ganz still in der Wohnung. Es klingelte. Ich öffnete. Der Nachbar. „Was ist das denn für ein Lärm?“, fragte er ernst. „Ich habe Besuch.“ Er sah über meine Schulter hinein ins Wohnzimmer. „Ach wirklich? Ich sehe aber niemanden bei ihnen! Also sehen Sie mal zu, dass Sie ein bisschen ruhiger werden. Ich habe keine Lust, die Polizei wegen eines lärmenden Betrunkenen rufen zu müssen!“ Dann ging er. Ich schloss die Tür. „Dimitri?“, fragte ich flüsternd. Keine Antwort. An diesem Abend tauchte er nicht mehr auf.
Am nächsten Morgen stieg ich in die Straßenbahn ein. Dort stand er wieder. „Hallo“, sagte er. „Hallo“, sagte ich und bemerkte, wie die Leute mich ansahen, weil ich mit niemandem zu reden schien. „War ganz schön heftig gestern, was?“ „Kann man wohl sagen!“ Ich versuchte, möglichst wenig zu sagen. „Ich würde auch lieber hier leben als dort, wo wir gewohnt haben. Du hast dich ganz nett hier eingerichtet.“ Ich versuchte, ihn zu ignorieren. „Aber ich würde für ein Visum und ein bisschen Geld nicht meine Freunde verraten.“ „Hau doch ab!“, schrie ich durch die Bahn. „Ich gehe. Aber ich werde wieder kommen. Wir sind doch Freunde. Und Freunde lässt man nicht alleine.“ Ich bemerkte, wie die Leute mich ansahen. Ich stieg lieber aus und nahm die nächste Straßenbahn. Dimitri fuhr weiter.
Seitdem verfolgt er mich und manchmal auch die anderen aus unserem Büro. Immer wenn ich sie wieder zu sehen glaube, versuche ich, nicht auf sie zu reagieren. Ich habe mit Psychologen gesprochen. Sie sagen, ich hätte eine anstrengende Zeit hinter mir und diese Erscheinungen seien noch Nachwirkungen davon. Sie seien ein Spiegelbild meines Schuldbewusstseins und würden erst verschwinden, wenn ich mir mein Verhalten vergeben habe. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.